Erika Steinbach hat in der "Welt am Sonntag" Robin Alexander und Carl Christian Malzahn (ja, früher "Spiegel-Online") ein bemerkenswertes Interview gegeben; gekennzeichnet durch die Aufrichtigkeit, die Erika Steinbach auszeichnet.
Daraus hat "Zeit-Online" zitiert. Und dabei einen entscheidenden Satz weggelassen, so daß ein falscher Eindruck von Steinbachs Position erzeugt wurde.
Grund für eine Meckerecke, in der ich mir eine kleine Strafe für den schlampigen oder manipulativen Redakteur ausgedacht habe, der das zu verantworten hat.
Steinbach sagt, daß sie eine solche neue Partei fürchte und daß sie die CDU vor einer solchen neuen Partei bewahren möchte - "bislang jedenfalls noch".
Verständlich. Denn es kann ja leicht die Situation eintreten, daß man Erika Steinbach aus der CDU drängt und daß sie, sofern sie politisch tätig bleiben will, dann gar keine Wahl hat, als sich einer solchen Partei, sollte sie entstehen, anzuschließen.
Übrigens: Wenn sie in dem Interview von jemandem "mit etwas Charisma und Ausstrahlung" spricht - ob da vor ihrem geistigen Auge Friedrich Merz schwebte?
Karl Eduard
(
gelöscht
)
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12.09.2010 12:28
#2 RE: Zettels Meckerecke: Steinbach, "Zeit-Online", die Emser Depesche
Wobei man natürlich wissen muß, daß der Otto kein Journalist war, sondern Politiker. Er hat also politische Ziele verfolgt. Welche politischen Ziele verfolgen Medien durch Weglassungen? Und haben die überhaupt welche, bzw. dürfen die überhaupt welche haben, wo sie doch sagen, sie wären objektiv?
Zitat von ZettelUnd dabei einen entscheidenden Satz weggelassen, so daß ein falscher Eindruck von Steinbachs Position erzeugt wurde.
Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck wirklich so falsch ist. Die eigentliche Aussage deckt sich ja (nicht nur bei politischen Formulierungen) nicht immer mit dem buchstabengetreuen Text. Sehr häufig ist die Botschaft eigentlich eine ganz andere, so wird sie auch rezipiert und gute Journalisten sollen auch die "eigentliche Nachricht" herausarbeiten. Wobei der Übergang zur Unterstellung dabei natürlich fließend ist.
Bei mir kommen die Steinbach-Aussagen jedenfalls schon so an, daß sie eigentlich mit einer Parteineugründung droht. Offen könnte sie so etwas natürlich nicht sagen - das wäre ein Parteiausschlußgrund. Aber wie sie da mäandernd über andere Länder ausbreitet, wie das so gehen könnte mit einer CDU-Konkurrenzpartei, und daß die ihrer Meinung nach erfolgreich sein würde - dann geht zumindestens diese letzte Einschätzung über das hinaus, was gefragt wurde. Während sie umgekehrt die Frage, ob sie persönlich sich beteiligen würde, nicht konkret dementiert. Wenn sie davon spricht, davor wolle sie die CDU "bewahren", dann ist das kein direktes Dementi. Sondern klingt (das ist jetzt natürlich etwas fies übertrieben) nach dem Mafiaboß, der zum Restaurant-Besitzer sagt: "Aber wir wollen doch alle nicht, daß Ihrer Familie etwas zustößt".
Dieses Interview verknüpft mit der aktuellen Situation kann man als Journalist schon als Signal werten, daß Steinbach bei einer eventuellen Parteigründung dabei sein könnte. Und mehr suggeriert die ZEIT auch nicht.
Übrigens paßt da auch der Vergleich mit der Emser Depesche: Denn dort hat Bismarck zwar den Textentwurf des Kaisers verschärft - aber damit auch wieder auf ein "korrektes" Niveau gebracht, d.h. die Formulierung war adäquat zum recht aggressiven Vorgehen Napoleons. Der hatte ja (aus innenpolitischen Gründen) bewußt eskaliert, und Bismarck "called his bluff", wie die Engländer sagen würden.
Zitat von ZettelUnd dabei einen entscheidenden Satz weggelassen, so daß ein falscher Eindruck von Steinbachs Position erzeugt wurde.
Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck wirklich so falsch ist. Die eigentliche Aussage deckt sich ja (nicht nur bei politischen Formulierungen) nicht immer mit dem buchstabengetreuen Text. Sehr häufig ist die Botschaft eigentlich eine ganz andere, so wird sie auch rezipiert und gute Journalisten sollen auch die "eigentliche Nachricht" herausarbeiten. Wobei der Übergang zur Unterstellung dabei natürlich fließend ist.
Es handelte sich, lieber R.A., ja nicht um einen Kommentar, sondern um eine Meldung. Nachrichtenteil, nicht Op-Ed.
