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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 22 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2008 00:16
Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Wenn die aktuelle Georgien-Krise vorbei ist, dann wird es, denke ich, notwendig sein, gründlich über Rußland und unser Verhältnis zu ihm nachzudenken. Ich fürchte, es wird auf die Einsicht hinauslaufen, die Jean Daniel, der Grandseigneur der französischen Journalistik, in der schlichten Feststellung zusammenfaßt, die das heutige Zitat des Tages ist.

Aktuell geht es auch um die Kriegsschuld und um die Kriegsziele der beiden Seiten, vor allem Rußlands.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2008 18:53
#2 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Als Anwort auf diesen Beitrag von Robin:

In Antwort auf:
Lieber Zettel,
Zitat von Zettel
1938 wäre es schon vielleicht nicht mehr möglich, den Krieg zu vermeiden. Aber man hätte es versuchen können, indem man Hitler jedes Zugeständnis in Bezug auf die Tschechoslowakei verweigert hätte. Man hätte ihm damals sagen müssen. Keinen Zentimeter weiter. Man hätte der Tschechoslowakei die Garantien geben müssen, die dann Polen bekam. Ob das den Krieg verhindert hätte, kann niemand sagen. Aber was Chamberlain und Daladier taten, hat Hitler zu der Überzeugung gebracht, daß er sich Polen nehmen, dann Rußland angreifen würde können, ohne daß die Westmächte reagieren würden. Krieg mit diesen, vor allem mit dem UK, wollte er natürlich nicht.

so recht Sie mit Ihrer Argumentation auch haben, muss ich Ihnen hier doch zumindest in soweit widersprechen, als Hitler selbst in den Bormanndiktaten 1945 zu Protokoll gegeben hat, dass er den Krieg schon 1938 in München hierbeisehnte.
Zitat von Bormanndikatate
Vom militärischen Standpunkt aus waren wir daran interessiert, ihn (den Krieg) ein Jahr früher zu beginnen [...] Aber ich konnte nichts machen, da die Engländer und Franzosen in München alle meine Forderungen akzeptierten.
Quelle: Sebastian Haffner, Anmerkungen zu Hitler, 11. Auflage 1978, S. 55

Er wollte ihn, je eher desto besser. Ob Hitler die militärische Lage richtig einschätzte, vermag ich nicht zu beurteilen. Auch nicht, ob ihn seine Generäle (die die Schrecken des Frankreichfeldzug von 1914 noch nicht vergessen hatten) 1938 tatsächlich hätten gewähren lassen, oder ob sie sich einer Kriegserklärung an die westlichen Mächte entgegengestellt hätten, weiß ich nicht. Aber Hitler wollte den Krieg - und war totunglücklich, dass 1938 alle seine Forderungen erfüllt wurden und er auf die nächste Gelegenheit warten musste, die er ja auch recht bald zu provozieren wusste.

Lieber Robin,

da der Thread, in dem Sie diesen Beitrag geschrieben haben, etwas länglich zu werden droht, während hier noch viel Platz ist, und da es hier thematisch mindestens ebenso gut paßt, ziehe ich mit meiner Antwort hierher um:

Ich habe mich über Ihren Hinweis auf Sebastian Haffner gefreut. Er war keiner von den Historikern (die wir brauchen), die in den Archiven arbeiten und Quellen erschließen. Aber unter denen, die - wie, sagen wir, Golo Mann - Geschichte mit Blick auf Zusammenhänge darstellen, war er aus meiner Sicht einer der größten; wenn auch kein studierter (was Golo Mann auch nicht eigentlich war; er hat Geschichte nur im Nebenfach studiert). Ein Meister der klaren Analyse, ein Meister auch der deutschen Sprache. Darin Ranke und Mommsen durchaus ebenbürtig.

War Hitler zum Krieg entschlossen? Natürlich, seit vermutlich den zwanzige Jahren. Als er "Mein Kampf" diktierte, entwickelte er diesen Gedanken, daß Deutschland nur mit einer wachsenden Bevölkerung erstarken könne; daß es zu deren Ernährung nicht genügend eigenen Boden hätte; daß folglich "Lebensraum im Osten" erobert werden müsse.

Das war eine Konstante in seinem Denken, wie der mörderische Antisemitismus und wie (was oft übersehen wird) sein echter Sozialismus. Er war Sozialist aus einer tiefen antiliberalen, aufklärungsfeindlichen Überzeugung heraus.

Wie hätte man ihn also daran hindern können, nachdem er nun einmal die Macht an sich gerissen hatte, seinen Eroberungskrieg im Osten zu führen? Vielleicht gar nicht. Wenn überhaupt, dann nur durch Härte so früh wie möglich. Aber das Gegenteil war ja der Fall. Man hat ihn mit allen Rechtsbrüchen davonkommen lassen - der Aufrüstung weit über das hinaus, was der Versailler Vertrag erlaubte, dem Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland, dem Anschluß Österreichs. Und mit München als Höhepunkt des Versuchs, es bei einem aggressiven Psychopathen mit antiautoritärer Erziehung zu versuchen.

Wie es Califax, Abraham und andere hier schon geschrieben haben: Es ist bequemer, es ist angenehmer, der Realität nicht ins Auge zu sehen, sondern sich vorzumachen, man könne mit einem solchen entschlossenen Machtpolitiker via Freundlichkeit und Ausgleich zurecht kommen. Er wird jedes Entgegenkommen immer nur als Schwäche auslegen.

Man macht - das ist ja unser eigentliches Thema hier wie in dem anderen Thread - bei Putin jetzt denselben Fehler.

