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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 18 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.03.2008 17:51
Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Wie bei meinem hartnäckigen Plädoyer für das Mehrheitswahlrecht glaube ich auch im jetzigen Fall nicht, daß mein Vorschlag realistisch ist.

Aber wer weiß. Jedenfalls befaßt sich dieser Beitrag mit den Gründen, warum nach meiner Überzeugung Neuwahlen der einzig vernünftige Ausweg aus der hessischen Krise sind, die inzwischen zu einer Krise unseres ganzen Landes geworden ist.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

10.03.2008 18:43
#2 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Ein typischer Zettel. Nüchtern und gebildet in der Analyse, konsequent im Urteil. Dass dabei auch konservative Werte zum Vorschein kommen, mag schrecken, wen es will. Ich finde es sympathisch.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

C. Offline




Beiträge: 2.639

10.03.2008 19:00
#3 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber Zettel,

natürlich sind Neuwahlen vernünftig, aber es gibt natürlich unter erwachsenen Menschen noch eine Reihe anderer vernünftiger Ideen um aus dieser Situation herauszukommen.

Da wäre mal eine große Koalition oder Ampel ohne Ypsilanti, Schwampel ohne Tarek al Wazir. Weder Hessen noch das Land hat die Krise, sondern vor allem die SPD (die wird geradezu geschüttelt) und ein klein wenig die Grünen.

Und auch die SPD wird sich auf niederem Niveau wieder fangen mit dem Ziel vor Augen die Bundesratsmehrheit mit Hilfe der Linkspartei zu erobern um dort den Lafontaine zu machen. dann ist es ja auch schnuppe wie die Wahl 2009 ausgeht, für 2013 steht die linke Mehrheit und zwar nicht nur gefühlt.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

10.03.2008 20:57
#4 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Hallo Zettel,

Also ich sehe bei Lage der Dinge immer noch Alternativen zu Neuwahlen und bin daher gegen eine solche Lösung.

Einer meiner Vowürfe an Frau Ypsilon ist ja, daß sie bisher keine Alternativen ausgelotet hat: Rot/Grün wollte sie, aber dafür reicht die Mehrheit nicht, also hat sie nach Mehrheitsbeschaffern gesucht - daher das (durch das fehlende Sachangebot unrealistische) Werben um die FDP, daher dann der Entschluß auf die Linken zu bauen. Aber bisher gab es keinen Versuch zu einer Großen Koalition. Und auch die Jamaika-Koalition wäre ja möglich.

Im übrigen stimme ich Ihren prinzipiellen Vorbermerkungen (die Sie hier nicht befolgen wollen) zu.

Aber auch aus pragmatischen Gründen kann ich keine Neuwahlen wollen: die SPD wird aus Neuwahlen geschwächt hervorgehen und dann
1. wie angekündigt, mit den Linken kooperieren (mal angenommen, ihre Schwächung sorgt nicht dafür, daß Rot-Grün-Rot keine Mehrheit hat)
2. oder entgegen der Ankündigung in einem neuen Wortbruch gleiches tun
3. oder sich zur Großen Koalition bereitfinden

Ich gehe davon aus, daß die SPD auf jeden Fall geschwächt wird - ganz egal wie sie sich nun vorher festlegt. Ein Anti-PDS-Votum wird nur auf wenig Vertrauen stoßen. "Antikommunistische" Wähler werden die SPD auf jeden Fall meiden, "Prokommunistische" sich aber vom vorherigen Wankelmut abgestoßen fühlen.

In allen drei Möglichkeiten sehe ich keinen Unterschied zur gegenwärtigen Lage: dies alles (und auch die vierte: die Jamaika-Koalition) ist auch jetzt schon möglich.
Die Schadenfreude, Frau Ypsilon vom Wähler bestraft zu sehen, wird mehr als wieder wettgemacht durch eine eventuelle Stärkung der Linken und sogar eine etwaige Legitimierung einer solchen Regierung (bei Option 1)

Alles in allem spricht nichts für Neuwahlen und vieles dagegen.

Kaa Offline




Beiträge: 658

10.03.2008 21:16
#5 Reset in Hessen ... Antworten

... aber bitte keine demokratischen Wahlen in meinem Rechner!

Kaa


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus. (Wörtlich nicht von mir)

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

10.03.2008 22:00
#6 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber Zettel,

mir schmeckt die Idee mit den Neuwahlen gar nicht. Naja, vielleicht doch unter der Bedingung, daß alle gewählten Abgeordneten nicht mehr antreten dürfen, um bei ähnlichem Ergebnis wenigstens andere damit umgehen zu lassen, die sich vorher noch nicht verbal die Köpfe eingeschlagen haben.

