Es ist in der Presse üblich, daß jeder, dessen Klappe größer ist als das Hirn, eine Rede schreibt, die irgendein Politiker gefälligst mal zu halten hätte. Da passe ich doch prima rein.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Aber ich wäre unfähig, das durchzustehen, was Sie zu verlangen scheinen.
Die meisten von uns wären vermutlich unfähig, jemandem so in den Bauch zu schießen, daß die Gedärme heraushängen, aber er noch lebt. Oder ihm das Gesicht wegzuschießen und dabei das Gehirn intakt zu lassen. Das geht. Er hat dann keine Augen mehr, keine Nase, keinen Mund, aber sein Gehirn tut noch.
Es kann das registieren, was man ihm im Namen eines gerechten Kriegs zugemutet hat.
Zitat von ZettelDie meisten von uns wären vermutlich unfähig, jemandem so in den Bauch zu schießen, daß die Gedärme heraushängen, aber er noch lebt. Oder ihm das Gesicht wegzuschießen und dabei das Gehirn intakt zu lassen. Das geht. Er hat dann keine Augen mehr, keine Nase, keinen Mund, aber sein Gehirn tut noch.
Die Erfahrungen aus dem 1. und 2. WK zeigen, dass die meisten von uns dazu doch fähig wären.
Nachtrag: Mit "fähig dazu" meine ich Waffen auf Menschen abzufeuern. Die genaue Wirkung des Geschosses im Ziel ist für den kämpfenden Soldaten zunächst einmal irrelevant, der Gegner muss kampfunfähig gemacht werden. Selbst der Infanterist, der gezielt auf einem Gegner schießt, feuert meist auf eine zu große Entfernung um die genaue Wikung des Geschosses im Ziel zu beobachten. Ganz zu schweigen von der Artillerie die indirekt feuert.
Zitat von ZettelDie meisten von uns wären vermutlich unfähig, jemandem so in den Bauch zu schießen, daß die Gedärme heraushängen, aber er noch lebt. Oder ihm das Gesicht wegzuschießen und dabei das Gehirn intakt zu lassen. Das geht. Er hat dann keine Augen mehr, keine Nase, keinen Mund, aber sein Gehirn tut noch.
Die Erfahrungen aus dem 1. und 2. WK zeigen, dass die meisten von uns dazu doch fähig wären.
Jeder, oder fast jeder, wäre unfähig, das explizit zu tun. Wenn man jemanden hinstellen und ihm einen Menschen gegenüberstellen würde und ihm befehlen: Jetzt schieße dem das Gesicht weg!, dann würde er es nicht tun können.
Aber der Krieg camoufliert das.
Zum Beeindruckendsten, was ich jemals gelesen habe, gehört der Briefwechsel zwischen Günther Anders und dem Piloten Claude Eatherly, der die Bombe über Hiroshima abgeworfen hat. Eatherly ist darüber fast verrückt geworden, verständlicherweise.
Wer darüber seinen Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren, heißt es (aus dem Gedächtnis zitiert) bei Lessing in der "Emilia Galotti".
Zitat von ZettelJeder, oder fast jeder, wäre unfähig, das explizit zu tun. Wenn man jemanden hinstellen und ihm einen Menschen gegenüberstellen würde und ihm befehlen: Jetzt schieße dem das Gesicht weg!, dann würde er es nicht tun können.
Wahrscheinlich nicht. Ein junger Mann an der Front, dem gesagt wird dort drüben ist der Feind, schießt in der Regel auch dorthin. Der hat in der Regel keine Möglichkeit die Wirkung seines Schusses zu sehen. Der sieht nur, Gegner getroffen, weil er sich nicht mehr bewegt, oder er ist wieder im Schützengraben/ hinter der Deckung verschwunden, und der Schütze ist sich nicht einmal sicher ob er ihn überhaupt getroffen hat.
Zitat von PentasNachtrag: Mit "fähig dazu" meine ich Waffen auf Menschen abzufeuern. Die genaue Wirkung des Geschosses im Ziel ist für den kämpfenden Soldaten zunächst einmal irrelevant, der Gegner muss kampfunfähig gemacht werden. Selbst der Infanterist, der gezielt auf einem Gegner schießt, feuert meist auf eine zu große Entfernung um die genaue Wikung des Geschosses im Ziel zu beobachten. Ganz zu schweigen von der Artillerie die indirekt feuert.