Er ist kein zweiter Hitler, natürlich nicht. Aber dieser gelernte Spion spielt bisher meisterhaft das Täuschungsspiel "lupenreiner Demokrat". Jetzt fühlt er sich stark genug, Schritt für Schritt das verlorene Imperium zurückzuerobern, so wie es Jean Daniel geschrieben hat.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2008 19:35
#3 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Als Antwort auf diesen Beitrag von john j; in diesen Thread verlegt wie meine Antwort an Robin:



Lieber John,

solche Diskussionen, wie wir sie hier jetzt geführt haben, verlieren sich gern in Nebensächlichkeiten.

Stehen die Ergebnisse von Konferenzen schon im Vorhinein fest? Ja und nein, und da könnten wir nun endlos darüber diskutieren, ob die in Bukarest mehr ja oder mehr nein oder mehr jein.

So ist es bei vielen Themen, auf die man irgendwann kommt, und wo dann alle Beteiligten mehr um des edlen Streites willen weiterargumentieren.

Was amüsant sein kann, was ich auch gern mache, wenn ich Zeit und Lust habe. Aber meist versuche ich doch, zu gucken, wo denn Substantielles ist, über das zu diskutieren sich lohnt.



Als ich mir Ihren Beitrag darauf jetzt angesehen habe, ist mir diese Passage aufgefallen:
Zitat von john j
Zitat von Zettel
Demokratischer als fast alle Länder, die aus der UdSSR hervorgegangen sind, mit Ausnahme der baltischen Staaten. Demokratischer als die meisten Staaten der Region

Das sagt nicht viel. Das gleiche laesst sich von Aegypten sagen und ich glaube kaum dass wir es deswegen in die NATO aufnehmen wuerden.
Zitat von Zettel
Sie war und ist ein Bündnis zur Verteidigung von Demokratie, Freiheit und Stabilität. Nicht weltweit, sondern regional. Wo ihr Gebiet endet, das war nie statisch festgelegt. Als die UdSSR zerfiel, war es logisch, sie nach Osten auszuweiten.

Finde ich nicht so logisch aber na gut.

Interessant finde ich das deshalb, weil es die Frage betrifft, welche politischen Optionen es 1989 gab.

Niemand wußte damals, wie es nach dem Zerfall der UdSSR weitergehen würde. Die meisten sahen aber im wesentlichen zwei Möglichkeiten:

Erstens, es gibt eine Konterrevolution gegen Gorbatschow, die alte Machtelite behauptet sich und versucht die Politik der UdSSR fortzusetzen. Das wurde ja in der Tat mit dem Putschversuch gegen Gorbatschow versucht, den dieser scheinbar überstand, der ihn aber doch die Macht kostete.

Zweitens, es kommt nach gewissen Unruhen zu einer Entwicklung, die Rußland zu einem demokratischen Rechtsstaat werden läßt.

Das, was dann tatsächlich eingetreten ist - daß zwar nicht der Kommunismus eine Restauration erlebt, wohl aber ein autoritärer, imperialistischer Obrigkeitsstaat mit frühkapitalistischem Wirtschaftssystem -, das hatte kaum jemand auf der Rechnung.

Auf jede der beiden Entwicklungen, die damals, 1989, als wahrscheinlich galten, konnte man vernünftigerweise nur mit einer Stärkung der Nato reagieren. Um für den Fall einer erfolgreichen Konterrevolution gegen Gorbatschow geschützt zu sein; um im Fall einer demokratischen Entwicklung dieser Unterstützung und Schützenhilfe zu geben.

Im einen Fall wäre die Nato in ihrer traditionellen Rolle gefordert gewesen, im anderen in einer neuen Rolle als ein kollektives Sicherheitssystem, um ein Wort aus der Diskussion der sechziger Jahre aufzugreifen, das freilich damals die Kommunisten verwendeten.



Seit Putins Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 ist es klar, daß es mit diesem kollektiven Sicherheitssystem nichts werden wird.

Die Nato muß jetzt wieder ihre alte Funktion wahrnehmen: Schutz gegen den aggressiven russischen Imperialismus zu bieten. Deshalb muß sie Georgien und die Ukraine so schnell wie möglich aufnehmen; deshalb muß sie den anderen gefährdeten Staaten, einschließlich Aserbeidschan und Kasachstan, jede erforderliche militärische Unterstützung geben.

Das ist nicht schön. Schöner wäre es, wenn in Moskau ein Demokrate regieren würde, der sich nicht als den neuen Iwan den Schrecklichen und Peter den Großen in Personalunion sieht. Aber wir können uns das ja nicht aussuchen.

Herzlich, Zettel

Robin Offline



Beiträge: 317

21.08.2008 20:19
#4 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Lieber Zettel,

fast hätte ich Ihre Antwort hier im anderen Thread nicht übersehen, freue mich aber natürlich, dass ich sie doch gefunden habe . Das Buch von Haffner habe ich erst vor kurzer Zeit gelesen und hatte daher auch schnell die passende Passage zur Hand; das hatte mich zu dem Beitrag sozusagen motiviert. Es ist in der Tat ein ob seiner Klarheit der Struktur, der Sprache und des Denkens überraschendes und bemerkenswertes Buch, das ich auch heute noch für sehr lesenswert erachte. Golo Mann übrigens war etwas verhalten in seiner Reaktion auf das Erscheinen, ich konnte seine Einwände aber bislang noch nicht wirklich nachvollziehen.

