Dann äußere ich mich mal zu einem Thema, von dem ich noch weniger Ahnung habe als von den anderen... Natürlich (in der Hoffnung, dass hier keine Netz-Feministinnen mitlesen) interessieren sich weit mehr Frauen als Männer für Mode. Und ich werfe wohl auch nicht hundert Jahre Soziologie über den Haufen, wenn ich mutmaße, dass für Frauen Kleidung sowohl eine Form des Ausdrucks darstellt als auch eine der Selbstvergewisserung, und das auch noch mit vielen Emotionen verbunden. Für viele Frauen ist ihre Kleidung wirklich eine zweite Haut, und wenn da etwas aus irgendwelchen Grünen nicht passt, z.B. weil eine andere Frau gleich gewandet ist, fühlen sie sich in der nicht wohl. Aber wenn man das trägt, was die gerade angesagten Ikonen der Klatschpresse tragen (und man ungefähr in demselben Alter ist und auch wenigstens ungefähr eine ähnliche Figur hat...), dann kann frau doch nichts falsch machen. Allerdings bezweifle ich das Massenphänomen. Ja, es werden schon viele sein, schließlich ist das englische Königshaus eine Weltmarke, aber wie hoch dürfte der Anteil der Frauen sein, die sich ein 1.300-Dollar-Kleid kaufen wollen, nur weil die gute Meghan so eins mal anhatte? Auf welche Auslastung wird ein Webshop eines australischen Labels, das Kleider in dieser Preiskategorie anbietet, wohl eingerichtet sein? Und wie viele Exemplare des Kateschen Kleids wird Zara wohl hergestellt haben - bevor man dort wusste, dass man so eine prominente Werbeträgerin bekommen würde? Schließlich will man auf den Dingern auch nicht sitzen bleiben, wenn sie sich als Langsamdreher entpuppen. Also: Es werden schon viele Frauen für diese Phänomene gesorgt haben, aber die verteilen sich über die (industrialisierte - andere haben für sowas keine Zeit und kein Geld) Welt. Ich bezweifle, dass man z.B. in Deutschland eine nennenswerte Anzahl zusammen bekäme.
Und ehrlich: Kann es für eine Frau so erstrebenswert sein, in der Öffentlichkeit als Kate- oder Meghan-Nachäfferin aufzutreten? Ich schätze mal, sowas ziehen die dort an, wo man auf den Zusammenhang nicht so schnell kommt, und genießen das dann still...
Zu den Männern: Nun ja. Meiner Erfahrung nach bringen Männer eine ähnlich emotionale Bindung zu Kleidungsstücken nur für solche Stücke auf, die ihre jeweilige Partnerin am liebsten sofort verbrennen würde. Irgendwelche speckigen, abgelatschten, ausgefranzten, löchrigen und hoffnungslos altmodischen Teile, die aber doch soooo bequem sind und soooo viele Jahre treue Dienste leisteten... "Gute" Kleidung wird nur emotionslos und taktisch-strategisch eingesetzt. Wahrscheinlich gibt es Anzug-Liebhaber auch außerhalb von "How I Met Your Mother", aber auch hier: viele doch eher nicht, oder? Wer auf ein bisschen Show-Business angewiesen ist, also Jungspunde auf dem Weg nach oben, Manager-Selbstdarsteller, Vertriebler, Berater, sogar der eine oder andere Politiker (Brioni anyone?), wählt seine Kleidung aus einem jeweils bereitstehenden Set, das genau das unterstreicht, was sie zu spielen beabsichtigen. Man sendet das Signal aus und rechnet fest damit, dass es registriert wird. Emotionen? Null. Und deswegen musste sich da auch nicht groß was ändern - es ist ja nur jeweils eine einzige Nachricht, die immer wieder neu übermittelt wird. Und da eine dieser Botschaft die ist, dass man in der Lage ist, mit der Zeit zu gehen, wird eben immer mal wieder irgendein Detail verändert, zum Wohle der Bekleidungsindustrie und derer, die ihr modisches Bewusstsein zeigen wollen.
Aber man zeige mir die Mode, die die komplexe Persönlichkeit auch nur einer einzigen Frau in der Lage wäre, komplett auszudrücken. Die wird es nie geben, und deswegen gibt es auch immer wieder neue Anläufe, auch von Altem, das man eben nochmal in den Ring wirft.
Und wenn man den Botschaften der Wirtschaftsmagazine Glauben schenken möchte, entfällt so langsam auch der letzte Grund für männliche Dresscodes. Wer ohne Krawatte herum läuft, zeigt, dass er das mit der Digitalisierung begriffen hat. Wahrscheinlich müssen wir auch nicht mehr lange auf die ersten Hoodies in den Chefetagen warten. Aber okay, das gilt für Deutschland, das Land der Ballonseidenanzüge, Jogginghosen, Funktionsjacken und beiger Rentner-Uniformen. In Italien z.B. wird man das nie mitmachen, aber das ist ein anderes Thema.
P.S.: Sitze natürlich mit Jogging-Hose und Sweatshirt vor dem Rechner. Ist soooo bequem... -- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
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