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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 7 Antworten
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Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

13.06.2010 12:18
Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Auch in der Slowakei gab es gestern Wahlen. Die bisher regierenden Sozialdemokraten (SMER) werden wohl keine neue Regierung bilden können, einer der bisherigen Koalitionäre (HZDS des früheren Premiers Meciar) hat die erforderlichen 5% der Stimmen verfehlt, und die Stimmen des zweiten bisherigen Regierungspartners (SNS - Nationalisten) reichen dafür bei weitem nicht aus. Dafür kommen aber wie in Tschechien zwei neue bürgerliche Neugründungen ins Parlament (SaS und Most-Hid) mit zusammen ca. 20% der Stimmen.

Ich kenne mich leider kaum mit der slowakischen politischen Landschaft aus, will mich hier also mit eigener Meinung sehr zurückhalten und übersetze nur einige interessante Splitter aus dem gewaltigen Datenstrom, der mir in dieser weiteren Wahlnacht am PC gestern um die Ohren geflogen ist ;-) SPON berichtet dieses mal übrigens recht ausgewogen bzw. wahrheitsgemäß, meinem Eindruck nach. Hier finden sie die graphische Darstellung der Wahlergebnisse und ein schönes Foto, das Frau Radicová in deren Walkampzentrale in der Wahlnacht mit den Vertretern zweier neuen Gruppierungen, SaS und Most-Hid, zeigt. Es könnte klappen, rein menschlich betrachtet ;-)

Bei der Darstellung der Wahlergebnisse verzichte ich diesesmal auf Farben, es ist in diesem Fall nicht so einfach strukturierbar, weil sich zwei eher rechts- bzw nationalpopulistiche Parteien in der aktuellen Regierungskoalition befanden. Die Einordnung fällt mir außerdem schwer, weil ich mir nicht sicher bin, wie weit ich mich diesbezüglich auf die von mir doch eher zufällig ausgewählten Quellen verlassen kann.



34,79% (62 Sitze) SMER (Bisherige Regierungspartei, typisch sozialdemokratisch, mit Premier Fico)

15,42% (28 Sitze) SDKU-DS (Christdemokraten) Frau Radicová, wird vermutlich die erste slowakische Ministerpresidentin werden, der britische Botschafter besuchte sie in der Parteizentrale bereits während der Wahlnacht und beglückwünschte sie.

12,14% (22 Sitze) SaS (Partei-Webseite, nur slowakisch) - Neugründung, "Partei für Freiheit und Demokratie", möchte u.A. einen Verfassungsartikel einführen, der bei Kompetenzerweiterungen der EU nach Art. 352 des Lissabonvertrages zwingend eine Zustimmung von 3/5 des Parlamentes vorsehen soll. Für Fragen der EU ist der Wirtschaftsexperte Martin Chren zuständig, der gleichzeitig bei der Hayek-Stiftung in Bratislava tätig ist. Eine erfreuliche Neuerscheinung, finde ich.

8,52% (15 Sitze) KDH - "Christdemokratische Bewegung", die in den Anfangsjahren mit Jan Carnogurský auch den Premier stellte.

8,12% (14 Sitze) Most-Hid (Neugründung bzw Abspaltund der bisherigen Partei der ungarischen Minderheit SMK, die mit 4,33% nicht mehr im Parlament vertreten sein wird. Die Partei ist meinem ersten Eindruck nach integrativ und soll manchen Stimmen nach auch durchaus für Slowaken wählbar sein. Ebenfalls eine erfreuliche Tendenz, denn gerade in dieser Ecke droht leider Unheil.

5,07% (9 Sitze) SNS - Bisherige Regierungspartei (Slowakische Nationalpartei) deren Chef Ján Slota bei Betrachtung der Wahlergebnisse "weinen möchte, weil er davon ausgeht, daß wenn eine der beiden 'ungarischen Subjekte' in der kommenden Koalition vertreten sein wird, dies mit einer politischen Autonomie des slowakischen Südens enden wird." )

4,33% (0 Sitze) SMK - die bisher im Parlament vertretene, radikalere Partei der ungarischen Minderheit

4,32% (0 Sitze) HZDS (Meciar - national, populistisch, hatte 1992 noch 37,3%. Meciar war slowakischer Premier 1994-1998 und handelte zuvor mit Vaclav Klaus die Teilung der Tschechoslowakei aus)


