Zitat von Marian Wirthmich erfasst immer ein Schaudern, wenn ich sehe, wie ein Kandidat vor eine riesengroße Menschenmenge tritt und in diesem Augenblick ein tausendfacher hysterischer Schrei ertönt und alle genau genormte Schilder in den Farben der USA mit dem Namen des Kandidaten hochhalten. Und das ist so, seit ich amerikanische Wahlkämpfe verfolge. Warum jetzt ausgerechnet Obama (und nur ihm) Show und Inhaltsleere vorgeworfen wird, ist nun wiederum mir völlig unverständlich.
Show und Inhaltsleere werfe ich ihm ja nicht allein vor. Sondern diese Haltung des Erlösers. Dieses Versprechen, alles neu und besser zu machen. Er hat das tatsächlich gesagt - er will Amerika heilen ("heal"), er will gar die Welt erneuern ("repair"), er will eine Zeit herbeiführen, anders als alle anderen. Haben Sie so etwas von McCain oder Clinton gehört? Selbst der gelernte Prediger Huckabee ist ungleich rationaler und weniger pseudoreligiös in dem, was er sagt.
Zitat von Marian WirthBei Obama dagegen: WE. Und wen meint er mit WE? Alle, die wollen.
Ja, genau. Er will nicht einfach ein gewählter Präsident sein, sondern er sieht sich als Führer einer Bewegung. Einer Bewegung, die alle Gräben zwischen den Ethnien, den Parteien zuschüttet. Er sagt ja - ich glaube, diese Passage hatte ich nicht vollständig zitiert -, daß diejenigen, die noch nicht zu seiner Bewegung ("movement") gestoßen sind, zu ängstlich seien. Er will ihnen Mut machen, mitzutun.
Redet so ein demokratischer Politiker, der sich um ein Amt bemüht? Noch nicht einmal de Gaulle hat in dieser Weise die Volksgemeinschaft beschworen.
Zitat von Marian WirthWarum Sie Ihr Unverständnis an der Bildung festmachen, ist mir übrigens nicht klar: Sowohl Michelle Obama (Princeton, Harvard) als auch Barack Obama (Harvard) sind Ivy League-Absolventen.
Das ist ein Mißverständnis. Ich bezweifle überhaupt nicht, daß Obama ein glänzender Student war und ein sehr guter Jurist ist.
Nur sehe ich da keinen Zusammenhang zu seinem Politkstil.
Zitat von Marian WirthUnd ausgerechnet bei diesen beiden wundern Sie sich, dass die von gebildeten Leuten unterstützt werden - nach all' den Pappnasen, die sich für die Demokraten in den vorhergehenden Wahlen als Kandidaten präsentiert haben?
Na, Pappnasen. Der Aschermttwoch ist vorbei, lieber Marian.
Was Michelle Obama angeht - ich habe mich nicht mit ihr befaßt und auch gar nichts zu ihr geschrieben.
Was Barack Obama angeht - ich habe ja nichts dagegen, wenn Gebildete ihn als Juristen schätzen. Nur kann ich nicht nachvollziehen, daß sie nicht sehen, wie sehr sein Auftreten als Politiker einer rationalen Auseinandersetzung, der Anerkennung von Interessenkonflikten, einem vernünftigen, aufgeklärten politischen Stil widerspricht.
Kann denn irgendwer glauben, daß Obama wirklich Amerika "heilt", daß er die Welt "erneuert", daß er eine "Zeit" anbrechen läßt, verschieden von allen, die es bisher gegeben hat?
Ich sehe da, lieber Marian, die alte Anfälligkeit von Intellektuellen für die Verführung durch das Irrationale. Die Sehnsucht nach dem "Ganz anderen". "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". Und Obama verspricht das Richtige, in dem endlich ein richtiges Leben möglich ist.
Ich bin da wohl deshalb so hellhörig, weil ich es ja alles erlebt habe, zwischen 1965 und ungefähr 1980 - diese im Grunde ganz unpolitische Haltung, die eine neue Welt schaffen, die das Alte ("Washington" ist die Chiffre bei Obama; und "Lobby") über Bord werfen will.
Das führt immer nur ins Unglück, unweigerlich. Glauben Sie's mir halt.
