Damit ich es nicht vergesse, eines der wichtigsten Zitate meines Leselebens:
In Antwort auf:... werden moderne Regierungen, die einen Massenmord begehen wollen, bei ihren Bemühungen selten daran scheitern, dass es ihnen nicht gelingt, ,ganz normale Männer’ dazu zu bringen, ihre ,willigen Vollstrecker’ zu werden.“
Zitat von KaaDamit ich es nicht vergesse, eines der wichtigsten Zitate meines Leselebens:
In Antwort auf:... werden moderne Regierungen, die einen Massenmord begehen wollen, bei ihren Bemühungen selten daran scheitern, dass es ihnen nicht gelingt, ,ganz normale Männer’ dazu zu bringen, ihre ,willigen Vollstrecker’ zu werden.“
Zitat aus "Ordinary Men", gefunden in Welt Online In diesem Zitat geht es um die Frage: "Wie war es möglich". Kaa
Ich glaube, liebe Kaa, immer weniger, daß es darauf eine Antwort gibt. Wenn man eine Antwort sucht, dann verstrickt man sich in die Ethik, die Biologie, die Psychologie, die Kulturgeschichte, usw. usw. Jede Antwort bringt neue Fragen hervor.
In Kambodscha steht gerade einer der schlimmsten Massenmörder aller Zeiten vor Gericht, mit dem Spitznamen "Duch". Ein Himmler-Typ, ein bebrilltes Männchen, das wie ein untergeordneter Beamter aussieht.
Im Nouvel Observateur habe ich einen ausführlichen Bericht über ihn gelesen; jemand hatte ihn interviewt, als er noch auf freiem Fuß war. Er sagt, er bereut, was er getan hat. Inzwischen ist er ein frommer Christ.
Wie er das tun konnte, hat er nicht gesagt.
Die einen sind gefühlskalte und aggressive Psychopathen, die auch im Zivilleben hätten zu Mördern werden können. Die anderen sind einfach feige und gehorsam. Es gibt welche, die aus Idealismus gemordet haben, so wie das jetzt die moslemischen Bombenwerfer tun. Es gibt welche, die um jeden Preis Karriere machen wollten. Und so fort.
Die Grausamkeit, dear Kaa, ist ja in vielen Kulturen eine bare Selbstverständlichkeit gewesen. Bei den Maya, bei Stämmen in Neuguinea, da ist das geläufig. Aber auch die römische Kultur war eine ungemein grausame Kultur. Der Kulturwissenschaftler Ernest Bornemann hat einmal geschrieben, daß jedes Kind in Rom mit dem Geruch verwesenden Menschenfleischs aufwuchs, weil immer irgendwo Gekreuzigte hingen.
Oder denke an die unglaublichen Grausamkeiten in unserer Kultur.
Nicht nur im finsteren Mittelalter. Noch kurz vor der Französischen Revolution, die ja auch nicht gerade sanft verlaufen ist, wurde 1757 wegen versuchten Königsmords Roger Damiens mit unglaublicher Grausamkeit öffentlich zu Tode gefoltert. Die besten Plätze in den Fenstern, von denen aus man der stundenlangen Qual zusehen konnte, wurden gegen Höchstpreise an den Adel vermietet.
Da gibt es keine Antworten, liebe Kaa.
Dank der Aufklärung geht es seit 200 Jahren voran. Heute wird Grausamkeit - von rückständigen islamistischen und kommunistischen Ländern abgesehen - nicht mehr als öffentliches Spektakel vorgeführt. Das ist allein ein Verdienst der Vernunft, die dir so suspekt ist.
Das ist mir immer noch suspekt. Besser wäre es, wenn die Leute die Folterungen auf dem Marktplatz sehen würden. Ich meine, wenn sie sowieso schon stattfinden. Der jetztige Zustand erinnert mich doch stark an die sensiblen Schweinebratenesser, die ein Schlachtfest, mitten im Blutgeruch, abscheulich finden.
Die Faz in ihrem vorigen Readingroom bietet Textauszüge als Audio von Die Wohlgesinnten an. Dieses Buch könnte ich niemals lesen. Ich würde mich in den Buchstaben verlaufen. Ich hoffe doch sehr, daß demnächst eine CD-Ausgabe erhältlich sein wird.