Wie ich bereits im vorangehenden Beitrag ausgeführt habe, bin ich bei der Sichtweise auf das putinsche Russland ganz auf Ihrer Seite (und komme nicht umher zu bewundern, wie frühzeitig und hellsichtig Sie die drohende Gefahr, die vom russischen Autokraten ausgeht, vorhergesagt haben). Es ging mir vor allem darum, die Spekulationen bezüglich Hitlers Kriegsbereitschaft mit einer Quelle zu konkretisieren, ohne daraus eine allgemeine Handlungsmaxime ableiten zu wollen. Auch wenn für Hitler schon 1938 feststand, dass er den Krieg wollte, so gibt es doch keinen Zweifel daran, dass ein entschlosseneres Vorgehen der Entente Hitler Einhalt geboten hätte (ob freiwillig oder nicht). Nur war es 1938 möglicherweise schon zu spät, den Krieg zu verhindern. Aber die Münchner Konferenz mit dem zum Symbol des unheilvollen Appeasements gewordenen Neville Chamberlain stellt eben nicht den Anfang, sondern (wie ebenfalls Haffner schreibt) das Ende der Appeasementperiode dar, die 1925 unter seinem Bruder Austin Chamberlain mit den Locarnoverträgen begonnen hatte.

Viele Grüße
Robin
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2008 22:14
#5 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von Robin
fast hätte ich Ihre Antwort hier im anderen Thread nicht übersehen, freue mich aber natürlich, dass ich sie doch gefunden habe .

Ja, ich hätte eine Spur legen sollen; habe ich jetzt wenigstens für John noch getan.
Zitat von Robin
Es ist in der Tat ein ob seiner Klarheit der Struktur, der Sprache und des Denkens überraschendes und bemerkenswertes Buch, das ich auch heute noch für sehr lesenswert erachte.

Haffner hat die seltene Fähigkeit, so zu schreiben, daß man beim Lesen denkt: Ja, genau, so muß es sein. Er beschreibt nicht einfach, sondern macht Zusammenhänge sichtbar. Glänzend auch in seinem Preußen-Buch. Oder dem über die deutsch-russischen Beziehungen. Oder dem über die Revolution von 1919 (auch wenn er das in seiner linksradikalen Phase geschrieben hat).

Das kann natürlich (ich merke das ja bei dem, was ich selbst so schreibe) immer auch eine Versuchung sein: Mehr an Zusammenhängen zu suchen, als die Realität, die ja oft chaotisch und zufällig ist, eigentlich hergibt. Bei Haffner kenne ich aber kein Beispiel dafür, daß ein Fachmann das, was Haffner schrieb, als sachlich falsch oder als interpretativ nicht vertretbar kritisiert hätte.
Zitat von Robin
Golo Mann übrigens war etwas verhalten in seiner Reaktion auf das Erscheinen, ich konnte seine Einwände aber bislang noch nicht wirklich nachvollziehen.

Das ist mir damals entgangen.

Golo Mann selbst ist ja auch dieses Typus des Historikers, der nach den großen Linien sucht. Anders als bei Haffner hat man von seinen Texten allerdings nicht viel, wenn man nicht die Geschehnisse in groben Zügen schon kennt, die er zu ordnen und interpretieren versucht.

Ich habe ja irgendwo kürzlich schon erwähnt, daß ich - angeregt durch die Diskussion mit str1977 - Golo Manns Darstellung des 19. Jahrhunderts noch einmal gelesen habe. Als ich sie vor Jahrzehnten einmal las, kam sie mir schlecht vor; jetzt habe ich sie schätzen gelernt. Ich vermute, weil ich mich inzwischen in dieser Zeit halbwegs auskenne, damals aber noch nicht.
Zitat von Robin
Aber die Münchner Konferenz mit dem zum Symbol des unheilvollen Appeasements gewordenen Neville Chamberlain stellt eben nicht den Anfang, sondern (wie ebenfalls Haffner schreibt) das Ende der Appeasementperiode dar, die 1925 unter seinem Bruder Austin Chamberlain mit den Locarnoverträgen begonnen hatte.

Ich denke, es ist kein Zufall, daß Haffner Churchill so bewundert hat (und eine der besten Churchill-Biographien geschrieben hat). Als Historiker ähnelt Churchill Haffner: Auch mit dieser Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen.

Nur, daß Churchill als handelnder Staatsmann diese Einsichten in Politik umzusetzen versuchte. Er hat in den zwanziger Jahren, als er ja teilweise nur Journalist war, diese verhängnisvolle Entscheidung der Westmächte beschrieben, Deutschland zu demütigen, aber nicht total zu kontrollieren. Das Schlimmste, was man machen konnte.

Insofern sah er ja Hitlers Aufstieg als eine logische Konsequenz aus dieser Fehlentscheidung. Er war immer der Überzeugung, daß Deutschland wieder seinen angemessenen Platz in Europa suchen würde, den ihm das Diktat von Versailles verweigerte. Deshalb sah er den Zweiten Weltkrieg kommen. Hitlers eigentliches Motiv, die Eroberung von "Lebensraum" im Osten, hat Churchill wohl eher unterschätzt.

Herzlich, Zettel

john j Offline




Beiträge: 591

21.08.2008 22:22
#6 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

"solche Diskussionen, wie wir sie hier jetzt geführt haben, verlieren sich gern in Nebensächlichkeiten."

Da haben sie recht. Also zurueck zum Kern.

"Auf jede der beiden Entwicklungen, die damals, 1989, als wahrscheinlich galten, konnte man vernünftigerweise nur mit einer Stärkung der Nato reagieren. Um für den Fall einer erfolgreichen Konterrevolution gegen Gorbatschow geschützt zu sein; um im Fall einer demokratischen Entwicklung dieser Unterstützung und Schützenhilfe zu geben."

Auch da haben sie recht. Und die NATO hat sich ja erweitert, um Polen, Rumaenien, die baltischen Republiken etc. Dagegen sage ich gar nix. Aber nehmen wir mal die baltischen Republiken: Ausser dem Zugewinn an NATO-Gebiet, handelt es sich hier wirklich um eine Staerkung der NATO? Ich denke nicht. Diese Staaten haben kaum eigenes Militaer und tragen zur NATO-Armee wenn man so will kaum bei, sind aber stark konfliktgefaehrdet. Andersrum gefragt: Traete Luxemburg aus der NATO aus, waere das eine grosse Schwaechung der NATO?