Spaß beiseite: Das ganze Theater stößt so schon sauer genug auf. Daß das, was dem Wähler lang und breit erzählt wurde, hinterher nichts mehr wert ist, ist eine Sache, aber Neuwahlen sind für mich noch eine spur härter: die Verweigerung des Willens des Souveräns, die Verhöhnung des Volkes durch deren Vertreter.
Ich sehe (zum jetzigen Zeitpunkt) auch gar nicht die Notwendigkeit: GK, Ampel, Jamaika gehen auch jetzt. Sie sagen, dann könnte es entweder um Schwarz-Gelb oder die Volksfront gehen. Letzteres ist aber ebenfalls immer noch möglich, denn noch haben keine weiteren Abgeordneten erklärt, sie machten nicht mit - und eine ehrliche Abgeordnete kann man sich ja leisten, um trotzdem den Plan durchziehen zu können. Klar, Ypsilanti möchte das Risiko nicht eingehen, was ja auch nur zu verständlich ist. Sie hat sich die Suppe aber selbst eingebrockt, so daß kaum einzusehen ist, warum die Wähler sie auslöffeln sollten.
Neuwahlen abzuhalten, obwohl kein Kandidat sich einer Abstimmung gestellt hat, halte ich für unerträglich. Denn dann sind wir wirklich dabei, solange wählen zu lassen, bis es den Politikern genehm ist. Wenn sie das Volk nochmal befragen wollen, dann sollte vorher wenigstens bewiesen sein, daß tatsächlich nichts geht. Sprich: Sie sollte sich zur Wahl stellen. Gibt es dann keine weiteren Abgeordneten, die sich an ihre Versprechen vor der Wahl erinnern können, ist sie MP, sonst Neuwahlen. Daß sich aber überhaupt jemand zur Wahl stellt, sollte schon eine Voraussetzung sein.

Abgesehen davon - wie es hier schon mehrfach erwähnt wurde - finde auch ich es nicht so schlecht, keine handlungsfähige Regierung zu haben. Damit assoziiere ich vor allem keine neuen Zonen, wo ich nicht mehr hin darf (wie diese Spritverbrauchserhöhungszonen, weil viele Leute jetzt (lange) Umwege fahren müssen, wofür ich eine Plakette brauche für einen Wagen, der noch vor 2 Jahren gefördert wurde), keine Erfindung neuer Bürokratien, keine Ausweitung der Regulierung und weitere Beschädigung der Marktwirtschaft, keine Steuererhöhungen und Einführung neuer Abgaben, keine Ausweitung von Subventionen, keine neue Überwachung, keine weitere Beschneidung der Bürgerrechte und was sonst noch so an lustigen Sachen beschlossen werden kann.

Wenn die Abgeordneten also nicht regieren wollen, dann nur zu!

Falls man am Ende doch auf den Trichter kommt, daß eine Regierungsbildung aufgrund der festgefahren Situation nicht möglich ist, dann sollte man vor Neuwahlen auf jeden Fall das Wahlrecht in der Weise ändern, daß ein Patt in Zukunft ausgeschlossen ist.

MfG

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.03.2008 10:57
#7 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Jetzt warten wir doch erst einmal noch ein paar Wochen ab, bis sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat.

Speziell bei der SPD habe ich den Eindruck, daß die sich am Wochenende in eine fast hysterische Stimmung reingesteigert haben - die haben bei ihrer Anti-Metzger-Sitzung am Samstag in Frankfurt wohl geglaubt, die Macht wäre zum Greifen nahe, und dabei völlig ausgeblendet, wie die Stimmung außerhalb ist und wieviele Hindernisse sonst noch im Wege liegen.
Wenn die jetzt die Presseschau vom Montag lesen, die Reaktionen der Grünen oder der SPD-Bundesführung, Rückmeldung von ihrer Basis aus den Wahlkreisen bekommen - dann wird dem Rausch schon der Kater gefolgt sein.

Und dann werden wohl auch die SPD-Linken feststellen, daß die Yps trotz aller Solidaritätsschwüre ihre politische Zukunft hinter sich hat - die wird in Hessen nichts mehr. Dieses Schauspiel an widerlicher Machtgier und Skrupellosigkeit hat verheerende Publikumswirkung gehabt, Ypsis Wahlchancen sind minimiert worden.

Das braucht jetzt einige Zeit, bis sich das rumgesprochen hat und in den parteiinternen Diskussion auch mal die Alternativen durchdacht wurden - dann ist wieder viel möglich.

Was Koch betrifft: Ich persönlich glaube, daß er nur noch am Amt festhält, um sich möglichst teuer zu verkaufen. An ihm wird aber z. b. Jamaika nicht scheitern.

Eher schon an den Grünen - aber auch da wird es wohl hinter den Kulissen ein Umdenken geben. Die diversen Äußerungen und Interviews zeigen ein tiefes Befremden angesichts der Vorgänge in der SPD.
Noch lehnen die Grünen Jamaika ab, vielleicht bleiben sie auch dabei - aber gerade ein Al-Wazir wird sich allmählich darüber im Klaren sein, daß dies seine einzige Option ist, wenn er nicht als ewiger Oppositioneller enden möchte.

