Zitat Axel Bojanowski axelbojanowski.substack.com@Axel_Bojanowski "Praktisch blind", "nicht objektiv", "kann nicht wirklich ernst genommen werden":
Schon beeindruckend die Kritik des Ökonomen Carl Christian von Weizsäcker vor 12 Jahren (!) am #Energiewende-Plan für Deutschland auf der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2012.
Der Energiewende-Plan des Wissenschaftlichen Umweltbeirats der Bundesregierung (WBGU) für die seither laufende "Große Transformation" entspreche der Herbeiführung eines "Kriegszustands":
"...Wenn nun, wie der WBGU behauptet, bei den Maßnahmen zur Stabilisierung des Klimas große Eile geboten ist, dann entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Demokratieprinzip konkurrierender Meinungen und dem Erfordernis, aus klimapolitischen Gründen in kurzer Zeit eine 'große Transformation' zu Stande zu bringen.
Hieraus resultiert die Auffassung des WBGU, dass man unsere Demokratie in ihren Grundstrukturen massiv ändern sollte, um auf diese Weise die nach seiner Ansicht zu große Macht der Kräfte der Beharrung zu beschneiden. Er sieht das Dilemma, dass einerseits die Legitimierung seiner Ziele 'mehr Demokratie' erfordert, dass aber andererseits mehr Demokratie auch Entscheidungen mit sich bringen kann, die diesen Zielen widersprechen.
Dies gipfelt in Sätzen wie dem folgenden: 'Die Auflösung dieses Dilemmas kommt einer Quadratur des Kreises gleich; sie muss aber die zentrale Aufgabe einer Selbstmodernisierung demokratischer und zivilgesellschaftlicher Akteure sein.' Ich brauche einem Auditorium von Naturwissenschaftlern nicht erst zu erzählen, dass die Mathematik seit mehr als einem Jahrhundert weiß, dass die Quadratur des Kreises nicht möglich ist.
Nun kennen wir auch für Demokratien, die seit mehr als 200 Jahre existieren, den Ausnahmezustand des Krieges. Im Krieg wird auch in einem Land wie den USA die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Es fallen dann viele Entscheidungen ohne große vorherige Diskussion. Das nach der herrschenden Meinung Richtige wird einfach in die Tat umgesetzt. Was der WBGU, begründet durch die Dringlichkeit einer Problemlösung, nun praktisch tut, ist, dass er einen Krieg verkündet: den Krieg gegen den Klimawandel.
Die Große Transformation, die der WBGU als alternativlos darstellt, entspricht damit funktional einem Kriegszustand. Sie soll an Breite und Tiefe ja der industriellen Revolution nicht nachstehen, gleichzeitig aber mithilfe des 'gestaltenden Staates' im Verlauf von zwei Jahrzehnten durchgeführt werden. Folgt man dieser 'Philosophie', dann ist in der Tat keine Zeit mehr für lange Debatten über die beste Strategie, Debatten, wie sie in der herkömmlichen Form der Demokratie üblich sind.
Das Vorsichtsprinzip, das man in der Klimapolitik in einer Situation großer Unsicherheit anwenden sollte, muss aber auch für Entscheidungen gelten, die unsere politisch gesellschaftliche Verfassung betreffen. Hier aber ist das genannte Gutachten des WBGU praktisch blind. Welche enormen Risiken eine fundamentale Umwälzung unserer herkömmlichen demokratischen Verfassung mit sich bringt, wird in dem Gutachten nicht diskutiert.
Wenn man nun aber eine Verfassung gefunden hat, die sich in den Industrieländern im Verlauf der letzten zwei Jahrhunderte recht gut bewährt hat und zu einem vorher nie gekanntem Maß an individueller Freiheit und an Wohlstand geführt hat, dann spricht das Vorsichtsprinzip ganz eindeutig dafür, dem Vorschlag, große verfassungspolitische Experimente in Richtung auf eine ganz andere 'Demokratie' zu wagen, mit Skepsis zu begegnen. Dies als Vorspann für die Frage, wie man sich zur Kernenergie verhalten soll.
Auch die Gegner der Kernenergie können ja nicht im Ernst leugnen, dass die Substitution von Kohlekraftwerken durch Kernkraftwerke ein Beitrag zur Stabilisierung des Klimas ist. Mir sind die Argumente, die die Risiken der Nutzung der Kernkraftwerke betreffen, durchaus geläufig. Und sie sind durch den Unfall in Fukushima noch einmal in aller Deutlichkeit uns ins Bewusstsein gebracht worden.
Indessen, wenn man die Stabilisierung des Klimas als einen Prozess ansieht, den man durchaus mit einem Kriegszustand vergleichen kann, dann erscheint es als wenig konsequent, eine der verfügbaren Waffen gegen den Klimawandel, nämlich die Kernenergie, nicht einzusetzen. Wenn man bereit ist, das enorme Risiko einzugehen, das in einer fundamentalen Veränderung unserer Staatsform und unserer demokratischen Verfassung besteht, dann bedarf es doch einer genaueren Untersuchung darüber, wie diese verschiedenen Risiken gegeneinander abzuwägen sind.
Hier scheint mir der WBGU bezüglich der unterschiedlichen Risiken keine adäquate Analyse durchgeführt zu haben. Das wird besonders deutlich, wenn man in dem Gutachten des WBGU darüber hinaus auch noch liest, dass die Forschung und Entwicklung, die zu einer Herstellung eines Fusionsreaktors führen soll, zu streichen sei, um die so freiwerdenden Mittel zusätzlich zur Förderung erneuerbarer Energien einzusetzen.
Schon heute liegen die allein in Deutschland verausgabten Subventionen zur Förderung der erneuerbaren Energien (insbesondere über die Einspeisevergütungen, die im Rahmen des EEG bereitgestellt werden) pro Jahr höher als das Gesamtbudget aller beteiligten Staaten für die Entwicklung des ITER über ein ganzes Jahrzehnt. Man mag gegenüber den Erfolgschancen der Fusionstechnik skeptisch eingestellt sein. Aber selbst wenn man nur eine zehnprozentige Chance sieht, dass die Fusionstechnik zur Erstellung von elektrischem Strom letztlich praktikabel wird, sind die Möglichkeiten, damit Treibhausgase einzusparen, sehr groß.
Es erscheint dann angesichts der Dringlichkeit, Antworten auf das Klimaproblem zu bekommen, vollkommen abwegig, sich die Chance eines Erfolgs der Fusions-Technik zu verschließen. Dies aber zeigt, dass der WBGU eine objektive, distanzierte Kosten- Nutzen Abwägung der verschiedenen Alternativen in der Klimapolitik nicht vorgenommen hat. Aus dieser Sicht kann das Plädoyer des WBGU gegen den Einsatz der Kernenergie nicht wirklich ernst genommen werden." (Aus Weizsäckers Rede vom 28.3.2012) 3:58 PM · Mar 8, 2024
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