Manches von dem, was in diesem Artikel steht, werden regelmäßige Leser von ZR schon kennen.
Ich schreibe wieder darüber zum einen deshalb, weil mir dies das zentrale Problem der deutschen Innenpolitik in den kommenden Jahren, vielleicht Jahrzehnten zu sein scheint: Wie verhindern wir, daß sich in Deutschland Weimarer oder italienische Verhältnisse entwickeln?
Und zweitens werden auch Stammleser von ZR Neues finden; zum Beispiel einen Rückblick auf einen wenig beachteten Aspekt des Jahres 1969: Damals wäre fast der NPD die Rolle zugefallen, die heute die Kommunisten im Bundestag spielen.
str1977
(
gelöscht
)
Beiträge:
03.03.2008 16:58
#2 RE: Die "Linke" und das parlamentarische System
Ein paar Anmerkungen zu den von Ihnen vorgestellten Möglichkeiten:
1. Das Verbot nennen Sie einen problematische Waffe, aber ist es das? Ja, wenn es benutzt wird, um sich um die politische Auseinandersetzung zu drücken. Deshalb gibt es aber in Deutschland erstens besondere Regeln für politische Parteien, die im Gegensatz zu Vereinen nicht einfach durch die Regierung verboten werden können. Zweitens hat es sich das zuständige Gericht noch schwerer gemacht, in dem es nicht allein die Verfassungsfeindlichkeit der Ziele sondern eine aggressiv-kämpferische Methodik zum Kriterium gemacht hat. Zu Recht, denn in der Demokratie kann man sich nicht vor der Entscheidung der Wähler schützen.
2. "Ein Wahlrecht, das die Extremisten aus dem Parlament heraushält" - nun, da ist schon meine erste Kritik. Ein solches Wahlrecht haben wir nicht, denn die Fünf-Prozent-Hürde wendet sich auch gegen nicht-extremistische Kleinparteien (oder würden sie Zentrum oder ÖDP als Extremisten bezeichnen?). Ziel der Hürde ist nicht, Extremisten auszugrenzen sondern der Zersplitterung vorzubeugen, die ja eines der Probleme der Weimarer Republik war. Sie nennen auch das Mehrheitswahlrecht und verweisen auf England, wo es keine Extremisten im Unterhaus gäbe. Aber liegt das am Wahlrecht? Schon Ihr KPFrankreich-Beispiel widerlegt das. Aber noch weiter: hätte ein Mehrheitswahlrecht die NSDAP damals aus dem Reichtstag herausgehalten? Nein, sie wäre (bei gleichbleibender Parteienkonstellation) trotzdem eingezogen.
3. Die Ausgrenzung aus der Regierung haben Sie umfassende beschrieben
4. Das Einbinden in die Regierung hat, wie sie beschrieben hat, so seine Tücken, doch würde ich es von vorneherein ablehnen. Es kommt hier sehr darauf an, welche Alternativen es gibt, wieviel programmatischen Einfluß man der jeweiligen Partei läßt (und das scheint ja - neben dem PS-eigenen Programm - das Problem bei der Mitterand-Regierung gewesen zu sein) und vor alle, welche Ressorts man ihnen gibt: insbesondere das Innenministerium, gegebenfalls das Kultusministerium und evt. das Finanz- und Justizministerium sollte man nicht in Extremistenhände fallen lassen.
Was den jetzigen Fall der "Linken" angeht, ist das Problem ja doppelt gelagert: einerseits steckt in der Linken die alte PDS/SED und niemand will SED-Leute wieder in der Regierung sehen, schon gar nicht in genannten Schlüsselressorts. Andererseits stellt sie sich als WASG/Sozialprotestpartei dar und ihre Regierungsbeteiligung würde alle nötigen Reformmaßnahmen verhindern (es sei denn, die Linke ließe sich über den Tisch ziehen, was dann aber bald das Problem in den Wahlen lösen würde). Hier wäre es auch egal, daß der Linken nur "ungefährlichere" Ressorts zugeteilt würden.
Für das Problem hab ich auch keine Lösung, nur Ihr vorraussehbares Fazit "Mehrheitswahlrecht" lehne ich in diesem Kontext immer noch ab. Es geht nicht an, unpassende Wahlergebnisse durch Wahlrechtsänderungen passend zu machen. Das ist undemokratisch. (Wobei ich nichts generell gegen das Mehrheitswahlrecht haben wenn es aus anderen Motiven, z.B. eine stärkere Personalisierung oder engere Wähler-Abgeordneten-Bindung geboren wird.) Dann doch lieber ein Präsidialsystem, in dem die Regierung weitgehend auch ohne parlamentarische Mehrheit auskommt.
danke für diesen durchdachten Beitrag. Wie oft stimme ich Ihnen überwiegend zu, aber in ein paar Punkten nicht.
Zitat von str1977"Ein Wahlrecht, das die Extremisten aus dem Parlament heraushält" - nun, da ist schon meine erste Kritik. Ein solches Wahlrecht haben wir nicht, denn die Fünf-Prozent-Hürde wendet sich auch gegen nicht-extremistische Kleinparteien.
Das bestreite ich gewiß nicht. Aber es hat damit eben auch den (beabsichtigten) Effekt, den Aufstieg von extremistischen Parteien zu verhindern. Denn diese beginnen in aller Regel ja als Splitterparteien.
Zitat von str1977 Sie nennen auch das Mehrheitswahlrecht und verweisen auf England, wo es keine Extremisten im Unterhaus gäbe. Aber liegt das am Wahlrecht? Schon Ihr KPFrankreich-Beispiel widerlegt das.
Nein, es widerlegt es nicht. Aus eigener Kraft wäre die KPF nicht in der Nationalversammlung; so wenig wie der FN und die diversen trotzkistischen Parteien. Daß sie drin ist, liegt daran, daß die PS - aus historischen Gründen - etwas macht, was normalerweise demokratische Parteien nicht machen: Sich mit Feinden der Demokratie zu verbünden.
Zitat von str1977Aber noch weiter: hätte ein Mehrheitswahlrecht die NSDAP damals aus dem Reichtstag herausgehalten? Nein, sie wäre (bei gleichbleibender Parteienkonstellation) trotzdem eingezogen.
Wer will das wissen? Mit Mehrheitswahlrecht wäre die Weimarer Demokratie sehr wahrscheinlich stabil gewesen. Die "Quasselbuden"- Verhältnisse, die viele den Kommunisten und Nazis in die Arme trieben, wären gar nicht erst eingetreten.
Weiterhin begannen ja auch die Nazis als Splitterpartei, die unter einem Mehrheitswahlrecht gar nicht erst in den Reichstag eingezogen wäre. 1924 erreichte die NSDAP 3,0 Prozent; 1928 gar nur 2,6 Prozent. Noch mitten in der Krise, 1930, kam sie über 18,3 Prozent nicht hinaus und hätte vermutlich unter einem Mehrheitswahlrecht kaum einen Wahlkreis gewonnen (Daten dazu habe ich leider nicht gefunden). Dasselbe gilt für die Kommunisten: Sie erreichten 1920, nach der gloriosen "Novemberrevolution", ganze 1,7 Prozent und kamen nie über 17 Prozent hinaus.
Vernichten konnten sie gemeinsam die Demokratie nur aufgrund des Verhältniswahlrechts.
Zitat von str1977Das Einbinden in die Regierung hat, wie sie beschrieben hat, so seine Tücken, doch würde ich es von vorneherein ablehnen. Es kommt hier sehr darauf an, welche Alternativen es gibt, wieviel programmatischen Einfluß man der jeweiligen Partei läßt (und das scheint ja - neben dem PS-eigenen Programm - das Problem bei der Mitterand-Regierung gewesen zu sein) und vor alle, welche Ressorts man ihnen gibt: insbesondere das Innenministerium, gegebenfalls das Kultusministerium und evt. das Finanz- und Justizministerium sollte man nicht in Extremistenhände fallen lassen.
