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Dieses Thema hat 13 Antworten
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Reiner aus dem Saarland Offline



Beiträge: 272

09.06.2012 19:17
[Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zur Zeit geht eine neue Horrorstory (oder eher Horrorstudie) bzgl. der Gefahren von Radioaktivität um den Erdball.

Die deutsche Variante wurde vorgestern auf Spiegel-Online veröffentlicht:

Zitat

Lösen Aufnahmen mit Computertomografen bei Kindern Krebs aus?

Seit Jahren streiten sich Radiologen darüber, wie hoch das Risiko für Kinder ist, später im Leben durch die CT an Krebs zu erkranken. Jetzt gibt eine Studie erstmals Auskunft: Nach zwei bis drei Kopfaufnahmen im Kindesalter verdreifache sich das Risiko, später im Leben an einem Hirntumor zu erkranken, schreiben Ärzte um Mark Pearce von der britischen Newcastle University im Medizinjournal "The Lancet". Nach fünf bis zehn solcher Kopfscans sei auch das Risiko einer Leukämie dreifach erhöht.

Die Mediziner überprüften für die aktuelle Studie die Daten von knapp 180.000 britischen Kindern ohne Krebs, die zwischen 1985 und 2002 im Computertomografen untersucht wurden. Anschließend berechneten sie, wie hoch die Strahlendosis in einzelnen Organen der Kinder war. Aus dem Zentralregister des britischen Gesundheitssystems NHS bekamen die Forscher Zahlen, wie viele der Kinder später im Leben an einem Hirntumor oder an Leukämie erkrankten.

Bei ihrer Berechnung, nach wie vielen CT-Untersuchungen das Krebsrisiko ansteigen kann, berücksichtigten sie auch, dass die Strahlenbelastung durch moderne Computertomografen deutlich geringer ist, als bei jenen, die zwischen 1985 und 2002 bei den Studienpatienten eingesetzt wurden.


Frage:
Was ist an dieser Studie falsch? Die Antwort ist sehr, sehr einfach. Man kann diese Frage übrigens beantworten ohne Google zu bemühen und ohne abgeschlossenes Medizin- oder Physikstudium. Es genügt der berühmte, gesunde Menschenverstand. Übrigens haben weder Spiegel-Online noch die dortigen Leserkommentare diese Frage beantwortet bzw. die Studie überhaupt in Frage gestellt.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

10.06.2012 20:10
#2 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Da sich am Quiz noch keiner beteiligt hat, will ich mal mein Unbehagen an dieser Studie in eine andere Schlagzeile kleiden:
"Löst Blutdruckmessen Herzkrankheiten aus?"

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

10.06.2012 23:38
#3 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Rayson
Da sich am Quiz noch keiner beteiligt hat, will ich mal mein Unbehagen an dieser Studie in eine andere Schlagzeile kleiden:
"Löst Blutdruckmessen Herzkrankheiten aus?"



Aber sicher. Jeder Hypochonder weiß das aus eigener Erfahrung.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2012 00:04
#4 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Reiner aus dem Saarland
Frage:
Was ist an dieser Studie falsch? Die Antwort ist sehr, sehr einfach. Man kann diese Frage übrigens beantworten ohne Google zu bemühen und ohne abgeschlossenes Medizin- oder Physikstudium. Es genügt der berühmte, gesunde Menschenverstand. Übrigens haben weder Spiegel-Online noch die dortigen Leserkommentare diese Frage beantwortet bzw. die Studie überhaupt in Frage gestellt.

Ich habe mir, lieber Rainer aus dem Saarland, die Publikation in Lancet angesehen. Sie ist recht kurz, aber ich konnte keinen methodischen Mangel entdecken.

Natürlich haben die Forscher dafür Sorge getragen, daß keine Fälle erfaßt wurden, in denen die CT wegen des Verdachts auf einen Tumor erfolgte. Wenn sie diese triviale Maßnahme nicht getroffen hätten, dann gehörten sie - es sind 12, alle von guten Unis in verschiedenen Ländern - allesamt gefeuert.

Oder meinten Sie einen anderen Mangel?

Die Autoren kommen übrigens zu dem Schluß, daß die Erhöhung des Krebsrisikos in absoluten Zahlen so gering ist (rund 1 zusätzlicher Fall auf 10.000 untersuchte Patienten), daß der Nutzen eines CT in der Regel diesen Nachteil überwiegen wird.