"Die Nato muß jetzt wieder ihre alte Funktion wahrnehmen: Schutz gegen den aggressiven russischen Imperialismus zu bieten. Deshalb muß sie Georgien und die Ukraine so schnell wie möglich aufnehmen; deshalb muß sie den anderen gefährdeten Staaten, einschließlich Aserbeidschan und Kasachstan, jede erforderliche militärische Unterstützung geben."

Erster Satz: Klar. Zweiter Satz: Das kann ich einfach nicht so sehen. Damit begibt sich die NATO in eine sehr instabile Situation und schwaecht sich zugleich noch selber. Nochmal: Wnn die NATO Mitglieder aufnimmt die selber kaum zur NATO etwas beitragen koennen aber umfangreich Hilfe benoetigen, dann schwaecht sich das Buendnis selbst. Kriteria der Aufnahme sollten sein:

1. Stabile Demokratie
2. Keine ungeloesten Grenzkonflikte
3. Ein gewisser Reifegrad und Umfang des eigenen Militaers
4. Strategische/geopolitische Lage

Damit werden Mitglieder aufgenommen die die NATO staerken und den Erfolg des Buendnisses auch in der Zukunft sicherstellen.



califax Offline




Beiträge: 1.502

21.08.2008 22:53
#7 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von john j
Andersrum gefragt: Traete Luxemburg aus der NATO aus, waere das eine grosse Schwaechung der NATO?



Die luxemburgischen Panzergrenadiere hätten trotz ihrer geringen Truppenstärke alleine gereicht, die 58. Armee zu stoppen. Der Verschluß des Tunnelausgangs wäre freilich eine Sache für Cruise Missiles gewesen.
Insofern: Luxemburg hat durchaus etwas zu bieten.

Zitat von john j
Kriteria der Aufnahme sollten sein:
1. Stabile Demokratie



Westdeutschland, Portugal, Spanien, Italien?

Zitat von john j

2. Keine ungeloesten Grenzkonflikte



Westdeutschland?

Zitat von john j

3. Ein gewisser Reifegrad und Umfang des eigenen Militaers



Aufrüstung und Ausbildung im Beitrittprozeß.

Zitat von john j

4. Strategische/geopolitische Lage



Norden des Iran. Zugang zu zentralasiatischen Bodenschätzen. Kontrolle der Zone zwischen Tschetschenien, Iran und Türkei.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.08.2008 23:15
#8 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von john j
Aber nehmen wir mal die baltischen Republiken: Ausser dem Zugewinn an NATO-Gebiet, handelt es sich hier wirklich um eine Staerkung der NATO? Ich denke nicht. Diese Staaten haben kaum eigenes Militaer und tragen zur NATO-Armee wenn man so will kaum bei, sind aber stark konfliktgefaehrdet. Andersrum gefragt: Traete Luxemburg aus der NATO aus, waere das eine grosse Schwaechung der NATO?

Da kommen wir zu einem Kernpunkt, lieber John. Was ist der sozusagen letzte, der eigentliche Zweck der Nato?

Aus meiner Sicht ist es der Schutz, die Verteidigung und ja, auch die Ausbreitung unserer westlicher Werte. Gut, über das Letztere mag man streiten; vielleicht sollten wir das, wenn denn, in einem getrennten Thread tun.

Aber wenn wir nur Schutz und Verteidigung nehmen - dann folgt für mich, daß jemand, der, wie die baltischen Staaten, für diese gemeinsamen Werte steht, auch Anspruch auf den Schutz der Nato hat, wenn er das denn will.

Gewiß, man hat auch Spanien und die Türkei aufgenommen. Die Kritik daran habe ich nie verstanden; so wenig wie die Kritik daran, daß der Westen einmal Saddam Hussein zumindest toleriert hat.

Denn, lieber John - und das scheint mir ein wesentliche Punkt zu sein - aus der Entscheidung, eine auf Werten basierende Politik zu betreiben, folgt ja nicht, eine naive und blauäugige Politik zu betreiben.

Ja, natürlich, "He's a s.o.b., but he is our s.o.b." - so what? Man kann sich halt seine Verbündeten nicht schnitzen; man muß sie nehmen, wie sie sind.
Zitat von john j
"Die Nato muß jetzt wieder ihre alte Funktion wahrnehmen: Schutz gegen den aggressiven russischen Imperialismus zu bieten. Deshalb muß sie Georgien und die Ukraine so schnell wie möglich aufnehmen; deshalb muß sie den anderen gefährdeten Staaten, einschließlich Aserbeidschan und Kasachstan, jede erforderliche militärische Unterstützung geben."

Erster Satz: Klar. Zweiter Satz: Das kann ich einfach nicht so sehen. Damit begibt sich die NATO in eine sehr instabile Situation und schwaecht sich zugleich noch selber. Nochmal: Wnn die NATO Mitglieder aufnimmt die selber kaum zur NATO etwas beitragen koennen aber umfangreich Hilfe benoetigen, dann schwaecht sich das Buendnis selbst.

Wenn die Nato Länder wie Georgien und die Ukraine nicht aufnimmt, obwohl sie das beantragen, dann schwächt sie vor allem ihre Glaubwürdigkeit. Sie zeigt sich ja schon feige, bevor sie überhaupt einer Belastung ausgesetzt ist.

Zweitens fallen dann ja diese Länder nicht in ein Vakuum, sondern sie werden unter die Knute der Russen geraten. Das bedeutet, daß Rußland von ihnen - vor allem der Ukraine - aus auch Nato-Länder wie Polen und das Baltikum bedrohen wird.