Was ich bisher gehört habe, erinnert mich, in dem, was ich daraus mitnehmen kann, an Imre Kertesz "Roman eines Schicksallosen". (Und da bin ich im Faz-Forum nicht alleine) Ich glaube nicht, daß man aus dem Nationalsozialismus irgendetwas Wissenschaftliches (sozialogisch, psychologisch) über Vermeidung dieses Grauens lernen kann. Es kann immer wieder passieren. Es passiert auf der ganzen Welt.
Die Vernunft ist mir suspekt, weil sie uns in einer Sicherheit wiegt, die nicht vorhanden ist. Wenn es natürlich keinen Ausweg aus der Gefahr gibt, wenn die Gefahr notgedrungen eintreten wird, ist die Vernunft eine gute Sache - gibt sie uns doch wenigstens in der Zeit vor dem Eintreten das Gefühl der Sicherheit.
Jetzt könnte ich demagogisch fragen: Glaubst Du denn, daß es aus der Gefahr keinen Ausweg gibt, bist Du deswegen vernünftig.
Ich glaube, daß die Vernunft keinen Ausweg bietet. Vielleicht liefert die Intuition einen. Vielleicht etwas anderes. Und vielleicht gibt es keinen.
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)
Zitat von KaaDas ist mir immer noch suspekt. Besser wäre es, wenn die Leute die Folterungen auf dem Marktplatz sehen würden. Ich meine, wenn sie sowieso schon stattfinden. Der jetztige Zustand erinnert mich doch stark an die sensiblen Schweinebratenesser, die ein Schlachtfest, mitten im Blutgeruch, abscheulich finden.
Ich weiß nicht. Es ist aus meiner Sicht schon ein Fortschritt (dank der Aufklärung!), daß man die Qual anderer nicht mehr als Volksbelustigung anbietet. Den Gequälten kann das vielleicht egal sein; aber zivilisatorisch ist es ein Fortschritt.
Ich kann auch nicht sehen, daß heutzutage mehr gefoltert oder überhaupt gequält würde als in früheren Jahrhunderten. Gäbe es nicht den kommunistischen Sozialismus und den Islamismus, hätte es nicht den Nationalsozialismus gegeben, dann wäre das 20. Jahrhundert doch sogar in dieser Hinsicht ein riesiger Fortschritt gewesen.
Anders gesagt:
Bis ins 19. Jahrhundert wurde weltweit gefoltert, bis auf die wenigen Staaten Europas und Nordamerikas, in denen sich die Aufklärung durchgesetzt hatte.
Im zwanzigsten Jahrundert wurde, weil sich die Aufklärung in großen Teilen der Welt durchgesetzt hatte, weltweit nicht mehr gefoltert, bis auf die rückständigen Systeme des Sozialismus in allen seinen Spielarten und des Islamismus.
Soviel erst mal dazu. Zum zweiten Teil deines Beitrags kommt eine getrennte Antwort.
Zitat von KaaIch glaube nicht, daß man aus dem Nationalsozialismus irgendetwas Wissenschaftliches (sozialogisch, psychologisch) über Vermeidung dieses Grauens lernen kann. Es kann immer wieder passieren. Es passiert auf der ganzen Welt.
Ja, es kann immer wieder passieren.
Ernst Nolte sieht einen Zusammenhang zwischen dem Gulag und den KZs Hitlers. Wahrscheinlich hat er Recht; aber das eine kann das andere nicht erklären (was Nolte auch nicht behauptet hat).
Aber welcher Weg führt zu den Massenmorden Maos? Nicht nur in Lagern, sondern offen? Welcher führt zu den Massenmorden der kambodschanischen Kommunisten, zu den Genoziden heutzutage in Afrika, dieser Schande der Menschheit? (Ja, es ist eine Schande, daß sie zugelassen wurden und werden; aber vor allem ist es doch eine Schande, daß Menschen sie begangen haben uhd in Darfur weiter begehen).