Herzlich, Zettel

H_W Offline



Beiträge: 456

11.06.2012 10:01
#5 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Reiner aus dem Saarland
...überprüften für die aktuelle Studie die Daten von knapp 180.000 britischen Kindern ohne Krebs, die zwischen 1985 und 2002 im Computertomografen untersucht wurden


Und verglichen sie mit den Daten von Kindern, die keine CT bekommen hatten... Genau dieser Satz fehlt mir in dem Bericht. Scheinbar wurde nur innerhalb einer Gruppe gemessen, eine Vergleichsgruppe fehlt.

Lieber Reiner, sollte das auch Ihr Punkt gewesen sein, oder bemängeln Sie etwas anderes?

Gruß, H_W

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Woran erkennt man ein linksgrünes Märchen?
Es beginnt mit: Es wird einmal sein.
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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 14:55
#6 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von H_W

Zitat von Reiner aus dem Saarland
...überprüften für die aktuelle Studie die Daten von knapp 180.000 britischen Kindern ohne Krebs, die zwischen 1985 und 2002 im Computertomografen untersucht wurden


Und verglichen sie mit den Daten von Kindern, die keine CT bekommen hatten... Genau dieser Satz fehlt mir in dem Bericht. Scheinbar wurde nur innerhalb einer Gruppe gemessen, eine Vergleichsgruppe fehlt.



Das ist nicht relevant, weil die unabhängige Variable nicht die Exposition per se (ja/nein), sondern die metrisch skalierte Strahlenexposition war. Dann braucht man keine Vergleichsgruppe mit Nullexposition.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 15:23
#7 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Das Problem bei Studien, die in den Massenmedien berichtet werden, ist aus meiner Sicht folgendes:

Es gibt einige wenige wissenschaftliche Zeitschriften, die in einer Klasse für sich spielen. In der Naturwissenschaft allgemein sind das Science und Nature, in der Medizin beispielsweise The Lancet oder Cell. Jeder Wissenschaftler mit bahnbrechenden Ergebnissen versucht als erstes, dort zu publizieren. Warum? Weil sie so wichtig sind. Eine Publikation in Science ist für einen Wissenschaftler auf dem Lebenslauf so gut wie zehn Publikationen in anderen Journals.

Daher bekommen diese Journals auch Unmengen an Einreichungen. Unmengen. 95% der eingereichten Artikel werden sofort abgelehnt. Populärer Ablehnungsgrund: nicht neu, nicht bahnbrechend genug.

Nun ist es aber auf der anderen Seite so, dass auch bei penibelst korrekten Versuchsabläufen und Datenauswertungen immer wieder falsch positive Ergebnisse aus der Analyse herauskommen: ein Effekt scheint zu existieren, der tatsächlich nicht besteht. Das ist keine Schwäche des Systems, das ist inhärent so.

Wenn nun aber auf der ganzen Welt Studien wie die oben verlinkte laufen, dann werden einige von diesen Studien auch bahnbrechende Ergebnisse produzieren - und viele davon werden sich bei weiterer Forschung als doch nicht tragfähig erweisen.

Die Crux: das initiale Ergebnis ist bahnbrechend und wird als solches in The Lancet publiziert. Die Universität der Autoren macht in einer Pressemitteilung darauf aufmerksam: "Wissenschaftler der Uni XY publizieren in The Lancet!" Horden von Wissenschaftlern stürzen sich auf den Befund, machen Versuche, analysieren neue Daten. Weitere ähnliche Forschung ist nicht mehr ganz so bahnbrechend, wird als nicht in The Lancet publiziert. Fünf Jahre später schreibt jemand einen Übersichtsartikel (ein Review), der im allgemeinen recht nüchtern darlegt, dass die initial berichteten Effekte nicht oder zumindest nicht in dieser Stärke repliziert werden konnten, dass es offenbar moderierende Einflussfaktoren gibt, und dass (der wichtigste Punkt) weitere Forschungsgelder nötig sind. Dieses Review ist dann aber natürlich überhaupt gar nicht mehr bahnbrechend, erscheint in einem spezialisierten Journal, das noch immer hochrangig ist, aber eben nicht mehr auf der Ebene von The Lancet. Entsprechend wird das Review von niemandem in den Massenmedien gelesen, und die Universität der Autoren gibt auch keine Pressemitteilung dazu heraus. Diese Relativierung der initialen Ergebnisse erscheint nicht in den Massenmedien.

Keinerlei Schludrigkeit, Schlampigkeit oder Fehlverhalten sind involviert. Und dennoch gibt es immer neue Horrorgeschichten aus "der Wissenschaft". Und dennoch leben wir alle immer länger.