Diese Länder nicht aufzunehmen wäre eine Einladung an Putin, mit der Wiedererrichtung des Zarenreichs zügig weiterzumachen; insofern schon etwas wie die Appeasement-Politik der zwanziger und dreißiger Jahre.
Zitat von john j
Kriteria der Aufnahme sollten sein:
1. Stabile Demokratie

War kein Hinderungsgrund für die Aufnahme Spaniens und der Türkei
Zitat von john j
2. Keine ungeloesten Grenzkonflikte

Weder die Ukraine noch Georgien haben ungelöste Grenzkonflikte. Separatistische Tendenzen sind etwas anderes; die gab und gibt es auch in der Türkei, in Spanien, sogar in Frankreich (Korsika) und in Italien (Padania).
Zitat von john j
3. Ein gewisser Reifegrad und Umfang des eigenen Militaers

Wieviele Divisionen hat der Großherzog? - Was den Reifegrad angeht: Ja gewiß, Bosnien hätte man vor zehn Jahren nicht aufnehmen können. Es muß ein Minimum an Stabilität geben.
Zitat von john j
4. Strategische/geopolitische Lage

Das darf aus meiner Sicht kein Kriterium sein. Wer den Schutz der Nato will, der hat Anspruch darauf, egal, ob er strategisch wichtig lokalisiert ist oder nicht.
Zitat von john j
Damit werden Mitglieder aufgenommen die die NATO staerken und den Erfolg des Buendnisses auch in der Zukunft sicherstellen.

Da sind wir wieder am Ausgangspunkt, lieber John. Wenn man die Nato als ein reines Machtbündnis ohne gemeinsame Werte sieht, dann kann man zu Ihrer Folgerung kommen. Wenn man sie als ein Bündnis auch zum Schutz unserer Werte sieht, dann wird man eher zu meiner Position gelangen.

Herzlich, Zettel

john j Offline




Beiträge: 591

22.08.2008 00:24
#9 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Ich denke wir haben beide unsere Ansichten und Argumente klar dargelegt und es kommt der Punkt where we'll have to agree to disagree.

Wenn ich zusammenfassen darf:

Ich glaube nicht wie sie dass die NATO ein weltumspannendes Vehikel zur Bewahrung und Ausbreitung westlicher Werte ist, jemals war, und sein wird. Sie ist ein Militaerbuendnis, kein Machtbuendnis uebrigens denn die NATO ist reaktiv, nicht proaktiv, in dem sich verschiedene Staaten gegenseitige Hilfe bei einem Angriff zusichern. Ich bin der Meinung dass man nur Kandidaten aufnehmen solte die eine objektive Staerkung der NATO darstellen. Sie sehen das anders und meinen dass die Entscheidung ueber Mitgleidschaft bei den Drittstatten liegt, wer rein will der muss genommen werden (ich verkuerze ein bisschen). Das nimmt die Initiative aus der Hand der NATO und legt sie in die Hand manchmal obskurer Halbdemokratien.

"Ja, natürlich, "He's a s.o.b., but he is our s.o.b." - so what? Man kann sich halt seine Verbündeten nicht schnitzen; man muß sie nehmen, wie sie sind."

Sorry, aber das ist eine furchtbare Aussage - und die USA haben die Folgen einer solchen zynischen Politik oft genug um die Ohren bekommen...momentan in Afghanistan bspw zu beobachten wo ihre ehemaligen SOBs den USA mittlerweilse die Hoelle heissmachen.

Ich denke, genug diskutiert, zumindest von meiner Seite.

Ihnen Alles Gute

John J



Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.08.2008 01:01
#10 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Lieber John,

als ich Ihren Beitrag zu lesen anfing, dachte ich auch: Genau, das lassen wir jetzt so stehen.

Nur geht es nicht, daß man, wie Sie das jetzt gemacht haben, eine Art Schlußwort schreibt und zugleich noch einmal kräftig kloppt.

Also, das kann und will ich so nicht stehenlassen:
Zitat von john j
"Ja, natürlich, "He\'s a s.o.b., but he is our s.o.b." - so what? Man kann sich halt seine Verbündeten nicht schnitzen; man muß sie nehmen, wie sie sind."

Sorry, aber das ist eine furchtbare Aussage - und die USA haben die Folgen einer solchen zynischen Politik oft genug um die Ohren bekommen...momentan in Afghanistan bspw zu beobachten wo ihre ehemaligen SOBs den USA mittlerweilse die Hoelle heissmachen.

Sie finden das furchtbar, was ich geschrieben und Sie finden das Verhalten zynisch, das ich beschrieben habe.

Ich finde Ihr Urteil undurchdacht, und ich halte das Verhalten, das Sie so leichtfertig verurteilen, für das einzig Verantwortliche eines Staatsmanns.

Wer glaubt, Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Beachtung der Menschenrechte durchsetzen zu können, ohne dabei Realpolitik zu betreiben, der verrät diese Werte.

Man muß - das ist doch eigentlich eine Trvialität, ein truism, nicht wahr? - in der Politik, wenn man etwas erreichen will, zwischen größeren und kleineren Übeln wählen.

Wer sich als einen reinen Toren sieht, der es nicht über sich bringt, das geringere Übel zu wählen, der sollte seine Finger von der Politik lassen. Und zwar nicht nur von der praktischen Politik, sondern auch vom Kommentieren der Politik. Denn auch seine Kommentare werden immer nur Unheil anrichten.

