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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.03.2008 13:28
Der Niedergang der französischen Rechtsextremisten Antworten

Einer der Gründe dafür, daß bei den Kommunalwahlen in Frankreich die Rechte trotz der miserablen Werte für Sarkozy glimpflich abgeschnitten hat, dürfte darin liegen, daß die extreme Rechte fast von der politischen Landkarte verschwunden ist und ihre Wähler sich teils (wieder) der demokratischen Rechten, teils (wieder) den Kommunisten zugewandt haben. Dazu hier einige Informationen.

Eltov Offline




Beiträge: 152

18.03.2008 17:23
#2 RE: Der Niedergang der französischen Rechtsextremisten Antworten

Eine kleine Frage: Vor einigen Jahren habe ich am Rande von Spaltungen im FN gelesen. Könnte das eine Ursache dieser Niederlage sein?

Frankfurter Offline



Beiträge: 233

18.03.2008 17:42
#3 RE: Der Niedergang der französischen Rechtsextremisten Antworten

Für den Niedergang der FN gibt es sicherlich viele Gründe. Einige davon dürften wohl der Antisemitismus von Le Pen gewesen sein, und sein Beharren, dass seine Tochter seine Nachfolgerin wird. Viele haben dann wohl angenommen, dass es Le Pen, wie auch vielen Politikern in den Mainstream Parteien, gar nicht so sehr um die Sache geht, sondern nur um das persönliche Ego sprich Macht.

Dann wurde die FN auch von Sarkozy zumindest was Sprüche angeht rechts überholt.

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"In times of universal deceit, telling the truth will be a revolutionary act." George Orwell, 1984

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.03.2008 18:43
#4 RE: Der Niedergang der französischen Rechtsextremisten Antworten

Zitat von Eltov
Eine kleine Frage: Vor einigen Jahren habe ich am Rande von Spaltungen im FN gelesen. Könnte das eine Ursache dieser Niederlage sein?

Lieber Eltov,

wie die meisten extremistischen Parteien neigt der FN zu Richtungskämpfen und vor allem auch persönlichen Auseinandersetzungen, die oft bis an den Rand des Bruchs gehen. Solche Kämpfe hat es im FN immer wieder gegeben, und einer führte zur Abspaltunge von Bruno Mégret und seinen Anhängern.

Sie hatten Ende 1998 versucht, die Macht in der Partei an sich zu reißen und dazu einen Parteitag einberufen, der aber nicht satzungsgemäß gewesen war und von den Gerichten annulliert wurde. Auf diesem "Parteitag" war Mégret zum neuen Vorsitzenden "gewählt" worden.

Nachdem diese Wahl für ungültig erklärt worden war, gründete Mégret eine eigene Konkurrenzpartei zum FN; das "Mouvement National Républicain" (MNR). Diese Partei blieb aber immer unbedeutend und hat dem FN wohl nicht wirklich geschadet.

Jedenfalls hatte ja drei Jahre später Le Pen seinen Triumph im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen. (Damals hatte auch Mégret kandidiert und immerhin 2,3 Prozent erreicht; die beiden zusammen also zwanzig Prozent!). Damals hat Mégret dazu aufgerufen, im zweiten Wahlgang Le Pen zu wählen, was diesem aber nicht half (er erhielt noch nicht einmal diese zwanzig Prozent, sondern nur knapp achtzehn). Seither hat Mégret lepenistische Kandidaten (so nennen die Franzosen das - "lepenistes" ) meist im zweiten Wahlgang unterstützt, wenn seine eigenen keine Chance hatten.

Bei den Wahlen zur Nationalvesammlung im letzten Jahr spielte das MNR keine Rolle mehr; man erreichte nicht einmal die Schwelle von 50 Kandidaten, die mehr als ein Prozent der Stimmen bekamen. Die Partei hat jetzt noch ein paar Mandate in Gemeinderäten und stellt sogar einige Bürgermeister. Zum Beispiel in Senuc in den Ardennen (142 Einwohner).

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.03.2008 19:21
#5 Rechts- und Linksextremisten Antworten
Zitat von Frankfurter
Für den Niedergang der FN gibt es sicherlich viele Gründe. Einige davon dürften wohl der Antisemitismus von Le Pen gewesen sein, und sein Beharren, dass seine Tochter seine Nachfolgerin wird. Viele haben dann wohl angenommen, dass es Le Pen, wie auch vielen Politikern in den Mainstream Parteien, gar nicht so sehr um die Sache geht, sondern nur um das persönliche Ego sprich Macht.
Dann wurde die FN auch von Sarkozy zumindest was Sprüche angeht rechts überholt.

