Werte ZkZ-Leser, wenn ich noch Artikel hier schreiben würde - ich hätte mein Thema gefunden: Das Ende Literaturszene, wie ich es aus meiner Kindheit kenne.
Als Jugendlicher und junger Mann habe ich gelesen. Wie verrückt. Tausende Bücher und Heftchen pro Jahr habe ich verschlungen. Angefangen hat es mit sehr realitätsnahen Jugenserien wie Burg Schreckenstein oder Geheimagent Lennet, aber auch Jugend-Fantasy war schon dabei. Dann etwa ab 14 habe ich mit der Science Fiction und Fantasy zugewandt. Und Lesen wurde zu einer der wichtigsten Beschäftigungen überhaupt in meiner Freizeit. Erst als ich Familie hatte, schrumpfte meine verfügbare Zeit so stark ein, dass ich fast 20 Jahre lang mit Lesen (fast) aufhörte.
Jetzt wollte ich mein Hobby wieder aufleben lassen, lediglich etwas aktualisiert, in dem ich von Papierbüchern zu eBooks wechselte. Und. ich. bin. erschüttert. Die Welt hat sich verändert, ich bin alt gewordenn, ein Fossil. Die Literaturszene "S&F" existiert quasi nicht mehr, "Fantays" nur noch in Subbereichen wie "Vampier-Liebesromane".
In meiner Jugend wurden in der Hochphase locker 3000 Bücher und Hefte pro Jahr (!) veröffentlicht und zwar in den meisten Fällen hochkarätige, komplexe Werke, die noch Heute nichts von der Spannung und Faszination verloren haben. Kann sich ein heutiger Jugendlicher noch vorstellen, dass vor 40, 50 Jahren Werke von der Komplexität und Spannung eines "Harry Potter" jedes Jahr DUTZENDE Werke veröffentlicht wurden?
Und heute? Die deutschen Verlagssparten Pabel-Moewig existieren praktisch nicht mehr, Neues wird schon lange nicht mehr veröffentlicht. Von den Bestandswerken werden gerade mal die Perry Rhodan-Serien als eBook gerettet. Das gesammte restliche Werk existiert nur als Papierexemplare und ist damit verurteilt, aus der Welt des Lesens zu verschwinden - denn Neuauflagen (gar als eBook) gibt es nicht mehr.
Die Heyne-Gruppe veröffentlicht inzwischen so wenig S&F, dass die Bücher quasi EINZELN auf der HomePage beworben werden. Nennenswerte Neuerscheinungen kann ich quasi an einer Hand aufzählen -die Metro-Serie ist zum Beispiel großartig- aber damit kann man das Hobby "Lesen" nicht befriedigen. Die Bücher schluck ich an einem Wochenende weg... Die Klon-Kriege kann ich noch nennen und Die Auslese... jetzt wird´s schon eng... als Zwischendurchkost noch Honor Harrington...
Die Qualität der heutigen Veröffentlichungen im Bereich S&F sind größtenteils unterirdisch. Himmel, könnte ich noch mal Werke von der Gewalt eines Walter Tevis lesen (Die letzten der Menschheit) oder eines Marvin Kaye (Meister der Einsamkeit). Orson Card kennen die jungen Leute vermutlich nur noch deswegen, weil sein Buch Ender verfilmt wurde. Ich könnte zwei Dutzend Autoren aus der Zeit 50er bis 70er aufzählen, deren erzählerisches Talent den heutigen Veröffentlichungen im eBook-Selbstverlag um das hundertfache überstieg.
Im Bereich Fanatsy sieht es noch ein bischen besser aus, aber auch nicht viel. Was gab es da früher... Lester del Rey oder Marion Zimmer Bradley, Philip José Farmer, natürlich die unübertroffene Herr der Ringe-Saga, ich hör einfach auf, aufzuzählen, weil ich sonst anfange zu heulen. Lesenswerte Neuerscheinungen? Ich meine abseits der Massenware "Vampir-Liebesromane"? Hellgate war gut, was ans sich schon ein Witz ist. Die Bücher wurden nur geschrieben als Nebenprojekt eines Videospiels...
Es gab früher so viel S&F und Fantasy das es sogar ein produktives Subgebiet der S&F-Humor gab bzw. Fantasy-Humor. Douglas Adams, Poul Anderson... in dem Bereich gibt es mit Jonathan Stroud wenigstens einen nennenswerten Neuzugang (Bartimäus-Serie).
Zugegeben. Ich habe mich vor allem bei meinem aktuellen Recherchen auf Werke konzentriert, die ich auch digital bekomme. Aber ich glaube nicht, dass der aktuelle Markt wesentlich anders aussieht, wenn ich auch Werke berücksichtige, die nur auf Papier veröffentlicht werden. Insgesamt ist mein Urteil:
Science Fiction als ernsthafter und produktiver Bereich des Literaturbetriebs existiert nicht mehr. Aktuelle Veröffentlichungen sind quantitativ und qualitativ kaum nennenswert. Fantasy lebt noch in paar Subgebieten wie Zombie-Romane, Vampier-Romane, Drachen-Romane. Aber auch nur noch ein Bruchteil dessen, was es früher an Anzahl und Qualität gab. Wenige Perlen in der Wüste. Lockwoord&Co ist nett wie auch Skullduggary Pleasant.
Und wenn ich den Bogen etwas weiter spanne: Insgesamt wächst eine junge Generation auf, die "Lesen" nur noch aus der Schule kennt und nicht mehr als Hobby. Wie wird das unsere Welt verändern?
