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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 1.317 mal aufgerufen
 Pro und Contra
Enha Offline



Beiträge: 59

02.03.2008 15:12
Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Wer versucht, Ausländern die deutsche Sprache zu vermitteln, wird häufig mit Fragen konfrontiert, die man sich als Muttersprachler normalerweise selten stellt. Die meisten dieser Fragen beginnen mit "Warum...?". Warum spricht man einmal "st" als "scht" und dann wieder als "st" aus? Das gleiche gilt für "sp".
Eine Sprachsilbe kann im Deutschen nicht mit mehreren gleichlautenden Konsonanten beginnen, da sie dann nicht mehr sprechbar ist. Dennoch soll es neuerdings eine Silbe wie "cken" geben: ("lo-cken" statt "lok-ken").
In Zweifelsfällen rät man dem Fragesteller, ein Wörterbuch zu benutzen - bis dieser eines Tages dahinterkommt, dass unterschiedliche Wörterbücher unterschiedliche Auskünfte geben.
Spätetens jetzt stellt sich die Frage, wer den eigentlich das Recht zur verbindlichen Auskunft habe, und wie sich dieses Recht begründen lasse. Wenn Rechtschreibregeln zum Teil phonetisch begründet werden, muss auch die Aussprache verbindlich festgelegt sein. Man kann hierzu wieder zum Wörterbuch greifen, doch bleibt unklar, auf welcher Basis dessen Ausspracheregeln fußen.
Wann und wo wurden für die deutsche Hochsprache eindeutige Regeln zur Aussprache festgelegt? Welche Qualifikation und Legitimation hatten die in diesem Fall Verantwortlichen?
Herzlich, Enha

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.03.2008 23:00
#2 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Zitat von Enha
Wer versucht, Ausländern die deutsche Sprache zu vermitteln, wird häufig mit Fragen konfrontiert, die man sich als Muttersprachler normalerweise selten stellt. Die meisten dieser Fragen beginnen mit "Warum...?". Warum spricht man einmal "st" als "scht" und dann wieder als "st" aus? Das gleiche gilt für "sp".

Tja, und für solche Fragen ist man als Muttersprachler ja am wenigsten zuständig. Wenn ich bei meiner Frau mal in ein Lehrbuch DaF (Deutsch als Fremdsprache) geguckt habe, dann war ich baß erstaunt, was es im Deutschen alles für Regeln gibt, natürlich mit ihren Ausnahmen! So, wie ein Franzose verwundert guckt, wenn man ihm verrät, daß es für den Konjunktiv im Französischen komplizierte Regeln gibt.
Zitat von Enha
Eine Sprachsilbe kann im Deutschen nicht mit mehreren gleichlautenden Konsonanten beginnen, da sie dann nicht mehr sprechbar ist. Dennoch soll es neuerdings eine Silbe wie "cken" geben: ("lo-cken" statt "lok-ken").

Neuschreib zu verstehen habe ich schon lange aufgegeben, lieber Enha. Ich sehe darin geradezu das Paradigma des Scheiterns einer Hybris, deren Träger sich einbildeten, die gewachsene Sprache schurigeln zu können, als sei sie ein Ballen Knet, aus dem man formen kann, was immer einem gerade einfällt.

So, wie ich die Leute in diesen Kommissionen einschätze (ich spreche da a bisserl aus Kenntnis), hat man überlegt: Die Trennungsregel, daß aus "ck" "k-k" wird, ist zu kompliziert. Also weg damit. Genau wie mit dem Verbot, "st" zu trennen (Trenne nie "st", denn es tut ihm weh, so habe ich es gelernt). Das gehe auf Drucklettern zurück, die für die Abfolge "st" eine einzige Drucktype mit einer Ligatur hatten, hieß es.
Zitat von Enha
In Zweifelsfällen rät man dem Fragesteller, ein Wörterbuch zu benutzen - bis dieser eines Tages dahinterkommt, dass unterschiedliche Wörterbücher unterschiedliche Auskünfte geben. Spätetens jetzt stellt sich die Frage, wer den eigentlich das Recht zur verbindlichen Auskunft habe, und wie sich dieses Recht begründen lasse.