Ich stimmt zu, lieber Frankfurter, daß alle diese Gründe eine Rolle spielen. Allerdings waren viele davon schon vor Jahren gegeben, als der FN stark war.

Daß Le Pen ein Egomane ist, gegen den Lafontaine und Gysi verblassen, dürften zB nicht einmal seine Anhänger leugnen; übrigens ist er auch ein genauso begnadeter Demagoge. Ich habe ihn hier einmal zu kennzeichnen versucht. Auch Nachfolgekämpfe gibt es - ich habe das gerade in der Antwort an Eltov geschrieben - seit vielen Jahren. Antisemitische Äußerungen von Le Pen - solche, die zumindest bei vielen so "ankommen" - gibt es auch schon lange; daß Auschwitz ein "Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs" sei, hat er 1987 gesagt.

Also, lieber Frankfurter - zusätzlich zu den von Ihnen genannten innerparteilichen Faktoren muß es wohl andere geben. Sarkozy hat als Innenminister Themen der Rechtsextremen aufgegriffen (vor allem das der Kriminalitätsbekämpfung). Aber als Präsident hat er zahlreiche Immigranten in seine Regierung aufgenommen, teils in Spitzenpositionen wie die aus Nordafrika stammende Justizministerin. Er sucht den Dialog mit Vertretern des Islam. Kurz, der ist nicht gerade attraktiv für Rechtsextreme.

Der Hauptgrund für den Niedergang des FN liegt nach meiner Vermutung darin, daß die Linksextremen immer stärker werden. Und zwar die noch links von der Schwesterpartei von "Die Linke" (PCF), also vor allem die Trotzkisten der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) von Olivier Besancenot. (Daneben gibt es noch weitere trotzkistische Parteien). Die LCR erreichte im ersten Wahlgang der jetzigen Wahlen in elf Städten mehr als zehn Prozent, darunter Clermont-Ferrand, Foix, Saint-Nazaire.

Die immer Unzufriedenen, die "gegen das System" sind, hatten vor dem Aufstieg der Linksextremen nur die Rechtsextremen als Protestpartei zur Verfügung. Jetzt dürften viele von ganz rechts nach ganz links gewandert sein. Sur PCF, wie schon in dem Artikel geschrieben, und auch zu den Trotzkisten.

Herzlich, Zettel
Eltov Offline




Beiträge: 152

18.03.2008 21:00
#6 RE: Rechts- und Linksextremisten Antworten

Könntest du ein bisschen mehr über diese Trotzkisten schreiben? Ich kenne leider nur die britische Variante (also im Wesentlichen IST und CWI) und ihre deutschen Ableger, die ja in den letzten 10 Jahren nur wenig für Wahlkämpfe übrig hatten. Bedienen sich die französischen Trotzkisten einer vergleichbaren Rethorik wie die Linkspartei hier, oder gehts da stramm revolutionär zur Sache?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.03.2008 03:54
#7 Trotzkisten in Frankreich Antworten

Zitat von Eltov
Könntest du ein bisschen mehr über diese Trotzkisten schreiben? Ich kenne leider nur die britische Variante (also im Wesentlichen IST und CWI) und ihre deutschen Ableger, die ja in den letzten 10 Jahren nur wenig für Wahlkämpfe übrig hatten. Bedienen sich die französischen Trotzkisten einer vergleichbaren Rethorik wie die Linkspartei hier, oder gehts da stramm revolutionär zur Sache?

Lieber Eltov,

ich kann leider wenig dazu sagen, weil mir alle diese Strömungen und Grabenkämpfe innerhalb der extremen Linken immer ein Buch mit sieben Siegeln bleiben werden; ähnlich wie beim Islam habe ich auch eine starke Abneigung dagegen, mich genauer damit zu befassen.

Kurz gesagt, soweit meine Kenntnisse reichen:

Nach 1968 hat es, anders als in Deutschland, zwar jede Menge mehr oder weniger freischwebende Maoisten gegeben, aber nichts, was mit den K-Gruppen vergleichbar wäre.

Sondern links von der PCF waren im wesentlichen die Trotzkisten, die wie überall freilich in viele Gruppen zerfielen. Einige ganz entristisch (sie wollten vor allem die kommunistische Jugend unterwandern), andere, die das ablehnten.

