Im Dresdner Straßenbahnfernsehen laufen seit Juni einige kurze Filme (ca. 60s). Sie laufen ohne Ton in einer Endlosschleife; gemeinsam mit Werbung, belanglosen PR-Mitteilungen und bunten Bildchen.
Als ich den ersten Film sah, fragte ich mich: Ist er für die Zielgruppe der Vorschulkinder oder doch eher für den Einsatz in der ersten Klasse konzipiert? Nach dem zweiten und dritten Film dachte ich: Die DDR-Volkspädagogik ist zurück. Margot Honecker hat endgültig gewonnen.
Wenn die Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema Fremdenfeindlichkeit im Jahr 2011 auf diesem Niveau angelangt ist, fragt man sich: Für welche Zielgruppe und mit welchem Ziel werden eigentlich solche Filme gedreht? Soll man seinen Verstand ausschalten, wenn man sich das ansieht? Darf man eigentlich noch darüber diskutieren, wie schlecht diese Spots gemacht sind oder gerät man dann selbst in den Verdacht, fremdenfeindlich zu sein?
Wie reagieren die Dresdner denn darauf? Macht man sich offen darüber lustig oder empört sich darüber, wie Debile angesprochen zu werden? Oder traut man sich das nur in vertrautem Kreise?
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von CalimeroWie reagieren die Dresdner denn darauf? Macht man sich offen darüber lustig oder empört sich darüber, wie Debile angesprochen zu werden? Oder traut man sich das nur in vertrautem Kreise?
In der Straßenbahn hat niemand etwas laut zu diesem Thema gesagt. Der erste (besonders peinliche) Spot mit den Blumen war schon vor einigen Wochen im Programm. Momentan wird der Spot mit den beiden jungen Schachspielern und dem "bekehrten Spießer" gezeigt. Ich vermute, dass die Leute solche Spots ähnlich wie Werbung und PR-Mitteilungen an sich vorbeirauschen lassen.
Nein, es gab keine offenen Reaktionen. Es redet doch in der Straßenbahn niemand mehr über Politik. Das war nach der Wende und bis in die 90er Jahre hinein noch anders. Ich fühle mich immer mehr an DDR-Zeiten erinnert. Da haben die Menschen auch mehrheitlich regungslos hingenommen, was an Propaganda auf sie einwirken sollte.
Woher kommen solche Aktionen? Unter http://www.dresden.de/de/02/035/Handlung...er_Toleranz.php kann man sich eine PDF-Datei herunterladen, in der ein lokales Handlungsprogramm gegen Extremismus enthalten ist. Es beinhaltet natürlich nur Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, die gewalttätigen Ausschreitungen und Zerstörungen durch Linksextremisten sind ja kein Problem. In diesem Programm stechen zwei Kapitel (Seiten 26 bis 28) besonders heraus:
5. Ämternetzwerk, Steuerungsgruppe und „Fachstelle zur Förderung von Zivilcourage, Toleranz und Demokratie“
In diesem Kapitel wird detailliert beschrieben, welche bürokratischen Stellen für den Kampf gegen Rechts geschaffen werden müssen und was das alles kostet. In fast schon ironischer Weise werden die Budgetposten in Fußnoten genannt, als komme es auf das Geld gar nicht mehr an.
6. Das Lokale Handlungsprogramm als Prozess 6.1 Diversität und Gender Mainstreaming
Aus diesem Kapitel folgen zwei Kernzitate. Nachdem ich sie mehrfach gelesen hatte, war ich sicher: Das wird dem Rechtsextremismus nicht nur in Dresden, sondern deutschlandweit den Todesstoß versetzen.
Zitat Die Arbeitsgremien (Ämternetzwerk, Fachstelle und Steuerungsgruppe) sollen Maßnahmen entwickeln, die sowohl eine Sensibilität für Geschlechterverhältnisse schaffen, als auch das Wissen über Strukturen der Geschlechterverhältnisse erweitern, die Kenntnisse zur Situation von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern und über geschlechtsspezifische Zugänge und Methoden in der Arbeitsweise mit den Zielgruppen zu erwerben und zu vertiefen.
Wahrscheinlich wurden die Filme von einer gendergerecht besetzten Steuerungsgruppe unter Berücksichtigung der besonderen Lebensverhältnisse von Frauen, Mädchen, Männern und Jungen ausgesucht. In diesem Fall darf man natürlich keine besonders hohen Anforderungen an Inhalt und Aussage stellen.
Zitat Bei der Vernetzungsarbeit ist ein hoher Anspruch an die Moderation zu stellen. Durch die methodisch bewusste und -kritische Herangehensweise sollen Dominanzen, Eigendarstellungen und Gruppierungen vermieden werden und jedem Akteur/jeder Akteurin - unabhängig der Herkunft und Geschlecht - ein gleichwertiger Aktionsraum eröffnet werden. Von daher wird eine verbindliche Zusammenarbeit mit in Fragen des Gender Mainstreaming erfahrenen Organisationen, Einrichtungen und Personen ausdrücklich angestrebt.
Was für ein substanzloses Geschwurbel! — Zuletzt will ich noch eine Fußnote von Seite 3 zitieren, die mich fast genauso ratlos zurückgelassen hat wie die kindgerechten Aufklärungsfilme in der Straßenbahn.