Soweit ich es verstehe, galt bis zu Neuschreib der Duden als verbindlich, und nur er. Aber nun gab es ja Kommissionen und Vereinbarungen, an die sich - vermute ich - auch der Duden halten soll, der also nicht mehr die verbindliche Instanz ist.

Ich vermute, es gibt im Augenblick überhaupt niemanden mehr, der über die deutsche Rechtschreibung verbindlich Auskunft geben kann. Das ist auch logisch, denn mit der Einführung von Neuschreib gibt es de facto keine deutsche Rechtschreibung mehr.

Ich versuche, lieber Enha, mich an die alte Rechtschreibung zu halten, die ich einmal ziemlich gut beherrscht habe. Aber ich merke, wie ich unsicher werde, wie sich Elemente des Neuschreib einschleichen. Vermutlich ist das unvermeidlich, weil man es ja ständig anders liest.

Also habe ich mich damit abgefunden, orthographisch kein gutes Deutsch mehr zu schreiben. Ich halte mich mit dem Französischen schadlos, wo nach wie vor immer nur eine einzige Rechtschreibung richtig ist; nämlich die von der Académie Française.
Zitat von Enha
Wenn Rechtschreibregeln zum Teil phonetisch begründet werden, muss auch die Aussprache verbindlich festgelegt sein. Man kann hierzu wieder zum Wörterbuch greifen, doch bleibt unklar, auf welcher Basis dessen Ausspracheregeln fußen. Wann und wo wurden für die deutsche Hochsprache eindeutige Regeln zur Aussprache festgelegt? Welche Qualifikation und Legitimation hatten die in diesem Fall Verantwortlichen?

Rhetorische Fragen, lieber Enha, nicht wahr? Es gibt zwar die "deutsche Bühnensprache", von der man immer erfährt, daß "König" als "Könich" ausgesprochen wird und nicht "Könik". Aber die nun auch noch verbindlich zu machen, das hieße ja wohl nun dem Faß die Krone ins Gesicht schlagen.

Herzlich, Zettel

Enha Offline



Beiträge: 59

03.03.2008 11:19
#3 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

In Antwort auf:
Trenne nie "st", denn es tut ihm weh, so habe ich es gelernt

Lieber Zettel,
eigentlich hätte die ganze Sache nicht derartig verfahren enden müssen - wenn bei uns nicht die (deutsche?) Mentalität des "Entweder-oder" herrschen würde. Es gibt wohl nichts, was man im Laufe der Zeit nicht als verbesserungswürdig erkennen könnte. Aber anstatt das Gute und Bewährte beizubehalten, muss man das Rad jedesmal neu erfinden.
Als für die "alte" Rechtschreibung die Regel "Trenne nie "st", denn es tut ihm weh" definiert wurde, war das nur die halbe Wahrheit.
In der davor üblichen Fraktur gab es zwar die "st"-Ligatur, die nie getrennt werden konnte (an-stelle); zugleich existierten bei sinntragenden Silben "st"-Verbindungen, die getrennt wurden (Diens-tag). An der Schreibweise war leicht zu erkennen, ob die Trennung erfolgen musste: das "Ligatur-s" glich einem "f" ohne Querstrich, das "Trennungs-s" entprach unserem "s".
Die Fraktur wird heute für längere Texte (leider!) nicht mehr verwendet. Aber man hätte aus ihr eine weitere Gesetzmäßigkeit herleiten können: die meisten "st"-Ligaturen werden im Hochdeutschen "scht" gesprochen.
Wäre es nicht hilfreicher gewesen, als Trennungsregel neu zu definieren: trenne nur "st", wenn Du es auch so sprichst?
In Antwort auf:
Ich halte mich mit dem Französischen schadlos, wo nach wie vor immer nur eine einzige Rechtschreibung richtig ist; nämlich die von der Académie Française.