Mitterand, der alte Machiavellist, hatte den Kommunisten damals als eines von zwei Ministerien das Verkehrsministerium gegeben; der Minister hieß, wenn ich mich recht erinnere, Charles Fiterman oder Filterman. Wie auch heute noch werden die Gewerkschaften im Verkehrsbreich von den Kommunisten beherrscht und immer wieder gegen Regierungen in Stellung gebracht. Indem er einen Kommunisten zum zuständigen Minister machte, schlug Mitterand den Kommunisten diese Waffe aus der Hand.
Was Sie sonst schreiben, lieber str1977, sehe ich auch so. Nur geht es nicht nur um Ministerien, sondern auch um die Gesetzgebung. Mit Kommunisten regieren bedeutet, keine Gesetze gegen ihren Willen verabschieden zu können. Das zerstört jeden Staat, jede Gesellschaft.
Zitat von str1977Was den jetzigen Fall der "Linken" angeht, ist das Problem ja doppelt gelagert: einerseits steckt in der Linken die alte PDS/SED und niemand will SED-Leute wieder in der Regierung sehen, schon gar nicht in genannten Schlüsselressorts. Andererseits stellt sie sich als WASG/Sozialprotestpartei dar und ihre Regierungsbeteiligung würde alle nötigen Reformmaßnahmen verhindern (es sei denn, die Linke ließe sich über den Tisch ziehen, was dann aber bald das Problem in den Wahlen lösen würde). Hier wäre es auch egal, daß der Linken nur "ungefährlichere" Ressorts zugeteilt würden.
So ist es. Zumal diese Leute sich ja ihren Wählern gegenüber profilieren müßten. Vier Jahre einer von den Kommunisten im Bundestag abhängigen Regierung - und wir hätten einen derartigen Niedergang Deutschlands, daß bei den Wahlen danach nicht nur die Kommunisten, sondern auch die Neonazis eine Stärke ähnlich der am Ende der Weimarer Republik erreichen würden.
Denn natürlich ist das das Kalkül der Kommunisten: Auch sie wissen, daß das, was sie alles an sozialen Wohltaten verteilen wollen (die Lafontaine-Gattin Müller hat gestern bei Anne Will 1600 Euro Erziehungsgeld für alle Mütter gefordert; pro Kind!), den Staat ruinieren und die Gesellschaft in Aufruhr versetzen würde. Exakt das wollen sie; in der Hoffnung, daß das dann nicht ihnen, sondern dem Kapitalismus angelastet wird. (Das Ergebnis könnte freilich auch sein, daß man es ihnen und den demokratischen Parteien anlastet und die Neonazis wählt).
Zitat von str1977Es geht nicht an, unpassende Wahlergebnisse durch Wahlrechtsänderungen passend zu machen. Das ist undemokratisch.
Auf diesen Einwand habe ich gewartet, liebe str1977. Ich halte ihn - nehmen Sie's mir nicht übel - für grundfalsch. Denn das eine Wahlrecht ist so "demokratisch" wie das andere. Und natürlich haben die demokratischen Parteien nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht, den Staat nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Wenn nötig, durch ein Wahlrecht, das das verhindert.
Bis zu den Bundestagswahlen ist es noch weit und ich glaube nicht, das Weimarer Verhältnisse drohen, sondern richtig schöne Lagerwahlkämpfe wie "Freiheit statt Sozialismus" oder "Gerechtigkeit oder Neoliberalismus". Um eine Linksregierung zu verhindern sollten sich CDU/CSU und FDP ein bißchen mehr einfallen lassen als in den vergangenen Wahlkämpfen und den potentiellen Wählern mal richtig die Hucke volllügen. Wie wäre es mit einer saftigen Rentenerhöhung für die spießigen Rentner?
Links hat ja immerhin die Joker Krieg, Kernkraft und umverteilende Gerechtigkeit, da ist es eh schwer dagegen anzustinken.
Raucher ignorieren Alternativen. Oder blenden sie aus. So ganz deutlich wird das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie natürlich nicht, wenn sie in drei Absätzen in den Magazinen verbreitet wird. Quelle z.B. der Spiegel Antidepressiva wirken unter Umständen so gut wie Placebos - nämlich dann, wenn keine Depression vorliegt. So habe ich den Telepolis Artikel verstanden. Und irgendwas habe ich noch gelesen, heute oder gestern, über den Mandelkern in jugendlichen Hirnen, manchmal ist er einfach sehr minimal ausgeprägt, und dann gibts Pubertätszoff. Das waren nur die heutigen neurophysiologischen Artikel aus meiner Feedlese.
Ich finde es hochgradig beeindruckend, daß jemand vorschlägt, die Renten zu erhöhen, um Meinungspunkte zu machen. Also, daß jemand einen ernsthaften Vorschlag macht, ist das, was mich so beeindruckt. Denn jenseits all der genialen Bissigkeit ist es ja ein Ansatz zur Problemlösung. Käme mir nie in den Sinn. Ich kann das alles nur staunend oder zynisch (aber moralisch enttäuscht) beobachten.
Eventuell ist die gesamte Politik - also schon die Frage, wer überhaupt Politiker werden kann, genetisch bestimmt. Und die, die nicht Politiker werden können, weil sie gar nicht begreifen können, daß man mit möglichen Mehrheiten hantiert, wie mit realen Bruttoregistertonnen, die würden die viel bessere Welt *seufz* ... das war ein Absatz aus dem Buch der Irrealitäten.
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)
In Antwort auf:Ein Wahlrecht, das Extremisten zuverlässig aus dem Parlament heraushält, ist das Mehrheitswahlrecht. In Großbritannien gilt es traditionell, und dort hat es nie das Problem von Extremisten im Unterhaus gegeben.
Technisch gesehen ist das sogar richtig, die per Mehrheitswahlrecht in das Unterhaus eingezogenen Extremisten kamen ja alle aus Nordirland. Aber das hat durchaus Konsequenzen gehabt: Als er 1996 nach Nachwahlen auf unionistische Stimmen angewiesen war, hat John Major den Friedensprozess bewusst gegen die Wand gefahren. Und es ist reines Glück, dass die Konservativen kurz darauf bis heute die Macht verloren, sonst hätte es keinen zweiten Anlauf gegeben.Regional konzentrierte Extremisten können bei einer Mehrheitswahl nämlich durchaus in Parlamente einziehen. Und auch ansonsten gibt es im Unterhaus nicht weniger kleine Parteien als im Bundestag, z.B. Lib Dems und schottische Nationalisten. Andererseis erlaubt ein Mehrheiswahlrecht durch geschickte Wahlkreiseinteilung großen Einfluss auf das Wahlergbniss, bei den Wahlen 2004 in Kalifornien wechselte z.B. kein einziger Sitz und kein einziges Amt die Partei.
Trotz ihrer neuen Westerfolge ist die Linke stark im Beitrittsgebiet konzentriert. Dazu käme das Ende von Grünen und Kleinstparteien und natürlich die allgemeine Empörung über die Wahlrechtsänderung. Der Schuss würde ganz gewaltig nach hinten losgehen.
Eine echte Lösung ist allerdings auch schon erfunden - das amerikanische Präsidialsystem. Dann ist eine ständige Mehrheit im Parlament nicht mehr nötig, Koalitionen existieren nicht mehr, und der zweite Verteidigungsring kann tatsächlich funktionieren.