Fazit: Nature und dergleichen sind nett, um zu sehen, was gerade in der Wissenschaft angesagt ist. Die dort berichteten Ergebnisse sind aber meistens noch weniger belastbar als diejenigen in spezialisierten Journals. Und wenn man wirklich wissen will, was Stand der Forschung ist, sollte man sich Meta-Analysen oder Reviews anschauen.

William M. Briggs schreibt häufig über solche und verwandte Themen.

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Reiner aus dem Saarland Offline



Beiträge: 272

11.06.2012 17:45
#8 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Personen, die einer CT unterzogen werden, dürften wohl nicht uneingeschränkt als 100% gesund zu betrachten sein. Eine Vergleichsgruppe von gesunden Kindern wird also einer Vergleichsgruppe von potentiell "nicht gesunden Kindern" gegenübergestellt. Das ist gelinde gesagt grenzwertig.

Im deutschen Ärzteblatt hat man sich des Themas auf durchaus humorvolle Weise angenommen. Man lese die Kommentare.

Zitat
Kann es nicht sein , dass die Indikation zur Untersuchung das Risiko birgt und nicht das CT ?

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 18:06
#9 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Reiner aus dem Saarland
Personen, die einer CT unterzogen werden, dürften wohl nicht uneingeschränkt als 100% gesund zu betrachten sein. Eine Vergleichsgruppe von gesunden Kindern wird also einer Vergleichsgruppe von potentiell "nicht gesunden Kindern" gegenübergestellt. Das ist gelinde gesagt grenzwertig.


Das stimmt nicht. Es gab ja gerade keine Vergleichsgruppe. (Was H_W oben als Manko der Studie ansah, was es aber nicht ist.) Und innerhalb dieser Gruppe war eine höhere Exposition mit einer höheren Tumorinzidenz assoziiert.

Es wurden also eben nicht Gesündere mit weniger Gesünderen verglichen - das wäre genau dann ein valider Kritikpunkt gewesen, wenn die (möglicherweise kränkeren) CT-untersuchten Kinder mit einer Vergleichsgruppe von (möglicherweise gesünderen) nicht CT-untersuchten Kindern verglichen worden wären.

Einen Kritikpunkt können Sie natürlich anbringen: die Stichprobe war höchstwahrscheinlich in der Tat kränker als der Durchschnitt, denn sonst wäre sie in der Tat keinem CT unterzogen worden. Streng genommen kann man also nur folgendes aussagen: "In einer Stichprobe, die in ihrer Jugend - wahrscheinlich zu diagnostischen Zwecken - einem CT unterzogen wurde, war erhöhte Strahlenexposition mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert."

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Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 18:12
#10 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Reiner aus dem Saarland
Personen, die einer CT unterzogen werden, dürften wohl nicht uneingeschränkt als 100% gesund zu betrachten sein. Eine Vergleichsgruppe von gesunden Kindern wird also einer Vergleichsgruppe von potentiell "nicht gesunden Kindern" gegenübergestellt. Das ist gelinde gesagt grenzwertig.


Das stimmt nicht. Es gab ja gerade keine Vergleichsgruppe. (Was H_W oben als Manko der Studie ansah, was es aber nicht ist.) Und innerhalb dieser Gruppe war eine höhere Exposition mit einer höheren Tumorinzidenz assoziiert.



Nachtrag: ich relativiere diese meine Aussage ein wenig. Denn möglicherweise wurden in der Tat die kränkeren Kinder häufiger einem CT unterzogen, hatten damit dann also auch eine höhere Strahlenbelastung. Die Autoren haben ja versucht, diesen Effekt dadurch auszuschliessen, dass nur Tumoren gezählt wurden, die mindestens zwei bis fünf Jahre nach dem letzten CT aufgetreten sind.

Das ist in der Tat ein valider Kritikpunkt. Aber "grenzwertig" ist zu stark.

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Reiner aus dem Saarland Offline



Beiträge: 272

11.06.2012 20:40
#11 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Gorgasal

Das stimmt nicht. Es gab ja gerade keine Vergleichsgruppe. (Was H_W oben als Manko der Studie ansah, was es aber nicht ist.) Und innerhalb dieser Gruppe war eine höhere Exposition mit einer höheren Tumorinzidenz assoziiert.

Es wurden also eben nicht Gesündere mit weniger Gesünderen verglichen - das wäre genau dann ein valider Kritikpunkt gewesen, wenn die (möglicherweise kränkeren) CT-untersuchten Kinder mit einer Vergleichsgruppe von (möglicherweise gesünderen) nicht CT-untersuchten Kindern verglichen worden wären.