Dem Anschein nach wird eine bürgerliche Regierung entstehen, die Wert auf Reduzierung der Staatsverschuldung, liberale Wirtschaftspolitik und einen Ausgleich zwischen den Slowaken und den Ungarn anstreben wird. Die bisher regierenden Sozialdemokraten, die damit geworben haben "keine Einschnitte ins soziale Netz" zu machen, werden wohl außer der nationalistischen SNS keinen Koalitionspartner finden. Das wären dann aber nur 71 der 150 Parlamentssitze.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

13.06.2010 12:47
#2 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Das Ergebnis würde mich persönlich sehr freuen. Mit dem Christdemokraten Dzurinda hatte die Slowakei einen Premier, der seinerzeit mit Blut, Schweiß, Tränen und Neoliberalismus das unter Meciar isolierte und noch weiter in Rückstand geratene kleine Land zu einer Art Musterland gemacht hatte. Aus meinem emotionalen Gedächtnis heraus würde ich Fico nicht mal unbedingt das Etikett "typisch sozialdemokratisch" geben, weil es mir zu positiv ist. Die SNS war in ihrer immer wieder aufflammenden Hetze gegen Ungarn und Zigeuner auch nicht gerade appetitlich.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

13.06.2010 13:29
#3 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Zitat von FTT_2.0
Das Ergebnis würde mich persönlich sehr freuen. Mit dem Christdemokraten Dzurinda hatte die Slowakei einen Premier, der seinerzeit mit Blut, Schweiß, Tränen und Neoliberalismus das unter Meciar isolierte und noch weiter in Rückstand geratene kleine Land zu einer Art Musterland gemacht hatte. Aus meinem emotionalen Gedächtnis heraus würde ich Fico nicht mal unbedingt das Etikett "typisch sozialdemokratisch" geben, weil es mir zu positiv ist. Die SNS war in ihrer immer wieder aufflammenden Hetze gegen Ungarn und Zigeuner auch nicht gerade appetitlich.



Dem kann/will ich nicht widersprechen, Fico kenne ich praktisch nicht, und Sie haben da wahrscheinlich einen besseren Einblick. Dzurinda habe ich seinerzeit auch nicht verfolgt, wenn ich mir aber z.B. das Video "Radičová je spokojná.." ungefähr in der Mitte dieser Seite anschaue, habe ich den Eindruck, das Frau Radkovicová eine kluge und nachdenkliche Frau ist. Ich würde mich sehr freuen, wenn das klappen würde.

Gruß,Ungelt

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

16.06.2010 11:12
#4 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Die von ihrer Partei bereits offiziell benannte Kandidatin für den Posten des Ministerpräsidenten Iveta Radicová sagte, daß in der neuen Regierung das erste mal kein ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei vertreten sein wird.

Die zukünftigen Koalitionspartner nannten auch die Prioritäten der neuen Regierung: Kampf mit der Folgen der Wirtschaftskrise und der unverantwortlichen Politik der bisher regierenden Sozialdemokraten, Verbesserung der Bedingungen für die Entstehung neuer Arbeitsplätze, Stärkung von Familien, Stop der weiteren Verschuldung, Stärkung der Rechtsstaatlichen Prinzipien und Kampf der Klientelpolitik sowie der Korruption.

Die Medien berichten auch, daß der bisherige Ministerpräsident (SMER/Fico) einer der zukünftigen bürgerlichen Koalitionsparteien (KHD) den Posten des Ministerpräsidenten sowie die Hälfte der Ministerien angeboten hatte, wenn diese mit der Sozialdemokratie eine gemeinsame Regierung bilden würde. Diese lehnte aber ab.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

17.06.2010 11:06
#5 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Zitat von Ungelt
Die zukünftigen Koalitionspartner nannten auch die Prioritäten der neuen Regierung: Kampf mit der Folgen der Wirtschaftskrise und der unverantwortlichen Politik der bisher regierenden Sozialdemokraten, Verbesserung der Bedingungen für die Entstehung neuer Arbeitsplätze, Stärkung von Familien, Stop der weiteren Verschuldung, Stärkung der Rechtsstaatlichen Prinzipien und Kampf der Klientelpolitik sowie der Korruption.


Klingt alles sehr positiv.

Ich finde es interessant,lieber Ungelt, daß die Reaktion "des" europäischen Wählers auf die Wirtschaftskrise überwiegnd darin zu bestehen schein, daß man bürgerlich wählt. Tschechien, NL, jetzt die Slowakei.