In Antwort auf:Ein Wahlrecht, das Extremisten zuverlässig aus dem Parlament heraushält, ist das Mehrheitswahlrecht. In Großbritannien gilt es traditionell, und dort hat es nie das Problem von Extremisten im Unterhaus gegeben.
Technisch gesehen ist das sogar richtig, die per Mehrheitswahlrecht in das Unterhaus eingezogenen Extremisten kamen ja alle aus Nordirland. Aber das hat durchaus Konsequenzen gehabt: Als er 1996 nach Nachwahlen auf unionistische Stimmen angewiesen war, hat John Major den Friedensprozess bewusst gegen die Wand gefahren.
Das hatte ich nicht gewußt. In GB kenne ich mich überhaupt schlecht aus; deshalb bin ich über Informatives darüber besonders dankbar.
Zitat von gelegentlicher BesucherRegional konzentrierte Extremisten können bei einer Mehrheitswahl nämlich durchaus in Parlamente einziehen.
Ja, das stimmt. Allerdings sollte es das in einem demokratischen Rechtsstaat eigentlich nicht geben. Und es sind ja auch keine Extremisten des üblichen Zuschnitts - rechte oder linke oder islamistische -, sondern es sind im Grunde Separatisten, die sich aus historischen Gründen wie Extremisten benehmen.
Zitat von gelegentlicher Besucher Und auch ansonsten gibt es im Unterhaus nicht weniger kleine Parteien als im Bundestag, z.B. Lib Dems und schottische Nationalisten.
Die schottischen Nationalisten natürlich aus regionalen Gründen. Die LibDems - ist das eine kleine Partei? Auch das Mehrheitswahlrecht läßt es ja zu, daß neue Parteien entstehen und bestehende ablösen. Im 19. Jahrhundert und bis in das 20. Jahrhundert hinein war es Whigs gegen Tories. Dann trat Labour an die Stelle der Whigs. Wer weiß, vielleicht treten demnächst die LibDems, in gewisser Weise ja die Nachfahren der Whigs, an die Stelle einer der beiden jetzt großen Parteien. So, wie in Frankreich vielleicht das MoDem, was ich sehr begrüßen würde.
Zitat von gelegentlicher BesucherAndererseis erlaubt ein Mehrheiswahlrecht durch geschickte Wahlkreiseinteilung großen Einfluss auf das Wahlergbniss, bei den Wahlen 2004 in Kalifornien wechselte z.B. kein einziger Sitz und kein einziges Amt die Partei.
Ja, das stimmt, das ist sicher ein Nachteil des Mehrheitswahlrechts.
Zitat von gelegentlicher BesucherTrotz ihrer neuen Westerfolge ist die Linke stark im Beitrittsgebiet konzentriert.
Solange sie das sehr stark war, gab es kein Problem. Die jetzige Situation ist ja erst durch die Westausdehnung entstanden. Unter einem Mehrheitswahlrecht hätten die Kommunisten vielleicht drei Sitze oder maximal ein halbes Dutzend.
Zitat von gelegentlicher BesucherDazu käme das Ende von Grünen und Kleinstparteien und natürlich die allgemeine Empörung über die Wahlrechtsänderung. Der Schuss würde ganz gewaltig nach hinten losgehen.
Geschenkt, lieber gelegentlicher Besucher. Vielleicht lesen Sie noch einmal, was ich am Ende des Artikels über den Codex Hammurabi geschrieben habe?
Ich reite ja nicht deshalb so auf diesem Thema herum, weil ich mir einbilde, es gebe auch nur den Hauch einer Chance für die Einführung des Mehrheitswahlrechts in Deutschland. Nur möchte ich aufklären, warum der Karren in den Dreck gefahren wurde, wenn es so weit ist und alle drum herumstehen und sich fragen: Ja, wie konnte der Karren nur im Dreck landen?
Zitat von gelegentlicher BesucherEine echte Lösung ist allerdings auch schon erfunden - das amerikanische Präsidialsystem. Dann ist eine ständige Mehrheit im Parlament nicht mehr nötig, Koalitionen existieren nicht mehr, und der zweite Verteidigungsring kann tatsächlich funktionieren.
Zustimmung. Nur werden wir das so wenig bekommen wie das Mehrheitswahlrecht.
Wir haben die Chance zu einer umfassenden Verfassungsdiskussion 1990 vertan. Jetzt ist es zu spät.
Und noch etwas, lieber gelegentlicher Besucher: Die amerikanische Präsidialdemokratie funktioniert deshalb so gut, weil dem starken Präsidenten ein ebenso starker Senat gegenübersteht. Der Notfalls sogar ein indictment aussprechen kann.
In der Verfassung der Fünften Republik, die ja ganz auf de Gaulle zugeschnitten war, gibt es dieses Gegengewicht nicht.
Sarkozy entwickelt sich in einer Weise, die höchst beunruhigend ist. Der Nouvel Obs spricht schon von psychiatrischen Problemen. Was passiert, wenn dieser Mann aus dem Ruder läuft, weiß niemand.
Und wie sich die amerikanische Demokratie unter Obama entwickeln würde, der die ganze Welt verändern will, das steht auch in den Sternen.
Also - bei solchen Konstellationen sieht man dann doch wieder die Vorteile der parlamentarischen Demokratie. Es hängt nicht alles von einer einzigen Person ab.
Zitat von C.Bis zu den Bundestagswahlen ist es noch weit und ich glaube nicht, das Weimarer Verhältnisse drohen, sondern richtig schöne Lagerwahlkämpfe wie "Freiheit statt Sozialismus" oder "Gerechtigkeit oder Neoliberalismus".
Wenn das linke Lager die Kommunisten einschließt, dann bedeutet das "letzter Verteidigungsring". Vier Jahre Sozialismus werden nicht anders ausgehen als die drei Jahre Sozialismus in Frankreich 1981 bis 1984.
Das könnte dann nur noch durch einen schwarzgelben Wahlsieg verhindert werden. Der wird, milde gesagt, schwer werden. Noch nicht einmal 2005 hat es dazu gereicht, als Rotgrün so abgewirschaftet hatte wie noch nie eine Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
Zitat von C.Um eine Linksregierung zu verhindern sollten sich CDU/CSU und FDP ein bißchen mehr einfallen lassen als in den vergangenen Wahlkämpfen und den potentiellen Wählern mal richtig die Hucke volllügen.
Sie können ja Franz Walter als Berater engagieren.
Zitat von zettelSie können ja Franz Walter als Berater engagieren.
Der berät schon Katja Kipping.
In Antwort auf:Kipping geht mit ihrer Partei genauso hart ins Gericht. Sie konzentriert sich in ihrem Thesenpapier auf das Thema Rente. Kein Zufall, es ist eines der Lieblingsthemen von Parteichef Lafontaine, der in den 20 Millionen deutschen Rentnern noch viel Stimmungspotential sieht. In jeder Rede geißelt er den "Anlagebetrug der Riester-Rente" und die "Rentendiebe der neoliberalen Parteien".
Stimmt, die Lib Dems wären nach deutschem Verständnis keine kleine Partei. Sie holen über den Daumen gepeilt 20% der Stimmen und 10% der Sitze. Damit sind sie groß genug, dass es irgendwann einmal für die Regierung auf sie ankommen könnte. Dann wäre übrigens auch das Mehrheitswahlrecht ganz schnell weg.
Was die regionale Verteilung der Linkspartei angeht: Die Westausdehnung verschärft das Problem natürlich erheblich, aber im Wesentlichen liegt die Linke jetzt jeweils knapp über 5%. In der früheren SBZ ist sie hingegen nur ein paar Prozentpunkte kleiner als die SPD. Wenn man dann noch als ganz grobe Schätzung jeweils die Hälfte von Grünen und NPD dazurechnet (bis auf das Wählerwanderungspotential ausdrücklich keine Gleichsetzung!) wäre das durchaus genug um in einem 3-Parteien System öfter mal den Wahlkreis zu gewinnen. Oder in einem fanzösischen System um im zweiten Wahlgang eine Kooperation mit der SPD zu erzwingen deren Kanditaten ohne Unterstützung der Linksparteiler dann chancenlos wären.
