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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 1.117 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.03.2008 18:00
Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Vor ein paar Jahren passierte es mir, daß ich bei einem Berlin-Besuch fast von einem Radfahrer umgefahren worden wäre, der rücksichtslos erwartete, daß ich ihm Platz machen würde.

Wo? Stand ich auf einem Fahrradweg? Nein. Die Szene spielte auf dem Bahnsteig eines S-Bahnhofs. Der junge Mann hatte sein Fahrrad aus dem Wagen der S-Bahn geholt, sich sofort darauf geschwungen und scheuchte nun, munter fahrend, die Reisenden auf dem Bahnsteig zur Seite.

Ich war allerdings nicht schnell genug gewesen.

Daran erinnerte ich mich, als ich heute den Essay von Claudius Seidl las, aus dem das Zitat des Tages stammt.

Seidl weiß, wovon er schreibt: Er hat in Hamburg, München und Berlin gelebt und pendelt im Augenblick wohl zwischen München und Berlin.



Als Beispiel für Städte, in denen es zivilisiert zugeht, nennt Seidl die US-Großstädte. Ich würde Paris hinzufügen wollen, wo trotz großer Menschendichte eine ausgesprochen gesittete Art des Umgangs miteinander herrscht.





Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

13.03.2008 22:03
#2 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten
Ich wär in Wien am Graben fast einmal von einem Rad umgefahren worden: zuerst ein Fahrradkurier, schnell und geschickt durch die Fussgänger, hinterher ein Fahrradpolizist, der meinte den Kurier aufhalten zu müssen, fast wäre der Polizist mit mir zusammengestoßen, das hätte mir mit Sicherheit mir nichts gemacht (er hätte mich nur mit dem Arm erwischt, wollte gerade den Andern packen) aber ihn hätte es schön mitten am Graben zerlegt.
C. Offline




Beiträge: 2.639

13.03.2008 22:16
#3 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Es gibt in Deutschland nun mal so viele Regeln, dass man mit dem Sanktionieren nicht mehr nachkommt und deswegen hat man sich auf die erfolgreichsten verlegt: Falschparken, Mülltrennung, Feinstaubplakettenkontrolle, Rauchverbot. Das betrifft die Bevölkerungsgruppen, bei denen am wenigsten Widerstand zu erwarten ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.03.2008 23:04
#4 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Zitat von Feynman
Ich wär in Wien am Graben fast einmal von einem Rad umgefahren worden: zuerst ein Fahrradkurier, schnell und geschickt durch die Fussgänger, hinterher ein Fahrradpolizist, der meinte den Kurier aufhalten zu müssen, fast wäre der Polizist mit mir zusammengestoßen, das hätte mir mit Sicherheit mir nichts gemacht (er hätte mich nur mit dem Arm erwischt, wollte gerade den Andern packen) aber ihn hätte es schön mitten am Graben zerlegt.

Ich glaube, lieber Feynman, so einen Polizisten auf dem Fahrrad habe ich das letzte Mal bei Buster Keaton gesehen, oder einem seiner Kollegen.

Herzlich lachend,

Zettel

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

14.03.2008 12:34
#5 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Lieber Zettel,

als Berliner weiß ich nur zu gut, was Seidel meint! Schon vor Jahren zog ich aus Kreuzberg weg, weil dort eine ganz andere Gesellschaft entstand, die von dieser "Toleranz" dominiert wurde. Als Landpomeranze war ich es gewohnt, Entgegenkommenden ins Gesicht zu sehen, was dort zunehmend riskant wurde, da es von einigen Typen mit nicht vorhandener Frustrationstoleranz als Provokation ausgelegt wird. Erwachsene ließen Kindern völlig freien Lauf, um Anschuldigungen des Kindsmißbrauchs oder wessen sonst auch immer zu entgehen. Polizei war praktisch nie zu sehen und kam nach meinen Erfahrungen nur, wenn Personenschäden zu beklagen waren. Nachts mußten wir mehrfach die Polizei rufen, weil ein betrunkener Asylant dann seine Frau zu schlagen pflegte, die sich mehrfach vom Balkon zu stürzen drohte. Im Hause hatte eine illegale polnische Baufirma ihren Sitz, in der grundsätzlich nur im Wohnungsflur verhandelt wurde - für das ganzer Haus zu hören aber nicht zu verstehen.
Es war einfach nicht mehr angenehm, dort zu leben!
Wieveile unserer Multikulti-Apologeten leben eigentlich unter diesen Umständen? Ich war von irgendwelchen Illusionen nach kurzer Zeit geheilt!

