Ihre Kritik ist richtig bezüglich des Bemühens, der Bibel nicht zu widersprechen.Ich gehe davon aus, dass sie klüger ist als ich, und sie umfasst ja das Erfahrungswissen von vielen Glaubenden über mehr als ein Jahrtausend hinweg.
Zur Klärung: Man kann ein Nein zum ewigen Leben ebensowenig beweisen wie ein Ja. In diesem Sinn sage ich auch ein Ja zu Carrells "Lass dich überraschen."
Alle Autoren des Neuen Testaments sind sich der Hoffnung darauf sicher. Ich verlor diesen Glaubend durch mein Theologie- und Philosophiestudium. Erst dachte ich, damit ist kein Platz für mich in der Kirche mehr. Dann überlegte ich, dass die Juden von Abraham bis zu den Makkabäern an keine Auferstehung nach dem Tod dachten und doch groß im Glauben waren und bis heute durchhielten.Ich untersuchte daher, ob man auch katholisch sein kann, wenn man kein ewiges Leben erwartet, weil das heute viele so nüchtern sehen. Und vielleicht könnte man ihnen eine Alternative zeigen. Ich verglich es mit der Freiheit eines Paulus, Heiden ins Gottesvolk aufzunehmen ohne die Beschneidung. Kann man Christ sein ohne ...? Natürlich fand ich dann auch manche Autoren, die ähnlich formulierten, etwa Sören Kierkegaard ( in "Furcht und Zittern" und ganz ausführlich in der "Unwissenschaftlichen Nachschrift" zu den "Philosophischen Brosamen").
Fündig wurde ich bei der katholischen quietistischen Mystik, die bewusst auf einen Lohn für das Gott-lieben verzichtet, um die Liebe rein zu halten. Das ist eine ethische Haltung, mit der man dem Dogma grundsächlich nicht widerspricht, sondern dieses geradezu voraussetzt. Diese Mystiker, zu denen ein philosophisch bedeutsamer Erzbischof gehört (Fenelon), sagten: I c h will nicht in den Himmel, selbst wenn mich Gott reintun will. Es haben zudem manche, die meiner Kirche als Heilige gelten, gesagt, sie wollten lieber in die Hölle zu den Leidenden. Es konnte sich bisher auch niemand vorstellen, wie eine Mutter sich im Himmel freuen könnte, dass ihr 'missratener' Sohn in der Hölle ist.
Es gibt auch wichtige und lösbare Fragen: Jesus war Jude und starb als Jude. Er glaubte ein Reich Gottes auf Erden, das schon da ist, aber noch wachsen wird. Dieses schon gegenwärtige Reich musste verbunden werden mit der jüdischen Vorstellung vom Gericht über die Völker, das zugleich die Erlösung der Juden wäre. Was ist der Ort für dieses Reich? Offensichtlich nicht der Staat oder der Krieg der Zeloten gegen Rom. Jesus fing mit 12 Schülern an, seine Gedanken im jüdischen Gottesvolk zu verbreiten. Es ging um eine Einsicht und nicht um eine politische Tat, die fälschlich zum Hinrichtungsgrund wurde. Der Einwand der Juden, die Welt habe sich dadurch nicht verändert, folglich war auch Jesus ein falscher Messias, weicht aus. Alles passiert durch unser Mittun, Gott greift nicht anders ein.
Ich weiß, dass meine (konvertierte) Großmutter und meine Mutter jeden mühseligen Tag im Blick auf den Himmel bewältigten und mit Freude an die Ewigkeit dachten, meine - am Ende erblindete - Großmtter wollte dort alle zahllosen Sterne bereisen und sah keine Angst vor der langweiligen Ewigkeit; von dieser Vorfreude her nahmen sie das Maß für ihr Leben, das sehr nächstenliebend war. Mir ist dieser Glaube so nicht mehr beschieden gewesen. Ich setze mutig auf die gleiche Sache mit meinem "Auch wenn nicht". So kann man mir nicht mit dem Opium-Vorwurf kommen, der mir schon in der Jugend den Gräberkult der Sippen fragwürdig machte.
Ludwig Weimer
|