Ein Mehrheitswahlrecht verstärkt eben nicht pauschal die Unterschiede zwschen den Parteien (das könnte ein Listenwahlrecht, das mit einer Potenz der Stimmenzahlen gefüttert würde), sondern unter ostdeutschen Bedingungen ist die Linke nur ganz knapp unter der Hürde, ab der es ihre Fraktion über den proportionalen Stimmenaneil hinaus vergrößern würde.
Zu Frankreich: Wenn man sich den Wortlaut der Verfassungen anguckt hat der österreichische Präsident ja ganz ähnliche Kompetenzen wie der französiche. Trotzdem ist er in der Praxis nicht viel wichtiger als der deutsche. Ich bin leider überhaupt kein Franzosenkenner, aber mir scheint, die starke Position des französischen Präsidenten hat auch einen erheblichen kulturellen Anteil. Wenn sich die Parteien in der Nationalversammlung (natürlich inoffiziell) über den Wahnsinn des Präsidenten einig wären, könnten sie ihn doch faktisch auf einen peinliche Grüßonkel reduzieren? Und noch eine Frankreichfrage: Sind die Sozialisten im zweiten Wahlgang auf die Stimmen der Kommunistenwähler angewiesen? Wenn ja, wäre die Situation ja durchaus mit einer deutschen Rotfrontkoalition vergleichbar.
Zitat von gelegentlicher BesucherWas die regionale Verteilung der Linkspartei angeht: Die Westausdehnung verschärft das Problem natürlich erheblich, aber im Wesentlichen liegt die Linke jetzt jeweils knapp über 5%. In der früheren SBZ ist sie hingegen nur ein paar Prozentpunkte kleiner als die SPD. Wenn man dann noch als ganz grobe Schätzung jeweils die Hälfte von Grünen und NPD dazurechnet (bis auf das Wählerwanderungspotential ausdrücklich keine Gleichsetzung!) wäre das durchaus genug um in einem 3-Parteien System öfter mal den Wahlkreis zu gewinnen.
Das halte ich auch für wahrscheinlich. Aber der Regelfall wäre trotzdem die absolute Mehrheit für eine der großen Parteien.
In GB hat es meines Wissens - Sie kennen sich da besser aus - nie die Notwendigkeit einer Koalition gegeben, auch wenn die von Ihnen im letzten Beitrag genannten Kleinen Parteien Sitze im Unterhaus hatten. In Frankreich hat es während der gesamten Fünften Republik - sie feiert übrigens in diesem Jahr ihr fünfzigjähriges Jubiläum - stets stabile Mehrheiten in der Nationalversammlung gegeben (allerdings zweimal eine Kohabitation).
Zitat von gelegentlicher BesucherOder in einem fanzösischen System um im zweiten Wahlgang eine Kooperation mit der SPD zu erzwingen deren Kanditaten ohne Unterstützung der Linksparteiler dann chancenlos wären.
Das ist die Chance und die Gefahr dieser französischen Variante. Ich trete für sie ein, weil ich für stabile Mehrheiten bin, aber nicht unbedingt für ein Zweiparteiensystem. Die FDP zum Beispiel wäre durch das französische System überhaupt nicht gefährdet, weil sie mit der CDU Absprachen treffen könnte. Die NPD andererseits hätte - wie in Frankreich der FN - keine Chance, selbst wenn der Wähleranteil weit über 5 Prozent läge.
Und nun ist natürlich für die SPD die Gretchenfrage, wie sie's mit den Kommunisten hält. Das müßte sie in einem solchen System schon laut sagen. Statt mit Wahlaussagen à la Ypsilanti Wähler der Mitte zu fangen und dann doch mit den Kommunisten zu paktieren. Das ginge unter Mehrheitswahlrecht nicht.
Zitat von gelegentlicher Besucher Zu Frankreich: Wenn man sich den Wortlaut der Verfassungen anguckt hat der österreichische Präsident ja ganz ähnliche Kompetenzen wie der französiche. Trotzdem ist er in der Praxis nicht viel wichtiger als der deutsche. Ich bin leider überhaupt kein Franzosenkenner, aber mir scheint, die starke Position des französischen Präsidenten hat auch einen erheblichen kulturellen Anteil.
Ich wiederum, lieber gelegentlicher Besucher, kenne die österreichische Verfassung nicht. Mir scheint aus der Ferne, daß der Präsident mehr politische Macht hat als der deutsche (zum Beispiel sich aktiv in die Regierungsbildung einschaltet), aber viel weniger als der franzöische. (Der deutsche hat meines Erachtens sich bei der Regierungsbildung immer viel mehr zurückgehalten, als ihm das die Verfassung eigentlich einräumt; das nebenbei).
Die Macht des französischen Präsidenten ist aber ungleich größer. In diesem Punkt war die Verfassung ganz auf de Gaulle zugeschnitten. Damals, 1958, haben sich viele im Ausland gefragt, ob das überhaupt noch ein demokratisches System ist.
Der Präsident ernennt die Regierung. Er kann den Premierminister jederzeit ohne Begründung, und ohne die Nationalversammlung auch nur zu fragen, entlassen. Er ist allein für die Außen- und die Verteidigungspolitik zuständig. Er kann die Nationalversammlung auflösen. Er kann jedes Gesetz kippen, indem er ein Referendum darüber anordnet. Er ist sogar der Vorsitzende des Ministerrats; wenn er meist auch dem Ministerpräsidenten überläßt, die Kabinettsitzungen zu leiten.
Der französische Präsident ist ein konstitutioneller Monarch auf Zeit; und zwar einer wie, sagen wir, Wilhelm II. Ungefähr mit dessen Machtfülle.
Zitat von gelegentlicher BesucherUnd noch eine Frankreichfrage: Sind die Sozialisten im zweiten Wahlgang auf die Stimmen der Kommunistenwähler angewiesen? Wenn ja, wäre die Situation ja durchaus mit einer deutschen Rotfrontkoalition vergleichbar.
Sie ist in der Tat sehr ähnlich. In Frankreich wird die PCF seltsamerweise nicht der Extrême Gauche zugerechnet. Gauchistes, das sind die Trotzkisten, waren früher die Maoisten.
Das hat historische Gründe (ich habe die Résistance schon einmal erwähnt) und auch den Grund, daß die PCI in ihrer besten Zeit (zwischen der Befreiung und den achtziger Jahren) wirklich "staatstragend" war - nämlich faktisch einen Staat im Staat gebildet hat, mit eigenen Kulturzentren, Sportvereinen, Filmstudios, Ferienwerken, Seniorenwerken usw.
In den sechziger und siebziger Jahren war die PS (anfangs noch als S.F.I.O., die "Französische Sektion der Arbeiter-Internationale") in der Tat auf die Kooperation mit den Kommunisten angewiesen. Diese schrumpften dann immer mehr. In wievielen Wahlkreisen bei den letzten Wahlen der Sozialist nur dank kommunistischer Unterstützung gesiegt hat, müßte ich nachsehen. Es dürften immer noch viele sein, aber längst nicht mehr alle.
"die per Mehrheitswahlrecht in das Unterhaus eingezogenen Extremisten kamen ja alle aus Nordirland."
Es gibt zumindest eine Ausnahme: George Galloway mit seiner Respect Party, der zur Zeit im Unterhaus sitzt. Ich würde ihn schon einen Extremisten nennen.