Zitat Neben den im Text ausdrücklich genannten Quellen, wurden die folgenden Dokumente herangezogen und teilweise in Textausschnitten ohne Einzelnachweis verwendet: - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bundesprogramm Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus; Leitlinie zum Programmbereich „Entwicklung integrierter lokaler Strategien“ (Lokale Aktionspläne), - LAP Leipzig, - LAP Chemnitz, - LAP Potsdam, - LAP Frankfurt/Oder, - LAP Mannheim (Beschlussvorlage), - LAP Berlin-Tempelhof/Schöneberg, - LAP Hoher Fläming.
So wie ich das verstehe, bedeutet es auf Deutsch: Wir schreiben ohne Nachweis aus ähnlich gelagerten Programmen ab. Es ist uns auch nicht mehr wichtig, woher welches Zitat kommt, denn am Ende ist es sowieso ein Einheitsbrei.
Es wird also noch etwas mehr Bürokratie aufgebaut und Dresden kann sich mit einem "Aktionsprogramm" schmücken. Dass sie mit ihrem abgehobenen Geschwafel schon niemanden mehr erreichen und natürlich keinen einzigen Extremisten "bessern", interessiert weder die Bürokraten noch die Lokalpolitiker.
Oh Hilfe! Ich habe mal Punkt 5.1 und 5.2 zusammen durch Friedrichs Blablameter gejagt. Ergebnis: 0,74
Wer bietet mehr?
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Danke für den Hinweis auf dieses Werkzeug! Auch wenn ich noch nicht ganz nachvollziehen kann, wie es funktioniert: zwei meiner eigenen Blog-Artikel wurden mit Werten unter 0.10 bewertet. Damit kann ich leben. Das Werkzeug ist in Ordnung ;-)
Zitat von CalimeroOh Hilfe! Ich habe mal Punkt 5.1 und 5.2 zusammen durch Friedrichs Blablameter gejagt. Ergebnis: 0,74
Wer bietet mehr?
Wer bietet mehr? Natürlich könnte man alle Scham ablegen und versuchen, einen solchen Text zu parodieren. Aber will man das wirklich? Man müsste das Grundgerüst aus dem verlinkten Text übernehmen und dann in der Parodie noch konsequenter gegen alle Stilregeln verstoßen, die z.B. bei Wolf Schneider zu finden sind.
Jetzt mag der eine oder andere Leser denken: »Na ja, die Ossis. Sie sind es ja aus der DDR-Zeit nicht anders gewohnt.«. Ich bin aber sicher, dass anderswo ähnliche Schätze auf ihre Entdeckung warten.
Zitat von CalimeroOh Hilfe! Ich habe mal Punkt 5.1 und 5.2 zusammen durch Friedrichs Blablameter gejagt. Ergebnis: 0,74
Wer bietet mehr?
Ich habe mit beliebigen anderen Abschnitten Werte zwischen 0.74 und 0.81 erreicht. Ich will den Kommentar nicht unterschlagen:
Zitat von Bullshit-DetektorBullshit-Index: 0.74 Es stinkt gewaltig nach heißer Luft! Auch wenn Sie PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sind - beim Eindruck schinden sollten Sie Ihre Aussage nicht vergessen.
Wobei der Seitenhieb gegen die Professoren und Unternehmensberater unangemessen erscheint.
Der vorliegende Text stammt aus dem politisch-ideologisch-sozialpädagogischen Komplex der Bundesrepublik Deutschland. Dort lässt man sich in Sachen Unverständlichkeit nichts vormachen.
Man sagt manchmal sarkastisch, dass [weltweit] 70% aller Fachliteratur zum Steuerrecht in Deutschland herausgegeben werden. Ich fürchte, bei lokalen Aktionsprogrammen dieser Art ist die Quote noch höher.
Ist es eigentlich vorstellbar, dass Amerikaner einen solchen Text ins Netz stellen, wenn es in bestimmten Randgebieten einer Großstadt Probleme mit jugendlichen Straftätern gibt?
Und wie - wenn man den Eindruck hat, ein Spot erreiche einen nie dagewesenen Gipfel der Blödheit, belehrt einen der nächste Spot gleich eines Besseren.
Andererseits: Ich habe noch einen deutschen Spot für eine "gute Sache" wie Umweltschutz, "safer sex" usw. gesehen, der witzig oder intelligent gewesen wäre. Scheint eine Art von Naturgesetz zu sein, daß so etwas immer nur peinlich werden kann.
Zitat von DrNickIch habe noch einen deutschen Spot für eine "gute Sache" wie Umweltschutz, "safer sex" usw. gesehen, der witzig oder intelligent gewesen wäre. Scheint eine Art von Naturgesetz zu sein, daß so etwas immer nur peinlich werden kann.
Ich schon, das rote Kreuz hatte mal eine richtig freche Plakatkampagne, die zeigt, dass sie auch WIRKLICH jedem helfen .
Aber ansonsten stimmt das schon, die Spots sind (bis auf den mit dem Golfplatz, die Idee ist eigentlich witzig) dramaturgisch auf Grundschulniveau an peinlicher Plattheit nicht zu überbieten und gehen alle nach dem gleichen Muster, nämlich nach einem Kurzfilm namens "Schwarzfahrer" von 1994 http://www.youtube.com/watch?v=swJ0zhVJ8DU .
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