Bei der FDP sind die bundespolitischen Lockerungsübungen für Hessen wenig relevant: Ganz abgesehen von den schon bestehenden Problemen und inhaltlichen Differenzen hat sich die hessische SPD die letzten Tage wirklich nicht als vernünftiger Partner empfohlen.

Ich sehe noch lange keine Neuwahlen. Es gibt zu viele Leute, die davor Angst haben müssen - und doch noch einige Möglichkeiten, mit anderen Spitzenpersonal Regierungskoalitionen zu bilden.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.03.2008 21:13
#8 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Zitat von C.
natürlich sind Neuwahlen vernünftig, aber es gibt natürlich unter erwachsenen Menschen noch eine Reihe anderer vernünftiger Ideen um aus dieser Situation herauszukommen.

... die vielleicht sogar realistisch sind; denn die SPD wird sich gegen Neuwahlen mit Händen und Füßen wehren.
Zitat von C.
Weder Hessen noch das Land hat die Krise, sondern vor allem die SPD (die wird geradezu geschüttelt) und ein klein wenig die Grünen.

Da bin ich nicht so sicher, dear C. Oder eigentlich: Ich bin ziemlich sicher, daß diese Krise ansteckend ist.

Man kann durchaus argumentieren, daß erst in diesem Jahr die Bonner Republik zu Ende geht. Denn das war eine Republik mit stabilen politischen Verhältnissen.

Die Krise der SPD ist ja nicht in Hessen entstanden. So wenig, wie es am Lackmus liegt, ob eine Substanz sauer oder basisch reagiert.

Die Krise der SPD ist die Krise unseres Landes, weil es an der SPD liegt, zu entscheiden, ob wir instabile Verhältnisse ohne Machtbeteiligung der Kommunisten oder stabile mit ihnen bekommen. Skylla oder Charybdis, das habe ich ja schon mal geschrieben.
Zitat von C.
dann ist es ja auch schnuppe wie die Wahl 2009 ausgeht, für 2013 steht die linke Mehrheit und zwar nicht nur gefühlt.

Die Linke hat eine strukturelle Mehrheit in der neuen Bundesrepublik. So, wie in der alten die Rechte eine strukturelle Mehrheit hatte.

Das heißt aber nicht, daß wir nur noch linke Regierungen haben werden. Es gibt genug Wähler "in der Mitte", um die Waage mal in die eine, mal in die andere Richtung zu neigen.

Das Problem ist nur, daß in jeder Periode, in der die Volksfront an der Macht wäre, das Land so weit in Richtung Niedergang befördert werden würde, daß das durch Regierungsperioden der Rechten nicht mehr aufgefangen werden könnte.

Ganz abgesehen davon, daß mit jeder Regierungsbeteiligung von Kommunisten die Unterwanderung des Staatsapparats ein Stück weiter vorankäme, bis die Demokratie reif geschossen ist zum Sturm durch die "demokratischen Sozialisten".

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.03.2008 21:30
#9 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber str1977,

Zitat von str1977
also hat sie nach Mehrheitsbeschaffern gesucht - daher das (durch das fehlende Sachangebot unrealistische) Werben um die FDP,

... das meines Erachtens nur dazu diente, ein Alibi für die Volksfront zu bekommen; der FDP war der Schwarze Peter zugedacht.
Zitat von str1977
daher dann der Entschluß auf die Linken zu bauen.

Laut gedrucktem "Spiegel" (9/08, S. 23) hat sie diesen Entschluß ja schon am Wahlabend gefaßt. Sie wollte und will eine "linkere SPD", schrieb der "Spiegel".

Da würde sie sich doch nicht die FDP als Klotz ans Bein binden!
Zitat von str1977
Aber bisher gab es keinen Versuch zu einer Großen Koalition. Und auch die Jamaika-Koalition wäre ja möglich.

Gewiß, lieber str1977. Vielleicht kommt ja auch etwas von dieser Art. Mein Plädoyer für Neuwahlen sollte zeigen, was meines Erachtens vernünftig wäre. Nicht, weil solche Konstruktionen, wie Sie sie nennen, nicht möglich wären. Sondern weil sie nichts an dem vergifteten Klima ändern würden.

Neuwahlen wären eine Rückkehr zu so etwas wie politischem Anstand, nach diesem unerträglichen Lehrstück in Lüge und Trickserei: in dem, was für Franz Walter große Politik ist.
Zitat von str1977
Die Schadenfreude, Frau Ypsilon vom Wähler bestraft zu sehen, wird mehr als wieder wettgemacht durch eine eventuelle Stärkung der Linken und sogar eine etwaige Legitimierung einer solchen Regierung.

Wenn sie vom Wähler, dem man vorher ehrlich sagt, was man will, gewählt wird, dann soll eine solche Regierung auch regieren.

Nur glaube ich nicht, daß sie gewählt werden würde.

Denn der Trick bestand ja darin, eine Ypsi zu landen, indem man sich mit dem Versprechen, nicht mit den Kommunisten zu kooperieren, die Wähler in der Mitte holte, um dann mit dem Bruch dieses Versprechens die Stimmen im Landtag links zu holen.