Und erst recht zu schweigen von dem modernen Soldaten, der seine Daten auf den Bildschirm bekommt, der die Bilder sieht wie in einem Videospiel, und der dann auf GO drückt.
Er hat keine Vorstellung davon, dieser moderne Soldat, daß er Menschen die Köpfe abhaut und die Glieder wegreißt und mit diesem einen Knopfdruck mehr an Leid verursacht, als es der schlimmste Serienmörder jemals hinbekommen könnte.
Würde man Soldaten nach getroffener - meist notwendiger - Entscheidung dort hinführen, wo die Leichen, wo die Verstümmelten liegen, die sie verursacht haben, dann würden sie verrückt werden. Wie schon geschrieben: Ich frage mich, wie lange der Oberst Klein das noch ertragen kann.
Nun, bewaffnete Auseinandersetzungen gibt es, seit es Menschen gibt. Und die allermeisten Menschen haben es zu jeder Zeit und an jedem Ort ausgehalten. Aus den verschiedensten Motiven heraus. Ob es im Dschungel von Vietnam war, die Gemetzel der Galeerenschlachten gegen die Türken, Stalingrad, Flandern 1917, im russischen Bürgerkrieg oder in einer napoleonischen Schlacht. Genauso haben es die Schlächter des Pol Pot - Regimes oder des Gulag ausgehalten, genauso aber auch Sanitäter, Schwestern und Ärzte in den Lazaretten. Und es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß sich daran in den nächsten tausend Jahren etwas ändern wird.
Der Mensch hält einiges aus, viel mehr, als wir es uns in D nach 60 Friedensjahren vorstellen können und wollen. Und ebensowenig wollen die meisten in D es wahrhaben, daß (von sehr wenigen charakterstarken Personen abgesehen) jeder von uns zu den schlimmsten Verbrechen fähig ist, wenn Zeit, Ort und Motiv vorhanden sind. Das mindestens sollte uns der 2.Weltkrieg gelehrt haben.
Genau aus diesem Grund halte ich die Entwicklung des ius in bellum und des ius ad bellum in Europa nach 1648 für eine große Kulturleistung. Man hat nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern den Krieg als unabänderliches Ereignis zur Kenntnis genommen. Stattdessen hat man versucht, seine Auswirkungen zu begrenzen, eine klare Unterscheidung von Krieg und Frieden, von kriegführenden und neutralen Staaten zu treffen, und den Kämpfern und Nichtkämpfern eine umrissene und geschützte Rechtsstellung zu geben. Bedauerlicherweise hatte bereits der Niedergang dieses Systems eingesetzt, während man noch die großen Kodifikationen in den Haager Abkommen erarbeitete.
Claude Eatherly hat die Hiroshima-Bombe meines Wissens nicht abgeworfen. Die "Enola Gay" wurde jedenfalls von Paul Tibbets geflogen. Er, wie auch der Nagasaki-Pilot Charles Sweeney haben die Notwendigkeit/Angemessenheit der Atombombenabwürfe stets öffentlich verteidigt.
Zitat von JeffDavisGenau aus diesem Grund halte ich die Entwicklung des ius in bellum und des ius ad bellum in Europa nach 1648 für eine große Kulturleistung.
Nein, lieber JeffDavis, wir können einen Pudding nicht an die Wand nageln.
Clausewitz, der immer nur mit dem einen Satz zitiert wird, und dieser meist noch falsch verstanden, war der Theoretiker des totalen Kriegs. Für ihn war der Krieg das ultimative Mittel, dem anderen seinen Willen aufzuzwingen.
Er hat klar erkannt, daß jeder Staat, bevor er bereit ist, unterzugehen, zu jedem Mittel greifen wird, das Ziel zu erreichen, sich zu retten. Jedes.
Alle diese schönen Konventionen sind Kappes. Niemand hat sie je eingehalten. Wer Krieg führt, der begreift, daß er nicht in einem Fußballspiel ist, in dem es einen Schiedsrichter gibt, sondern daß es für ihn um Leben oder Tod geht. Da ist jedes Mittel recht.
Die Konventionen sind fürs Publikum, und sie eignen sich dazu, den besiegten Feind zu verurteilen.
Sie gaukeln uns vor, daß es einen anständigen, einen sozusagen juristisch abgesegneten Krieg geben kann. Aber jeder Krieg ist ein viehisches Morden.
