Zitat von F. HoffmannWas Galilei angeht scheint mir, dass er wissenschaftlich sagen durfte, was er wollte, was zu seiner Zeit eigentlich ganz toll war. Das heliozentrische Weltbild war zumindest den Gelehrten bekannt und wurde nicht von der Inquisition bekämpft.
So war es leider nicht, lieber F. Hoffmann.
Es stimmt, daß die Heiligen Kongregation zunächst Galilei gewähren ließ; wohl in der Erwartung, er werde eine geringe Wirkung in der Öffentlichkeit haben. Aber schon das Edikt der Heiligen Kongregation vom 16. März 1616 verbot nicht nur eine Reihe von Schriften. (Das De revolutionibus orbium von Kopernikus übrigens wurde interessanterweise nur suspendiert, bis seine Irrtümer korrigiert seien). Sondern darin wird auch das heliozentrische Weltbild eindeutig verurteilt und seine Verbreitung untersagt:
Zitat von Heilige Kongregation...weil es auch zur Kenntnis ... der Hl. Kongregation gelangt ist, daß jene falsche und der Hl. Schrift gänzlich entgegenstehende pythagoreische Lehre von der Bewegung der Erde und dem Stillstand der Sonne ... sich schon verbreitet und von vielen übernommen wird ..., hat sie daher beschlossen, damit eine derartige Lehre nicht zum Verderben der katholischen Lehre um sich greife, daß besagte Bücher ...
Es folgen die Suspendierungen.
Also, das heliozentrische Weltbild wurde schon "von der Inquisition", dh von der Heiligen Kongregation "bekämpft". In der "Ermahnung" vom 16. Februar 1616 an Galilei heißt es laut Protokollnotiz:
Zitat von Protokollnotiz... gebot und befahl der obengenannte Pater Kommissar ... Galilei ... ausdrücklich im Namen unseres Herrn ..., daß er die obengenannte Meinung, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt und unbeweglich und die Erde bewege sich, gänzlich aufgebe und sie in Zukunft nicht aufrechterhalte, lehre oder verfechte ...
Entschuldigen Sie, lieber F. Hoffmann, die vielen Auslassungen. Der Stil ist von barocker Umständlichkeit, und ich wollte das nicht alles abtippen.
Zitat von F. HoffmannEr hat sich dann aber wohl auf´s politische Glatteis begeben, als er thematisierte, dass manche Dinge in der Bibel nicht zu seinen Erkenntnissen passten. Da hat er sich in seiner Zeit doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt.
Das ist auch nicht richtig. Er hat im Gegenteil gesagt, daß das kopernikanische Weltbild nicht im Widerspruch zur Bibel steht. (So, wie es die Katholische Kirche heute ja auch lehrt).
Galilei hat sich überhaupt von sich aus nicht zur Bibel geäußert, sondern sich immer nur mit den Aristotelikern angelegt. Nur als man ihm vorwarf, daß die (in diesem Thread schon ausgiebig diskutierte) bekannte Stelle im Buch Josua das ptolemäische Weltbild beweise, hat er gezeigt, daß sie im Gegenteil zu diesem im Widerspruch steht.
Allerdings stimmt, daß bei der Verfolgung Galileis nicht nur eine Rolle spielte, daß er zugunsten des kopernikanischen Weltbilds argumentierte. Es ging wesentlich wohl auch um die Art, wie er es tat. Nämlich dadurch, daß er unverdrossen an den Verstand seine Hörer und Leser appellierte.
Galilei griff die Peripatetiker auf eine Art an, die in der Tat antiautoritär war:
Mit teilweise schneidend ironischer Widerlegung ihrer Argumente; mit dem immer wiederkehrenden Appell an seine Hörer und Leser, sich selbst von der Richtigkeit von Sachverhalten und Argumenten zu überzeugen. Das war in der Tat subversiv.
So, lieber F. Hoffmann, wie ja Appelle an Vernunft und an Selbstdenken auch heute noch subversiv sind.
Zitat von F. HoffmannWas Herrn Zander angeht, so habe ich sein Buch "Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition" mit Vergnügen gelesen.
Wie schon geschrieben, schätze ich Zander als einen geistreichen, witzigen und auch kenntnisreichen Journalisten. Ich habe jahrelang seine Beiträge zu der Sendung "Zeitzeichen" des WDR mit Vergnügen gehört.
Nur neigt er eben dazu, um der Pointe willen manches zuzuspitzen, es sehr einseitig darzustellen. Das darf er als Feuilletonist, als Meister der kleinen Form. Aber mit Wissenschaftsgeschichte sollte man das nicht verwechseln.
Noch eine allgemeinere Bemerkung:
Ich hätte, lieber F. Hoffmann, gar nicht gedacht, daß sich an Galilei immer noch die Geister scheiden, auch hier im Forum.
Und ich frage mich a bisserl, ob das nicht auch daran liegt, daß - ich habe das in meinem Artikel in ZR erwähnt - wir Galilei immer noch durch die Brille von Brecht sehen. Weil der ihn (ich habe mir das im einzelnen angesehen) tendenziös, um nicht zu sagen verzerrt darstellt, gibt es zu Recht eine Gegenbewegung in der Sicht auf Galilei.
Nur sollte man jetzt nicht den spiegelbildlichen Fehler machen und bestreiten, daß Galilei nur deshalb von der Heiligen Kongregation verfolgt und verurteilt wurde, weil er bestimmte wissenschaftliche Auffassungen und Argumente publiziert hatte.
Er war meines Erachtens als Vorläufer der Aufklärung durchaus Descartes ebenbürtig.
So, wie Descartes das exakte Denken repräsentierte, das zur Mathematisierung der Naturwissenschaften führte, so steht Galilei für das hypothesengeleitete Experimentieren, das Prüfen von Behauptungen an der Erfahrung, den Schluß von der Beobachtung auf allgemeine Gesetze. Das sind die beiden Grundlagen der Naturwissenschaften, wie sie sich im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten.
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