In Belgien andererseits haben in Flandern die eher bürgerlichen Separatisten gewonnen und in Wallonien die Sozialisten. In Frankreich liegt die Linke derzeit weit vorn. Man hat den Eindruck, daß es zwei gegensätzliche Reaktionen auf die Krise gibt: Dort, wo es eine liberale bürgerliche Tradition gibt, vertraut man eher denen, die die Kompetenz haben, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die andere Reaktion, wie jetzt in Wallonien, besteht darin, die Linken an die Macht zu holen, damit sie in der Krise die Reichen schröpfen und es den Armen verteilen.

Herzlich, Zettel

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

17.06.2010 13:33
#6 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
Die zukünftigen Koalitionspartner nannten auch die Prioritäten der neuen Regierung: Kampf mit der Folgen der Wirtschaftskrise und der unverantwortlichen Politik der bisher regierenden Sozialdemokraten, Verbesserung der Bedingungen für die Entstehung neuer Arbeitsplätze, Stärkung von Familien, Stop der weiteren Verschuldung, Stärkung der Rechtsstaatlichen Prinzipien und Kampf der Klientelpolitik sowie der Korruption.


Klingt alles sehr positiv.
Ich finde es interessant,lieber Ungelt, daß die Reaktion "des" europäischen Wählers auf die Wirtschaftskrise überwiegnd darin zu bestehen schein, daß man bürgerlich wählt. Tschechien, NL, jetzt die Slowakei.
In Belgien andererseits haben in Flandern die eher bürgerlichen Separatisten gewonnen und in Wallonien die Sozialisten. In Frankreich liegt die Linke derzeit weit vorn. Man hat den Eindruck, daß es zwei gegensätzliche Reaktionen auf die Krise gibt: Dort, wo es eine liberale bürgerliche Tradition gibt, vertraut man eher denen, die die Kompetenz haben, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die andere Reaktion, wie jetzt in Wallonien, besteht darin, die Linken an die Macht zu holen, damit sie in der Krise die Reichen schröpfen und es den Armen verteilen.
Herzlich, Zettel




Obwohl ich Ihrem Kommentar grundsätzlich zustimme, möchte ich für den Fall Belgien doch erwähnen, dass die Wirtschaftskrise nicht das absolut dominierende Thema war und oft vom Thema der Staatsreform überlagert worden ist.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

17.06.2010 13:50
#7 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Zitat von Zettel
Klingt alles sehr positiv. Ich finde es interessant,lieber Ungelt, daß die Reaktion "des" europäischen Wählers auf die Wirtschaftskrise überwiegnd darin zu bestehen schein, daß man bürgerlich wählt. Tschechien, NL, jetzt die Slowakei.

Ich verfolge jetzt u.A. ein wenig die im Netzt verfügbaren Interviews mit den Vertretern der bisherigen Opposition. Da ist auch zwischen den Vertretern der einzelnen Parteien ein deutlicher Teamgeist und Sympathie zu spüren, auch wenn es natürlich inhaltliche Differenzen gibt. Ich verordne mir diesen wohltuenden Nachrichtenkanal jetzt als Mittel gegen Depression, die bei der aktuellen deutschen Kost sicher unvermeidbar wäre.

Es gibt, mit Ausnahme einiger Regionen, offenbar noch genug vernünftige Leute, die wissen, daß das verteilte Geld erst verdient werden muß. Spätestens wenn es ernst wird, richten sie danach auch ihr Wahlverhalten aus. Man muß aber glaubwürdig sein und die angepeilten Ziele auch klar und deutlich kommunizieren.

Zitat von Zettel
Dort, wo es eine liberale bürgerliche Tradition gibt, vertraut man eher denen, die die Kompetenz haben, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die andere Reaktion, wie jetzt in Wallonien, besteht darin, die Linken an die Macht zu holen, damit sie in der Krise die Reichen schröpfen und es den Armen verteilen.

Die Flamen/Valonen sind ja noch in der glücklichen Lage, daß es dort offenbar eine relativ klare geographische Grenze zwischen diesen beiden Regionen gibt. Es läuft aus meiner Sicht auf eine sich immer vertiefende Trennung hinaus. Es ist ja auch Leuten, die sich anstrengen und bereit sind Opfer bringen, schwer klarzumachen, daß sie in diesen Dingen diametral anders denkende Gruppen dauerhaft unterstützen sollen. Ich habe jedenfalls Verständnis dafür.

Herzlich, Ungelt

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2010 00:55
#8 RE: Parlamentswahlen in der Slowakei Antworten

Mikuláš Dzurinda, der neue Außenminister der slowakischen Regierung gab der österreichischen "Presee" ein lesenswertes Interview, insbesondere zum Thema Griechenlandhilfe und den Beziehungen zwischen der Slowakei und Ungarn.

(via Kewil/Kommentarbereich)

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