The Straight Flush was one of seven B-29s of the 393rd Bomb Squadron of the 509th Composite Group that took part in the Hiroshima mission, which was the culmination of ten months of training during World War II. It departed Tinian Island at approximately 0137 on the morning of 6 August 1945, a little more than an hour ahead of the Enola Gay (which carried the bomb) and flew over Hiroshima with the task of reporting the weather conditions. He did not participate in the following Nagasaki mission.
Wortgewaltig fand ich sie nun gerade nicht. Sollte nur möglichst einfach sein. Rhetorik brauch ich ja nicht, weil ich als Blogger per definition Recht habe.
Was ich verlange ist, das unsere Regierung endlich Farbe bekennt und sich hinter die Soldaten stellt. Denn diese sind in einem Kampfeinsatz. So ein Einsatz verlangt nun einmal das gezielte Töten in bestimmten Situationen, am schlimmsten bei Straßenkontrollen, am leichtesten bei Operationen wie dem Kundusbombardement. Wenn man Soldaten in so eine Situation schickt, dann muß man auch als Regierung den Mumm haben, dies den Bürgern ehrlich zu erklären: - Wie sind wir da reingeraten - Warum sind wir da - Was machen wir da - Unter welchen Umständen kommen wir da wieder raus
Dazu war bisher nur Struck mutig genug. Aber alle waren mutig genug, die Soldaten mit mangelhafter Ausrüstung aufs Schlachtfeld zu schicken. Und da geht mir der Hut hoch.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Zitat von JeffDavisGenau aus diesem Grund halte ich die Entwicklung des ius in bellum und des ius ad bellum in Europa nach 1648 für eine große Kulturleistung.
Clausewitz, der immer nur mit dem einen Satz zitiert wird, und dieser meist noch falsch verstanden, war der Theoretiker des totalen Kriegs. Für ihn war der Krieg das ultimative Mittel, dem anderen seinen Willen aufzuzwingen. Er hat klar erkannt, daß jeder Staat, bevor er bereit ist, unterzugehen, zu jedem Mittel greifen wird, das Ziel zu erreichen, sich zu retten. Jedes. Alle diese schönen Konventionen sind Kappes. Niemand hat sie je eingehalten.
Da muß ich entschieden widersprechen, lieber Zettel. Clausewitz ist vom totalen Krieg so weit entfernt wie Florence Nightingale vom Straßenstrich in St.Pauli.
Die schönen Konventionen sind aus einer europaweiten Praxis entstanden, die sich zwischen 1650 und 1780 herausgebildet hat. Sie sind sozusagen die in Schriftfrom gegossene Praxis der Kriegführung, sind über einen langen Zeitraum im wesentlichen nicht nur eingehalten worden, sondern entsprachen einer europaweit anerkannten Anschauung. Es ist deshalb grundfalsch zu behaupten, sie stünden nur auf dem Papier. Das gilt noch nicht einmal für 1914-18 und 1939 -1945 ausnahmslos, wo die Wirksamkeit der Konventionen immer schwächer wurde, aber niemals ganz beseitigt wurde.
Trotz der Franctireure 1812 in Rußland, 1814 in Frankreich und ab 1808 in Spanien, trotz der in der napoleonischen Kriegführung im Kern angelegten Massenarmee und - kriegführung wäre es keinem Politiker und keinem Heerführer - nicht einmal diesem korsischen Artilleriehauptmann - im Traum eingefallen, einen Gegner oder einen feindlichen Staat so zu behandeln, einen Krieg zu so führen, wie es später ab 1914-18 der Fall war.
Um bei Ihrem Bild zu bleiben: Man nagelt keinen Pudding an die Wand, sondern ein mahnendes Bild. Es mahnt an eine Zeit, die den Gegner nicht als kriminelles Subjekt ansah, gegen den man einen Kreuzzug führte, in der nicht jedes Mittel recht war, und in der nicht nur bedingungslose Kapitulation oder völlige Vernichtung als Ergebnis eines Krieges in Betracht kam.
