Nach der Wiedervereinigung hatte ich, wie viele, eine positive Meinung von Gregor Gysi. Er erschien mir als ein Mann, der nie einer der engstirnigen DDR-Bürokraten gewesen war, sondern ein intelligenter, weltoffener Mann, ein - für DDR-Verhältnisse - freiheitlich denkender Mann.
Dann kamen die ersten Veröffentlichungen mit Mutmaßungen über und Hinweisen auf eine IM-Tätigkeit von Gysi. Ich erinnere mich noch an die Bilder, als er die damalige Gauck-Behörder verließ, nachdem er Einsicht in belastendes Material genommen hatte. Er wirkte damals verunsichert und sagte sinngemäß, er könne sich das nicht erklären.
Aber bald war er wieder obenauf. Er erstritt Urteile, die es untersagten, ihn als ehemaligen IM zu bezeichnen. Urteile, die rechtsstaatlich einwandfrei waren; gemäß unseren Kriterien, die freilich nicht in der DDR gegolten hatten, der Gysi diente. Denn es gab Hinweise, aber es gab keine so zwingenden Beweise, wie sie unsere Gerichte zu Recht verlangen.
Aber das, was im Lauf der Jahre an Fakten zum Vorschein kam, reichte doch jedenfalls mir aus, mir meine eigene, subjektive Meinung zu bilden. Eine Meinung, keine Tatsachenbehauptung. Darauf lege ich Wert. 
Nun sind neue Akten aufgetaucht; und sie wurden jetzt an den "Spiegel" zur Einsicht herausgegeben. Das macht den Fall wieder aktuell. Und es veranlaßt mich, auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der meines Erachtens oft nicht in seiner Bedeutung gesehen wird: Gysi gehörte in der DDR zu den absoluten Spitzenleuten. Nicht nur, weil man ihm die heikelste Aufgabe übertrug, die man überhaupt einem Rechtsanwalt in der DDR übetragen konnte; Dissidenten zu verteidigen. Sondern auch, weil er als Vorsitzender der Rechtsanwaltskollegien der oberste Rechtsanwalt der DDR und damit einer der wichtigsten Männer innerhalb des kommunistischen Rechtssystems war.
Noch eine Bitte: Ich bitte alle, die in diesem Thread mitdiskutieren, nicht zu behaupten, der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi sei IM gewesen oder Ähnliches.
Das ist gerichtlich verboten; und ich würde es löschen müssen. Bitte ersparen Sie mir das. Und ersparen Sie es sich, daß ich daraus Konsequenzen ziehen müßte.
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