Das ist nicht, wie Franz Walter meint, große politische Kunst, sondern es ist elender Beschiß.

Und anders, als dieser Politologe es sich denkt, besteht das Volk nicht aus Schwachsinnigen, die das nicht merken.

Deshalb wäre es schon gut, wenn es das auch bei Neuwahlen ausdrücken könnte, das Volk, daß es den Beschiß gemerkt hat. Nur - just deshalb wird die SPD Neuwahlen verhindernt.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.03.2008 21:42
#10 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber RexCramer,

Zitat von RexCramer
Daß das, was dem Wähler lang und breit erzählt wurde, hinterher nichts mehr wert ist, ist eine Sache, aber Neuwahlen sind für mich noch eine spur härter: die Verweigerung des Willens des Souveräns, die Verhöhnung des Volkes durch deren Vertreter.

Generell sehe ich das auch so und habe es ja am Beginn des Artikels geschrieben. Nur scheint mir in diesem Fall nichts zu bleiben als Neuwahlen, wenn man aus diesem Sumpf des Tricksens und Täuschens herauskommen will.
Zitat von RexCramer
Neuwahlen abzuhalten, obwohl kein Kandidat sich einer Abstimmung gestellt hat, halte ich für unerträglich.

Das muß ja nicht sein. Von mir aus soll Frau Ypsilanti sich zur Wahl stellen, bevor der Landtag aufgelöst wird.
Zitat von RexCramer
Abgesehen davon - wie es hier schon mehrfach erwähnt wurde - finde auch ich es nicht so schlecht, keine handlungsfähige Regierung zu haben. Damit assoziiere ich vor allem keine neuen Zonen, wo ich nicht mehr hin darf (wie diese Spritverbrauchserhöhungszonen, weil viele Leute jetzt (lange) Umwege fahren müssen, wofür ich eine Plakette brauche für einen Wagen, der noch vor 2 Jahren gefördert wurde), keine Erfindung neuer Bürokratien, keine Ausweitung der Regulierung und weitere Beschädigung der Marktwirtschaft, keine Steuererhöhungen und Einführung neuer Abgaben, keine Ausweitung von Subventionen, keine neue Überwachung, keine weitere Beschneidung der Bürgerrechte und was sonst noch so an lustigen Sachen beschlossen werden kann.

Da sind wir verschiedener Meinung, lieber RexCramer.

Da wo die Regierung schwach ist (irgendeine gibt es ja immer, notfalls eine geschäftisführende; sogar in Belgien ), da wächst ja nicht die Freiheit. Sondern da ist die Bürokratie stark.

Man kann das in Frankreich studieren, wo in der Vierten Republik aller Regierungen schwach waren, mit Ausnahme vielleicht der von Mendès-France. In dieser Zeit wurde das Land weitgehend von der Bürokratie regiert. Mehr Freiheit gab es gewiß nicht als heute in der Fünften Republik; eher weniger.
Zitat von RexCramer
Falls man am Ende doch auf den Trichter kommt, daß eine Regierungsbildung aufgrund der festgefahren Situation nicht möglich ist, dann sollte man vor Neuwahlen auf jeden Fall das Wahlrecht in der Weise ändern, daß ein Patt in Zukunft ausgeschlossen ist.

Ja, das hatte ich erst im Entwurf meines Artikels stehen und habe es dann rausgenommen, weil es nicht in dessen Aufbau paßte: Daß man doch bitte die Zahl der Abgeordneten hin zu einer ungeraden Zahl ändern soll. Das sollte eigentlich in jedem Parlament inzwischen passiert sein.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.03.2008 22:02
#11 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber R.A.,

Zitat von R.A.
Speziell bei der SPD habe ich den Eindruck, daß die sich am Wochenende in eine fast hysterische Stimmung reingesteigert haben - die haben bei ihrer Anti-Metzger-Sitzung am Samstag in Frankfurt wohl geglaubt, die Macht wäre zum Greifen nahe, und dabei völlig ausgeblendet, wie die Stimmung außerhalb ist und wieviele Hindernisse sonst noch im Wege liegen.

Ja, das klingt einleuchtend. Vor allem vor dem Hintergrund dessen, daß die hessische SPD sich eben als die sozusagen geborene Regierungspartei sieht.

Das ist ungefähr so, wie wenn ein Mann hinnehmen mußte, daß seine Frau einen Liebhaber ins Haus geholt hat. Jetzt endlich stand der davor, den Burschen rauszuwerfen und wieder seinen angestammten Platz einzunehmen - und dann versucht das jemand zu durchkreuzen.
Zitat von R.A.
Und dann werden wohl auch die SPD-Linken feststellen, daß die Yps trotz aller Solidaritätsschwüre ihre politische Zukunft hinter sich hat - die wird in Hessen nichts mehr. Dieses Schauspiel an widerlicher Machtgier und Skrupellosigkeit hat verheerende Publikumswirkung gehabt, Ypsis Wahlchancen sind minimiert worden.

Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich bin da gar nicht sicher. Ypsilanti dürfte nicht schlimmer sein als viele, die heute in der SPD dominieren. Das sind ja nicht mehr Leute vom Typus Helmut Schmidt, Jochen Vogel oder Johannes Rau. Das sind Leute wie Ulla Schmidt.
Zitat von R.A.
Was Koch betrifft: Ich persönlich glaube, daß er nur noch am Amt festhält, um sich möglichst teuer zu verkaufen. An ihm wird aber z. b. Jamaika nicht scheitern.

Ihm wurden ja immer Ambitionen in Berlin nachgesagt. So, wie ich ihn einschätze, hat ihn das Wahlergebnis tief getroffen; wie auch die Hexenjagd, die gegen ihn veranstaltet wurde. Er war ja eine Zeitlang regelrecht abgetaucht (ich dachte schon, vielleicht ist er zum Meditieren in ein Kloster gegangen ).

Wäre er nicht der ideale Verteidigungsminister? Und warum will Jung eigentlich nicht zurück nach Hessen?
Zitat von R.A.
Bei der FDP sind die bundespolitischen Lockerungsübungen für Hessen wenig relevant

Das scheint mir auch; ich habe mich gewundert, daß Westerwelles Bemerkungen zum Teil so verstanden wurde, als würde jetzt die hessische FDP doch von ihrem Wahlversprechen abrücken. Davon kann meines Erachtens keine Rede sein.
Zitat von R.A.
Ich sehe noch lange keine Neuwahlen.

Ich ja auch nicht. Noch mal - ich habe es gerade in einem anderen Beitrag geschrieben - : Ich wollte in dem Artikel sagen, was meines Erachtens vernünftig wäre. Nicht, was vermutlich passieren wird.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

11.03.2008 22:04
#12 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Freut mich, lieber Rayson, daß der Artikel dir gefallen hat. Meine Wertschätzung deines Urteils kennst du ja.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

12.03.2008 15:44
#13 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber Zettel,

Zitat von Zettel
Generell sehe ich das auch so und habe es ja am Beginn des Artikels geschrieben. Nur scheint mir in diesem Fall nichts zu bleiben als Neuwahlen, wenn man aus diesem Sumpf des Tricksens und Täuschens herauskommen will.


als Beobachter dieses bunten Treibens sehe ich das ebenfalls so. Auf der anderen Seite hat aber niemand die Protagonisten dazu gezwungen, sich in so eine Lage zu bringen. Daß sie da jetzt scheinbar aus eigener Kraft nicht wieder herauskommen, sieht für mich nicht danach aus, als ginge es hier darum, Verantwortung für das Land zu übernehmen, sondern eher nach Kindergarten. Ich finde, wer das will, der muß mit der Situation klarkommen, ohne nach Mami (dem Wähler) zu rufen.

Darüber hinaus haben sie sich schon das Wahlergebnis indirekt selbst eingebrockt, denn immer mehr Menschen sind es leid, daß seit vielen, vielen Jahren munter Bürokratie ausgeweitet und neue Steuern und Abgaben erfunden werden, aber sich bei dringend notwendigen Strukturreformen buchstäblich nichts bewegt. Daß mehr Nicht- und Protestwähler die Folge sind, ist nur normal. Es ist geradezu traurig, daß der Denkzettel, der ihnen vom Volk verpaßt wurde, immer noch nicht verstanden wurde. Das ist für mich ein Grund, weshalb ich die Fortsetzung der verfahrenen Situation noch eine ganze Weile für gut halte, zumindest bis endlich mal ein Lerneffekt eintritt und möglicherweise Parteien sich darauf besinnen, zur Abwechslung mal wieder Politik fürs Volk zu machen (ja, ich weiß, ein frommer Wunsch, aber ich bin halt Optimist).

Das ist nun alles Ansichtssache, aber einen handfesten Grund habe ich noch, der gegen Neuwahlen spricht: Parteien könnten sich in Zukunft erst recht zu abenteuerlichen Aussagen vor Wahlen hinreißen lassen, und wenn dann hinterher nichts geht, könnte das Beispiel Schule machen und wir erleben in Zukunft häufiger, daß der Wähler erneut befragt werden soll. Das kann dauerhaft nicht die Lösung sein.

Zitat von Zettel
Da sind wir verschiedener Meinung, lieber RexCramer.
Da wo die Regierung schwach ist (irgendeine gibt es ja immer, notfalls eine geschäftisführende; sogar in Belgien ), da wächst ja nicht die Freiheit. Sondern da ist die Bürokratie stark.
Man kann das in Frankreich studieren, wo in der Vierten Republik aller Regierungen schwach waren, mit Ausnahme vielleicht der von Mendès-France. In dieser Zeit wurde das Land weitgehend von der Bürokratie regiert. Mehr Freiheit gab es gewiß nicht als heute in der Fünften Republik; eher weniger.