Mit Verlaub, lieber Zettel, mit Ihrer Haltung wird man dem Krieg und der Gewalt als Mittel zur Lösung politischer Probleme nicht begegnen. Dieses Kopf-in-den-Sand-stecken, wenn ich es mal so nennen darf, ist im Grund nur die Verkleidung des Unwillens/Unvermögens, den Krieg rechtlich einzuhegen und beherrschbarer zu machen. Ihre Alternative führt im Ergebnis zur freien Wildbahn in der Politik, zu noch mehr Leid. Ob in der heutigen Zeit die Einhegung allerdings noch funktioniert, bezweifle ich sehr. Jedenfalls aber ändert das nichts daran, daß die Einhegung durch Regeln jedenfalls in Europa über knapp 250 Jahre hinweg funktioniert hat.
Zitat The Straight Flush was one of seven B-29s of the 393rd Bomb Squadron of the 509th Composite Group that took part in the Hiroshima mission, which was the culmination of ten months of training during World War II. It departed Tinian Island at approximately 0137 on the morning of 6 August 1945, a little more than an hour ahead of the Enola Gay (which carried the bomb) and flew over Hiroshima with the task of reporting the weather conditions. He did not participate in the following Nagasaki mission.
Wikipedia
Ganz genau. Oder auch so formuliert:
"Das Resultat dieser soliden Recherche weicht um einiges von der mythosträchtigen Fabel ab, wie sie beispielsweise Anders und Jungk überlieferten. So hatte Eatherly am 6. August 1945 weder die Atombombe über Hiroshima abgeworfen noch das unmittelbare Signal zum Abwurf gegeben noch als Augenzeuge den ersten Nuklear-Angriff miterlebt.
Eatherly und seine Besatzung hatten vielmehr die Aufgabe gehabt, das Wetter über Hiroshima zu erkunden. [...] Als die B-29 mit Namen "Enola Gay" unter dem Kommando des damaligen Oberstleutnants Paul Warfield Tibbets um 8.15 Uhr die Bombe auslöste, war Eatherlys "Straight Flush" bereits auf dem Rückflug zur Ausgangsbasis Tinian und 360 Kilometer von Hiroshima entfernt."
Zitat von Zettel Und erst recht zu schweigen von dem modernen Soldaten, der seine Daten auf den Bildschirm bekommt, der die Bilder sieht wie in einem Videospiel, und der dann auf GO drückt. Er hat keine Vorstellung davon, dieser moderne Soldat, daß er Menschen die Köpfe abhaut und die Glieder wegreißt und mit diesem einen Knopfdruck mehr an Leid verursacht, als es der schlimmste Serienmörder jemals hinbekommen könnte.
Die Soldaten sehen das in der heutigen Zieloptik sehr genau. Ich habe wegen der Diskussionen, wie gut Klein auf seinem Monitor die Lage einschätzen konnte, zwei Videos von Apache-Einsätzen bei mir verlinkt. Die Wirkung der Waffen auf den Körper des Feindes ist sehr genau zu sehen und wird in Militärforen auch mit teilweise drastischen, oft schadenfrohen Bemerkungen kommentiert. Die heutigen Luft- und Heliangriffe sind keine Überflüge mit halbblindem Dauerfeuer mehr. Es wird sehr lange und sehr genau beobachtet. Und es wird sehr genau auf einzelne Personen geschossen. Diese werden mit gezielt mit der MK zersiebt, Wirkungskontrolle im Zoom, dann noch ein Feuerstoß. Diese Schützen wissen sehr genau, was sie da tun.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
haben Sie Clausewitz gelesen? Wenn ja, denn werden Sie sich erinnern, daß sein Begriff des Kriegs der eines totalen Kriegs ist und daß er dann einschränkende Bedingungen diskutiert.
Zitat Mit Verlaub, lieber Zettel, mit Ihrer Haltung wird man dem Krieg und der Gewalt als Mittel zur Lösung politischer Probleme nicht begegnen. Dieses Kopf-in-den-Sand-stecken, wenn ich es mal so nennen darf, ist im Grund nur die Verkleidung des Unwillens/Unvermögens, den Krieg rechtlich einzuhegen und beherrschbarer zu machen. Ihre Alternative führt im Ergebnis zur freien Wildbahn in der Politik, zu noch mehr Leid.
Sie können den Krieg nicht "einhegen". Das ist naiv. Wem es an den Kragen geht, der wird immer mit allen Mitteln kämpfen.
