THE WASHINGTON POST By Ellen Nakashima Washington Post Staff Writer Monday, April 21, 2008; Page A01
GENES AND JUSTICE Mining the Database From DNA of Family, a Tool to Make Arrests Privacy Advocates Say the Emerging Practice Turns Relatives Into Genetic Informants
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Heightening privacy concerns are the growing number of local jurisdictions that maintain DNA databases not restricted to criminals. Some include the DNA of victims, suspects or even lab workers. Such collections, which critics call "rogue databases," are barred from inclusion in state and national databases, but rules about their use by law enforcement agencies are unclear.
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"The idea of holding people responsible for who they are rather than what they've done could challenge deep American principles of privacy and equality," he said. "Although the legal issues aren't clear, the moral ones are vexing."
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Prince George's County, for example, maintains a database with DNA profiles of both victims and suspects. Such local databases "have literally no oversight and regulation and yet are pushing the boundaries farther than anyone could imagine," said Patrick Kent, chief of the Maryland public defender's forensic division. "I do not think that victims of crime would be pleased to know that in addition to having been a victim, their DNA profile has been surreptitiously placed into a DNA database."
Zitat von Washington Post"The idea of holding people responsible for who they are rather than what they've done could challenge deep American principles of privacy and equality," he said. "Although the legal issues aren't clear, the moral ones are vexing."
Als ich das gelesen habe, dear Reader, ist mir ein Zusammenhang aufgefallen, den ich so noch nicht gesehen hatte: Die Möglichkeit, daß durch Fortschritte in der DNA-Analyse sich das Problem des Freien Willens auf eine ganz praktische Weise stellen könnte. Nicht mehr als Problem für Philosophen in ihrer Klause, sondern für die Rechtsprechung, vielleicht sogar für die Gesetzgebung.
Was, wenn die DNA-Analyse so weit fortgeschritten ist, daß man daraus mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen kann, ob jemand kriminell werden wird?
Was, wenn dann der Verteidger, wenn der Betreffende tatsächlich jemanden ermordet hat und vor Gericht steht, argumentiert, daß es nicht dessen Freier Wille gewesen sei, das zu tun, sondern die Konsequenz aus seiner DNA? Daß er folglich nicht verantwortlich sei und nicht bestraft werden könne?
Kürzlich habe ich den Neuropsychologen Hans Markowitsch sagen hören, daß das Verhalten nun einmal durch Gehirnprozesse bestimmt sei und daß folglich jemand nicht anders handeln könne, als er es eben tue. Wenn jemand einem kriminellen Impuls nachgibt, dann liegt das laut Markowitsch daran, daß das Gleichgewicht zwischen Amygdala und Septum gestört ist.
Wenn sich diese Auffassung durchsetzt, dann ist das das Ende unserer Freiheit. Dann wird man - was Markowitsch tatsächlich befürwortet! - Verbrecher nicht mehr bestrafen, sondern sie zu therapieren versuchen.
Dann nähern wir uns Zuständen wie in der UdSSR, wo Dissidenten in die Heilanstalten gesperrt wurden.
Zitat von Zettel Was, wenn die DNA-Analyse so weit fortgeschritten ist, daß man daraus mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen kann, ob jemand kriminell werden wird? Was, wenn dann der Verteidger, wenn der Betreffende tatsächlich jemanden ermordet hat und vor Gericht steht, argumentiert, daß es nicht dessen Freier Wille gewesen sei, das zu tun, sondern die Konsequenz aus seiner DNA? Daß er folglich nicht verantwortlich sei und nicht bestraft werden könne?
Dazu müsste doch erst nachgewiesen werden, dass die aus der DNA erkennbare Anlage zwangsläufig zur Kriminalität oder Gewalt führt. Und, dann müßten ja auch die Erbanlagen, die jeder in sich trägt und über diverse Gen-Untersuchungen bestimmt werden können, demnächst von der Krankenkasse abgefragt werden, hinsichtlich eines darauf abgestimmten Beitrages.
Zitat von ZettelKürzlich habe ich den Neuropsychologen Hans Markowitsch sagen hören, daß das Verhalten nun einmal durch Gehirnprozesse bestimmt sei und daß folglich jemand nicht anders handeln könne, als er es eben tue. Wenn jemand einem kriminellen Impuls nachgibt, dann liegt das laut Markowitsch daran, daß das Gleichgewicht zwischen Amygdala und Septum gestört ist.
Dann würde sich eine zukünftige Rechtsprechung damit befassen müssen, in wie weit der Delinquent eben auf seine eigenen Gehirnprozesse, (da wäre dann sicher auch noch der Schweregrad der Störung zu klären), durch eigenes Gegensteuern hätte Einfluß nehmen können (müssen). Also was man von ihm hätte erwarten können. Was dann, durch Nichtwahrnehmung seiner eigenen Möglichkeiten sein Fehlverhalten zu verhindern, zur Verurteilung führen würde. Eben das gilt doch jetzt eigentlich auch?