Mir ging Ihre Interpretation natürlich auch durch den Kopf. Deshalb habe ich in der Ankündigung hier im Forum auf diese Formulierung "Das fürchte ich, und davor möchte ich die CDU bislang jedenfalls noch bewahren" aufmerksam gemacht. Das klingt so, als hätte sie es beim Gegenlesen hineinredigiert.
Wenn "Zeit-Online" korrekt berichtet und daran einen Kommentar angeschlossen hätte etwa mit dem Inhalt dessen, was Sie jetzt schreiben, dann wäre das völlig in Ordnung gewesen. Aber in den Nachrichteneil gehören keine Mutmaßungen. Hier hat der Journalist die Fakten zu berichten. Und nicht den entscheidenden Satz einer Passage wegzulassen.
Zitat von R.A.Übrigens paßt da auch der Vergleich mit der Emser Depesche: Denn dort hat Bismarck zwar den Textentwurf des Kaisers verschärft - aber damit auch wieder auf ein "korrektes" Niveau gebracht, d.h. die Formulierung war adäquat zum recht aggressiven Vorgehen Napoleons. Der hatte ja (aus innenpolitischen Gründen) bewußt eskaliert, und Bismarck "called his bluff", wie die Engländer sagen würden.
Darüber ist ja viel geschrieben worden, lieber R.A. So, wie es Bismarck in "Gedanken und Erinnerungen" darstellt, war die eigentliche Provokation dieses ja in der Tat unverfrorene Ansinnen gewesen, Preußen solle "für alle Zeit" auf Ansprüche auf die spanische Thronfolge verzichten; oder so ähnlich, ich habe es jetzt nicht nachgesehen. Dies auch noch in der unverschämten Weise an den Kaiser herangetragen, daß der Botschafter ihn "auf der Promenade abfing".
Bismarck hat, soweit ich orientiert bin, diesen Krieg nicht betrieben; schon gar nicht als Instrument zu einer Reichsgründung, der er zwiespältig gegenüberstand. Er hat aber damit gerechnet, daß er unausweichlich sein würde ("Vengeance pour Sadowa!") und hat mit der Emser Depesche den Franzosen den Schwarzen Peter zuspielen wollen.
Zitat von ZettelEs handelte sich, lieber R.A., ja nicht um einen Kommentar, sondern um eine Meldung. Nachrichtenteil, nicht Op-Ed.
Hmm, die Berichte einer Wochenzeitung wie der ZEIT passen eigentlich nie so ganz in dieses Schema. Die leben ja davon, daß die nackten Fakten (wie sie schon längst von anderen Medien als Nachrichten gebracht wurden) in einen Zusammenhang gestellt und interpretiert werden. Nicht unbedingt so subjektiv wie im klassischen Kommentar, aber doch mit etwas mehr Wertung als im reinen Nachrichtenteil.
Insgesamt bringt die ZEIT ja auch nur die Steinbach-Zitate, und zwar durchaus korrekt. Auch ohne den von Ihnen vermißten Satz ergibt sich da nur ein Bild, in dem Steinbach von der Möglichkeit einer neuen Partei spricht, ohne daß sie selber als Akteurin dargestellt wird. Das ist schon noch im Bereich des Originaltexts.
Zitat Dies auch noch in der unverschämten Weise an den Kaiser herangetragen, daß der Botschafter ihn "auf der Promenade abfing".
So weit ich mich erinnere, war das auch der zweite Kontakt. Schon die erste französische Forderung war recht weitgehend, wurde aber akzeptiert. Napoleon hat dann den Botschafter de Benedetti (sehr gegen dessen Willen) zu einem sehr unhöflichem Nachkarten geschickt, um den Triumpf über Preußen besser zu Hause verkaufen zu können. Und damit hatte er überzogen.
Zitat Bismarck hat ... mit der Emser Depesche den Franzosen den Schwarzen Peter zuspielen wollen.
Richtig. Vor allem konnte er sich nur auf die Bündniszusagen der süddeutschen Staaten verlassen, wenn Frankreich offiziell Angreifer war. Hätte Preußen die Gelegenheit nicht genutzt - wäre aber bei anderer Gelegenheit selber zur Kriegserklärung genötigt gewesen (bei den damaligen Begriffen von Ehre und Machtpolitik durchaus möglich), dann hätte es alleine kämpfen müssen.
Und Frankreich galt damals ja allgemein als stärkste Landmacht der Welt, selbst mit den süddeutschen Vebündeten war Preußen der Underdog.
Zitat von R.A.Insgesamt bringt die ZEIT ja auch nur die Steinbach-Zitate, und zwar durchaus korrekt. Auch ohne den von Ihnen vermißten Satz ergibt sich da nur ein Bild, in dem Steinbach von der Möglichkeit einer neuen Partei spricht, ohne daß sie selber als Akteurin dargestellt wird. Das ist schon noch im Bereich des Originaltexts.