Diese Vorstellung, daß man nach vereinbarten Regeln Menschen die Köpfe abreißt und ihnen die Glieder wegschießt, halte ich - nehmen Sie es mir nicht übel - für obszön. Der Krieg selbst ist da Übel, nicht die Art, wie er geführt wird.
Man kann keinen Krieg "einhegen". Man muß Kriege verhindern.
Den Nordamerikanern ist das als ersten gelungen. Seit dem amerikanischen Bürgerkrieg hat es dort keinen Krieg mehr gegeben, und es wird nie wieder einen geben. Uns Europäern ist es - ich habe das schon geschrieben - als zweiten gelungen. Der Balkankrieg war der letzte Krieg in dem Europa außerhalb des russischen Machtbereichs. Rußland wird weiter Krieg führen.
Zitat von JeffDavis Nun, bewaffnete Auseinandersetzungen gibt es, seit es Menschen gibt. Und die allermeisten Menschen haben es zu jeder Zeit und an jedem Ort ausgehalten. Aus den verschiedensten Motiven heraus.
Ich glaube eher: Aus den unterschiedlichsten Situationen heraus. Einen Fremden in Notwehr zu töten, verkraftet man sicher leichter als den langsamen Mord an einem Bekannten. Und dennoch mußten wir die lebenslange Sicherungsverwahrung einführen. Weil es Leute gibt, die auch sowas in Serie fertigbringen. Die Motive hängen nur mit der Erziehung zusammen. Die alten Germanen haben liebend gern für Beute gemordet. Die Afghanen machen das heute noch gern.
Zitat von JeffDavis Ob es im Dschungel von Vietnam war, die Gemetzel der Galeerenschlachten gegen die Türken, Stalingrad, Flandern 1917, im russischen Bürgerkrieg oder in einer napoleonischen Schlacht. Genauso haben es die Schlächter des Pol Pot - Regimes oder des Gulag ausgehalten, genauso aber auch Sanitäter, Schwestern und Ärzte in den Lazaretten.
Da muß man zwischen dem kurzfristigen Seinen-Mann-stehen und dem mittel- und langfristigen Aushalten unterscheiden. Von den KZ der Nazis ist bekannt, daß unter der Lager-SS Alkoholismus und Morphinismus grassierten. Die Schlächter der afrikanischen Massaker sind meist zugedröhnt. Vom Massaker an den polnischen Offizieren in der Lubjanka ist aus Glasnost bekannt, daß die Mörder daran zugrunde gegangen sind. Ich glaube, es kommt auf die Situation und die Erziehung an. Ob der Schütze vor sich selbst glaubwürdig den Mord rechtfertigen kann.
-- Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.
Zitat von califaxDie Soldaten sehen das in der heutigen Zieloptik sehr genau. Ich habe wegen der Diskussionen, wie gut Klein auf seinem Monitor die Lage einschätzen konnte, zwei Videos von Apache-Einsätzen bei mir verlinkt. Die Wirkung der Waffen auf den Körper des Feindes ist sehr genau zu sehen und wird in Militärforen auch mit teilweise drastischen, oft schadenfrohen Bemerkungen kommentiert.
Nein, lieber Califax. Diejenigen, die das befehlen und ausführen, hören nicht die Schreie der Verwundeten und der Sterbenden. Sie sehen nicht, wie dem einen die Gedärme herausquellen und der andere plötzlich keine Beine mehr hat. Sie sehen nicht, wie Menschen die Haut verbrennt und sie nur noch sterben wollen.
Es gibt Menschen, die das ertragen können, wie Ernst Jünger und wie Peter Scholl-Latour. Es sind eigenartigerweise auch Menschen, die uralt werden. In ihren Genen mag eine Unverwundbarkeit angelegt sein. Die meisten Menschen können das nicht ertragen.
Zitat Da muß man zwischen dem kurzfristigen Seinen-Mann-stehen und dem mittel- und langfristigen Aushalten unterscheiden... Ich glaube, es kommt auf die Situation und die Erziehung an. Ob der Schütze vor sich selbst glaubwürdig den Mord rechtfertigen kann.
Das sehe ich genau so wie Sie. Ohne Unrechtsbewustsein kein (subjektives) Unrecht, also erholsamer Schlaf. Anders herum: Sich selbst als Schuldige empfindende Menschen bestehen oft darauf zu sühnen. Wird ihnen diese Sühne verweigert, kann das bis zur Selbstbestrafung (Selbstmord) gehen.
