Ein Interview mit dem Wikileaks-Aussteiger Domscheit-Berg, der gerade ein Buch über Wikileaks veröffentlicht hat:
Zitat von NZZNZZ: Sie schreiben in Ihrem Buch, Wikileaks habe lange Zeit nur aus Assange, Ihnen und einem uralten Computer bestanden. Gegen aussen erzeugten Sie aber den Schein einer grossen Organisation, indem Sie unter verschiedenen Namen im Internet auftraten und vorgaben, Sie hätten eine grosse Rechtsabteilung im Rücken.
Domscheit-Berg: Das stimmt. Ich nahm im November 2007 mit Wikileaks Kontakt auf. Assange lud mich ein, einzusteigen. Die Plattform bestand damals bereits seit rund einem Jahr. Ich selbst ging anfangs von einem grösseren Team aus, weil Julian verschiedene Namen nutzte, um gegen aussen und im Wikileaks-Chat aufzutreten. Dieser Chat war während der ganzen Zeit unsere Kommunikationsplattform. Irgendwann merkte ich, dass wir nur zu zweit sind. Später kamen ein paar Leute dazu. Ich benutzte dann auch verschiedene Namen, weil wir gegen aussen die Illusion schaffen wollten, bei Wikileaks handle es sich um eine starke Organisation. Diese Illusion hatte für uns ihre Berechtigung. Wir mussten sicherstellen, dass niemand Wikileaks einfach ausknipste, wenn er erfuhr, wie klein und anfällig wir waren. Wir haben die Öffentlichkeit getäuscht. Es war eine Notlüge.
NZZ: Wikileaks predigt Transparenz und arbeitet selbst mit Lügen.
Domscheit-Berg: Ich konnte diese Notlüge mir gegenüber verantworten, weil ich davon ausging, sie sei nur vorübergehend nötig. Bald würden wir auch in der Realität stark und gross sein.
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NZZ: Wikileaks behauptete stets, dass die publizierten Dokumente von einem grossen Team fundiert auf ihre Echtheit geprüft wurden. Jetzt schreiben Sie in Ihrem Buch, dass das nur oberflächlich gemacht wurde, nicht von Hunderten von Mitarbeitern, sondern von Assange und Ihnen. Eine weitere Notlüge?
Domscheit-Berg: Ich gebe zu, das war nicht der beste Ansatz. Und wir können heute sehr froh sein, dass nichts schiefgelaufen ist. Julian und ich haben überprüft, ob die Daten technisch manipuliert worden sind, und haben inhaltlich ein wenig recherchiert. Es war eine Wahrscheinlichkeitsprüfung. Mehr war nicht möglich. Wir hatten zwar viele Leute, die uns helfen wollten, aber keine Strukturen, um diese Menschen einzubinden. Wie wollen sie 800 Leute koordinieren, wenn sie nur zu fünft und nicht organisiert sind?
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NZZ: Bereuen Sie eine Veröffentlichung?
Domscheit-Berg: Nein. Alle Veröffentlichungen waren richtig.
"Nichts schiefgelaufen" ist vielleicht ein wenig an der Realität vorbei, wenn aufgrund von Klarnamen in Wikileaks-Veröffentlichungen Informanten im Irak von Terroristen umgebracht wurden. Aber wo gehobelt wird, fallen halt Späne, und zum Glück muss Herr Domscheit-Berg nichts bereuen.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
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