Der Verordnungsentwurf zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes in der Telekommunikation wurde vorgelegt. Bei Heise heißt es:
Zitat Endkunden sollen die Wahl haben, auf welchem Wege sie gewünschte Inhaltsangebote beziehen, die Zugangsnetzbetreiber erhalten im Artikel 23 freie Bahn als Makler für Inhalte und Dienste; dort wird ausdrücklich die Vertragsfreiheit zu Content Deals mit den Inhalteanbietern festgehalten.
Heißt das, die EU versperrt damit den Weg zu einer nationalen Regelung der Netzneutralität?
Zitat 1. End-users shall be free to access and distribute information and content, run applications and use services of their choice via their internet access service. End-users shall be free to enter into agreements on data volumes and speeds with providers of internet access services and, in accordance with any such agreements relative to data volumes, to avail of any offers by providers of internet content, applications and services.
2. End-users shall also be free to agree with either providers of electronic communications to the public or with providers of content, applications and services on the provision of specialised services with an enhanced quality of service. In order to enable the provision of specialised services to end-users, providers of content, applications and services and providers of electronic communications to the public shall be free to enter into agreements with each other to transmit the related data volumes or traffic as specialised services with a defined quality of service or dedicated capacity. The provision of specialised services shall not impair in a recurring or continuous manner the general quality of internet access services.
[...]
5. Within the limits of any contractually agreed data volumes or speeds for internet access services, providers of internet access services shall not restrict the freedoms provided for in paragraph 1 by blocking, slowing down, degrading or discriminating against specific content, applications or services, or specific classes thereof, except in cases where it is necessary to apply reasonable traffic management measures. Reasonable traffic management measures shall be transparent, non-discriminatory, proportionate and necessary to: [...]
Während Punkt 1 also netzneutrale Anschlüsse beschreibt, was durch Punkt 5 auch noch einmal bestätigt wird, scheint Punkt 2 tatsächlich die Freiheit zu Vertragsabschlüssen zu alternativen Angeboten zu garantieren.
Sollte der Entwurf durchkommen hat sich damit wohl jede nationale Diskussion zur gesetzlich verankerten Netzneutralität erledigt. Man hat dann Europaweit das, was viele Netzaktivisten mir Gegenüber auf meine Nachfrage, ob sie denn nicht-netzneutrale Angebote verbieten wollen, als Transparenz gefordert haben: Wo ohne weitere Qualifikation ein Internetanschluss angeboten wird, da muss auch ein vollwertiger, netzneutraler Anschluss drin sein. Über die Zulässigkeit alternativer Angebote haben sie dann geschwiegen. Natürlich reicht das den selben Leuten nicht mehr, denn wenn dann zu wenige einen Vertrag für einen netzneutralen Anschluss abschließen, sich also nicht so Verhalten, wie sie es selber tun würden, ist das natürlich "Marktversagen". Zu den Informationspflichten heißt es:
Zitat 4. The exercise of the freedoms provided for in paragraphs 1 and 2 shall be facilitated by the provision of complete information in accordance with Article 25(1), Article 26 (2), and Article 27 (1) and (2).
Nun bin ich froh, wenn die EU hier keine restriktiven Vorschriften macht. Den einzelnen Staaten die Möglichkeit für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität zu nehmen kann man auch kritisch sehen. Was ist, wenn sich die Ansicht durchsetzt, dass zum Schutz der Meinungsfreiheit und des fairen Wettbewerbes zwischen Diensteinbietern und Protokollen doch eine verpflichtende Netzneutralität, eventuell mit gesetzlich explizit aufgeführten Ausnahmen, notwendig ist? EU-Recht ist schwerfällig und nur nach langen, bürgerfernen Verhandlungsprozessen zwischen den Regierungsapparaten, der EU-Kommission und vielen Lobbygruppen zu ändern - und was dabei dann rauskommt nicht unbedingt für alle Teile der EU und ihren eventuell besonderen Umständen und Situationen befriedigend.
Was denken andere? Ich bin kein Jurist: Habe ich die Auswirkungen der Verordnung falsch verstanden?
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