Also, es kann immer wieder passieren. Die Geschichte ist eine Geschichte der schlimmsten Grausamkeiten. Es gibt so etwas wie eine populärwissenschaftliche Beschreibung dieser Grausamkeiten, das "Schwarzbuch der Weltgeschichte" heißt es, glaube ich. Ich habe es vor Jahrzehnten gelesen, es muß wohl noch irgendwo in meiner Bibliothek stehen. Vieles habe ich beim Lesen überschlagen, weil ich keine Neigung dazu habe, solche Details unbedingt erfahren zu wollen. Aber der Tenor wird schon stimmen: Es gibt, sozusagen als Subtext zur offiziellen Weltgeschichte, eine Weltgeschichte barbarischer Grausamkeit.
Zitat von KaaDie Vernunft ist mir suspekt, weil sie uns in einer Sicherheit wiegt, die nicht vorhanden ist. Wenn es natürlich keinen Ausweg aus der Gefahr gibt, wenn die Gefahr notgedrungen eintreten wird, ist die Vernunft eine gute Sache - gibt sie uns doch wenigstens in der Zeit vor dem Eintreten das Gefühl der Sicherheit.
Ich kann das nicht so absolut sehen. Natürlich gibt es keine Sicherheit. Es gibt ja sogar diese Absurdität, daß ausgerechnet die Kommunisten sich auf Aufklärung und Humanismus berufen.
Aber es gibt doch die vielen kleinen Fortschritte. Sigmund Freud hat einmal die Psychoanalyse - das ist ja solch ein Unternehmen, mehr Vernunft walten zu lassen - mit der Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe verglichen. Ein mühsames Unternehmen, aber es geht doch voran.
Übrigens glaube ich, daß kaum ein Politiker der letzten Jahrzehnte mehr dafür getan hat, daß die Vernunft in der Politik Fuß faßt, als Präsident Bush. Es wird, denke ich, einmal als sein historisches Verdienst gesehen zu werden, die offensive Ausbreitung von Demokratie und Rechtsstaat überhaupt erst wieder auf die Tagesordnung gesetzt zu haben.
Zitat von KaaJetzt könnte ich demagogisch fragen: Glaubst Du denn, daß es aus der Gefahr keinen Ausweg gibt, bist Du deswegen vernünftig.
Nein, ich bin ein ganz altmodischer Aufklärer. Ich glaube an den Fortschritt. Ich glaube daran, daß die Gefahr zwar nicht verschwinden wird, daß wir - als die Menschheit - sie aber immer besser beherrschen werden. Auch wenn es Rückschritte gibt, von denen ich den Kommunismus für den weitaus gefährlichsten halte, weil er die verlogenste Variante dieses Rückschritts ist.
Zitat von KaaIch glaube, daß die Vernunft keinen Ausweg bietet. Vielleicht liefert die Intuition einen. Vielleicht etwas anderes. Und vielleicht gibt es keinen.
Die beiden "vielleicht" teile ich, liebe Kaa. Wir wissen es nicht.
Zur Intuition und zu der Untersuchung, die in dem verlinkten Artikel erwähnt wird: Solche Studien häufen sich, weil die bildgebenden Verfahren, vor allem fMRI, schnelle Fortschritte machen. Da kann man inzwischen fast alles, was Menschen so psychisch und geistig tun, daraufhin untersuchen, welche Gehirnstrukturen denn dabei besondes aktiv sind.
Daß es beim Jazz mehr spontan und weniger geplant zugeht als bei anderen Tätigkeiten - fast hätte ich's geahnt. Und daß es im Präfrontalhirn Areale gibt, die mehr der Planung und andere, die mehr der Auslösung spontanter Reaktionen dienen, ist auch nicht umwerfend neu. (Damit aber nichts gegen solche Untersuchungen; nur glaube ich, daß man ihren Etrag überschätzt).
Hilft Intuition? Schnelle, unscharfe, parallele, lernabhängige, emotional beeinflußte Informationsverarbeitung ist sicherlich für das tägliche Leben ebenso wichtig wie diskursives, lineares, den Gesetzen der Logik folgendes Denken. Aber auch das wird benötigt; ich sehe da keinen Gegensatz.
Daß Intuition uns vor Gewalt und Grausamkeit bewahrt - nein, das glaube ich allerdings nicht. Grausames Verhalten hat eine starke Triebkomponente; die kann nur die Vernunft zügeln. Das hat Freud so gesehen, das sehe ich immer noch so, fast ein Jahrhundert nach Freud ("Jenseits des Lustprinzips" erschien 1920).