Aber das sind natürlich Ausnahmefälle, wie zum Beispiel in Deutschland Hans-Christian Ströbele, der über ein Direktmandat in den Bundestag kam.
"In times of universal deceit, telling the truth will be a revolutionary act." George Orwell, 1984
Es stimmt. Deutschland geht spannenden parlamentarischen Zeiten entgegen. Aber geschenkt, Belgien kommt auch schon seit längerer Zeit ohne Regierung aus. Manchmal, eher oft ist Nichts tun doch das Beste um neuen Schmarrn zu verhindern.
Das Problem zweier sich zum Teil gegenseitig ausschliessender Ziele der Parlamentszusammensetzung - stabile, regierungsfähige Mehrheiten versus möglichst repräsentative Abbildung des (Wahl)volkswillen - lässt sich wohl kaum mit einer eierlegenden Wollmilchsau lösen. Zumal das ganze auch immer eine länderspezifische Tradition hat.
Also braucht es Korrektivelemente. Beim Majorzsystem, welches i.d.R. stabile Mehrheiten hervorbringt, fällt mir zum einen eine starke Gewaltentrennung (horizontal aber vor allem auch vertikal)und zum anderen gut ausgebaute direktdemokratische Elemente ein, so dass auch kleinere Gruppierungen allein durch eine Referendumsdrohung eine gewisse Macht erlangen können. Die USA gehen meines Erachtens diesen weg, wo - von der Bundesebene abgesehen, glaube ich - ziemlich grosse direkte Einflussmöglichkeiten gegeben sind.
Nur beim Verhältniswahlrecht, dessen Grundidee mir wesentlich sympathischer ist und wie wir's gegenwärtig in Deutschland haben, was sorgt da eigentlich für stabile Mehrheiten? Ausser einer 5%-Hürde. Eigentlich nur die Vernunft des Wahlvolks! Und die ist ja je nach Standpunkt des Betrachters gegeben oder nicht. Die Beschäftigung mit dem System Spaniens und danach auch noch mit anderen hat mich auf einige Gedanken gebracht, wie man ein Wahlsystem anders - und hoffentlich auch "besser" - gestalten kann. Nur diese Gedanken müssen noch etwas reifen.
Zitat von stoffelDas Problem zweier sich zum Teil gegenseitig ausschliessender Ziele der Parlamentszusammensetzung - stabile, regierungsfähige Mehrheiten versus möglichst repräsentative Abbildung des (Wahl)volkswillen - lässt sich wohl kaum mit einer eierlegenden Wollmilchsau lösen.
Das erste, lieber stoffel, ist ein relativ einfaches Ziel. Aber das zweite? Oft wird behauptet, am Repräsentativsten sei ein Parlament mit vielen Parteien. Nur, wieso ist es das? Meines Erachtens ist die Repräsentativität des US-Senats, des Repräsentantenhaus so groß, wie man sich das überhaupt nur wünschen kann. Bei gleichzeitiger Stabilität.
Zitat von stoffelAlso braucht es Korrektivelemente. Beim Majorzsystem, welches i.d.R. stabile Mehrheiten hervorbringt, fällt mir zum einen eine starke Gewaltentrennung (horizontal aber vor allem auch vertikal)und zum anderen gut ausgebaute direktdemokratische Elemente ein, so dass auch kleinere Gruppierungen allein durch eine Referendumsdrohung eine gewisse Macht erlangen können. Die USA gehen meines Erachtens diesen weg, wo - von der Bundesebene abgesehen, glaube ich - ziemlich grosse direkte Einflussmöglichkeiten gegeben sind.
So ist es. Bei den meisten Wahlen finden ja zugleich Abstimmungen zu den diversesten Themen statt. In unseren Medien wird selten darüber berichtet; außer, es geht um Ökologie.
Zitat von stoffelNur beim Verhältniswahlrecht, dessen Grundidee mir wesentlich sympathischer ist
Warum, lieber stofffel? Das würde mich wirklich interessieren, was jemand, der so kundig ist wie Sie, Gutes am Verhältniswahlrecht sieht.
Ich halte es für die Wurzel fast allen Übels, das einen demokratischen Rechtsstaat befallen kann.
Zitat von stoffelDie Beschäftigung mit dem System Spaniens und danach auch noch mit anderen hat mich auf einige Gedanken gebracht, wie man ein Wahlsystem anders - und hoffentlich auch "besser" - gestalten kann. Nur diese Gedanken müssen noch etwas reifen.
"Belgien kommt auch schon seit längerer Zeit ohne Regierung aus."
Das ist noch nicht mal so verkehrt. Solange bleiben die Belgier von weiteren schwachsinnigen Gesetzen verschont.
Übrigens, wer sich für die Situation in Belgien interessiert, findet hier einige Informationen:
Den hier geposteten Link habe ich gelöscht. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß Links zu einzelnen Artikeln, Forumsbeiträgen usw. erlaubt sind, aber nicht Links zu Zeitschriften, Foren, Blogs usw.
Der Grund ist, daß ich meiner Pflicht, den Inhalt dieser verlinkten Sites zu überprüfen, bei solchen pauschalen Verlinkungen nicht nachkommen kann. Ich müßte sie dann ja ständig lesen.
Ich bitte um Verständnis und - vor allem! - Befolgung.
In Antwort auf:Nur beim Verhältniswahlrecht, dessen Grundidee mir wesentlich sympathischer ist
Warum, lieber stofffel? Das würde mich wirklich interessieren, was jemand, der so kundig ist wie Sie, Gutes am Verhältniswahlrecht sieht.
Vielleicht liegt's daran, dass ich noch jung und unerfahren bin und deshalb an das Gute und Vernünftige im Menschen glaube. Und der Spuk einer extrem linken Regierung an uns vorbei geht.
Ich habe ja oben geschrieben, es ist mir "sympathischer". Vielleicht spielt da irgendein diffuses Gerechtigkeitsgefühl eine Rolle. Wenn ich mir nämlich die Situation in Süddeutschland (BaWü und Bayern) anschaue und nur die Ergebnisse der Wahlkreise als Majorzergebnisse betrachte, dann wird's mir doch etwas schummrig: 69 zu 1 in BaWü und 92 zu 0 in Bayern. Das ist dann doch etwas zu viel des Guten, auch wenn man annehmen kann, dass solch ein krasses Ergebnis bei einem Mehrheitswahlrecht nicht unbedingt herausgekommen wäre.
Der wichtigere Grund, weshalb ich ein proportionales System vorziehe, ist folgender: Wenn ich schon nur alle vier Jahre nach meiner Meinung gefragt werde, dann möchte ich diese auch möglichst passend auf einem Stimmzettel wiedergeben können. Wenn ich nur die Auswahl zwischen Kandidat A und Bewerber B habe und weiss, dass jede andere Stimme verloren ist, dann steigert das nicht unbedingt meine Motivation.
Wir haben in Deutschland leider kaum andere, formalistische Möglichkeiten verschiedene auch kleinere Interessengruppen in politische Entscheidungsprozesse einzubinden als mittels Wahlen und dann, finde ich, sollten diese auch im Parlament vertreten sein. Was eben nicht zwangsläufig zu verfahrenen Situationen wie der jetzigen führen muss. Es doch eine Besonderheit des gegenwärtigen deutschen Diskurses, dass zwanghaft die Parteieinigkeit und damit die grundsätzliche Abgrenzung von Anderen zuoberst gestellt wird. Das und die Meinung nur ein Kanzlerwahlverein ist eine gute Partei führt zu einem Blockdenken, in welchem die Exekutive und die Mehrheit der Legislative eins sind und sich nicht mehr gegenseitig kontrollieren. Was würde jetzt ein Mehrheitswahlrecht ändern? Es würde uns doch nur ein paar - zugegebenermassen ziemlich nervtötende - Koalitionverhandlungen ersparen, aber die sture Blockbildung wäre noch immer nicht weg.