Herzlich, Zettel
Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

22.08.2008 08:39
#11 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von Zettel

Und zwar nicht nur von der praktischen Politik, sondern auch vom Kommentieren der Politik. Denn auch seine Kommentare werden immer nur Unheil anrichten.
Herzlich, Zettel


Werter Zettel,
ich hoffe, das war nicht so gemeint, wie es klingt. MfG Frank

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.08.2008 09:35
#12 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von Frank2000
Zitat von Zettel

Und zwar nicht nur von der praktischen Politik, sondern auch vom Kommentieren der Politik. Denn auch seine Kommentare werden immer nur Unheil anrichten.
Herzlich, Zettel

Werter Zettel,
ich hoffe, das war nicht so gemeint, wie es klingt. MfG Frank

Doch, lieber Frank2000, das meine ich so. Weil nämlich diejenigen, die in den Medien als Kommentatoren die Politiker an der hehren Moral messen, so als hätten diese die Wahl, sich erst eine dafür geeignete Realität zu schaffen - weil die ja einflußreich sind und ergo Unheil anrichten.

Beispiel Irak: Da hätten sie es ja fast fertig gebracht, das Land in eine Katastrophe gleiten zu lassen. Wenn Präsident Bush im Frühsommer 2007 nicht die große Charakterstärke gehabt hätte, gegen diese massive Kritik Kurs zu halten, und hätte er die US-Truppen damals abgezogen, dann herrschte im Irak heute der Bürgerkrieg.

Und damals wurde von den Kommentatoren der NYT, der Washington Post usw. eben genau so argumentiert, wie ich es kritisiert habe: Im Irak gebe es keine Demokratie nach westlichen Maßstäben; dessen Regierung würde nicht genügend Anstrengungen machen usw.

Man hat also nicht das kleiner Übel wählen wollen, sondern alles hinwerfen, weil keine idealen Verhältnisse herrschten.



Dergleichen meinte ich, lieber Frank. Jetzt, wo Sie mich sozusagen mit der Nase darauf stoßen, fällt mir auf, daß man meine Anmerkung vielleicht auch als eine Aufforderung an John mißverstehen kann, hier nicht mehr zu schreiben. Daran hatte ich keinen Augenblick gedacht; ich habe ja im Gegenteil die sachliche Diskussion mit ihm gesucht, und das hat auch gut funktioniert.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2008 10:26
#13 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

In Antwort auf:
Zitat Zettel:
(...)Daran hatte ich keinen Augenblick gedacht; ich habe ja im Gegenteil die sachliche Diskussion mit ihm gesucht, und das hat auch gut funktioniert.



Lieber Zettel, daß habe ich anders als Sie empfunden. Schade wenn jemand, der offensichtlich intelligent ist, sein Wissen in Polemik und Überheblichkeit verpackt. Das war Ihnen gegenüber nicht anders.

♥liche Grüße Nola

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2008 11:03
#14 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Interview mit russischem Botschafter Kotenev heute morgen um 7.14 Uhr auf ARD geführt mit Werner Sonne.

Unter anderen „hörenswerten“ Aussagen, wie der Vorwurf auf unsere einseitige Berichterstattung, beruft sich Kotenev ganz eindeutig auf den 6-Punktplan und auf das, was mit Herrn Sakozy und Frau Merkel verhandelt, bzw. festgelegt wurde in dem Vertrag und genau danach richtet sich Russland nun. Ich glaube, wenn es in absehbarer Zeit ans „aufräumen“ geht, werden sich Merkel und Sakozy bittere Vorwürfe gefallen lassen müssen.

Das Video mit Botschafter Kotenev von heute morgen

♥liche Grüße Nola

john j Offline




Beiträge: 591

22.08.2008 14:55
#15 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Um es mit Shakespeare zu sagen: Once more unto the breach...

Ja ich wollte ein Schlusswort zu der Debatte schreiben, aber den SOB quote aus den finstersten Tagen des Kalten Krieges, der noch dazu so uebel nach Redneck klingt, den konnte ich nicht so stehenlassen. War nicht meine Absicht ihnen im Weggehen noch eine mitzugeben. Ich hoffe aber sie finden Gelegenheit eines Tages den Opfern von Pinochet, Machado, Duvalier, Mobutu, und wie sie alle hiessen, diesen Satz von dem SOB der unser ist zu erklaeren.

Was den Irak betrifft, es sind also die Kommentatoren von NYT etc die ihn in die "Katastrophe gleiten" lassen, die dort "Unheil anrichten". Hm, ich dachte immer in die Katastrophe glitt der Irak weil die USA keinen Plan und keine Strategie fuer das nation building dort hatten als sich rausstellte dass die Iraker halt doch die Invasion nicht so positiv sehen, und Unheil wurde vor allem z.B. von einigen MPs in Abu Ghraib angerichtet.

Aber lassen wir den Irak, hier ging es ja um Russland und Georgien. Und ich denke dazu ist von uns beiden alles gesagt.

john j Offline




Beiträge: 591

22.08.2008 15:28
#16 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

"...jemand, der offensichtlich intelligent ist..."

Danke fuer die Blumen.

"...sein Wissen in Polemik und Überheblichkeit verpackt"

Ueberheblichkeit sieht von unten oft nur so aus...und wenn sie was ueber mich zu sagen haben dann duerfen sie das ruhig direkt tun statt bei Zettel zu versuchen ueber die Bande zu spielen. Das zeugt naemlich nicht gerade von Niveau.

