Deutlicher als sonst in der Öffentlichkeit, freilich immer noch in der verklausulierten Sprache seiner Partei, sagt Dietmar Bartsch Erhellendes, wenn auch nicht Originelles, zu Strategie und Taktik der deutschen Kommunisten.
Calimero
(
gelöscht
)
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27.10.2009 23:43
#2 RE: Zitat des Tages: "Es geht um die Klassenfrage"
ohne ihren Beitrag hätte ich dieses Interview mit Sicherheit garnicht wahrgenommen. Nun hab ichs getan und ich musste beim Lesen feststellen, dass es erschreckend normal klingt. Hätte so ähnlich auch von einem SPD-Funktionär gegeben worden sein können. Da ich aber vorher ihren Beitrag gelesen hatte, fielen mir die Schlüsselstellen auf.
Zum ganzen sozial-Frieden-Gerechtigkeit-bla-laber-sülz fehlt eigentlich nur noch die unverbrüchliche Freundschaft zur Sowjetunion. Das antimilitaristische Gehabe ist auch immer wieder lustig, wenn man an real existierende sozialistische Regime zurückdenkt. Ach ja ... die Legalisierung weicher Drogen - gefordert von einer Partei, die (zugegeben vor meiner Zeit) asoziale, langhaarige Elemente von der Straße zerrte, um ihnen, mittels Schur, eine ansprechendere Frisur zu verpassen.
Spaßig auch die Passage, in der Bartsch schildert, wie er mit Kirchen und Gewerkschaften die Straßen und Plätze übernehmen will. Die Kirchen? Die, in denen die Anfänge für den Niedergang des DDR-Regimes gelegt wurden? Die Gewerkschaften? Die, die zum FDGB zusammengefasst wurden? Da bin ich ja mal gespannt, wie Bsirske und Sommer um den Vorsitz des neuen FDGB fighten.
Es wäre eine Randnotiz, wenn es nicht so entsetzlich normal geworden wäre, sowas zu lesen. Diese Passage hat mir aber echt den Rest gegeben:
Zitat von Dietmar BartschSpannender sind Antworten auf die Frage, wie soziale Sicherungssysteme dauerhaft funktionieren können und wie alles finanziert und der Reichtum der Gesellschaft erarbeitet und gerecht verteilt werden kann.
Ja, das finde ich auch spannend ... vor allem die Verteilungsfrage. Wer ist nochmal John Galt?
Beste Grüße, Calimero
P.S. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht *sing*
---------------------------------------------------- ... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.
ich bin auch der Meinung, dass die Kommunisten schon seit jeher versuchen die westlichen Gesellschaften zu unterwandern. Sie waren damit in der Vergangenheit auch ziemlich erfolgreich, wie man an Person wie Trittin & Co sehen kann.
Allerdings hat der Kapitalismus dasselbe mit dem kommunistischen Staaten gemacht bzw. ist es wohl ein Naturgesetz, dass die kommunistischen Führer zum Kapitalismus für sich selbst und zum Kommunismus für alle anderen neigen.
Da ich mit einer ziemlich weit links stehenden Frau verheiratet bin, kann ich jetzt auch die linke Denke besser verstehen. Keine Angst, es findet keine Missionierung statt, wir beide schaffen es in unseren politischen Positionen zu verharren. Mir kommt es so vor, als ob es im Spiel der politischen Kräfte immer der gerade schwächeren Seite obläge, die "vernünftigeren" Argumente zu haben und die eigene Ideologie etwas zu Gunsten der Vernunft zurückzufahren. Ich ertappe mich jedenfalls sehr oft dabei Prinzipien über Individualschicksale zu stellen. So z.B. bei der aktuellen Diskussion über die Gesundheitsreform.
Das ist ja ein Argument, das man den Linken gerne entgegenhält.
Ich stelle mir auch die Frage, ob diese "Unterwanderung" nicht zwangsläufig ist, wenn man ein System der Umverteilung anstebt. Die schleichende Zunahme einer immer weitergehenden Umverteilung scheint mir jedenfalls eine zwangsläufige Folge zu sein. Der Vorwurf der Unterwanderung scheint mir daher auch ein wenig ungerecht, sondern ein zwangsläufiges Ergebnis zu sein.
Ich nehme aber an, Du meinst eher die bewusste Lüge. Also die der Öffentlichkeit vorenthalte Kader- oder Parteilinie.