Ja stimmt. Das müsste man anders formulieren. Die Vergleichsgruppe war das britische Krebsregister, also der Durchschnitt der britischen Bevölkerung. Sozusagen der "durchschnittlich gesunde Querschnitt". Aber jetzt lass ich's. Sonst wird es noch unterdurchschnittlich.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 21:11
#12 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Reiner aus dem Saarland

Zitat von Gorgasal

Das stimmt nicht. Es gab ja gerade keine Vergleichsgruppe. (Was H_W oben als Manko der Studie ansah, was es aber nicht ist.) Und innerhalb dieser Gruppe war eine höhere Exposition mit einer höheren Tumorinzidenz assoziiert.

Es wurden also eben nicht Gesündere mit weniger Gesünderen verglichen - das wäre genau dann ein valider Kritikpunkt gewesen, wenn die (möglicherweise kränkeren) CT-untersuchten Kinder mit einer Vergleichsgruppe von (möglicherweise gesünderen) nicht CT-untersuchten Kindern verglichen worden wären.


Ja stimmt. Das müsste man anders formulieren. Die Vergleichsgruppe war das britische Krebsregister, also der Durchschnitt der britischen Bevölkerung. Sozusagen der "durchschnittlich gesunde Querschnitt".



Sind Sie sicher? Ich habe keinen Zugriff auf die Originalpublikation, nur auf den Abstract.

Zitat
In our retrospective cohort study, we included patients without previous cancer diagnoses who were first examined with CT in National Health Service (NHS) centres in England, Wales, or Scotland (Great Britain) between 1985 and 2002, when they were younger than 22 years of age. We obtained data for cancer incidence, mortality, and loss to follow-up from the NHS Central Registry from Jan 1, 1985, to Dec 31, 2008.


Soweit ich das sehe, gab es da eben keine Vergleichsgruppe aus dem Krebsregister. Eine solche wäre ja auch aus den oben genannten Gründen angreifbar. Vielmehr wurde ein Dosis-Wirkungs-Effekt allein innerhalb einer Stichprobe von CT-behandelten Patienten geschätzt. Das ist etwas anderes, und völlig in Ordnung so.

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.06.2012 22:33
#13 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Gorgasal
Sind Sie sicher? Ich habe keinen Zugriff auf die Originalpublikation, nur auf den Abstract.

Ich habe Zugang zu Lancet und habe mir den Artikel jetzt angesehen.

Das Krebsregister wurde verwendet; aber nicht für eine Vergleichsgruppe, sondern um die Patientendaten für die untersuchten Fälle zu erhalten.

Was die Möglichkeit angeht, daß die CT-Scans im Zusammenhang mit einem Krebsverdacht gestanden haben könnten - die Autoren sind sich dieser Fehlerquelle sehr bewußt. Sie haben deshalb nicht nur mit den im Abstract berichteten 2- und 5Jahresperioden gearbeitet, sondern auch geprüft, ob sich die Befunde ändern, wenn man eine 10-Jahresperiode zwischen dem letzten Scan und der Entdeckung eines Tumors oder von Leukämie verwendet. Die Daten seien im Prinzip unverändert geblieben:

Zitat
CT is often used as a diagnostic technique when a solid cancer is suspected. However, information about the reasons for CTs and other clinical variables were not available for this study. Instead, we excluded all scans undertaken in the 2 years before a leukaemia diagnosis and 5 years before a brain tumour diagnosis. Young patients with leukaemia are unlikely to have a CT because of their disease, but we still used a cautious approach of applying an exclusion period. By contrast, patients with brain tumours will probably have a number of CT examinations during the diagnostic period, hence the longer exclusion period. Nevertheless, we noted much the same results in sensitivity analyses in which all scans in the 10 years before a brain tumour diagnosis were excluded.

Die Autoren kommen dann noch auf eine andere mögliche Fehlerquelle zu sprechen:

Zitat
The absence of data for other exposures, such as radiographs, is unlikely to have introduced a major bias because the doses from these scans are typically ten times smaller than those for CT scans. However, we cannot rule out this bias and the increased dose response noted for brain tumours compared with the survivors of the atomic bombs in Japan is also a possible indication of some residual bias despite the long exclusion period.

Soweit ich sehe, ist also methodisch alles sauber.

Etwas seltsam finde ich Passagen wie diese, und dazu würde mich, lieber Gorgasal, Ihre Meinung interessieren:

Zitat
We noted positive associations between CT scans and cancer subgroups of gliomas (p=0·0033), schwannoma and meningiomas (p=0·0195), acute lymphoblastic leukaemia (p=0·0053), and myelodysplastic syndromes (p=0·0032), but not acute myeloid leukaemia (p=0·2653) or leukaemia excluding myelodysplastic syndromes (p=0·1436; table 3). For leu kaemia, the dose response did not vary between age at exposure, time since exposure, sex, or any other co variates examined (table 4). However, for brain tumours there was signifi cant heterogeneity (p=0·0003) in estimated RR (ERR) across categories of age at exposure, with ERR increasing with increasing age.