Das ist ein gutes Argument. Leider kann ich bei weitem mit Ihrer Sachkenntnis dbzgl. nicht mithalten, so daß ich meine Meinung hier anpasse. Bleibt mir aber noch zu erwähnen, daß ich es mir gar nicht vorstellen kann, daß sich da groß was ändert, so wie mich Bürokratie jetzt schon nervt.


MfG

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.03.2008 18:04
#14 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Zitat von RexCramer
Ich finde, wer das will, der muß mit der Situation klarkommen, ohne nach Mami (dem Wähler) zu rufen.

Ging's nur um die Beteiligten, lieber RexCramer - einverstanden. Aber ich habe halt, wie gesagt, die Befürchtung, daß in dieser Krise der hessischen SPD der Virus für eine Krise der SPD überhaupt und damit eine Krise unseres Parteiensystems steckt.
Zitat von RexCramer
Es ist geradezu traurig, daß der Denkzettel, der ihnen vom Volk verpaßt wurde, immer noch nicht verstanden wurde. Das ist für mich ein Grund, weshalb ich die Fortsetzung der verfahrenen Situation noch eine ganze Weile für gut halte, zumindest bis endlich mal ein Lerneffekt eintritt und möglicherweise Parteien sich darauf besinnen, zur Abwechslung mal wieder Politik fürs Volk zu machen (ja, ich weiß, ein frommer Wunsch, aber ich bin halt Optimist).

Ich sehe eigentlich kein Problem bei den "Parteien". Die machen ja im Großen und Ganzen ihre Sache so gut, wie man das in einem parlamentarischen System von ihnen erwarten kann.

Das Problem ist die SPD.

Es gibt ein strukturelles Problem, das sie immer schon hatte: Sie besteht zu einem (meist größeren) Teil aus guten Demokraten, die geschichtlich ungeheuer viel für unsere Demokratie geleistet haben, von Friedrich Ebert bis Helmut Schmidt und Johannes Rau. Es gibt in der SPD aber auch Sozialisten, denen die Kommunisten näherstehen als die CDU oder die FDP und die eine andere Republik wollen.

Normalerweise ist diese "SPD-Linke" in der Minderheit. Durch das Erstarken der Kommunisten ist sie aber jetzt in der SPD im Aufwind; die Wahl von Ypsilanit zur Spitzenkandidatin war eine Folge davon.

Und es gibt zu diesem schon lange schwelenden strukturellen Problem jetzt das aktuelle Problem, daß sie in Hessen eine Trickserin an der Spitze haben, die noch dazu derart ungeschickt getrickst hat, daß es jetzt diesen Schlamassel gibt.
Zitat von RexCramer
... aber einen handfesten Grund habe ich noch, der gegen Neuwahlen spricht: Parteien könnten sich in Zukunft erst recht zu abenteuerlichen Aussagen vor Wahlen hinreißen lassen, und wenn dann hinterher nichts geht, könnte das Beispiel Schule machen und wir erleben in Zukunft häufiger, daß der Wähler erneut befragt werden soll. Das kann dauerhaft nicht die Lösung sein.

Das ist ein starkes Argument, das muß ich einräumen.

Nur auf die SPD bezogen kann ich Ihre Haltung nachvollziehen, sie jetzt das ausbaden zu lassen, was sie angerichtet hat.

Nur ist das aus meiner Sicht a bisserl wie dieses "Geschieht meinen Eltern ganz Recht, wenn ich mir die Hände erfriere, warum kaufen sie mir keine Handschuhe". Denn letzten Endes müssen wir alle es ja ausbaden, wenn unser Parteiensystem nicht mehr funktioniert.

Das ist ja auch die Sorge von Roman Herzog.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

12.03.2008 21:51
#15 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Machen die Parteien ihre Sache so gut, wie man das in einem parlamentarischen System von ihnen erwarten kann?

Mmhm. Welche Rolle spielen die Parteien in dem parlamentarischen System? Eine viel größere als das GG vorsieht und hier liegt das Problem. Die Parteien machen in ihrem eienem Sinne ihre Sache besser als das GG vorsieht, denn das sieht Abgeordnete vor, die allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Artikel 38 GG.)


Zitat von Zettel
Das Problem ist die SPD.


Nein, die SPD hat Probleme, allerdings wird dabei überdeckt dass Grüne, FDP und CDU/CSU auch schwere Probleme haben, selbst die Linkspartei hat welche, allerdings sind die gerade in der Champagnerlaune etwas ersoffen.

Die Abgeordneten sind gezwungen sich nicht als Vertreter des ganzen Volkes zu sehen, sondern als Vertreter der Parteien zu ihrem eigenem Wohl und besonders dem wohl exponierter Parteienvertreter. Das Volk spielt lediglich bei der Wahl eine Rolle. Natürlich könnte man einwenden, dass dem Mitwirken in einer Partei nichts entgegensteht. Dagegen spricht allerdings die erlebte Praxis schon in den Parteiniederungen wie den Ortsverbänden, die das urplötzlich aufkeimende Engagement schon vor der Blüte erstickt.