Es haben sich dann zwei "große" trotzkistische Parteien herausgebildet; und frage mich bitte nicht, worin sie sich unterscheiden. Sie sind beide "revolutionär", für die "Verteidigung der Arbeiter", tiersmondialistes, wie man das nannte - also Drittweltler. Sie sind jetzt natürlich gegen Neoliberalismus usw. Es gibt auch Gruppen, die sich schlicht "Antiliberale" nennen.

Sie wollen alle am Sankt Nimmerleinstag die Revolution, und bis dahin wollen sie agitieren und jedes noch so kleine Flämmchen eines Klassenkampfs kräftig anpusten. Sind also bei Streiks zur Stelle, bei Demos aller Art. (Am 1. Mai habe ich mal auf der Demo in Paris nach ihnen gesucht - da schienen sie keine große Präsenz zu zeigen. Vielleicht hatten sie auch irgendwo ihre eigene Demo, wie Le Pen; der FN demonstriert als Arbeiterpartei natürlich auch am 1. Mai).



Also die beiden "großen" - jeweils ungefähr 5 Prozent Wählerstimmen wert, an guten Tagen - sind die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) und Force Ouvrière (FO).

Die LCR ist unter mehrfachen Umbenennungen entstanden; ich hatte sie noch als schlichte "Ligue Communiste" in Erinnerung, aber irgendwann in den letzten Jahren hat sie sich das Revolutionäre angehängt. "Lutte Ouvrière" (Arbeiterkampf") ist eigentlich der Name einer Zeitung. Die Partei heißt irgendwie anders, wird aber meist LO genannt. (Das ist ähnlich wie damals in Italien "Il Manifesto" von Rossana Rossanda).

Das Pfund, mit dem LO seit Jahrzehnten wuchert, ist Arlette Laguiller, die in zahlreicheren Präsidentschaftswahlen angetreten ist als irgendein Kandidat irgendeiner anderen Partei. Sie ist darüber alt geworden, seit den siebziger Jahren unverdrossen zu kandidieren. Eine sympathische, auf mich sehr schlicht wirkende Frau mit einem glaubhaften sozialen Engagement, aber mit natürlich völlig spinneten Zielen, wie alle Trotzkisten.

Der Star der LC (als sie noch so hieß) war Alain Krivine. Der ist inzwischen - falls er noch lebt, ich weiß das gar nicht - in den Hintergrund getreten, und seit ungefähr Anfang des Jahrtausends ist ein neuer Stern aufgegangen: Olivier Besancenot.

Ein immer noch jugendlich aussehender Mann, obwohl er wohl auch die vierzig überschritten haben dürfte. Er gibt als Beruf "Briefträger" an, hat aber - glaube ich - doch schon auch studiert; das machen diese Trotzkisten ja gern, sich als Arbeiter ausgeben. (Unsere verflossene Gesundheitsministerin von den Grünen, Andrea Fischer, nannte sich ja auch "Druckerin", obwohl sie natürlich studiert hatte - auch so eine Entristin, wenn ich mich recht erinnere).

Also, dieser Besancenot, der ein bißchen wie eine Mischung aus Oliver Pocher und Alfred E. Neuman ausieht, hat die LPC sehr nach vorn gebracht.



Warum sind diese Trotzkisten so stark in Frankreich; weit stärker als die orthodoxen, mit "Die Linke" verschwisterten Kommunisten, die bis vor kurzem (vielleicht immer noch, wer weiß das schon) Stalinisten waren?

Weil sie ordentlich auf die Pauke hauen. Es gibt in Frankreich halt diese Tradition des Revoluzzertums, der verbalen Kraftmeierei. Die wird von den blutleeren Apparatschiks der PCF gewißlich nicht verkörpert, schon gar nicht von den Lehrern und Dorfapothekern in der PS.

Das hatte sich Le Pen zunutze gemacht und viele dieser Leute, denen links und rechts schnuppe ist, Hauptsache radikal, für den FN gewonnen. Und die wandern nun ab Richtung Trotzkisten, teils sicher auch - die bürgerlichen unter ihnen - Richtung PCF.

So ungefähr, liber Eltov. Ich habe das jetzt alles aus dem Gedächtnis geschrieben; also es ist - anders als die Artikel in ZR - nicht verifiziert. Aber so ungefähr stimmt es wohl.

Herzlich, Zettel

PS: So ist das, wenn ich einen Beitrag mit "kurz gesagt" beginne.

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