Mein Vorstellung geht eher in eine andere Richtung: Ich würde eine proportionale Sitzzuteilung beibehalten, aber dem Wahlvolk eine viel grösse Einflussmöglichkeit geben. Dies dadurch, dass es keine geschlossenen Parteilisten mehr gäbe. Diese wären dann offen für's Kumulieren und panaschieren wie man's auch von diversen Gemeindewahlen kennt. Das hätte den Effekt, dass kein Abgeordneter mehr irgendwie von seiner Partei ein Mandat garantiert bekommen könnteund dieser dann zu Dank verpflichtet wäre, sondern jeder wäre "direkt" gewählt. Diesen Schritt ging man so weit ich weiss auch jetzt teilweise in Hamburg. Ich glaube noch etwas von einem SPD-Abgeordneten gelesen zu haben, der - bei der Listenaufstellung "übergangen" - einen engagierten persönlichen Wahlkampf geführt hat und doch noch in die Bürgerschaft einzog.
Spannend wäre es auch, wenn man Unterlisten zuliesse. Wenn es, je nach Anzahl der zu vergebenden Stimmen, einem zu aufwendig wird die persönlichen Spitzenkandidaten auszuwählen, so könnte man doch noch gezielt den favorisierten Flügen einer Partei stärken. Oder auch regional, dann kann ich als kurpfälzer Expat in Oberschwaben noch immer meine Heimatregion stärken.
Soweit dazu, meine ersten noch etwas unausgegorenen Gedanken. Ich habe keine Ahnung ob das so auf Anhieb funktionieren würde, aber ich entsinne mich noch gut wie ich bei meiner ersten Gemeinderatswahl vor einem Stimmzettel der Grösse 1m x 0.5m sass und begeistert mit dem Taschenrechner meine Stimmen möglichst gut verteilte. Warum soll das bei einer Wahl zum Bundestag nicht auch so sein?
Zitat von stoffelEine aktuelle Ergänzung aus dem Handelsblatt.
Danke, lieber stoffel.
Ich stimme den Überlegungen von Charles Blankart zu. (Wie auch anders, ich habe sie ja selbst oft genug vertreten }.
Es wundert mich nur, daß Blankart das als sozusagen eine tolle Neuerung darstellt - wo es doch nicht nur die Verfassungswirklichkeit unter den Präsidialsystmen der USA und Frankreichs ist; und auch die in Deutschland bis 1919 gewesen ist.
Man muß nur dann auch konsequent sein und auch das Mehrheitswahlrecht einführen. Denn ein Parlament, in dem sich je nach Thema immer neue Konstellationen zum Konsens finden, kann nicht unter dem Regime der Parteien stehen. Die Abgeordneten müssen dann vom Vertrauen ihrer Wähler abhängig sein statt von dem ihrer Partei. (Frau Metzger hätte sich nicht so verhalten können, wie sie es tat, wenn sie nicht direkt gewählt wäre).
Und man muß überlegen, wie dann viele andere Aspekte der Verfassungswirklichkeit angepaßt werden sollten.
Zum Beispiel gibt es dann keinen Grund mehr, daß die Minister (überwiegend) aus dem Parlament rekrutiert werden. Im Gegenteil - das sollte verboten sein, wie in den USA. Mindestens müßten Minister ihr Mandat für die Zeit ihrer Ministertätigkeit ruhen lassen. Auch parlamentarische Staatssekretäre hätten in einem solchen System nichts mehr verloren.
Kurzum - wenn man das in seiner Logik zu Ende denkt, dann landet man so ungefähr bei der US-Verfassung. Die eben ein ungeheurer Wurf gewesen ist - die erste demokratische Verfassung der Neuzeit, und dann gleich derart perfekt. Die angewandte Aufklärung.
Zitat von stoffelVielleicht liegt's daran, dass ich noch jung und unerfahren bin und deshalb an das Gute und Vernünftige im Menschen glaube.
Ach, lieber stoffel, das muß nicht an der Jugend liegen. Von "glauben" würde ich bei mir vielleicht nicht sprechen. Ich vertraue darauf, daß das Vernünftige sich durchsetzt, weil es letztlich das ist, was für alle am besten ist. Also ganz klassisch-liberal.
Gewiß sind wir nicht nur Vernunftwesen. Unser Gehirn hat sich kaum geändert, seit der Homo Erectus durch die Savanne streifte. Mit dem Hirn, das damals bestens an die Anforderungen angepaßt war, müssen wir heute zurechtkommen. Und können es, weil dieses Gehirn eben auch einen Frontalbereich enthält, der spontane Impulse hemmt, der komplexe Handlungsabläufe zu planen erlaubt, der das ermöglicht, was Freud das Realitätsprinzip genannt hat. Also vernünftig entscheiden, planvoll handeln.
Aber zurück zu Profanerem, dem Verhältniswahlrecht:
Zitat von stoffelWenn ich mir nämlich die Situation in Süddeutschland (BaWü und Bayern) anschaue und nur die Ergebnisse der Wahlkreise als Majorzergebnisse betrachte, dann wird's mir doch etwas schummrig: 69 zu 1 in BaWü und 92 zu 0 in Bayern. Das ist dann doch etwas zu viel des Guten, auch wenn man annehmen kann, dass solch ein krasses Ergebnis bei einem Mehrheitswahlrecht nicht unbedingt herausgekommen wäre.
Ja, auf den letzteren Punkt kommt es an. Denn solche einseitigen Verteilungen sind eben typisch für ein Listenwahlrecht, bei dem man Parteien und nicht Personen wählt.
In den Gemeinden sieht's ja in Bayern schon anders aus, wo man die Personen eher kennt. Und wenn dort nun auch noch nicht nur der OB direkt gewählt würde, sondern das Mehrheitswahlrecht auch für die Stadtverordneten gelten würde - wie viele Wähler würden da wohl den ihnen bekannten, sympathischen Sozialdemokraten wählen, auch wenn sie parteipolitisch der CSU zuneigen? Oder sogar einen Außenseiter?
Zitat von stoffelWenn ich schon nur alle vier Jahre nach meiner Meinung gefragt werde, dann möchte ich diese auch möglichst passend auf einem Stimmzettel wiedergeben können. Wenn ich nur die Auswahl zwischen Kandidat A und Bewerber B habe und weiss, dass jede andere Stimme verloren ist, dann steigert das nicht unbedingt meine Motivation.
Das ist ein ernstzunehmendes Argument. Ich habe verschiedene Gegenargumente:
In den USA kann man wirklich am Ende nur noch zwischen (im wesentlichen) zwei Bewerbern wählen; aber wichtig ist eben dieses "am Ende". Zuvor findet ja ein Selektionsprozeß mit vielen "im Rennen" statt, wie wir ihn gerade erleben.
In Großbritannien gibt es - das haben wir ja schon diskutiert - trotz des Mehrheitswahlrechts etliche Parteien. In den Wahlkreisen kandidieren sehr oft fünf, sechs, manchmal noch viel mehr Kandidaten - wenn sie denn die Meldegebühr zahlen wollen.
In Frankreich gibt es trotz des Mehrheitswahlrechts eine bunte Vielfalt von Parteien, die aber Bündnisse eingehen. Hier kann der Wähler im ersten Wahlgang seine Präferenz nach Herzenslust zu erkennen geben; erst im zweiten muß er zwischen meist (aber nicht notwendig) zwei Bewerbern oder Listen entscheiden.