In meinen Augen ist eine der grössten Erungenschaften der Aufklärung die Abschaffung der Folter. Dass dies in diktatorischen Staaten nicht beachtet wurde und wird, ist natürlich unstrittig.
Aber ich habe den Eindruck, dass dieser Konsens aller Demokraten zu diesem Thema, immer mehr verwässert wird. Unter dem Eindruck des immer mehr zunehmenden Terrorismus werden in vielen demokratischen Staaten Ausnahmen zugelassen. Beispiel das "Schütteln" eines mutmasslichen Terroristen in Israel, das "Waterboarding" beim CIA, usw. Oder um in Deutschland zu bleiben, die Androhung der Folter bei dem Entführer des Bankierkindes in Frankfurt.
Zitat von FrankfurterIn meinen Augen ist eine der grössten Erungenschaften der Aufklärung die Abschaffung der Folter.
Das ist auch meine Auffassung, lieber Frankfurter. Wie so vieles, was die Aufklärung geleistet hat, erscheint es uns selbstverständlich, nachdem es einmal Gemeingut (aller Demokratien) geworden ist. Erst 1816 zog die Katholische Kirche nach und verurteilte die Folter.
Zitat von FrankfurterAber ich habe den Eindruck, dass dieser Konsens aller Demokraten zu diesem Thema, immer mehr verwässert wird. Unter dem Eindruck des immer mehr zunehmenden Terrorismus werden in vielen demokratischen Staaten Ausnahmen zugelassen. Beispiel das "Schütteln" eines mutmasslichen Terroristen in Israel, das "Waterboarding" beim CIA, usw.
Ja, da ist eine Grauzone. Ich finde, die einfache und ja sicherlich richtige Aussage "Folter darf nicht erlaubt werden" wirft zwei Probleme auf: Erstens, wo beginnt Folter? Zweitens, gibt es dort - anders als bei allen anderen staatlichen Maßnahmen - keine Güterabwägung? Meines Erachtens muß es sie auch dort geben, und das macht die Sache aus meiner Sicht sehr schwierig.
Zitat von FrankfurterOder um in Deutschland zu bleiben, die Androhung der Folter bei dem Entführer des Bankierkindes in Frankfurt.
Genau das illustriert diese Probleme. Ist die Androhung von Folter bereits Folter? Wenn ja, welche anderen Drohungen sind dann Folter? Galt in diesem Fall keine Güterabwägung - hätte man ein Kind wirklich qualvoll sterben lassen müssen, nur damit ein Verbrecher keine Angst vor ein bißchen Schmerzen haben muß? Oder sind solche Erwägungen schon tabu, weil es eben (wie so gern in Deutschland) "um das Prinzipielle" geht?
Folter soll (meist) Informationen liefern, damit künftige Straftaten oder Angriffe verhindert oder abgeschwächt werden können.
Der Foltervorschlag wird so als Zaubermittel gebracht - als würde sie immer funktionieren und als gäbe es manchmal sonst nichts, was funtkioniert. Ich weiß es nicht. Aber eventuell schweigen die Leute, bei denen sonst nichts hilft auch unter Folter.
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)
ich habe kürzlich mit einem Amerikaner namens "Sam", der vor seiner Pensionierung in Amerika Rechtsanwalt war, genau über dieses Thema diskutiert.
Es gibt dazu zwei Ansätze:
Die Schwere des Verbrechens lässt alles zu.
Oder: Und dass war die Meinung von Sam, und höchstwahrscheinlich die herrschende Meinung in den USA: Lieber lässt man einen Schuldigen davonkommen, als dass man bestimmte Rechtsgrundsätze aufweicht.
Um noch einmals auf diesen Gräfgen-Fall? zurückzukommen. Ich weiss, es ist eine schwierige Entscheidung. Je mehr ich darüber nachdenke: Wie oft wird denn in Deutschland ein Kind entführt, und die Eltern erpresst. Das ist doch eine vergleichsweise exotische Angelegenheit. Mein Mitgefühl gilt natürlich allen Angehörigen. Ich habe selbst ein Kind. Aber soll man wegen einem Fall, der vielleicht alle XX Jahre passiert alle Rechtsgrundsätze über Bord werfen?
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