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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 414 mal aufgerufen
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Calimero Offline




Beiträge: 3.280

16.02.2012 22:01
Nägel einschlagen mit Psychopharmaka Antworten

Ein sehr lesenswerter Artikel in der F.A.S. zeigt den ganzen Wahnsinn der, meiner Ansicht nach erfundenen, Jungskrankheit ADHS auf. Mir scheint es so zu sein, dass unsere Weichwurstgesellschaft mit dem nicht klar kommt, wo man früher gesagt hätte: "Jungs sind halt so."
Um die nicht anders zu bändigenden (oder nicht ausgelasteten) Rangen nun ins derzeit gültige Funktionsschema einpassen zu können, bedient man sich der Diagnose einer Krankheit und der "Behandlung" mittels Psychodrogen. Eben herausstehende Nägel einschlagen mit dem Chemohammer.

Besonders in diesem Absatz wird deutlich, dass man hier eventuell gerade die männlichen Nachkommen mittels Pille ruhig stellt, die für das Überleben der Gruppe mal existenziell gewesen waren:

Zitat von F.A.S.
„Die ADHS-Patienten in meiner Praxis sind ausschließlich Jungen“, sagt der Arzt Ulrich Fegeler, der zugleich Sprecher des Berufsverbandes für Kinder und Jugendmedizin ist. „Aufmerksamkeitsdefizit“ hält er eigentlich für einen irreführenden Begriff. Im Gegenteil seien diese Jungen eher zu aufmerksam. „Jeder Reiz wird wichtig genommen.“ Früher habe es einen großen Bedarf an solchen Menschen gegeben, die in kürzerer Zeit mehr mitbekommen als andere. „Das waren ideale Kämpfer, Jäger und Wächter mit einem besonderen Gespür für ihre Umwelt“, sagt Fegeler, „aber in unserer Gesellschaft braucht man sie nicht mehr.“ Oder glaubt, sie nicht mehr zu brauchen.


Ich finde es erschreckend was hier abgeht. Wie Kinder ärztlicherseits "auf Droge gebracht" werden. Und das anscheinend nur, weil unsere strukturell verweiblichte Gesellschaft "wilde Jungs" anders nicht normiert bekommt.

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"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

isildur Offline



Beiträge: 366

16.02.2012 22:22
#2 RE: Nägel einschlagen mit Psychopharmaka Antworten

Ich bin auch immer wieder erschrocken bei diesem Thema. Ich weiß nicht wer seinem Kind Tabletten, noch dazu Psychopharmaka, gibt ohne alles getan und mehrere Ärzte befragt zu haben ob dies wirklich unbedingt medizinisch erforderlich und die Diagnose einwandfrei ist. Vielleicht vertrete ich da eine extreme Meinung aber ich bin grundsätzlich bei jeder Form von Medikamenten extrem skeptisch wenn man sich nicht wirklich im klaren darüber ist wo die Ursache liegt(aus dem Grund nehme ich z.B. auch nahezu nie Kopfschmerztabletten, Wasser, Frischluft und Schlaf helfen meist sehr gut solange man im Prinzip gesund ist). Ich sage nicht, dass Medikamente schlecht seien, ich kann nur in keiner Weise den weitgehend unkritisch Umgang in unserer Gesellschaft damit nachvollziehen. Auch zu psychischen Erkrankungen gibt es sehr interessante philosophische Überlegungen und auch hier gibt es ja zumeist eine Ursache abseits der Symptome. Nur weil etwas messbar ist, heißt das ja lange noch nicht, dass es nicht psychisch sein kann. Die Psyche hat ja einen, nach allem was ich als medizinischer Laie so gelesen habe, großen Einfluss auf den Körper(soma) - eben psychosomatisch.

Dass unsere moderne Gesellschaft allgemein ein Problem mit dem hat was man als "typisch Jungs" oder "typisch Mann" bezeichnet ist sicher noch ein weiteres Problem. Ich denke aber hier schwenkt der Zeitgeist um, das kam ja auch in den Diskussionen zum Thema Emanzipation hier im Forum vor einiger Zeit recht ausführlich vor. Bis die vom ehemaligen Zeitgeist geerbten Probleme dann auch ausgeräumt werden dauert es sicherlich länger, zumal auf viele Fragen neue Antworten gefunden werden müssen.

Gruß,
Isildur

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.579

17.02.2012 00:00
#3 RE: Nägel einschlagen mit Psychopharmaka Antworten

Das dürfte übrigens einer der wenigen Bereiche sein, wie die Literatur, die sich um den (zumeist warnenden) Blick nach vorwärts bemüht, tatsächlich in die zutreffende Richtung zeigt. Von Huxleys "Schöner Neuer Welt" von 1932 bis hin zu Anthony Burgess' "A Clockwork Orange" von 1971 ist diese "Bändigung", die versuchte Konditionierung - ob nun vermittels chemischer Konditionierung oder durch Schocktherapie ein zentrales Thema; in beiden Fällen ist der Blick des Autors zutiefst ambivalent: das, sagen wir mal, "Recht auf Gewalt" zu akzeptieren, bereitet sowohl Huxley als auch Burgess sichtliches Unbehagen. Soll heißen; hier wird hinter den Pappkulissen eines literarischen Futurismus der Sinn fürs Tragische sichtbar, für einen moralischen Knoten, den man nicht kurzerhand durch Versprühen von heftigen Dosen Moralin auflösen kann.
Der Englischunterricht in Deutschland hat sich, seit einigen Jahren, allerdings fix aus der Bedrouille gezogen und beschäftigt sich eher mit "genetic engineering"; da kann man dann wieder mühelos die Spreu vom Weizen trennen: Gene sind pfui, Klone erst recht, die Natur ist bis zum 2050 endgültig hinüber, und Big Pharma besteht nur aus geldgeilen Giftmischern. Zynisch ausgedrückt: Parteilinie für grüne Pimpfe. (Als Texte kommen da nur Margaret Atwood und Kazuo Ishiguro in Frage.) Daß in der harten Wirklichkeit weder das Klonen, die Genklempnerei noch der Exitus der Biosphäre droht, so wenig so zuvor der Stumme Frühling, die Bevölkerungsbombe ("Soylent Green is People!")oder das Waldsterben, sollte man in diesem Zusammenhang gar nicht erst erwähnen.

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