Inger hat zu in diesem Thread verlinkten Beitrag in Zettels Raum einen interessanten Kommentar geschrieben. Ein paar Anmerkungen dazu:
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Sehr viel Zitate sind so griffig, daß sie wie Redewendungen zum allgemeinen Wortschatz zu gehören scheinen. So gesehen bräuchte es nicht einmal des Namens Schopenhauer und schon gar nicht die Stelle in welchem Werk auch immer. Ich denke, da hat sich etwas reichlich abgeschliffen, bis der Kernsatz übrig blieb, der "weiterverwendet" wird.
Ja, das gibt es sicher oft, liebe Inger. Im Extremfall wird ja aus dem Zitat eine Redensart, wie "die Milch der frommen Denkungsart". (Bei Schiller ist es die "Milch der frommen Denkart"; sonst würde das Metrum gar nicht stimmen: "In glühend Drachengift hast du / die Milch der frommen Denkart uns verwandelt" - nicht im Web verifiziert ). Oder das "die Seele baumeln lassen"; das hätte Tucholsky sich auch nicht träumen lassen, daß das mal die deutsche Sprache bereichern würde.
Aber bei dem Schopenhauer-Zitat würde ich das nicht sagen; es ist doch eher weniger bekannt. Weder das deutsche noch das englische und das französische Wikiquote enthalten es zum Beispiel. - Und egal, wenn man es schon als Zitat in eine Zitatensammlung aufnimmt, dann sollte in jedem Fall auch die Quelle angegeben werden.
In Antwort auf:
Das alles regt heute auch nur noch Menschen auf, die seinerzeit Punkte machen konnten, wenn sie gut zitieren konnten. Mit dem Zitieren gab man sich auch gleich den Anschein, recht gebildet zu sein und über das Zitat auch viel von der Person und deren Einstellung zu wissen.
Ja, beliebt waren vor allem die klassischen Zitate, die man sich gegenseitig um die Ohren schlug. Eben manus manum lavat, wie wir Lateiner sagen. (Hier aber nicht sagen sollten
In Antwort auf:
Die Zitatgeber sind lange tot, es gibt immer wieder neue Philosophen und Streithanseln, die man im Gegensatz zu früher in eine ideologische Schublade tun kann. Das ist ganz praktisch, weil es nur noch um Inhalte geht, damit verringern sich auch die Zitate.
Was ja eigentlich schade wäre. Warum zitiert man eigentlich? Sieht man von den etwas weniger noblen Motiven wie Aufschneiderei ab, dann doch deshalb, weil jemand etwas besonders gut gesagt hat. Weil er eine vage Idee, die man auch schon hatte, in eine konzise, witzige, sprachlich funkelnde Form gebracht hat.
Man kann schreiben: "Es gibt Leute, die verstehen nicht viel von dem, was sie lesen". Man kann aber auch Lichtenberg zitieren und schreiben: "Wenn ein Kopf und ein Buch zustammenstoßen, und es klingt hohl, dann muß das nicht an dem Buch liegen". Irgendwie schöner, oder?
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Gleichzeitig hat man immer wieder gern zitiert, um sich in der Autorität des Zitatgebers zu sonnen, das ist auch nicht mehr nötig, jedenfalls nicht hier in Deutschland, weil es keine Kette von Bezügen auf Autoritäten gibt.In den arabischen Ländern dagegen gehört diese Kette ganz selbstverständlich zur Faktenlage.Da wird keine Semesterarbeit durchgelassen, die nicht in dieser Tradition steht. Das bedeutet ganz einfach, daß der Student halt kein Meister ist, er hat sich an die Tradition zu halten und zu zitieren als Nachweis, daß er die Meister gelesen hat.
Stimmt. Zitieren bedeutet dann oft auch, sich absichern. In den kommunistischen Ländern war das ja bis zum Schluß so. Wer als Wissenschaftler geschickt war, der brachte alle erforderlichen Marx- und Lenin-Zitate im Vorwort unter. Dann konnte er den Rest, wenn er es richtig machte, ziemlich ungestört schreiben.
Andererseits war dieses Verfahren ja in der gesamten abendländischen Wissenschaft üblich, bis zu Galilei und Descartes. Und noch heute ist es in jeder wissenschaftlichen Arbeit so, daß man alle wichtigen Arbeiten anderer zitiert. Teils, ums ich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sicher aber auch, um zu zeigen, daß man sie gelesen und bedacht hat.
Descartes aber hat geradezu ostentativ aufs Zitieren verzichtet; Kant übrigens auch. Marx andererseits hat sehr viel zitiert; meist in langen Fußnoten.
Und auch Schopenhauer - um auf den wieder zurückzukommen - zitierte gern. Und zwar aus einer gewissen, bei ihm auch begründeten, Arroganz heraus: Er wollte zeigen, daß die Großen zu allen Zeiten Ähnliches gedacht hatten wie er; und er konnte Griechisch genauso souverän zitieren wie Latein, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch.
Nur wenn er aus dem Griechischen zitierte, dann übersetzte er das Zitat manchmal sicherheitshalber.
Und zwar ins Lateinische, "für die weniger Gebildeten". So ähnlich hat er es jedenfalls geschrieben; ein Zitat ist das aber nicht.
Herzlich, Zettel