Da sind wir halt verschiedener Meinung. Aus meiner Sicht suggeriert der Artikel, daß Steinbach Sympathie für eine solche neue Partei geäußert hat. Tatsächlich hat sie aber gesagt, daß sie eine solche Partei fürchtet und die CDU davor bewahren möchte.
Zwei Interpretationen. Um zu entscheiden, wer von uns Recht hat, müßten wir den Text, sagen wir, fünfzig Personen vorlegen und sie fragen, ob aus ihm hervorgeht, daß Steinbach mit einer solchen Partei sympathisiert oder daß sie diese fürchtet.
Zitat von R.A.
Zitat Dies auch noch in der unverschämten Weise an den Kaiser herangetragen, daß der Botschafter ihn "auf der Promenade abfing".
So weit ich mich erinnere, war das auch der zweite Kontakt. Schon die erste französische Forderung war recht weitgehend, wurde aber akzeptiert.
So habe ich es, wenn ich mich recht erinnere, auch in "Gedanken und Erinnerungen" gelesen. Preußen war ja bereit, in der Frage der Thronfolge nachzugeben, wollte sich nur nicht demütigen lassen, indem es sich für alle Zeiten band.
Zitat von R.A.
Zitat Bismarck hat ... mit der Emser Depesche den Franzosen den Schwarzen Peter zuspielen wollen.
Richtig. Vor allem konnte er sich nur auf die Bündniszusagen der süddeutschen Staaten verlassen, wenn Frankreich offiziell Angreifer war.
Was ich nicht weiß, weil ich dazu wenig gelesen habe: Wie sehr oder wie wenig wollte Bismarck diesen Krieg als ein Instrument zur Reichsgründung nutzen? Er war ja lange Zeit als königstreuer Preuße ein erbitterter Feind einer Reichsgründung gewesen, und sein von ihm als seinen "Herrn" verehrter König war es bis zum letzten Augenblick geblieben ("Was soll mir der Charaktermajor?").
Bismarck hatte dann die Stärke der Bestrebungen zu einem deutschen Nationalstaat erkannt - aber wollte er ihn 1870 wirklich? Und wollte er den Krieg, um ihn über den gemeinsamen Kampf mit den süddeutschen Staaten herbeizuführen? Oder hatte dieser Krieg nur eine Dynamik entwickelt, der sich auch Bismarck nicht entziehen konnte, so daß ihm nichts blieb, als sich "an die Spitze der Bewegung" zu setzen?
Zitat Bismarck hatte dann die Stärke der Bestrebungen zu einem deutschen Nationalstaat erkannt - aber wollte er ihn 1870 wirklich?
Ja, meiner Ansicht nach schon. Die Sache lief ja schon seit 1866: Sieg über Österreich, damit Beendigung des Dualismus in Deutschland und damit absehbar eine kleindeutsche Lösung für einen Nationalstaat. 1867 mit den Norddt. Bund war der Grundstein dafür deutlich gelegt.
Auch die Liberalen haben das gesehen, denn 1866/67 kam es über die Indemnitätsvorlage zur Spaltung der Liberalen in die Fortschrittspartei, die die Vorlage ablehnten, und die Nationalliberalen, die die Chance sahen, nur mit und nicht gegen Bismarck einen Nationalstaat zu bekommen, und die bereit waren, dafür ihre liberalen und Verfassungsprinzipien etwas zurückzustellen.
Und beide plausibel. Deswegen plädiere ich hier "in dubio pro reo" dafür, daß es journalistisch noch akzeptabel ist (und Sie wissen ja, daß Journalisten, speziell der ZEIT, bei mir eher mit einem Malus in die Beurteilung gehen ...).
Zitat Was ich nicht weiß, weil ich dazu wenig gelesen habe: Wie sehr oder wie wenig wollte Bismarck diesen Krieg als ein Instrument zur Reichsgründung nutzen?
Das ist mir jetzt auch nicht mehr bewußt.
Auf jeden Fall wollte er für den beständig drohenden Krieg mit Frankreich möglichst günstige Rahmenbedingungen. Und als Folge eines erhofften Siegs eine weitere Stärkung Preußens. Und der deutsche Nationalstaat wird ihm dabei als Option immer präsent gewesen sein - aber es war ja nicht abzusehen, ob die Dynamik die süddeutschen Staaten wirklich in diese Richtung bewegen würde. Bismarck hätte bestimmt auch andere Optionen in petto gehabt, im Zweifelsfall z. B. eine Ausweitung des Norddeutschen Bundes bei weiterer Souveränität der Teilnehmerstaaten.
Zitat sein von ihm als seinen "Herrn" verehrter König
Verehrt, und im Prinzip als Herr anerkannt - aber im Zweifelsfall entschied Bismarck auch gegen die Intentionen seines Königs. Siehe eben die Emser Depesche, oder vorher die dem König sehr widerstrebenden Annexionen anderer souveräner Staaten nach 1866.
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