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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 13:43
Marginalie: Iraq Inquiry Antworten

Die Aussage von Tony Blair vor der vor der Iraq Inquiry, auf die ich in dieser Marginalie hinweise, hat, wie mir scheint, den Rang eines zeitgeschichtlichen Dokuments.

Blair schildert detailliert und überzeugend die Erkenntnisse und die Entscheidungsprozesse, die zur Invasion des Irak führten.

Besonders interessant: Eben hat er darauf hingewiesen, daß nach der Resolution 1441 und nachdem Saddam beständig gegen diese verstoßen hatte, eine weitere UN-Resolution, die eine militärische Reaktion genehmigt hätte, nur noch eine Formsache war.

Daß es nicht zu dieser Resolution kam (welche die Invasion auch formal zu einer Aktion der UN gemacht hätte), lag, so Blair, an der plötzlichen Kehrtwende von Frankreich, Rußland und Deutschland.

Auch diese Regierungen hätten, sagte Blair, natürlich gewußt, daß der Irak "in material breach" war, daß er also gegen die Resolution 1441 verstoßen hatte und somit die dort für diesen Fall angedrohten "serious consequences" (also in der Diplomatensprache militärisches Eingreifen) eintreten würden. Sie hätten aus politischen Gründen aber die fällige zweite Resolution blockiert.



Ich weise immer einmal wieder auf die Vorgeschichte dieses Verhaltens hin:

Sowohl Rußland auch Frankreich hatten ihre Position bis Januar 2003 offengelassen. Sie hatten beide für die Resolution 1441 gestimmt, und die USA und England konnten davon ausgehen, daß sie auch für eine Resolution stimmen würde, die deren logische Folge gewesen wäre.

Aber da war das Treffen Schröders mit Chirac im Januar 2003..

Schröder hatte der Regierung Bush innerhalb der Sondierungsgespräche, die mit allen Alliierten der USA im Sommer 2002 stattgefunden hatten, zugesagt, daß Deutschland einem eventuellen Krieg gegen den Irak keine Hindernisse in den Weg legen, sich an ihm aber nicht beteiligen würde.

Dann stand Schröder im Wahlkampf zum Bundestag im Spätsommer 2002 das Wasser bis zum Hals, und in dieser Situation brach er seine Zusage gegenüber Bush und begann, gegen eine Invasion des Irak zu agitieren. Daß er die Friedenskarte zog, war einer der Faktoren, die ihm doch noch einen knappen Sieg sicherten, nachdem Rotgrün in den Umfragen scheinbar hoffnungslos zurückgelegen hatte.

Diese deutsche Haltung führte zu einer internationalen Isolierung Deutschlands.

Im Januar 2003 fand dann die deutsch-französische Konsultation statt.

Chirac hatte bis dahin die Haltung Frankreichs offengehalten, aber nie bestritten, daß Saddam MWDs hatte (er hat das im Gegenteil in einer TV-Sendung ausdrücklich erwähnt). Im Sommer 2002 war sogar ein französischer General in die USA entsandt worden, um Details einer eventuellen Beteiligung von Mirage-Flugzeugen an einer Invasion abzuklären.

Nachdem Schröder sich international isoliert hatte, sah Chirac aber offenbar die Chance, ihm beizuspringen und damit Deutschland Frankreich zu verpflichten und zugleich von den USA zu entfernen. Das war ein altes Ziel der französischen Außenpolitik seit de Gaulle gewesen; es hatte darüber auch in Deutschland immer wieder Auseinandersetzunge zwischen den "Gaullisten" und den "Atlantikern" gegeben.

Nach dem Treffen mit Schröder traten beide strahlend vor die Presse, und Chirac erklärte, daß Frankreich vollkommen an der Seite Deutschlands stehe. Damit begann die Politik, die zum Verhalten Frankreichs im Weltsicherheitsrat führte.

Putin erkannte die Chance zu einem Dreierbund Paris-Berlin-Moskau und schloß sich an. Damit waren zwei Vetomächte entschlossen, eine weitere Resolution zu verhindern. Bush und Blair hatten keine Wahl, als allein auf der Grundlage der Resolution 1441 die Invasion zu beginnen.

Saddam hatte durch das Verhalten von Chirac, Putin und Schröder den Eindruck gewonnen, diese würden eine Invasion seines Landes verhindern können. Folglich zeigte er kein Entgegenkommen, ging nicht in das ihm angebotene Exil und trug damit dazu bei, daß die Invasion begann. (Blair hat vorhin gesagt, daß ein kooperatives Verhalten Saddams die Invasion hätte verhindern können).

Damit ist Gerhard Schröder einer der Verantwortlichen dafür, daß es zur Invasion gab. Er hat um des parteipolitischen Vorteils willen eine gegebene Zusage gebrochen (was Bush ihm nie verziehen hat) und damit dazu beigetragen, daß Saddam "in material breach" blieb und die Invasion die Folge war.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2010 15:06
#2 RE: Marginalie: Iraq Inquiry Antworten

Zitat von Zettel
Die Aussage von Tony Blair vor der Iraq Inquiry, auf die ich in dieser Marginalie hinweise, hat, wie mir scheint, den Rang eines zeitgeschichtlichen Dokuments.


Ziemlich bald, nachdem ich den Hinweis in ZR gesetzt habe, wurde die Übertragung leider für die Mittagspause unterbrochen. Soeben ist sie wieder aufgenommen worden.

Eben schildert Blair das Verhalten von Deutschland, Frankreich und Rußland. Hochinteressant!

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