Einen weiteren bedenklichen Faktor für unser parlamentarische Demokratie sehe ich in der Eitelkeit der vierten lediglich durch Auflagenhöhe und Einschaltquoten legitimierten vierten Gewalt, die aktiv Machtmissbrauch betreibt, zum Teil aus ideologischem Interesse, zum teil aus Faulheit oder Dummheit. Die Medien haben ohne dazu legitimiert zu sein sich der politischen Willensbildung des Volkes verschrieben, was allerdings 1. die Aufgabe der Parteien wäre und darüberhinaus Volkserziehungscharakter hat.

Zurück zur SPD. Nein, sie befindet sich in keiner Krise, sie findet lediglich derzeit nur wenig Zuspruch und hat das Problem ihr in Hamburg verabschiedetes Programm des demokratischen Sozialismus durchzusetzen.

Dieses Problem würde nicht existieren, wenn sich die SPD in der Opposition befinden würde, die derzeitige Regierungsbeteiligung ist Gift für sie. Die SPD braucht eine regierungsfreie Phase zur sozialistischen Regenerierung. Diese wird ihr aller voraussicht nach bei der nächsten Bundestagswahl gewährt werden, vor allem wenn sie mit Kurt Beck in den Wahlkampf ziehen wird. wa zur zeit verwirrend oder gar idiotisch wirkt, ist Bestandteil einer Strategie, die dem Hamburger Programm entspringt.

Der Wähler ist jetzt informiert, dass es in den Ländern zu rot-roten Koalitionen kommen wird, zur Not werden auch noch die Grünen miteingebunden, aber auch nur wenn es unbedingt notwendig sein sollte. Die SPD wird sich mit der Linkspartei nur in soweit auseinandersetzen, dass diese koalitionsfähig wird, der politische Gegner wird die CDU und im besonderen die Person von Angela Merkel sein.












Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.03.2008 23:41
#16 Die Rolle der Parteien und die Balance of Powers Antworten

Zitat von C.
Machen die Parteien ihre Sache so gut, wie man das in einem parlamentarischen System von ihnen erwarten kann?

Mmhm. Welche Rolle spielen die Parteien in dem parlamentarischen System? Eine viel größere als das GG vorsieht und hier liegt das Problem. Die Parteien machen in ihrem eigenen Sinne ihre Sache besser als das GG vorsieht, denn das sieht Abgeordnete vor, die allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Artikel 38 GG.)

Das, dear C., ist der rechtliche Status des Abgeordneten. Als solcher existiert er unverändert; das sieht man ja daran, daß sich Dagmar Metzger erfolgreich seiner bedienen kann.

Daß wir in einer Parteiendemokratie leben, die so nicht von den Vätern des GG beabsichtigt war, ist auch wahr. Nur haben sie dafür, ohne es zu wollen, die Weichen gestellt.

Sie haben die Weichen dadurch gestellt, daß ihnen - so gut das GG weitgehend ist - die Balance of Powers schlecht gelungen ist.

Sie sahen eines der Übel der Weimarer Demokratie in der zu großen Macht des Reichspräsidenten, und sie haben dem Bundesrpräsidenten zu wenig Macht gegeben.

Der Bundespräsident ist zu schwach, um ein Gegengewicht gegen die Parteien zu bilden (und die Verfassungswirklichkeit macht ihn noch viel schwächer, als das vom GG vorgesehen war). Da der Präsident schwach ist, hängt die Regierung nicht von ihm ab, sondern vom Parlament. Und dort herrschen logischerweise die Parteien.

Horst Köhler hat sich das offenbar gut überlegt, als er eine Direktwahl des Präsidenten ins Spiel brachte. Denn wer sonst als der Präsident sollte, zusammen mit dem BVG, ein Gegengewicht gegen die Parteienherrschaft bilden?

Wobei, dear C., ich mir vorstellen könnte, daß wir uns bald die Herrschaft der Parteien zurückwünschen, die wir jetzt haben. Wenn wir nämlich entweder die Herrschaft der Volksfront haben werden oder Instabilität als Dauerzustand.

Übrigens: Laut aktuellem Deutschlandtrend liegt Schwarzgelb bei 47 Prozent, die Volksfront bei 50 Prozent. Trotz aller hessischer Querelen.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

31.03.2008 11:54
#17 RE: Für Neuwahlen in Hessen Antworten

Lieber Zettel,

Zitat von Zettel
Aber ich habe halt, wie gesagt, die Befürchtung, daß in dieser Krise der hessischen SPD der Virus für eine Krise der SPD überhaupt und damit eine Krise unseres Parteiensystems steckt.
...
Denn letzten Endes müssen wir alle es ja ausbaden, wenn unser Parteiensystem nicht mehr funktioniert.


zu diesem Thema wollte ich schon lange antworten. Tut mir leid, daß ich das erst jetzt mache. An Aktualität hat es ja "zum Glück" nichts eingebüßt.