Herzlich, Thomas

Kaa Offline




Beiträge: 658

14.03.2008 16:04
#6 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Hallo Thomas

Nun, das hat glaube ich nichts mit Multikulti zu tun. Diese Sorte Nachbarn kann man aus jeder Nationalität haben, vielleicht weniger von Asiaten. Ich hatte sie vor über 20 Jahren in Charlottenburg - und das waren zweimal deutsche. Die einen soffen so hie und da und dann erfuhr das ganze Haus was in der Ehe nicht in Ordnung war und die anderen fanden Musik erst nach 23 Uhr so richtig gut. Bei den ersteren habe ich mich nicht getraut um Ruhe zu bitten, und das ging ja auch noch, sie soffen ja nicht täglich - und bei den anderen habe ich geläutet, aber ich kam mir so intolerant vor unter ihrem Blick, da habe ich 20 Jahre drunter gelitten.

Und heute ist es ja wirklich gefährlich geworden. Weiß ich aber nur vom Hörensagen.

Kaa

Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.03.2008 18:37
#7 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Zitat von C.
Es gibt in Deutschland nun mal so viele Regeln, dass man mit dem Sanktionieren nicht mehr nachkommt und deswegen hat man sich auf die erfolgreichsten verlegt: Falschparken, Mülltrennung, Feinstaubplakettenkontrolle, Rauchverbot. Das betrifft die Bevölkerungsgruppen, bei denen am wenigsten Widerstand zu erwarten ist.

Es sind ja, dear C., auch solche Regeln, bei denen der Verstoß niemandem ernsthaft schadet. (Von Ausnahmen abgesehen).

Also müssen sie durchgesetzt werden. Es sind eben Geßlerhüte. Sie sollen uns alle disziplinieren, uns eine bestimmte Gesinnung aufzwingen, indem wir deren Regeln einhalten müssen (siehe das Thema "Opfer und Religion" in einem anderen Thread).

Gegen wirkliche Kriminalität vorzugehen ist, da hast du Recht, teurer und anstrengender.



Diese Grobheit im Umgang miteinander in Berlin kenne ich übrigens erst seit ungefähr Ende der siebziger Jahre. Zuvor hatte ich bei Berlin-Besuchen immer den Eindruck, daß "der Berliner" zwar nicht gerade ein Ausbund an Höflichkeit ist, aber doch seinen Mitmenschen so wenig etwas antun will wie seinem Hund oder dem Knautschke im Zoo (das war der freilich dickfelligere Vorläufer von Knut und Co.)

Diese Nickeligkeiten, diese Aggressivität ist in Berlin, glaube ich, durch die ständigen Demonstrationen, durch die Gewalttätigkeíten entstanden. Und dann durch die immense Belastung, unter der die Stadt seit dem Mauerfall lebt.

Ich habe diese Aggressivität zum ersten Mal um 1980 herum beobachtet, als Demonstranten den Kudamm entlangzogen und wahllos mit Steinen um sich warfen (sieh hatten Wägelchen dabei, in denen die Steine lagen). Ich bin damals, wie die meisten, in ein Geschäft geflüchtet und habe dann im Gespräch gemerkt, welchen Haß die Berliner gegenüber diesen Chaoten angestaut hatten. Das war wirklich eine empfundene Bedrohung, keine Erfindung der "Springer-Presse". Man sah ja, was diese Chaoten anrichteten.