Zitat von stoffelWir haben in Deutschland leider kaum andere, formalistische Möglichkeiten verschiedene auch kleinere Interessengruppen in politische Entscheidungsprozesse einzubinden als mittels Wahlen und dann, finde ich, sollten diese auch im Parlament vertreten sein.
Da bin ich entgegengesetzter Meinung, lieber stoffel.
Ich bin überhaupt nicht der Auffassung, daß im Parlament Interessengruppen vertreten sein sollten. Diese werden durch Verbände und durch Lobbyisten repräsentiert. Sondern ins Parlament sollten Personen gewählt werden, denen der Wähler es zutraut, nach bestem Wissen und Gewissen das für das Gemeinwesen Beste zu entscheiden.
Da es verschiedene Vorstellungen davon gibt, was "das Beste" ist, bilden diese Volksvertreter Zusammenschlüsse von Leuten, die das jeweils ähnlich sehen; Fraktionen also. Aber das ist im Grunde sekundär und hat aus meiner Sicht sozusagen nur praktische Gründe.
Erst durch ihre Abhängigkei von den Parteien werden die Abgeordneten zu "Interessenvertetern". Und durch die Dominanz der Parteien und ihrer Verflechtung mit Interessenverbänden, Gewerkschaften usw. entsteht der falsche Eindruck, es ginge in der Politik überhaupt darum, wer "seine Interessen durchsetzt".
Natürlich geht es auch darum. Aber die Hauptaufgabe der Politik in einem demokratischen Rechtsstaat ist es doch, das für das Gemeinwesen Richtige zu entscheiden und umzusetzen. Das können freie Abgeordnete ungleich besser als solche, die im Extremfall nur der verlängerte Arm einer Partei sind.
Und entgegen einer Legende, die Marx in die Welt gesetzt hat und die inzwischen ja von fast allen geglaubt wird, sind die meiten politischen Entscheidungen eben nicht Nullsummenspiele, bei denen der eine verliert, was der andere gewinnt. Sondern (selbst und vor allem in der Wirtschaft) gibt es viele Entscheidungen, die, je nachdem, wie man sie trifft, allen schaden oder allen nützen.
Zitat von stoffelWas würde jetzt ein Mehrheitswahlrecht ändern? Es würde uns doch nur ein paar - zugegebenermassen ziemlich nervtötende - Koalitionverhandlungen ersparen, aber die sture Blockbildung wäre noch immer nicht weg.
Sie muß nicht weg sein, aber sie kann. Die USA sind auch hier wieder das Beipsiel. Dort wird zwar oft, aber keineswegs regelmäßig "along party lines" abgestimmt.
Zitat von stoffelIch würde eine proportionale Sitzzuteilung beibehalten, aber dem Wahlvolk eine viel grösse Einflussmöglichkeit geben. Dies dadurch, dass es keine geschlossenen Parteilisten mehr gäbe. Diese wären dann offen für's Kumulieren und panaschieren wie man's auch von diversen Gemeindewahlen kennt.
Ich fürchte, allenfalls dort funktioniert es auch nur. Denn das setzt eine große politische Kenntnis voraus und auch die Bereitschaft, sich dieser Mühe des Kumulierens und Panaschierens zu unterziehen.
Der "Durchschnittswähler" ist voll damit ausgelastet, zwischen Erst- und Zweitstimme zu unterscheiden. (Und es ist ein runnig gag seit dem Bestehen der Bundesrepublik, daß er kurz vor den Wahlen deren Bedeutung meist kennt, es dann aber bis zu den nächsten Wahlen wieder vergißt).
Herzlich, Zettel
PS: Danke, daß Sie durch die Ergänzung diesen Thread wieder "hochgeholt" haben. Ich hatte vorgehabt, auf Ihren interessanten Beitrag zu antworten; aber ich habe es erst verschoben, wg. der Länge, und dann hat sich Anderes davorgeschoben.
ich greife mir mal Ihren ersten Beitrag heraus und möchte darauf in Abschnitten eingehen.
Zitat von ZettelIch stimme den Überlegungen von Charles Blankart zu. (Wie auch anders, ich habe sie ja selbst oft genug vertreten }.
Das habe ich auch nicht anders erwartet.
Nur, was mich wunder nimmt, ist Ihre so feste Überzeugung, dass auch bei einer besseren Gewaltenteilung eine reines Mehrheitswahlrecht unabdingbar wäre. Gerade dann, wenn das Parlament als Ganzes seiner Kontrollfunktion gerecht werden würde und nicht mehr die Regierungsfraktionen als Mehrheitsbeschaffer dienen müssten, ist doch eine dauerhafte stabile Mehrheit nicht mehr das ein und alles. Dann ist es doch viel leichter möglich ein repräsentatives Parlament zusammenzustellen.
Zitat von Zettel Zum Beispiel gibt es dann keinen Grund mehr, daß die Minister (überwiegend) aus dem Parlament rekrutiert werden. Im Gegenteil - das sollte verboten sein, wie in den USA. Mindestens müßten Minister ihr Mandat für die Zeit ihrer Ministertätigkeit ruhen lassen. Auch parlamentarische Staatssekretäre hätten in einem solchen System nichts mehr verloren.
Danke auch für die ausführliche Antwort, lieber Zettel.
Zitat von Zettel
Zitat von stoffelWenn ich mir nämlich die Situation in Süddeutschland (BaWü und Bayern) anschaue und nur die Ergebnisse der Wahlkreise als Majorzergebnisse betrachte, dann wird\\'s mir doch etwas schummrig: 69 zu 1 in BaWü und 92 zu 0 in Bayern. Das ist dann doch etwas zu viel des Guten, auch wenn man annehmen kann, dass solch ein krasses Ergebnis bei einem Mehrheitswahlrecht nicht unbedingt herausgekommen wäre.
Ja, auf den letzteren Punkt kommt es an. Denn solche einseitigen Verteilungen sind eben typisch für ein Listenwahlrecht, bei dem man Parteien und nicht Personen wählt. In den Gemeinden sieht\\'s ja in Bayern schon anders aus, wo man die Personen eher kennt. Und wenn dort nun auch noch nicht nur der OB direkt gewählt würde, sondern das Mehrheitswahlrecht auch für die Stadtverordneten gelten würde - wie viele Wähler würden da wohl den ihnen bekannten, sympathischen Sozialdemokraten wählen, auch wenn sie parteipolitisch der CSU zuneigen? Oder sogar einen Außenseiter?
Ich habe durchaus bewusst den letzten Satz zur Relativierung angefügt. Es wäre nicht SO krass. Aber die Tendenz ist beim Mehrheitswahlrecht wesentlich stärker als beim Verhältniswahlrecht. Es nicht nur theoretisch möglich, dass eine Minderheit, eine ziemlich grosse sogar, von der Vertretung im Parlament ausgeschlossen ist, wenn sie das Pech hat in allen Wahlkreisen knapp zu unterliegen. Ich möchte sogar die Hypothese in Bezug auf die USA aufstellen, dass lediglich die räumlich ungleiche Verteilung der demokratischen resp. republikanischen Wähler für einen dem landesweiten Durchschnittsergebnis halbwegs entsprechenden Kongress sorgt. D.h. nur dadurch, dass es Wahlkreise gibt in denen die einen knapp vorne liegen und welche in denen die anderen knapp vorne liegen kommt es letzlich zu einem ausgeglichenen Gesamtergebnis. Dem wäre aber z.B. nicht so, wenn (1) eine Partei überall tendenziell schwächer wäre, aber dennoch gut abschneidet und (2) wenn die Gesamtebene nur eine sehr kleine ist. Schau Dir z.B. mal die Kongresswahlergebnisse für Nebraska von 2006 an. Da wird deutlich, dass die überschlägig 44% Demokraten nicht im House vertreten wären, gäbe es nicht andere Staaten mit den gleichen Ergebnissen nur unter umgekeherten Vorzeichen (zb Maine).