Aber was hat man davon, wenn man bewundernd oder voller Neid nur über den Zaun blicken kann! Was hält uns davon ab, endlich eine entsprechende deutsche Institution ins Leben zu rufen? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?
Herzlich, Enha

Reader Offline



Beiträge: 803

03.03.2008 14:23
#4 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

-

Lieber Zettel,

an diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen (mühsam, denn sie ist eine schwere Sprache!), haben die Neuschreibmafiosi am allerwenigsten gedacht. Es ist wirklich nicht lustig, wenn in einer Sprache durch Beschluß seitens irgendwelcher Besserwisser plötzlich hunderte von Regeln (tausende, zehntausende, weiß es jemand?) buchstäblich auf den Kopf gestellt werden.

Wenn wenigstens nur "Vorschläge" angeboten worden wären, anstatt vollkommen arbiträr einzelne Elemente einer Sprache neu aufzulegen (mit bei Fuß folgenden Strafsätzen, so denn ein armer Schüler vergißt, sich bei jedem einzelnen Wort nach der neuesten Schreibmode zu erkundigen!).

Dieser Neuschreibunfug kann mich noch immer auf die Palme bringen.

Mit oder ohne Neuschreib geschriebene herzliche Grüße!

N.B.:
Herrlich vergnügliche Minuten kann das Lesen der hier aufgerufenen Seiten bereiten:
http://www.google.com/search?hl=en&q=neu...arfe+s+regelung
Man muß dazu die einzelnen Posten gar nicht anklicken (warum auch?), die auf der Linkliste sichtbaren Satzfetzen haben genug Montagerheiterungspotential.

-

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.03.2008 15:45
#5 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Lieber Reader,

ich freue mich über deine Zustimmung - gerade von dir, da ich bei dir einen gewissen Überblick über die eine oder andere Sprache zu vermuten meine Gründe habe.

Zitat von Reader
Man muß dazu die einzelnen Posten gar nicht anklicken (warum auch?), die auf der Linkliste sichtbaren Satzfetzen haben genug Montagerheiterungspotential.

"Montagerheiterungspotential?" Das gehört aber flugs in aktuelle Liste der Tübinger Wortwarte aufgenommen!

Ich glaube, ich schreibe dazu gleich noch eine kleine Glosse in ZR.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.03.2008 22:27
#6 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Zitat von Enha
Es gibt wohl nichts, was man im Laufe der Zeit nicht als verbesserungswürdig erkennen könnte. Aber anstatt das Gute und Bewährte beizubehalten, muss man das Rad jedesmal neu erfinden.

Und diese ständigen Verbesserungen fanden ja auch immer statt; die Duden-Redaktion hat sie von Auflage zu Auflage vorgenommen. Sie folgte dabei der Sprachentwicklung vorsichtig - nicht jede Mode mitmachend, aber auch nicht sich gegen das stellend, was sich nun einmal durchgesetzt hatte.
Zitat von Enha
In der davor üblichen Fraktur gab es zwar die "st"-Ligatur, die nie getrennt werden konnte (an-stelle); zugleich existierten bei sinntragenden Silben "st"-Verbindungen, die getrennt wurden (Diens-tag). An der Schreibweise war leicht zu erkennen, ob die Trennung erfolgen musste: das "Ligatur-s" glich einem "f" ohne Querstrich, das "Trennungs-s" entprach unserem "s".

Ich habe mir mit ungefähr vier Jahren das Lesen beigebracht, und zwar erst Antiqua und dann Fraktur. Die Antiqua war leicht: Meine Großeltern bezogen die "Frankfurter Rundschau"; in deren Titel hatte ich schon mal einen Teil der Buchstaben. Die anderen fanden sich auch, dh ließen sich aus Überschriften ableiten.

Mit der Fraktur, in der damals von den paar Büchern, die mir zugänglich waren, vielleicht die Hälfte gedruckt waren, hatte ich mehr Schwierigkeiten. Zum Beispiel, das kleine "r" vom kleinen "x" zu unterscheiden. Das Buch von Wilhelm Busch habe ich jahrelang als "Mar und Moritz" gelesen. Und das andere war dieses "lange s". Später habe ich erfahren, daß es ein Binnen-s ist, im Unterschied zum runden "Schluß-s".

Schwierig war es, dieses lange s vom kleinen f zu unterscheiden. Nur ein kleiner Vorsprung verriet, daß es sich um ein f handelte.
Zitat von Enha
Aber was hat man davon, wenn man bewundernd oder voller Neid nur über den Zaun blicken kann! Was hält uns davon ab, endlich eine entsprechende deutsche Institution ins Leben zu rufen?