Zitat von Die Stimme aus dem Offich bin auch der Meinung, dass die Kommunisten schon seit jeher versuchen die westlichen Gesellschaften zu unterwandern.
Die Strategie ist seit den fünfziger Jahren die des "breiten antimonopolistischen Bündnisses". Damit ist folgendes gemeint:
Im Kapitalismus gibt es Schichten, die zwar nicht für den Kommunismus zu gewinnen sind, deren objektive Interessen aber auch denen des Monopolkapitalismus entgegengerichtet sind - vom kleinen Gewerbetreibenden und dem Facharbeiter über den Lehrer bis zum Rentner.
Diese Schichten gilt es als Bündnispartner zu gewinnen, natürlich unter der heimlichen Führung der Kommunisten. Dazu dient die Unterwanderung der Gewerkschaften, von kirchlichen Kreisen usw. Ich habe mich gewundert, wie deutlich das Bartsch auch in dem Interview gesagt hat, wenn er auch natürlich nicht von Unterwanderung spricht.
Zitat von Die Stimme aus dem OffIch stelle mir auch die Frage, ob diese "Unterwanderung" nicht zwangsläufig ist, wenn man ein System der Umverteilung anstebt. Die schleichende Zunahme einer immer weitergehenden Umverteilung scheint mir jedenfalls eine zwangsläufige Folge zu sein. Der Vorwurf der Unterwanderung scheint mir daher auch ein wenig ungerecht, sondern ein zwangsläufiges Ergebnis zu sein.
Es geht, liebe Off-Stimme, ja nicht nur um Umverteilung, sondern es geht um den Aufbau des Sozialismus.
Für Marxisten dient politische Arbeit nur vordergründig dazu, bestimmte konkrete Ziele zu erreichen, sagen wir Umverteilung. Das steht alles nur im Dienst des eigentlichen Ziels, den Kapitalismus zu beseitigen und zunächst die Diktatur des Proletariats, dann den Sozialismus zu erreichen.
Davon redet man nicht. Davon redeten auch die DKP-Genossen niemals öffentlich, mit denen ich in den siebziger Jahren als Juso manchen Kontakt hatte. Intern wird das aber natürlich besprochen. Damals habe ich das Politikverständnis von Kommunisten begriffen.
Und es ist schon bemerkenswert, wie exakt - Punkt für Punkt - es auch heute noch das Verständis der Partei ist, deren Geschäfte Dietmar Bartsch (übrigens zu Sowjetzeiten in Moskau ausgebildet) führt. Vorerst geht es um außerparlamentarische Arbeit "auf der Straße" (welche andere Partei macht so etwas?), um die Gewinnung von Bundesgenossen. Am Ende wird es, sagt Bartsch, um die "Klassenfrage" gehen.
Kommunisten begreifen ihre politische Arbeit historisch. Für sie hat der Sozialismus 1989 einen bitteren Rückschlag erlitten. Aber deswegen ist für sie die einzige wissenschaftliche Weltanschauung doch nicht widerlegt!
Man analysiert die Fehler, man wird daraus für die weitere Strategie und Taktik lernen. Vorerst gilt es zu überwintern, bis die Bedingungen für den Übergang zum Sozialismus wieder herangereift sind. Zu überwintern und dabei Machtpositionen zu erobern, die dann wichtig sein werden, wenn sich die Machtfrage wieder stellt.
So sehen die das, liebe Off-Stimme. Ich weiß, daß das für viele wie eine Verschwörungstheorie klingt. Aber es ist nun mal die Denke von Kommunisten. Jeder, der einmal Einblick bekommen hat wie ich, wird das bestätigen.
Zitat von Calimeroohne ihren Beitrag hätte ich dieses Interview mit Sicherheit garnicht wahrgenommen. Nun hab ichs getan und ich musste beim Lesen feststellen, dass es erschreckend normal klingt.
Ja, lieber Calimero, weil man eben das betreibt, was Günter Schabowski, der seine Pappenheimer kennt, "Mimikry" genannt hat.
Wer mir nicht glaubt, daß Bisky, Gysi, Bartsch und Co. nach wie vor die Revolution wollen, der glaubt es vielleicht dem alten Insider Schabowski; siehe das Interview, aus dem Auszüge in ZR zu lesen sind.