PS: Auf Deine weiteren Bemerkungen gehe ich gerne nach meiner österlich bedingten Internetabstinenz ein. Es erfordert doch etwas mehr Auseinandersetzung mit dem Thema, wenn man ungleich zu anderen Foren nicht nur kurz seine Meinung "hinrotzen" kann, sondern sie auch noch begründen soll, welch' Frevel
Zitat von stoffelGerade dann, wenn das Parlament als Ganzes seiner Kontrollfunktion gerecht werden würde und nicht mehr die Regierungsfraktionen als Mehrheitsbeschaffer dienen müssten, ist doch eine dauerhafte stabile Mehrheit nicht mehr das ein und alles. Dann ist es doch viel leichter möglich ein repräsentatives Parlament zusammenzustellen.
Was ist ein repräsentatives Parlament? Da sind wir, lieber Stoffel, wieder bei einem Punkt, zu dem ich meine (sicherlich nicht repräsentative, für wen auch immer ) Meinung schon darzulegen versucht habe:
Abgeordnete sind "Repräsentanten" des Volks; sie sind nicht - und sollen nicht sein - "repräsentativ" für Frauen und Männer, Junge und Alte, Hetero- und Homosexuelle, Unternehmer und Arbeitnehmer, Umweltschützer und religiöse Fundamentalisten, Tierschützer und Europagegner usw. usw.
Sie sollen Menschen sein, denen das Volk zutraut, es im Wortsinn zu "vertreten", also in seinem Auftrag, wie ein Stellvertreter auch sonst, Entscheidungen zu treffen. Und zwar orientiert am Gemeinwohl und nicht an Partikularinteressen.
Natürlich sollen Partikularinteressen vertreten werden. Durch Vereine, Verbände, Clubs, Pressure Groups aller Art. Aber nicht durch Abgeordnete.
Zitat von ZettelWas ist ein repräsentatives Parlament?
Repräsentativ ist ein Parlament meines Erachtens dann, wenn der Wählerwille möglichst genau und unverfälscht zur Geltung kommt. Welches System dies letztendlich am besten gewährleistet weiss ich auch nicht. Aber das Majorzprinzip auf jeden Fall nicht.
Die Aufgaben oder besser das Selbstverständnis einer Abgeordneten kann und sollte losgelöst von der Frage nach dem Wahlsystem diskutiert werden. Ich hoffe, Sie haben mich nicht so verstanden, dass ich irgendwelche Quoten für
Zitat von ZettelFrauen und Männer, Junge und Alte, Hetero- und Homosexuelle, Unternehmer und Arbeitnehmer, Umweltschützer und religiöse Fundamentalisten, Tierschützer und Europagegner usw. usw.
fordere. Nichts läge mir ferner. Die einzige massgebliche Grösse sollte das Ergebnis freier Wahlen sein. Wenn dann Frauen Männer, Alte Junge, Hetero- Homosexuelle, Arbeitnehmer Unternehemer und Umweltschützer religöse Fundamentalisten wählen, ja mei! Sie werden schon wissen, was sie tun.
Sie schreiben
Zitat von ZettelAbgeordnete sind "Repräsentanten" des Volks
Ich halte das für viel, zu viel verlangt. Kein Abgeordneter wird je in der Lage sein, das "Volk" zu repräsentieren. Er soll sich, muss sich am Gemeinwohl orientieren, aber auch da wird es eben immer zu sich unterscheidenden Auffassungen kommen. Ich würde den Repräsentationsbegriff auf eine etwas höhere Ebene heben. Das Parlament als Ganzes soll Repräsentant des Volkes sein, in der Zusammensetzung wie es gewählt wurde, und nicht die einzelnen Parlamentarierer.
Zitat von ZettelWas ist ein repräsentatives Parlament?
Repräsentativ ist ein Parlament meines Erachtens dann, wenn der Wählerwille möglichst genau und unverfälscht zur Geltung kommt. Welches System dies letztendlich am besten gewährleistet weiss ich auch nicht. Aber das Majorzprinzip auf jeden Fall nicht.
Was ist "der Wählerwille", lieber Stoffel?
Ich möchte einmal eine sehr schlichte Idee zur Diskussion stellen: Es gibt im Grund nur drei Arten von "Wählerwillen". Entweder ist man mit der Regierung zufrieden und will, daß sie weitermacht. Oder man ist unzufrieden und will, daß die anderen es machen. Oder man ist gegen das ganze demokratische System und will eine andere Republik.
Natürlich gibt es innerhalb dieser drei "Lager" viel an Differenzierung. Aber eben innerhalb, und dort können sie auch ausgetragen werden. So, wie wir es gerade in den US-Vorwahlen erleben.
Zitat von stoffelIch hoffe, Sie haben mich nicht so verstanden, dass ich irgendwelche Quoten für
Zitat von ZettelFrauen und Männer, Junge und Alte, Hetero- und Homosexuelle, Unternehmer und Arbeitnehmer, Umweltschützer und religiöse Fundamentalisten, Tierschützer und Europagegner usw. usw.
fordere. Nichts läge mir ferner.
Neinenin, lieber Stoffel, natürlich nicht. Ich wollte nur die Logik dieser Forderung, daß das Parlament sozusagen ein Abbild der Bevölkerung sein müsse, ein wenig auf ihre Spitze treiben.
Es gibt ja wirklich solche Bestrebungen. Meine aktive Mitarbeit in der SPD habe ich eingestellt (Mitglied blieb ich noch eine Zeitlang), als die "Frauenquote" eingeführt wurde. Da ging es auch darum, daß die Mandatsträger "reprästentativer" sein sollten. Aber aus meiner Sicht wollte man das Recht des Einzelnen aushebeln, frei zu entscheiden, für wen er stimmt (oder sie!).
Zitat von stoffelSie schreiben
Zitat von ZettelAbgeordnete sind "Repräsentanten" des Volks
Ich halte das für viel, zu viel verlangt. Kein Abgeordneter wird je in der Lage sein, das "Volk" zu repräsentieren. Er soll sich, muss sich am Gemeinwohl orientieren, aber auch da wird es eben immer zu sich unterscheidenden Auffassungen kommen. Ich würde den Repräsentationsbegriff auf eine etwas höhere Ebene heben. Das Parlament als Ganzes soll Repräsentant des Volkes sein, in der Zusammensetzung wie es gewählt wurde, und nicht die einzelnen Parlamentarierer.
Ich tendiere zu der radikalen Meinung, daß der Abgeordnete sich wirklich als Repräsentant des Volks verstehen sollte.
Natürlich ist das eine Idealforderung. Ich fände es richtig, wenn es so wäre. Ich sage nicht, daß es so ist oder jemals sein kann.
Jedenfalls ist der Abgeordnete nicht seiner Partei und auch nicht "seinen Wählern" verantwortlich, sondern allen Wählern. Er ist nun einmal "Volksvertreter" und nicht "Parteivertreter".
Es wird im Parlament unterschiedliche Auffassungeng geben; das ist schon wahr. Leute mit ähnlichen Auffassungen schließen sich deshalb zu Fraktionen zusammen. Aber die sozusagen natürlichen Einheiten des Parlaments sind nicht die Fraktionen, sondern die einzelnen Abgeordneten.
Oder Senatoren. Denn genau so ist es im US-Senat. Es gibt zwar einen "majority leader" und einen "minority leader". Aber niemand in den USA würde für sie das Wort "whip" gebrauchen, das für ihre Kollegen im britischen Unterhaus gebräuchlich ist.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.