Das hätte meine warme Zustimmung; man müßte sich freilich mit den Schweizern und Österreichern einigen.

Aber wie schon geschrieben, lieber Enha: Ich bin skeptisch, daß überhaupt noch etwas zu reparieren ist. Und zwar, weil sich das allgemeine Bewußtsein geändert hat. Durch diese buchstäblich jahrzehntelange Diskussion erscheint den meisten heute die Rechtschreibung als etwas Beliebiges.

Daß man die Rechtschreibung beherrscht, galt einmal als Ausweis von Bildung und als Voraussetzung dafür, in eine gehobene oder höhere Position zu kommen. Heute bekommt man in Massen Ausarbeitungen von Studenten, die voller Rechtschreibfehler sind. (In den letzten Jahre ist es wieder besser geworden, was aber kein Grund zur Freude ist: Die meisten lassen halt inzwischen eine Rechtschreibprüfung über ihren Text laufen, die die schlimmsten Schnitzer korrigiert).

Der "Nouvel Observateur" hatte jahrelang ein in den Urlaubswochen laufendes Sommerrätsel zur französischen Sprache; da wurden knifflige Fragen nach Grammatik und Rechtschreibung gestellt.

Da lagen die Franzosen am Strand und dachten darüber nach, ob es richtig heißt "elle a volé une parure" oder "elle a volée une parure". Konnen Sie sich so etwas in Deutschland vorstellen?

Herzlich, Zettel

Frankfurter Offline



Beiträge: 233

05.03.2008 19:46
#7 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Was mich schon seit einiger Zeit interessiert, aber worauf ich noch nie eine Antwort finden konnte. Wo kommt eigentlich das sogenannte scharfe S "ß" her? Es passt doch gar nicht in das lateinische Alphabet. Hinzu kommt noch die Besonderheit, dass es von diesem Buchstaben keine Grosschriftvariante gibt.

Ich glaube zu wissen, dass man in der Schweiz das "ß" abgeschaft hat. Wieso hat man in Deutschland bei der Rechtsschreibreform nicht auch daran gedacht?

Ich habe das Problem das dieser "Character" in meinem Nachnamen vorkommt, und im Ausland immer als "B" interpretiert wird

califax Offline




Beiträge: 1.502

05.03.2008 20:08
#8 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Das ß ist ebenfalls eine Ligatur. Es besteht aus den alten Zeichen für s und z. Deswegen heißt es ja auch 'sz'. Wenn Du beim ß einen senkrechten Schnitt zwischen der geschwungenen Aufwärtslinie und dem abwärtslaufenden Doppelbogen anbringst, so daß die Aufwärtslinie horizontal endet und die zweite Hälfte horizontal beginnt, bekommst Du die ursprünglichen Zeichen.
Auf Wikipedia gibt es einen ausführlichen Artikel dazu, der auch die Entstehungsgeschichte zeigt: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9F

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.03.2008 14:10
#9 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten

Zitat von califax
Auf Wikipedia gibt es einen ausführlichen Artikel dazu, der auch die Entstehungsgeschichte zeigt: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9F


Und der, lieber Califax, auch zeigt, wie überflüssig dieses Zeichen ist; denn die Lautunterscheidung, die es einmal motiviert hat, gibt es ja nicht mehr.

Das ist der einzige Punkt, wo ich für eine Reform gewesen wäre. Genauer: dafür, daß wir uns da dem Schweizer Modell anschließen.

Vielleicht können sich einige hier noch an die Zeit des guten alten ASCII-Codes erinnern. Da gab es kein "ß", und basta.

Damals habe ich mir oft gewünscht, wir hätten im Deutschen dieses überflüssige Zeichen nicht.

Die Ostasiaten nehmen bei ihren Gebrauchsanweisungen usw. ja oft das griechische Beta; das paßt halbwegs, sieht aber trotzdem sehr unschön aus.