EDIT Und weil ich mich gerade sowieso in Nostalgie wälze habe ich weitergesurft und diese Seite gefunden:
Wer älter als sagen wir mal 40 ist, der wird wohl melancholisch werden, wenn er/sie sich dadurch blättert....
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #1Insgesamt wächst eine junge Generation auf, die "Lesen" nur noch aus der Schule kennt und nicht mehr als Hobby. Wie wird das unsere Welt verändern?
Man muss nicht den speziellen Leidenschaften von Frank2000 frönen, um diese Frage zu stellen? Als alter Sack halte ich den Verlust der Lesekultur für einen Rückschritt. Die Fähigkeiten, die man braucht, um einen längeren Text zu lesen und zu verstehen, werden m.E. an anderer Stelle nicht gefordert. An ihre Stelle tritt meist eine passive Berieselung durch audio-visuelle Medien, was die Möglichkeiten von Manipulation enorm vergrößert. "Kritisch" in seiner grundlegenderen Bedeutung ist da dann nichts mehr. Das wirkt sich nicht nur auf die Qualität der politischen Auseinandersetzung aus, sondern ganz knallhart auch auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Wobei von dieser Regression andere Länder - der Globalisierung sei Lob und Preis - auch erfasst werden, so dass die relative Wirkung a priori unklar bleibt.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Jaja, die Jugend von heute Ein wenig erinnert das an die allfällig aufkommenden kulturpessimistischen Debatten. Gleichwohl ist da ein Quäntchen Wahrheit dran. Den Kindern und Jugendlichen die Verantwortung dafür zuzuschieben, ist meiner Meinung nach allerdings zu kurz gesprungen. "Die Gesellschaft" kann auch nichts dafür; und machen wir uns nichts vor, die "neuen Medien", wie es damals noch in meinem Studium hieß, sind nunmal enorm attraktiv und bereichernd, nutzt man sie, wie alles im Leben, mit Augenmaß. Es steht und fällt nunmal mit der Erziehung, beginnt also bei den Eltern. Unsere Klein-Kinder haben vergleichsweise wenig Spielzeug, dafür mindestens bereits drei Regalmeter Bücher - das führt regelmäßig bei Besuchen durch andere Eltern zu Erstaunen und hochgezogenen Augenbrauen. Meine Tochter schaut sich am liebsten ein Buch an oder Papa muss vorlesen, da wird sogar das Sandmännchen unwichtig. Liegt natürlich an den Eltern, die das vorleben.
Die Kinder, die mit einer Lesekultur aufwachsen - die werden die Gewinner sein, die waren es auch früher summa summarum schon.
Freundlichst, Krischan
PS: Die Kinderbücher heutzutage, also da ist auch viel infantiler Quatsch dabei, und Kinder merken es schnell, wenn man sie verklapst. Dankenswerterweise habe ich alle meine eigenen Kinderbücher aufgehoben, die werden jetzt zweitverwertet. Insofern war früher die Qualität schon höher.
Bis ungefähr zum Ende des 11. Lebensjahrs hatten Bücher -Papier wie digital- noch einen sehr großen Anteil an der Freizeitgestaltung unserer drei Kinder. Dann allerdings haben wir uns dem Wunsch nach Laptops nicht länger verschlossen. Noch mal 2 Jahre lang haben wir ein Regime mit streng gereglten Medienzeiten geführt - aber je älter die Jungs werden, desto lächerlicher und anstrengender wird das.
Jetzt, mit 15 Jahren, lesen die Jungs kaum noch. Neue Medien sind in jedem Fall interessanter; sogar die Nachrichten werden über YouTube konsumiert. Und bei den Klassenkameraden ist das ganz genauso.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Krischan im Beitrag #3die "neuen Medien", wie es damals noch in meinem Studium hieß, sind nunmal enorm attraktiv und bereichernd, nutzt man sie, wie alles im Leben, mit Augenmaß.
Ich fürchte, dass sie das nur für den sind, der vorher noch mit den "alten", "Überkommenen" Techniken vertraut gemacht worden ist. Für alle anderen sind sie einfach nur unterhaltsamer und bequemer - zwei Vorzüge, die weder körperliche noch geistige Leistungen fördern.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Man kann dem alten Medienkonsum von Zeitungen und Büchern nicht nachweinen. Ein Trost: Sie waren auch nur Mittel, Vermittler. Es kam und kommt auf die Inhalte der Nachrichten und Fantasien an. Wir haben als Schüler die Tarzanhefte verschlungen, weil es uns um die Naturnähe ging, die sportliche Kraft zum Überleben; aber als Helden habe ich mir am Gymnasium Achill gewählt. Den konnte ich dann ablösen durch Gestalten wie Sokrates oder Jesus. Ich arbeite immer noch mit Jugendlichen und Studenten und sehe, dass es letztlich um die Faszination durch die Inhalte geht.
Natürlich fürchte ich manchmal, dass die Phantasiekraft jetziger Kinder durch das Übermaß und die Festgelegtheit der Bilder beschädigt werden könnte, weil ich beim Anblick von Fotos oder Reinblicken in ein einen Märchenfilm immer enttäuscht bin, da ich mir die Sache ganz anders vorgestellt habe. Aber das mag andere unvermeidliche Gründe haben; Psychologen und Hirnforscher wissen das wohl.
Schade finde ich die ewig gesenkten Köpfe zu dem wischenden Finger, angefangen am Morgen beim Warten auf den Schulbus. Sie sehen gar nicht mehr die Welt, den Nebel vor der Sonne, den Wind in den Bäumen, das Hasten der Arbeitsbereiten. Sie sind nicht da, jedenfalls nicht hier, sondern woanders. Informiert, aber auch gebildet? Es wird an den Inhalten auf dem Bildschirmchen liegen ...
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