Llarian Online



Beiträge: 7.117

22.08.2008 16:34
#17 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Lieber Frank, lieber Zettel,

ich denke nicht, dass Zettel jemanden persönlich aus seinem Forum schmeissen wollte, er würde das sicher direkter formulieren. Ich möchte aber ein paar Gedanken zu dem darunter liegenden Punkt aufbringen:
Ich habe, seit ich politische Diskussionen und Debatten verfolge (so ein gutes Dutzend Jahre) den Eindruck, dass die allermeisten Menschen der Meinung sind, man müsse für seine eigene Meinung, die man zum Vortrage bringt, keine Verantwortung tragen. Frei nach dem Motto: Es ist ja nur meine Meinung, Entscheidungen treffen doch andere (die dann schuld sind) und ich habe damit nix zu tun. Das ist aber GRUNDFALSCH.
Ein Mensch der Verantwortungsbewusstsein für sich reklamiert, der muss auch bereit sein für seine Worte, seine Taten, ja seine Stimme, die Verantwortung zu tragen. Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, Meinungen führen zu Meinungsäusserungen, Meinungsäusserungen zu Stimmungen, Stimmungen zu Wahlergebnissen, Wahlergebnisse zu politischer Ausrichtung, politische Ausrichtung zu politischem Handeln. Wer eine bestimmte Meinung vertritt, der muss auch die Konsequenzen in Anspruch nehmen und damit sowohl das Postive, wie auch das Unheil das daraus resultiert. Viel zu oft habe ich den Eindruck, dass genau dazu keinerlei Bereitschaft existiert, frei nach dem Motto: Ich hab ja nur gemeint. Man redet und redet und redet, kommt sich seiner (vermeintlich genialen) rethorischen Fähigkeiten vor wie der Pabst persönlich, aber wehe die eigene Denke hat mal Konsequenzen. Dann will es keiner gewesen sein.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2008 16:46
#18 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Sehr richtig!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.08.2008 19:03
#19 Diskussionsstil Antworten
Zitat von Llarian
ich denke nicht, dass Zettel jemanden persönlich aus seinem Forum schmeissen wollte, er würde das sicher direkter formulieren.

So ist es, lieber Llarian; und außerdem wäre dann Wamba zuständig. Der ist hier ja der Bad Cop.

Die Diskussion mit John im Thread nebenan ging, was das Persönlichwerden angeht, manchmal an die Grenze dessen, was hier im Forum üblich ist; das schrieben Sie ja auch irgendwo in dem dortigen Thread. Aber eben nur an die Grenze, wirklich verletzend ist niemand geworden. Und von dem nicht mehr Üblichen bis zum Übertreten der Forumsregeln gibt es ja sozusagen noch eine Pufferzone. Wamba schreibt dann schon mal eine private Mail; was er hier aber noch nicht einmal getan hat.

Ich finde solche kontroversen Diskussionen, wenn sie höflich bleiben, nicht schlecht. Es hat sich so ergeben, daß die meisten, die hier schreiben, gemeinsame Grundüberzeugungen haben. Das freut mich auch. Aber zur politischen Debatte gehört es ja auch, daß einmal gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen.

Mein Ideal sind Diskussionen, bei denen man auch einmal radikal verschiedener Meinung ist und sich die Kontrahenten dennoch soweit in der Gewalt haben, daß sie höflich und gelassen bleiben und daß sie der Versuchung nicht nachgeben, persönlich zu werden.

Das ist nicht immer leicht, denn wir sind nun mal biologisch so gebaut, daß der Adrenalispiegel steigt, wenn ein anderer die eigenen Überzeugungen attackiert; das ist vermutlich eine evolutionär sehr alte Schutzreaktion. Umso erfreulicher finde ich es, wenn es gelingt, dennoch unter exakter Einhaltung der Regeln zu kämpfen. So, wie bei einem Boxkampf und nicht wie in einer Kneipenprügelei.

Das, lieber Llarian, ging mir durch den Kopf, als ich diese Diskussion mit John verfolgt habe. Und da Sie jetzt das Thema angeschnitten habe, dachte ich, ich schreibe es mal auf.

Herzlich, Zettel
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.08.2008 19:35
#20 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten

Zitat von Llarian
Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, Meinungen führen zu Meinungsäusserungen, Meinungsäusserungen zu Stimmungen, Stimmungen zu Wahlergebnissen, Wahlergebnisse zu politischer Ausrichtung, politische Ausrichtung zu politischem Handeln. Wer eine bestimmte Meinung vertritt, der muss auch die Konsequenzen in Anspruch nehmen und damit sowohl das Postive, wie auch das Unheil das daraus resultiert. Viel zu oft habe ich den Eindruck, dass genau dazu keinerlei Bereitschaft existiert, frei nach dem Motto: Ich hab ja nur gemeint.

In der Zeit nach 1989 wurde das mit dem Satz über den Kommunismus ironisiert: "Wer halt nur so'ne Idee".

Ich stimme Ihnen völlig zu. Kommentare, die von idealen Zuständen ausgehen und in denen Politiker dafür gerügt werden, daß sie in der realen Welt keine idealen Entscheidungen treffen können, sind wirklich oft verantwortungslos. Denn wie Sie schreiben - sie bleiben ja nicht folgenlos.

Woher kommt eigentlich die vielbeschworene "Politikmüdigkeit"? Die angebliche oder tatächliche "Verdrossenheit" an der Demokratie? Man wird das schwer empirisch analysieren können, aber es könnte gut sein, daß die Medien, die ständig das Handeln von Politikern kritisieren, indem sie es an idealen Verhältnissen messen, daran keinen geringen Anteil haben.

Gewiß, das Kritisieren ist ihre Aufgabe (sogar die eines kleinen Blogs wie ZR). Aber es sollte meines Erachtens deutlich werden, von welchem Standpunkt - einem Standpunkt, der Realpolitik erlaubt - aus man kritisiert.



Und um zum aktuellen Anlaß zurückzukommen: Dieses Kritisieren der USA dafür, daß sie Verbündete hat, in deren Ländern gar keine oder keine idealen demokratischen Zustände herrschen, illustriert das meines Erachtens sehr gut.