Welche Rechtfertigung gibt es dafür, die genauen Irrtumswahrscheinlichkeiten anzugeben?

In der Prüfstatistik setzt man vor einer Untersuchung ein Signifikanzniveau fest und registriert dann nur noch, ob es unterschritten wurde oder nicht. Dagegen wird zwar notorisch verstoßen, indem das jeweils beste unterschrittene Signifikanzniveau angegeben wird (also p < .001 usw.). Aber dann wird immerhin noch das Unterschreiten eines Signifikanzniveaus angegeben. Welchen Sinn machen aber Daten wie "p=0.1436""?

Und wenn man es schon genau haben will, ohne daß es um ein Signifikanzniveau geht, warum dann nicht den MSE angeben?

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

11.06.2012 22:51
#14 RE: [Quizz] Was ist an folgender Krebsstudie falsch? Antworten

Zitat von Zettel

Zitat
We noted positive associations between CT scans and cancer subgroups of gliomas (p=0·0033), schwannoma and meningiomas (p=0·0195), acute lymphoblastic leukaemia (p=0·0053), and myelodysplastic syndromes (p=0·0032), but not acute myeloid leukaemia (p=0·2653) or leukaemia excluding myelodysplastic syndromes (p=0·1436; table 3). For leu kaemia, the dose response did not vary between age at exposure, time since exposure, sex, or any other co variates examined (table 4). However, for brain tumours there was signifi cant heterogeneity (p=0·0003) in estimated RR (ERR) across categories of age at exposure, with ERR increasing with increasing age.


Welche Rechtfertigung gibt es dafür, die genauen Irrtumswahrscheinlichkeiten anzugeben?



Gar keine Das ist eine ähnliche Verwirrung wie die verbreitete Unsitte, kleineren p-Werten eine besondere Bedeutung zuzumessen, gerne als "highly significant" umschrieben. Aber Signifikanz ist ja/nein und keine hoch/niedrig-Skala. Dass dementsprechend ein p-Wert von 0.055 nicht signifikant, einer von 0.045 aber signifikant ist und das Ergebnis jeweils interpretiert werden muss, ist einer der fundamentalen Schenkelklopfer der klassischen inferenziellen Statistik. Siehe hierzu auch Gelman und Stern.

Zitat von Zettel
In der Prüfstatistik setzt man vor einer Untersuchung ein Signifikanzniveau fest und registriert dann nur noch, ob es unterschritten wurde oder nicht.


Und genau das ist richtig.

Zitat von Zettel
Dagegen wird zwar notorisch verstoßen, indem das jeweils beste unterschrittene Signifikanzniveau angegeben wird (also p < .001 usw.). Aber dann wird immerhin noch das Unterschreiten eines Signifikanzniveaus angegeben. Welchen Sinn machen aber Daten wie "p=0.1436""?


Noch immer keinen. Aber viele Nachkommastellen anzugeben sieht kompetent aus. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass meiner Ansicht nach jeder wissenschaftliche Artikel, der etwas mit Statistik zu tun hat, von einem Statistiker gegengelesen werden sollte?

Zitat von Zettel
Und wenn man es schon genau haben will, ohne daß es um ein Signifikanzniveau geht, warum dann nicht den MSE angeben?


Oder sonst eine Effektstärke, etwa die Verbesserung einer Klassifizierungsgenauigkeit. Das wäre in der Tat besser. Aber das magische p-Wert-Denken ist einfacher.

Überdies beschleicht mich bei der Liste von Tumoren, die Sie oben zitieren, die Frage, ob denn für mehrfache Vergleiche korrigiert wurde, etwa mit Bonferroni oder Holm. (Je mehr statistische Tests ich durchführe, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einer von ihnen mir ein positives Ergebnis liefert, selbst wenn tatsächlich überhaupt kein Wirkzusammenhang vorliegt. Es gibt Verfahren, um diesem data dredging zu begegnen. Und all diesen Verfahren sollte man auch wieder eine gesunde Skepsis entgegenbringen.)

Letzte Anmerkung: wenn Sie p-Werte als "Irrtumswahrscheinlichkeiten" bezeichnen, werter Zettel, dann wollen Sie mich ja nur ärgern, stimmt's?

--
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