Da aber unser Verhalten nicht generell von unserem ureigenen Instinkt bestimmt wird, sondern aufgrund von Erziehung und Werten bestimmt wird, würde auch hier ein Umdenken stattfinden müssen. Was ist denn eigentlich eine Störung? Oder wann beginnt ein nicht „artgerechtes“ Verhalten. Dann käme man zwangsläufig wieder zu der Überlegung, was unterscheidet den Mensch vom Tier. Und in welcher Weise „verbiegen“ wir tagtäglich unser Gehirn zu Tätigkeiten, die uns eigentlich Artfremd sind. Was ist denn von der natürlichen Anlage her ein richtiges Verhalten? Zunächst mal ist etwa eine Struktur, wie natürlichste Körperfunktionen, die uns die Natur vorgegeben hat, unbestritten. Ein Hund läuft auf die Straße und verrichtet seine Notdurft ohne Denken nur der Körperfunktion nachgebend. Aber wir sind in der Lage eben diese Körperfunktionen in unserem Sinne zu beeinflussen.
Zitat von ZettelWenn sich diese Auffassung durchsetzt, dann ist das das Ende unserer Freiheit. Dann wird man - was Markowitsch tatsächlich befürwortet! - Verbrecher nicht mehr bestrafen, sondern sie zu therapieren versuchen. Dann nähern wir uns Zuständen wie in der UdSSR, wo Dissidenten in die Heilanstalten gesperrt wurden.
Da würde ich dann aber eher wieder zu Machtmissbrauch tendieren, wie er eben nur in nichtdemokratischen Ländern praktiziert wird. Das hoffe ich jedenfalls.
Zitat von Zettel Was, wenn die DNA-Analyse so weit fortgeschritten ist, daß man daraus mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen kann, ob jemand kriminell werden wird? Was, wenn dann der Verteidger, wenn der Betreffende tatsächlich jemanden ermordet hat und vor Gericht steht, argumentiert, daß es nicht dessen Freier Wille gewesen sei, das zu tun, sondern die Konsequenz aus seiner DNA? Daß er folglich nicht verantwortlich sei und nicht bestraft werden könne?
Dazu müsste doch erst nachgewiesen werden, dass die aus der DNA erkennbare Anlage zwangsläufig zur Kriminalität oder Gewalt führt.
Stimmt. Aber es liegt in der Logik einer Denkweise, wie sie Markowitsch vertritt, zu argumentieren: Die Gene sind die einen Determinanten, die Erfahrung und Erziehung die anderen. Würden wir alle Faktoren kennen, die auf das Verhalten im Augenblick der Tat einwirkten, dann hätten wir diese vorhersagen können (genau das war ja das wissenschaftliche Programm des Behaviorismus).
Und wenn man vorhersagen kann, daß X zur Stunde t einen Mord begeht - dann kann man ihn nicht mehr dafür verantwortlich machen.
Zitat von NolaDann würde sich eine zukünftige Rechtsprechung damit befassen müssen, in wie weit der Delinquent eben auf seine eigenen Gehirnprozesse, (da wäre dann sicher auch noch der Schweregrad der Störung zu klären), durch eigenes Gegensteuern hätte Einfluß nehmen können (müssen).
Dieses Einflußnehmen ist ja aber, liebe Nola, selbst wieder eine Gehirnfunktion; vorzugsweise des Frontalhirns. Wenn jemand das nicht getan hat, seine Impulse zu bremsen, dann kann man argumentieren: Seine Steuerungsfähigkeit reichte dazu nicht aus. Die Balance zwischen Frontalhirn und Limbischen Cortex, zwischen Septum und Amygdala, war eben gestört.
Zitat von NolaDa aber unser Verhalten nicht generell von unserem ureigenen Instinkt bestimmt wird, sondern aufgrund von Erziehung und Werten bestimmt wird, würde auch hier ein Umdenken stattfinden müssen.
Das Problem ist, daß ja nicht nur die Instinkte in der DNA verankert sind, sondern auch die kognitiven Funktionen, die Steuerungsfähigkeit.
Zitat von Nola
Zitat von ZettelWenn sich diese Auffassung durchsetzt, dann ist das das Ende unserer Freiheit. Dann wird man - was Markowitsch tatsächlich befürwortet! - Verbrecher nicht mehr bestrafen, sondern sie zu therapieren versuchen. Dann nähern wir uns Zuständen wie in der UdSSR, wo Dissidenten in die Heilanstalten gesperrt wurden.
Da würde ich dann aber eher wieder zu Machtmissbrauch tendieren, wie er eben nur in nichtdemokratischen Ländern praktiziert wird. Das hoffe ich jedenfalls.
Er würde aber vielleicht von denjenigen, die diese Macht ausüben, nicht als Mißbrauch verstanden werden. Sondern als Therapie, als Hilfe.
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