Diese Kritik ist erstens heuchlerisch. Denn diejenigen, die sie äußern, sind ja oft sehr für die Unterstützung undemokratischer Länder, sofern sie nur links regiert sind. Sie verurteilen, daß die USA die Diktatur in Chile unterstützt haben und erklären sich selbst solidarisch mit der ungleich schlimmeren Diktatur in Cuba.

Zweitens: Selbst wenn man diese Position ohne Heucheln einnimmt, ist es eine ganz unpolitische Position.

Die USA haben zB die Taliban im Kampf gegen die sowjetische Besatzungsmacht unterstützt. Das war aus damaliger Perspektive richtig.

Denn erstens ging es darum, die sowjetische Expansion zu stoppen. Das war ein alles andere überragendes Ziel.

Zweitens litten die Afghanen derart unter dieser Besatzung, daß es auch in deren Interesse lag, die Sowjets zu vertreiben.

Und drittens konnte damals niemand vorhersagen, daß die Taliban, einmal an die Macht gekommen, ein solches Schreckensregime errichten würden, wie sie es dann taten; inclusive der Einrichtung von Trainingslagern für Dschihadisten.



Die Welt ändert sich halt. Man gewinnt neue Einsichten; Allianzen wechseln. Das den USA vorzuhalten mit dem Argument: "Ihr fiesen Heuchler habt früher die Taliban unterstützt, und heute bekämpft ihr sie" ist unredlich.

Aber es ist natürlich propagandistisch wirksam. Und das, lieber Llarian, ist aus meiner Sicht bei diesem Thema der entscheidende Punkt: Diejenigen, die ständig mit dem erhobenen Zeigefinger, mit dieser ganzen Moralisiererei kritisieren, sind überwiegend ja gar nicht die Idealisten, als die sie gesehen werden wollen.

Es sind im Gegenteil linke Strategen, die genau wissen, was sie wollen. Nämlich das Vertrauen in die USA, in den Westen, in die Gerechtigkeit unseres politischen und gesellschaftlichen Systems untergraben.

Herzlich, Zettel


Nola ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2008 20:49
#21 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Lieber Zettel, vielleicht können Sie ja wieder einen aktuellen Thread über oder wegen Georgien einrichten?
Ich setz das jetzt mal hier hinein, weis aber nicht ob es paßt.

Freitag, 22. August 2008 n-tv
Soldaten bleiben Rückzug abgeschlossen

Rund zwei Wochen nach Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kaukasus hat Russland nach eigenen Angaben seine Truppen aus dem georgischen Kernland in das abtrünnige Südossetien zurückgezogen. Der Abzug sei um 17.50 Uhr MESZ abgeschlossen worden, teilte Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax mit.

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Drei Schiffe eines NATO-Flottenverbandes aus Deutschland, Polen und Spanien waren am Donnerstag zu einer seit über einem Jahr geplanten Übung im Westen des Schwarzen Meeres eingetroffen, darunter die Fregatte "Lübeck".

Mit einer "Hilfsaktion für Georgien", wie von russischen Medien berichtet, habe dies nichts zu tun, betonte das Verteidigungsministerium in Berlin. Unterdessen nahm der US-Zerstörer "USS McFaul" mit Hilfsgütern an Bord Kurs auf Georgien.

-----------------

Was wäre denn formal daran auszusetzen, wenn Deutschland Hilfsgüter per Schiff transportieren würde. Alle Landzugänge hat Russland ja wohl immer noch fest in der Hand. Die Häfen sind sicherlich auch zerstört.

♥lich Nola

Robin Offline



Beiträge: 317

23.08.2008 00:16
#22 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Zitat von Nola
vielleicht können Sie ja wieder einen aktuellen Thread über oder wegen Georgien einrichten?
Ich setz das jetzt mal hier hinein, weis aber nicht ob es paßt.

Dann schließe ich mich mal mit einem anderen Link an, der zu einem weiteren Tagesschau/WDR-Kommentar führt, aber ganz interessant ist, da er nicht dem üblichen Beschwichtigen und Gegenrechnen entspricht, sondern durchaus Tacheles redet:

Russland diktiert die Weltpolitik

Diesem Kommentar fehlt das, was einen solchen eigentlich ausmacht, nämlich den eigenen Standpunkt darzustellen, allerdings genauso wie die dort üblicherweise vorm Schreiben angelegten ideologischen Scheuklappen. Ob dies auch für Ralph Sina gilt (Amerikakorrespondent) weiß ich natürlich nicht.
Letztendlich stellt sich natürlich die Frage, ob er mit seiner Einschätzung recht hat, dass Russland durch das jederzeit mögliche Schüren von regionalen Konflikten letztlich am längeren Hebel sitzt. Aber leugnen lässt sich sicher nicht, dass hier gerade bei dem derzeitigen Zustand des westlichen Bündnisses eine reelle Gefahr lauert. Dass Russland "überrissen" hätte und Amerika und die EU nun gewarnt seien und eventuellen weiteren Sticheleien mit Geschlossenheit entgegentreten würden, wie manche Kommentatoren der letzten Tage meinen, daran mag ich jedenfalls nicht glauben. Zu schnell wird sich nach den jüngsten Ereignissen wieder der Status quo herstellen.

Viele Grüße
Robin
Nola ( gelöscht )
Beiträge:

23.08.2008 00:37
#23 RE: Zitat des Tages: "Eine Wiederauferstehung des Zarenreichs"! Antworten
Ja, lieber Robin
und gerade zu dieser Abhängigkeit hatte M.Schneider Teil I und Teil II hier eínen guten Artikel in "weitere Themen" gesetzt und demnach sind wir praktisch verraten und verkauft !

♥lich Nola

 Sprung  



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