Nein, das klingt mir nicht nach Verschwörungstheorie. Dazu habe ich schon viel zu viel gesehen, gelesen und erlebt. Wer bei solchen Vorgehensweisen an eine Verschwörungstheorie glaubt, muss sich selbst den Vorwurf gefallen lassen ein Zufallstheoretiker zu sein.
Was ich nicht begreife oder gerade erst am begreifen bin ist, wie man eigentlich so jenseits von gut und böse sein kann und dann auch noch erwartet, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Spiel nicht durchschaut.
Ich habe als Kind ja auch eine versuchte Erziehung bei den Falken erlebt und selbst zu dieser Zeit war ich denen überlegen. Mir ist außer Uwe Wesel noch niemand von Format bei denen begegnet. Und in letzter Zeit zweifle ich auch an Wesel. Leider.
Zitat von Die Stimme aus dem OffNein, das klingt mir nicht nach Verschwörungstheorie. Dazu habe ich schon viel zu viel gesehen, gelesen und erlebt. Wer bei solchen Vorgehensweisen an eine Verschwörungstheorie glaubt, muss sich selbst den Vorwurf gefallen lassen ein Zufallstheoretiker zu sein. Was ich nicht begreife oder gerade erst am begreifen bin ist, wie man eigentlich so jenseits von gut und böse sein kann und dann auch noch erwartet, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Spiel nicht durchschaut.
Diese Erwartung besteht ja leider offenbar zu Recht bei den Kommunisten.
Viele auch gut Informierte, die politisch interessiert sind, sagen - und ich lese es überall, manchmal auch hier im Forum - : Sie haben sich doch geändert. Das Jahr 1989 hat ihnen die Augen geöffnet. Sie haben eingesehen, daß man nicht gegen das Volk regieren kann. Sie stehen jetzt auf dem Boden des GG usw.
Es stimmt aus meiner Sicht, daß bei den Kommunisten nach 1989 ein gründliches Nachdenken eingesetzt hat. Ungefähr wie bei einem General, der eine entscheidende Schlacht verloren hat. Natürlich fragen sie, was denn in der DDR falsch gelaufen ist. Sie wollen keinen Sozialismus mehr, in dem Mangel herrscht. Sie wollen vielleicht sogar gewisse Elemente von Demokratie - nach dem Vorbild jener meist mißverstandenen Randbemerkung von Rosa Luxemburg "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden". Mit "Andersdenkenden" meinte Luxemburg nicht etwa Konservative oder Liberale, sondern Kommunisten, die in bestimmten Fragen abweichende Meinungen hatten.
Aber den Sozialismus wollen sie nach wie vor. Sie wissen nur, daß sie das nicht konkretisieren können; deshalb gibt es immer noch kein Parteiprogramm. Denn wenn sie sagen, was sie mit "demokratischem Sozialismus" meinen - einen Sozialismus, so demokratisch wie die Deutsche Demokratische Republik -, dann laufen ihnen die Wähler davon.
Wenn sie andererseits einen Sozialismus entwerfen, in dem auch Konservative und Liberale volle politische Rechte genießen, dann werden ihre Mitglieder - jedenfalls die halbwegs intelligenten - den Kopf schütteln angesichts von soviel Chuzpe. Denn jedem, der in dieser Partei ist und der bis drei zählen kann, ist natürlich klar, daß der Sozialismus nur Bestand haben kann, wenn seine Gegener politisch mundtot gemacht sind. Chávez führt das ja im Augenblick vor. Und es wird im Grundkurs Marxismus gelehrt; Abschnitt "Die Klassenfrage und die Machtfrage".
Zitat von Die Stimme aus dem OffIch habe als Kind ja auch eine versuchte Erziehung bei den Falken erlebt und selbst zu dieser Zeit war ich denen überlegen. Mir ist außer Uwe Wesel noch niemand von Format bei denen begegnet. Und in letzter Zeit zweifle ich auch an Wesel. Leider.
Wesel ist mir immer ein Rätsel gewesen. Ein grundliberaler Mann, wenn man liest, was er schreibt. Nur dienen seine liberalen Arguemntationen fast immer der Linken, oft den Kommunisten.
Mich würde interessieren, liebe Offstimme, was Sie mit dem letzten Satz ansprechen. Ich habe Wesel sozusagen aus den Augen verloren und wußte, ehrlich gesagt, gar nicht, daß er noch lebt.
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