Herzlich, Zettel

Frankfurter Offline



Beiträge: 233

06.03.2008 15:06
#10 RE: Das gesprochene "Hochdeutsch" Antworten
Lieber Zettel,

da gebe ich Ihnen uneingeschränkt Recht. Diese Reform hätte Sinn gemacht. Den Abwurf von alten überholten Ballast. Aber ausgerechnet hat da der Mut zu kühnen Reformen gefehlt.

Man hat zwar während der Rechtschreibreform in vielen Fällen das "ß" durch "ss" ersetzt. Aber halt nicht durchgängig. So wie es aussieht ist "daß" jetzt "dass" und "saß" ist immer noch "saß".

Einen Buchstaben, den ich auch für absolut überflüssig halte, ist das "Y", das aus dem Griechischen zu uns kam. Ich glaube in Frankreich heisst es sogar "I greque".
Das "Y" hat im Deutschen drei Lautwerte "I", "Ü" und "J".
"Ü" wie z.B. bei Mythos, "I" wie bei Zylinder und "J" wie bei Yacht. Ich denke für die Grundschüler wäre es wesentlich einfacher korrekt schreiben zu lernen, hätte man das "Y" jeweils entsprechend ersetzt.

Zum Glück ist wenigsten das "PH", dass ja auch aus dem Griechischen kommt, durch "F" ersetzt worden. Der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt, von dessen Buchtitel "Zettels Traum" sich der Blogname wohl inspirieren liess, hat nie das "PH" benutzt sondern immer "F", was damals noch ungewöhnlich war.

"In times of universal deceit, telling the truth will be a revolutionary act." George Orwell, 1984

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.03.2008 00:58
#11 Das "Y" und das "Ph". Und Arno Schmidt Antworten

Zitat von Frankfurter
Einen Buchstaben, den ich auch für absolut überflüssig halte, ist das "Y", das aus dem Griechischen zu uns kam. Ich glaube in Frankreich heisst es sogar "I greque".

Das "Y" hat im Deutschen drei Lautwerte "I", "Ü" und "J".

"Ü" wie z.B. bei Mythos, "I" wie bei Zylinder und "J" wie bei Yacht. Ich denke für die Grundschüler wäre es wesentlich einfacher korrekt schreiben zu lernen, hätte man das "Y" jeweils entsprechend ersetzt.

Man hat das ja, bevor die Rechtschreibung in die Hände von Bürokraten geriet, sich organisch entwickeln lassen. Man konnte "Yacht" schreiben, aber auch "Jacht". Man schrieb meist "Satire", manchmal aber auch noch "Satyre". "Müthos" oder gar "Mütos" allerdings schrieb man nicht.

Es war der übliche Weg vom Fremdwort über das Lehnwort zum völlig assimilierten Wort; so wie ja auch die Brille mal "Brylle" hieß (von "Beryllium", bekanntlich).

Ebenso war es übrigens mit dem ß. Ich habe als junger Mensch, warum auch immer, konsequent "dass" usw. geschrieben, wenn es nicht in der Schule, an der Uni oder sonstwie "offiziell" war.
Zitat von Frankfurter
Zum Glück ist wenigsten das "PH", dass ja auch aus dem Griechischen kommt, durch "F" ersetzt worden. Der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt, von dessen Buchtitel "Zettels Traum" sich der Blogname wohl inspirieren liess, hat nie das "PH" benutzt sondern immer "F", was damals noch ungewöhnlich war.

Auch da gab es ja ein Nebeneinander. "Elephant" geriet allmählich aus der Mode; die meisten schrieben "Elefant". "Photographie" hielt sich neben "Fotografie". Beides war vom Duden erlaubt; nur "Fotographie" nicht, wegen der Inkonsequenz.

"Filosofie" dagegen schrieb nur Arno Schmidt. Ja, Sie haben Recht, daß mein Nick eine kleine Hommage an ihn ist, den vielleicht größten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

Warum machte er das? Warum erfand er den großen Binnen-Buchstaben, lange vor den FeministInnen? (Er schrieb freilich nicht "JägerInnen", sondern - in "Caliban über Setebos" - "JägeRinnen")? Weil er Lust an der Sprache hatte wie kein anderer, weil er dem Leser das Vergnügen machen wollte, doppelte und dreifache Bedeutungen zu entdecken.

Herzlich, Zettel

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