was mich immer gehörig auf die Palme bringt ist die Tatsache, dass wir Deutsche die Todesstrafe immer aus einem Blickwinkel des "nicht betroffenen Staates" betrachten.
Wenn das Thema aufkommt, wird gerne vorwurfsvoll auf die ach so böse U.S.A. verwiesen, dabei verdrängend oder eher absichtlich verkennend, dass wir in Deutschland bis 1989 selbst in einem Landesteil die Todesstrafe hatten, die auch angewendet wurde.
Offiziell wurde die Todesstrafe bei uns in dem einem Teil Deutschlands wohl 1984 abgeschafft. Die letzte Hinrichtung in Dresden soll 1981 stattgefunden haben. Nach 1984 gab es dann zumindest noch etliche Mauertote, wenn man den Schießbefehl als eine Art "Todesstrafe" für Fluchtwillige auffasst.
In Berlin, wo zu Zeiten der Teilung Deutschlands alliiertes Recht herrschte, also explizit in Westberlin, stand auf das Nichtmitführen des Personalausweises ebenfalls die Todesstrafe, wobei man gerechterweise anmerken muss, dass sie in diesem speziellen Fall meines Wissens nach nie angewendet wurde.
Aber all diese jüngere eigene deutsche Geschichte wird regelrecht verdrängt, wenn es um das Thema Todesstrafe geht. Man fühlt sich in Deutschland wohl als eine Insel der Glückseligen?
Auch Länder wie Iran, China und andere kommen meines Erachtens in den Diskussionen zu kurz. Der Fokus liegt fast immer auf den U.S.A. als "Verkörperung des Bösen". Ich finde das zu einseitig und der Wirklichkeit nicht entsprechend.
Was darin liegen könnte, dass wir den Vereinigten Staaten kulturell näher stehen als China oder dem Iran. Folglich ist die Akzeptanz der Todesstrafe in den USA viel verstörender als in einer Diktatur wie China oder einem Staat, wo die Schariah maßgeblich das Strafrecht beeinflusst...
Über diesen Erklärungsansatz denke ich auch schon länger nach. Amerika liegt nahe, China ist weit weg. Hinzu kommt auch, daß die USA Presse- und Meinungsfreiheit haben. Deshalb erreichen uns von dort regelmäßig Kampaignen zur Rettung einzelner Todeskandidaten
Klug und fleißig - Illusion Dumm und faul - das eher schon Klug und faul - der meisten Laster Dumm und fleißig - ein Desaster The Outside of the Asylum
In Antwort auf:Amerika liegt nahe, China ist weit weg.
Das Argument ist verfüherisch, man hört es oft. Es ist dennoch nicht richtig, das ist nicht einmal schwer zu zeigen. Japan ist nicht weiter weg als die USA, nie hat es in Deutschland irgendeine Kampagne gegeben, einen japanischen Todeskandidaten vor dem Tod zu bewahren (zumindest nicht in der öffentlichen Wahrnehmung). Das ist vor allem deshalb grotesk, weil das Rechtssystem in Japan erhebliche Defizite aufweist, vor allem wenn man es mit dem amerikanischen vergleicht. Selbst die DDR (und was könnte den Deutschen näher sein), hat bis in die 80er Jahre hingerichtet. Folgen ? Keine. Hat effektiv keinen interessiert. Und auch in Deutschland gäbe es, wie man durchaus aus Umfragen weiss, durchaus Mehrheiten für die Todesstrafe. Was die selben Leute nicht daran hindert auf die Amis zu schimpfen.
Nee, so schön das Argument klingt, das isses nicht, zumindest nicht in der Breite. Die Gegnerschaft zur Todesstrafe ist bei vielen nur das scheinbar rationale Vehikel, um sich nicht dem platten Vorwurf des Antiamerikanismusses aussetzen zu müssen.
In Antwort auf: Nee, so schön das Argument klingt, das isses nicht, zumindest nicht in der Breite. Die Gegnerschaft zur Todesstrafe ist bei vielen nur das scheinbar rationale Vehikel, um sich nicht dem platten Vorwurf des Antiamerikanismusses aussetzen zu müssen.
Das ist sicher richtig, aber die politische Klasse lehnt bei uns im Gegensatz zu den USA die Todesstrafe dennoch ab, selbst im populistischen Nachspiel von Kindermorden und ähnlichem ist meines Wissens nach außer von den Nazis bisher die Todesstrafe noch nie zur Debatte gestellt worden. Dennoch würde ich behaupten dass unsere politische Kultur näher an der der USA dran ist als an der von China oder Japan.
Zitat von OmniWas darin liegen könnte, dass wir den Vereinigten Staaten kulturell näher stehen als China oder dem Iran. Folglich ist die Akzeptanz der Todesstrafe in den USA viel verstörender als in einer Diktatur wie China oder einem Staat, wo die Schariah maßgeblich das Strafrecht beeinflusst...
Ist es, lieber Omni, aber nicht seltsam, daß es überhaupt eine solche "Verstörtheit" gibt?
Pelle hat schon darauf hingewiesen, daß in der DDR die Todesstrafe bis 1984 bestand. Nicht geheim, sondern das war allgemeine bekannt; auch daß sie angewandt wurde. In Frankreich wurde die Guillotine das letzte Mal noch 1977 eingesetzt und die Todesstrafe erst 1981 abgeschafft; im UK wurde der letzte Delinquent 1964 gehängt und die Todesstrafe im Jahr danach abgeschafft.