Das Thema wurde in dem zu Unrecht nicht allgemein bekannten Western „Ritt zum Oxbow“ mit allen Konsequenzen aufgezeigt.
„Lieber JeffDavis, haben Sie Clausewitz gelesen? Wenn ja, denn werden Sie sich erinnern, daß sein Begriff des Kriegs der eines totalen Kriegs ist und daß er dann einschränkende Bedingungen diskutiert.“
Ja, habe ich (nur noch nicht Buch 7, Kapitel 10,17 und 18 wegen fehlender heutiger Relevanz) . Ich habe auch etliche Literatur über Clausewitz gelesen und bin über die Kontroversen bei der Auslegung seiner Schriften recht gut informiert, denke ich. Nur Kondylis konnte ich noch nicht lesen.
Clausewitz spricht übrigens vom absoluten und wirklichen Krieg, nicht vom totalen. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Ich keine im übrigen keinen Militärtheoretiker oder -historiker, der die Clausewitzsche Vorstellung des absoluten Krieges mit dem totalen Krieg iSv. Ludendorff gleichsetzt. Selbst seine Kritiker verweisen nur darauf, er habe mit seinem Konzept des absoluten Krieges sozusagen die theoretische Grundlage für die Militarisierung Europas im 19. und 20 Jahrhundert und das spätere Konzept des totalen Krieges geliefert. Wenn Sie die Möglichkeit haben, das Buch auszuleihen, empfehle ich „Das Rätsel Clausewitz“ von Andreas Herzberg-Rothe, Oxford University Press 2007. In den Kapitel 3.1 und 3.2 geht er auf die verschiedenen Interpretationen und auf das Begriffspaar „absoluter“ und „totaler“ Krieg ein (ich habe die englische Ausgabe gelesen).
„Sie können den Krieg nicht "einhegen". Das ist naiv. Wem es an den Kragen geht, der wird immer mit allen Mitteln kämpfen.“
Wenn es in Europa ca. 250 Jahre funktioniert hat, finde ich das nicht naiv. Da wußte jeder Kriegführende genau, daß es ihm eben nicht an den Kragen ging. Er konnte einen Krieg verlieren, aber nie die Existenz als Staat oder Volk. Das ist nicht zu leugnen und kann in jedem einschlägigen Buch über das klassische europäische Völkerrecht nachgelesen werden. Ob es unter den heutigen Bedingungen noch möglich ist, kann bezweifelt werden.
„Diese Vorstellung, daß man nach vereinbarten Regeln Menschen die Köpfe abreißt und ihnen die Glieder wegschießt, halte ich - nehmen Sie es mir nicht übel - für obszön. Der Krieg selbst ist da Übel, nicht die Art, wie er geführt wird. Man kann keinen Krieg "einhegen". Man muß Kriege verhindern.“
Das ist, lieber Zettel, genau das Kopf-in-den-Sand-stecken, das ich meinte. Sie werden niemals alle Kriege verhindern können. Ein paar vielleicht, aber das haben die Staatsmänner früher auch schon erfolgreich versucht. Solange es den Menschen gibt, wird er ggf. Probleme auch mit Gewalt lösen wollen oder müssen. Das wenigstens gewissen Regeln unterwerfen zu wollen, ist nicht obszön, sondern realistisch. Ich bin der Meinung, daß die Staatsmänner, Monarchen und Juristen, die ab 1650 das europäische Kriegsvölkerrecht entwickelten und praktizierten, mehr Leid und Elend verhindert haben als alle unentwegten Pazifisten. Obszön ist es, den Soldaten, Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung auch noch diesen Schutz mit der Begründung entziehen zu wollen, der Krieg an sich sei das Übel.
„Den Nordamerikanern ist das als ersten gelungen. Seit dem amerikanischen Bürgerkrieg hat es dort keinen Krieg mehr gegeben, und es wird nie wieder einen geben. Uns Europäern ist es - ich habe das schon geschrieben - als zweiten gelungen. Der Balkankrieg war der letzte Krieg in dem Europa außerhalb des russischen Machtbereichs. Rußland wird weiter Krieg führen.“
Das finde ich jetzt interessant. Ich hatte in meinem ersten Beitrag den Sezessionskrieg gerade als Beispiel für einen ersten Krieg mit totalitären Zügen anführen wollen. Da haben wir nämlich die bedingungslose Kapitulation als einzig akzeptables Kriegsergebnis, die planmäßige Plünderung, Brandstiftung und Zerstörung der Lebensgrundlagen der gegnerischen Zivilbevölkerung, die systematische Verächtlichmachung des Gegners durch Propaganda, die Überzeugung nicht weniger Nordstaatler, jeder „Rebell“ dürfe enteignet oder gar getötet werden, die Beschneidung wesentlicher Rechte der eigenen Bevölkerung und die Außerkraftsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung in der Union.