Herzlich, Zettel

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

15.03.2008 08:55
#8 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Lieber C.,

ich habe mal, bei den Samizdaten, glaube ich, die Wendung "to accuse the bystander with the deepest pockets" gelesen. Es hat ja schließlich auch keine Zweck, einem Kriminellen eine Geschwindigkeitsübetretung vorzuwerfen - die Strafe bezahlt er sowieso nicht. Also wird das gesamte, immer rigidere Regelwerk auf den kleiner werdenden gesetzestreuen Teil der Bevölkerung angewendet, die diesen Apparat auch noch finanzieren müssen und sich langsam fragen, ob sich der ganze Aufwand eigentlich noch lohnt.

Herzlich, Thomas

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

15.03.2008 09:03
#9 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Liebe Kaa,

klar, asoziale Rüpel gibt es leider überall und von überallher. Worauf ich jedoch hinauswollte war das Klima der Toleranzigkeit, des Allesverstehens und des Allesduldens, das sich seit den siebziger Jahren in den Szenevierteln breitgemacht hatte. Und Multikulti hat eine Menge damit zu tun, denn im Kern ist es das Verwechseln von Kultur und Zivilisation ("Kultur ist, wenn man ein schönes Trinkgefäß aus dem Schädel seines Feindes macht, Zivilisation bedeutet, daß man dafür ins Gefängnis kommt"). Es kann doch jeder seine Kultur pflegen, solange wir in einer gemeinsamen Zivilisation leben! Und eine Voraussetzung dafür ist die Regelung des öffentlichen Umgangs, vulgo Ordnung. Und genau die ist dem Libertinismus zum Opfer gefallen.

Herzlich, Thomas

Libero Offline



Beiträge: 393

15.03.2008 09:14
#10 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Ich meine die Toleranz gegenüber all jenen, die in den gegebenen Regeln nicht etwa die Vernunft am Werk sehen, nicht verstehen, dass es sich um Rationalisierungen handelt, welche den gegenseitigen Umgang erleichtern; sondern die jede Regel als Gängelung deuten und jede Überschreitung als Ausdruck der persönlichen Freiheit (und nicht etwa als Belästigung des Mitbürgers). In Berlin kann man sehr anschaulich studieren, was es mit jener Art von Toleranz auf sich hat, die sich vor allem darin zeigt, dass weit und breit kein Polizist zu sehen ist, der die Regeln durchsetzen und Verstöße sanktionieren würde: Das läuft auf das Gesetz des Stärkeren hinaus, aufs Faustrecht, auf den Krieg aller gegen alle - auf jene Zustände also, die durch die Begründung des Rechtsstaats eigentlich beendet werden sollten.

Was will der Autor uns damit sagen? Nachdenken!

Im Augenblick fährt nur die S-Bahn. Da viele S-Bahn und Fahrrad brauchen,um zur Arbeit zu kommen, sind die Züge sind also überfüllt, die Bahnsteige noch mehr. Also müßte Mord und Totschlag in Berlin herrschen ? Ist es so? Nicht sonderlich.

Ich bin selbst Radfahrer und denke nicht daran, einem Flegel Platz zu machen. Ich beuge nicht mein Haupt vor einem Flegel und senke erst recht nicht meinen Blick.

Kaa Offline




Beiträge: 658

15.03.2008 11:04
#11 RE: Zitat des Tages: "Faustrecht in Berlin" Antworten

Lieber Thomas

Da stimme ich zu. Es ist mir ein Rätsel, wie man unsere Kinder angstfrei aufwachsen lassen wollen kann und gleichzeitig es für akzeptabel, da kulturell bedingt, halten kann, daß Kinder deren Eltern aus tiefen Provinzen anderer Länder hierhergezogen sind, mit Schlägen erzogen werden. Da neige ich auch dazu Zettel zuzustimmen, denn da auf die Frage "Auf welcher Seite stehen die", die, die diesen Spagat fertigbringen nicht geantwortet werden kann: "Auf der Seite der Kinder" - muß man vielleicht die Frage stellen: "Gegen was sind die?" - und die Antwort geben: Gegen Freiheit, gegen Tradition, gegen Deutschland.

Kaa

Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)

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