Einer der ersten Staaten der Welt, der die Todesstrafe abschaffte, war ein Bundesstaat der USA, nämlich Wisconsin im Jahr 1853.
Wir Europäer haben also, lieber Omni, auch in diesem Punkt keinen Anlaß, uns über die USA zu erheben oder verstört zu sein, daß dort in einem Teil der Staaten das noch praktiziert wird, was bis vor wenigen Jahrzehnten auch in Ländern wie dem UK und Frankreich Gesetz war, die gern als vorbildlich für unsere europäische Kultur genannt werden.
Zitat von LlarianNee, so schön das Argument klingt, das isses nicht, zumindest nicht in der Breite. Die Gegnerschaft zur Todesstrafe ist bei vielen nur das scheinbar rationale Vehikel, um sich nicht dem platten Vorwurf des Antiamerikanismusses aussetzen zu müssen.
Das ist auch meine Vermutung, lieber Llarian.
Hinzu kommt, daß es ja auch in den USA selbst eine sehr aktive Bewegung gegen die Todesstrafe gibt. Von dieser kann man alles beziehen - Informationen, Argumente, aktuelles Material, Bilder.
Was in den USA eine inneramerikanische Auseinandersetzung ist, wird dann hier als ein Mittel der Propaganda gegen die USA eingesetzt, und gegen mißliebige Politiker.
Ich kann mich erinnern, daß als Argument gegen Präsident Bush in eine Forum vor ein paar Jahren allen Ernstes vorgetragen wurde, daß er als Gouverneur von Texas die dort rechtskräftig zum Tode Verurteilten nicht begnadigt habe.
Das ist jetzt dieses "Fasst euch an der eigenen Nase"-Argument. Aber wenn man dafür die DDR zulassen würde, dann müsste man sie auch für alles andere zulassen. Dann dürften insbesondere Sie nicht immer wieder über Sozialismus verstört sein, denn immerhin wurde er ja - Ihrer Logik zufolge - in einem Teil Deutschlands bis 1989 praktiziert. Aber - da sind wir wieder beim Thema Tradition - Sie sehen sich genausowenig in der Tradition des DDR-Sozialismus wie die meisten Deutschen, die kritisch die USA unter dem Aspekt der Todesstrafe betrachten. Wenn Sie sich also in der Tradition Westdeutschlands sehen, dann wurde in Deutschland die Todesstrafe bereits früher (1953 oder so?) abgeschafft.
Ganz davon abgesehen finde ich dieses "Fasst euch an der eigenen Nase"-Argument aber sowieso irgendwie nicht so stark. Ich muss mich als Individuum nicht für die Geschichte meines Staates verantwortlich fühlen - das haben Sie, wenn ich Ihnen jetzt kein Unrecht tue, an anderer Stelle ja auch schon so ähnlich ausgedrückt - also hat es für die Verurteilung der Todesstrafe in den USA doch garkeine Relevanz wann im eigenen Land diese abgeschafft wurde. Und um jetzt nochmal zu differenzieren: Natürlich hat die Ablehnung auch sehr viel mit dem schon von jemand hier angesprochenen Punkt zu tun, dass es in der USA im Gegensatz zu China und Japan eine gesellschaftliche Debatte über Todesstrafe gibt.
Zitat von OmniDas ist jetzt dieses "Fasst euch an der eigenen Nase"-Argument.
Nicht ganz, lieber Omni. Es ist schlicht ein Argument dafür, über die USA nicht vestörter zu sein als über unsere eigene europäische Kultur und Geschichte.
Zitat von Omni Aber wenn man dafür die DDR zulassen würde, dann müsste man sie auch für alles andere zulassen.
Die DDR habe ich nur erwähnt, weil Pelle das angesprochen hatte. Mein Argument bezog sich auf das UK und Frankreich.
Zitat von OmniNatürlich hat die Ablehnung auch sehr viel mit dem schon von jemand hier angesprochenen Punkt zu tun, dass es in der USA im Gegensatz zu China und Japan eine gesellschaftliche Debatte über Todesstrafe gibt.
Ja, das stimmt. Und ich bin sehr dafür, diese Diskussion auch bei uns zu führen, zusammen mit den Amerikanern, im Austausch mit ihnen.
Nur gibt es bei diesem Thema sehr oft den antiamerikanischen Unterton, auf den auch Llarian hingewiesen hat.
Eingebettet übrigens in einen Diskurs, der vor allem ab 2003 teilweise geradezu penetrant vor allem in den linksliberalen Medien (die "Zeit" hat sich unrühmlich hervorgetan; Naumann war ein Hauptwortführer, auch Habermas) geführt wurde:
Auf der einen Seite dies angebliche Ellenbogengesellschaft der USA, auf der anderen "unsere europäische Kultur". Auf der einen Seite diese Amis, die mit brachialer Gewalt ihre Ziele durchsetzen, die sich nicht ums arme Klima scheren usw., und auf der anderen Seite wir rechtlich denkenden, umweltbewußten usw. Europäer.
Kurzum, die schlimmsten xenophoben Klischees, der schlimmste Ethnozentrismus, die just diese Linksliberalen niemandem durchgehen lassen würden, wenn sie sich nicht gegen die USA richteten, sindern gegen Afrikaner oder Türken oder sonstwen.
Und in diese ganze schlimme Propaganda gegen die USA gehörte dann eben auch unweigerlich der Hinweis auf die Todesstrafe. Gegen die ich bin; auch in den USA und gerade dort, wo sie besonders inhuman vollstreckt wird.
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