Zitat von Marian WirthWenn ich mir das Personal in allen deutschen Parteien anschaue und es mit den Leuten vergleiche (das trifft auf alle Kandidaten zu, die sich um die Kandidatur beworben haben, inklusive Gravel, Kucinic und Paul), dann könnte ich heulen. Von ihrem Lebenslauf, von ihrer Ausbildung und von ihren Erfolgen im Berufsleben her betrachtet, sind alle amerikanischen Kandidaten (auch die für Senat und Repräsentantenhaus) besser geeignet, als die Taxifahrer, Stewardessen, Supermarktleiter, Geschichtslehrer und Juristen (von der Uni gleich in den Landtag), die bei uns im Angebot sind (wobei der Supermarktleiter dann auch noch Jura studiert hat und einer der wenigen in der Union ist, der logisch stringent argumentieren kann).
Dem stimme ich vollkommen zu. Übrigens gilt das auch für die meisten Minister, etwa im Kabinett von Bush. Ich habe mir vor Jahren mal, im Schrippe-Forum, den Spaß gemacht, den Lebenslauf amerikanischer Minister mit dem ihres deutschen Pendants zu vergleichen.
Auch ich ärgere mich immer wieder über diese durch nichts gerechtfertigte Hochnäsigkeit vieler Deutscher gegenüber den angeblich weniger gebildeten Amerikanern.
Ich würde mich auch nicht wundern, wenn es in Deutschland mehr oder weniger heimliche Vorbehalte gegen Obama gäbe, die diesen Hintergrund haben und die das vielleicht auch noch mit seinem schwarzen Vater in Verbindung bringen. Ich halte das für indiskutabel.
Und hoffe, lieber Marian, daß sie meine Kritik nicht in diesen Zusammenhang gestellt haben.
Zitat von Marian WirthUnd da muss ich mich dafür rechtfertigen, dass ich einen Harvard-Juristen, der (soweit ich das sehen kann) bisher alle beruflichen und privaten Ziele erreicht hat, die er sich jeweils gesetzt hatte, für geeignet halte? Tut mir leid, aber ich finde das sehr, sehr erstaunlich.
Ich hoffe, ich habe das jetzt ausräumen können. Nochmal: Ich bezweifle in keiner Weise die berufliche Qualifikation von Obama und habe das auch nie geschrieben oder auch nur angedeutet. Ich halte es auch nicht für ein entscheidendes Argument, daß er in Washington wenig Erfahrung hat. (Ein Argument schon, aber eben kein entscheidendes).
Entscheidend ist aus meiner Sicht das, was ich jetzt noch einmal zu erläutern versucht habe: Diese Heilsbotschaft. Die Selbstüberschätzung, die damit verbunden ist. (Denn auch wenn er "we" sagt - was er verspricht, ist ja, daß er die ganze amerikanische Politik umkrempeln wird.)
Zitat von Marian WirthUnd da Sie Barack Obama fortwährend mit allen Demagogen und Rattenfängern in einen Topf werfen, die Ihnen gerade einfallen,
Lieber Marian, ich habe eine Bitte, die allerdings sehr nachdrücklich ist: Bitte lesen Sie nach, bevor Sie mir etwas zuschreiben, was ich nicht geschrieben habe und auch nicht denke.
Ich bin nie im französischen Wahlkampf für Sarkozy eingetreten; Sie unterstellen das. Ich habe nie Bush als einen der besten Präsidenten aller Zeiten bezeichnet; Sie haben mir das unterstellt.
Und ich habe nie Obama "mit allen Rattenfängern und Demagogen in einen Topf geworfen".
Ich habe geschrieben, daß die deutschen Medien das tun würden, wenn er ein rechter und kein linker Politiker wäre. Nicht wahr, das ist etwas anderes.
Zitat von Marian WirthSo weit mir bekannt ist, hat bis jetzt noch jeder Demagoge von einigem Format seine Ziele zuvor schriftlich fixiert und relativ öffentlich gemacht.
Ist das so? Peròn? Chàvez? Mugabe? Le Pen? Berlusconi? Erdogan?
Aber so wichtig scheint mir das eigentlich nicht zu sein. Denn ich werfe ja Obama nicht mit diesen Leuten in einen Topf. Ich bin überzeugt, daß er ein Demokrat ist, nicht nur im parteipolitischen Sinn.
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