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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"  
Zettel

Beiträge: 20.200


24.01.2008 01:18
Ein sehr interssanter Text von Heinz Dieterich über die Lage in Venezuela Antworten

Zitat von soyo
Denjenigen, die Spanisch verstehen, empfehle ich den folgende Lektuere:
http://www.aporrea.org/tiburon/a46125.html
Man lese und staune; hier wird Chavez und das System von Heinz Dieterich kritisiert.

Das ist wirklich ein sehr interessanter Text, lieber soyo. Vielen Dank für den Link. Und herzlich willkommen im kleinen Zimmer!



Ich habe nicht die Zeit, den Text zu übersetzen, und dürfte das ja auch gar nicht ohne Erlaubnis. Aber zusammenfassen kann und darf ich ihn:

1. Die Möglichkeit eines Endes der Regierungen in Bolivien, Venezuela und Cuba zwischen 2008 und 2010

Chávez hat mit dem Scheitern des Referendums eine strategische Niederlage erlitten. Auch Evo hat in Bolivien eine strategische Niederlage erlitten, und die Situation in Cuba wird immer prekärer. Alle drei Regierungen könnten in den nächsten Jahren fallen.

Diese Situation muß mit kaltem Verstand analysiert werden, denn wir befinden uns in einem Krieg, und in einem Krieg nutzt der Feinde Schwächen im anderen Lager, um diesem die entscheidende Niederlage zuzufügen.

Die unnötige, vermeidbare Niederlage beim Verfassungs- Referendum in Venezuela ist das Ergebnis eines voreiligen Triumphierens, eines Voluntarismus und des Fehlens einer kritischen Diskussion. Wenn der revolutionäre Prozeß gerettet werden soll, dann müssen wir die Ursachen jetzt unnachsichtig analysieren.


2. Hauptursache der Niederlage war die Art, wie die Regierung geführt wird

2.1 Die Nationalversammlung

Sie ist nur ein Resonanzboden für den Willen des Präsidenten, ein Verein von Jasagern.

2.2 Die Partei und das Kabinett

Der Präsident nimmt nicht an den Kabinettsitzungen teil. Dort arrangieren sich die Bosse der Einheitspartei (PSUV) untereinander. Die herrschende Fraktion der Neuen Politischen Klasse hat ihre Finger überall drin, vom Flughafen Caracas über die Geheimdienste und das Militär bis zu wirtschaftlichen Aktivitäten. Der Präsident herrscht über das Kabinett, indem er mit den Ministern einzeln verhandelt und mit seinem Veto droht. Die Minister verhalten sich folglich opportunistisch. Die einzige Grundlage der Macht ist die Popularität des Präsidenten. Diese aber ist gefährdet.

In diesem System hat kein Minister wirkliche Verantwortung. Es wird nicht ernsthaft diskutiert.

Bezeichnend ist der Ausspruch eines Finanzministers: "Ich habe genug Geld. Stellen Sie Ihre Forderungen, sie sind schon im Vorhinein genehmigt".

Der Präsident wird in diesem Systm nicht über die wirkliche Lage informiert. Die Minister sind an der Kontrolle über die Bürokratie, aber nicht an Nähe zum Volk interessiert. Alle Entscheidungsprozesse müssen den Flaschenhals des Präsidialamts durchlaufen.

Es herrscht eine Atmosphäre des Hofschranzentums.

Das gilt auch international. [Und jetzt doch mal ein Stück wörtlich zitiert:]
Esa situación cortesana se reprodujo a nivel internacional, generándose un circuito internacional de aplaudidores intelectuales individuales, alimentados con premios culturales absurdos de 150.000 y 100.000 dólares, y colectivos, como algunas páginas web de izquierda, que suprimen o marginan todo debate crítico sobre el desarrollo de los procesos progresistas en Venezuela, Cuba y Bolivia.

Dieses Hofschranzentum setzt sich auf der internationalen Ebene fort. Man schafft sich einen internationalen Kreis von einzelnen Intellektuellen, die Beifall klatschen und die dafür mit absurden "Kulturprämien" von 150.000 und 100.000 Dollar belohnt werden, sowie von Kollektiven wie etlichen linken WebSites, die jede kritische Debatte über die Entwicklung der Umwandlungs- Prozesse in Venezuela, Cuba und Bolivien unterdrücken oder an den Rand drängen.



3. Die Warnsignale: Die Iden des März

Das Produkt, das den Bürgern "verkauft" werden sollte, die Verfassungsreform, war mangelhaft. Es enthielt absurde taktische Klauseln wie die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten und ökonomischen Unsinn wie die Reduktion der täglichen Arbeitszeit auf sechs Stunden.

Es waren Dinge vorgesehen, die sich nur realisieren ließen, wenn in Venezuela eine revolutionäre Diktatur herrschte, für die aber alle Voraussetzungen fehlen.