Der Krieg zwischen der Union und den Konföderierten Staaten war auch nicht der letzte Krieg auf US-Boden, es schlossen sich sich noch die sog. Indian Wars an, die sich bis zur Jahrhundertwende hinzogen. Und da haben Sie gleich ein weiteres schönes Beispiel: Die Indianer galten nämlich nicht als gleichberechtigte Gegner wie im europäischen Kriegsvölkerrecht, sondern als Wilde, die man betrügen, abschlachten, vertreiben und in Reservate sperren durfte. Mit ihrer Meinung, der Krieg sei ein Übel, wären Sie von den einschlägigen Politikern der USA nur ausgelacht worden, schließlich war die Ausdehnung der USA nach Westen nur natürlich. Die „Wilden“ hatten kein Recht, den USA bei ihrem göttlichen Auftrag im Weg zu stehen.
Im übrigen ist Ihr Beispiel unglücklich gewählt, denn nach 1865 waren die verschiedenen Staaten wieder in der Union vereinigt (gut, einige Jahre nicht so ganz). Und die Union hat danach sehr fleißig und überall in der Welt Krieg geführt und Gewalt angewandt. Man kann die USA kaum mit den verschiedenen europäischen Staaten vergleichen. Wenn schon, dann mit den Staaten des Deutschen Bundes. Und die haben es immerhin auch geschafft, mit dem Krieg von 1866 alle Bruderkämpfe zu beenden. Und zwar ohne Sherman's Anaconda, ohne Reconstruction und ohne Carpetbaggers...
„Da muß man zwischen dem kurzfristigen Seinen-Mann-stehen und dem mittel- und langfristigen Aushalten unterscheiden. Von den KZ der Nazis ist bekannt, daß unter der Lager-SS Alkoholismus und Morphinismus grassierten. Die Schlächter der afrikanischen Massaker sind meist zugedröhnt. Vom Massaker an den polnischen Offizieren in der Lubjanka ist aus Glasnost bekannt, daß die Mörder daran zugrunde gegangen sind. Ich glaube, es kommt auf die Situation und die Erziehung an. Ob der Schütze vor sich selbst glaubwürdig den Mord rechtfertigen kann.“
Lieber Califax, in den modernen Schlachten des 1. und 2.Weltkrieges war es für einen Frontsoldaten lebenswichtig, langfristig auszuhalten. Man muß nur einmal die Berichte lesen über das tagelange Trommelfeuer vor Angriffsbeginn, wie die Soldaten oft wochenlang neben den zerfetzten Leichen ihrer Kameraden und Gegner leben mußten, weil es keine Möglichkeit gab, sie zu begraben und zahllose ähnliche Situationen. Ungestellte Fotos von der Front geben da oft eine leise Ahnung. Wie man zB. dem Archipel Gulag entnehmen kann, gab es genügend Wachmannschaften und Geheimdienstmitarbeiter, die prima mit ihren Untaten leben konnten und bis heute kein Unrechtsbewußtsein haben. Das wird mit SS-Angehörigen oder chinesischen Roten Garden auch nicht anders sein. Es ist mE ein Irrtum anzunehemn, diese Leute könnten nur durch Alkohol, Drogen usw. überleben. Auch die britischen und amerikanischen Bomberpiloten haben idR keine Problem damit gehabt, Bomben auf Frauen und Kinder abzuwerfen.
Ein normaler Soldat im Fronteinsatz muß auch keinen Mord rechtfertigen, sondern allenfalls die Tötung des Gegners, was ein Unterschied ist. Damit dürften die wenigsten ein Problem haben. Meiner Meinung nach ist es die Regel, schließlich haben Millionen Frontsoldaten nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg ein alltägliches Leben geführt. Es ist eher so, daß nur eine kleine Gruppe aufgrund ihrer Persönlichkeit damit nicht klar kommt.
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