4. Eine Krise auf Leben und Tod im Jahr 2008

Washington wird versuchen, aus der gewonnenen Schlacht einen gewonnenen Krieg zu machen. Das wird zuerst in Bolivien versucht werden, wo die USA die Regierung schon fast schachmatt gesetzt haben. In Venezuela wird eine kritische Situation erreicht sein, wenn sich, wie zu erwarten, im Lauf des Jahres 2008 die Wirtschaftslage drastisch verschlechtert, sofern die Regierung nicht sofort Notmaßnahmen einleitet.

Die Inflationsrate liegt schon jetzt bei 18 Prozent und wird weiter steigen. Durch staatlich festgesetzte Niedrigpreise geraten Angebot und Nachfrage immer mehr aus dem Gleichgewicht; die Folge sind Schwarzmärkte, Korruption, Bürokratie und Verschwendung. Der Voluntarismus stößt an seine objektiven Grenzen, wie beim "großen Sprung nach vorn" in Maos China.


5. Wie läßt sich der Verlust der Regierungsmacht vermeiden?

Durch das Scheitern des Referendums ist die Macht des Präsidenten vierfach geschwächt: Gegenüber der inneren Opposition; gegenüber der Bürokratie, die schon Szenarien eines "Chavismus ohne Chavez" entwirft; in der internationalen Politik; gegenüber dem Militär. Ein Militärputsch ist möglich.

Um diese Entwicklung zu verhindern, muß das ganze Regierungssystem erneuert werden. Es muß pluralistisch werden und ein breites Bündnis aller nichtfaschistischen Kräfte einschließen.

Chávez wird für diesen Prozeß benötigt, kann aber nur erfolgreich sein, wenn er sich für eine kollektive Führung öffnet.


6. Die Vorhersagbarkeit der Politik

Ich (Heinz Dieterich) habe diese ganze Entwicklung seit August 2005 vorhergesagt. Es bedarf jetzt einr sofortigen großen Anstrengung, um den Krieg nicht zu verlieren.


- Ende der Zusammenfassung des Textes -




Kommentar: Wie viele kommunistische Intellektuelle analysiert Dieterich schonungslos die Schwächen eines sozialistischen Systems, bemerkt aber nicht oder will nicht bemerken, daß dies die Schwächen des Sozialismus selbst sind - Bürokratie, Korruption, Kadavergehorsam, Verarmung der Bevölkerung. Das sind alles zwangsläufige Folgen einer Machtausübung ohne Opposition und einer ineffizienten Planwirtschaft. Sie sind besonders massiv, solange diese politische und wirtschaftliche Diktatur einer noch nicht zerstörten bürgerlichen Gesellschaft und kapitalistischen Wirtschaft übergestülpt werden.

Das alles war 1982 ff in Frankreich zu besichtigen, als der letzte Versuch scheiterte, einen "friedlichen Weg zum Sozialismus" zu beschreiten. Damals riß Mitterand das Ruder herum und verzichtete auf den Sozialismus; die Kommunisten führten fortan ein Schattendasein. Die einzige Alternative wäre die vollständige kommunistisch-sozialistische Machtergreifung gewesen; wie überall in dieser Situation.



Was Dieterich zur Rettung der Revolution vorschlägt, ist albern, und vermutlich glaubt er selbst nicht daran.

Warum sollte sich ein "breites Bündnis" um dieses jetzt schon marode System scharen, wie er es schildert?

Da Dieterich sich in der Geschichte des Kommunismus auskennt, sollte er wissen, wie es allein weitergehen kann: Die Partei reißt die gesamte Macht an sich; es kommt vielleicht zu einem Bürgerkrieg. Danach gibt es entweder den normalen Kommunismus, wie man ihn heute noch in Cuba, Nordvietnam, Nordkorea, China besichtigen kann. Oder es ist aus mit dem Sozialismus.


Themen Überblick
Betreff Absender Datum
Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Zettel23.01.2008 10:37
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? M.Schneider23.01.2008 13:05
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Kaa23.01.2008 13:39
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RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Eltov23.01.2008 17:52
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RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Sparrowhawk23.01.2008 20:45
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Zettel23.01.2008 22:06
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? soyo23.01.2008 23:12
Ein sehr interssanter Text von Heinz Dieterich über die Lage in Venezuela Zettel24.01.2008 01:18
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Frankfurter24.01.2008 06:38
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Frankfurter25.01.2008 21:17
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Zettel26.01.2008 00:13
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Frankfurter28.01.2008 17:58
Chávez und Allende Zettel28.01.2008 18:32
RE: Chávez und Allende Frankfurter28.01.2008 18:54
RE: Chávez und Allende Sparrowhawk28.01.2008 20:51
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Frankfurter14.03.2008 16:30
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Zettel14.03.2008 19:09
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Zettel14.03.2008 19:25
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? Frankfurter14.03.2008 21:00
RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen? califax14.03.2008 21:45
Offtopic (RE: Wie wird der Sozialismus mit venezolanischem Antlitz aussehen?) califax14.03.2008 21:51
Gedruckte Zeitungen, Web-Zeitungen Zettel14.03.2008 23:29
RE: Gedruckte Zeitungen, Web-Zeitungen Thomas Pauli15.03.2008 08:43
"Spiegel"; Kreuzworträtsel der "Zeit" Zettel15.03.2008 23:07
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