Ich schließe mich Ihrer treffenden Analyse an - bis auf einen Punkt bzgl. dieses Zitates: Sie empfinden diese Krise (ob es nun schon eine ist oder erst noch wird) offenbar als bedrohlich, ich nicht.

Reformen innerhalb des politischen Systems, bspw. die des Wahlrechtes, wurden hier im Forum ja schon reichlich angesprochen. Daß wir uns hier Änderungen wünschen, dürfte unstreitig sein. Doch wie erreichen wir diese?
Dieser angeblich so grandiose Aufschwung am Arbeitsmarkt wird im wesentlichen dadurch gespeist, daß Geringqualifizierte mittels Druck in schlechtbezahlte Jobs gezwungen werden, durch massive Statistikfälschungen und konjunkturelle Komponenten. Vom Abbau der hohen strukturellen Arbeitslosigkeit ist weit und breit nichts zu sehen. Man hält sich auch hier mit Trickserei und Täuschung über Wasser - echte Arbeitsmarktreformen: Fehlanzeige. Was muß im "Steuersystem" noch passieren, das ein einziges Chaos ist, damit es endlich reformiert wird? Statt das Gesundsheitssystem zu entrümpeln, wird mit dem unsäglichen Fonds sogar noch eine weitere bürokratische Ebene zusätzlich geschaffen, als ob das irgendwas bringen könnte. Mir fällt es schwer zu sehen, wie echte Reformen überhaupt möglich sein sollen, ohne deutlichen Protest aus der Bevölkerung. Man sieht es ja, daß das Erstarken von extremistischen Parteien immer noch kein Grund für die demokratischen ist, endlich Sachfragen und Probleme zu erörtern und zu lösen. Worauf warten sie eigentlich?
In diesem Sinne ist in meinen Augen eine handfeste Krise in unserem Parteiensystem eine Voraussetzung dafür, ohne die ich mir nicht vorstellen kann, wie es sonst überhaupt zu Reformbemühungen kommen könnte.

MfG

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

31.03.2008 17:03
#18 Warum der Zustand der SPD bedrohlich für uns alle ist Antworten

Zitat von RexCramer
Man sieht es ja, daß das Erstarken von extremistischen Parteien immer noch kein Grund für die demokratischen ist, endlich Sachfragen und Probleme zu erörtern und zu lösen. Worauf warten sie eigentlich?

Ich fürchte, lieber RexCramer, das Erstarken der Extremisten - im Augenblick ja nur der Kommunisten - ist genau das, was durchgreifende Reformen verhindert.

Die SPD ist ja dabei, die Agenda 2010 Punkt für Punkt zu demontieren, weil ihr die Kommunisten im Nacken sitzen. Und die CDU rutscht in der Reaktion darauf (und natürlich wegen der Großen Koalition) ebenfalls nach links. Zumal ihr fähigster Liberaler, Friedrich Merz, im persönlichen Duell mit Angela Merkel (die ich nach wie vor, anders als viele andere, auch zum liberalen Flügel rechne) außer Gefecht gesetzt wurde.

Oder anders gesagt: Die zaghaften Liberalisierungen am Ende der rotgrünen Regierung waren nur möglich, weil damals die Kommunisten vergleichsweise schwach waren, jedenfalls auf Bundesebene.




Der SPD (ihrer demokratisch gesonnenen Mehrheit, ihren großen Führeren von Friedrich Ebert bis Helmut Schmidt) ist immer die Rolle zugefallen, sozusagen die linke Flanke des demokratischen Rechtsstaats zu schützen (so, wie die CDU und vor allem die CSU immer seine rechte Flanke geschützt hat).

Meist hat das funktioniert; sogar in den turbulenten 70er Jahren, als viele Jusos zwar den Bund mit den Kommunisten geschlossen hatten, aber die Parteiführung mit Entschlossenheit verhinderte, daß dieser Virus die ganze Partei befiel. Damals hagelte es ja Parteiausschlüsse wegen Kooperation mit Kommunisten; etwas, das man sich heute kaum noch vorstellen kann.

Also, lieber RexCramer, wenn die SPD nicht nur am Rand eine Grauzone zu den Kommunisten hat, sondern wenn - wie jetzt - die Führung selbst wackelt, dann ist das für mich im Wortsinn Alamrstufe Rot.

Und - um zum Ausgangspunkt zurückzukommen - an Reformen ist solange nicht zu denken, wie die Kommunisten eine so starke Position haben wie jetzt. Dank der SPD (denn ihre Erfolge basieren ja wesentlich auch darauf, daß Wowereit sie in Berlin in die Regierung geholt hat; das war der Schritt, durch den sie hoffähig wurde).

Jetzt kommt natürlich, Sie ahnen es, das unweigerliche Ceterum Censeo: Es hilft (nein: es hülfe, denn passieren wird es ja nicht) nur ein Mehrheitswahlrecht.
Zitat von RexCramer
In diesem Sinne ist in meinen Augen eine handfeste Krise in unserem Parteiensystem eine Voraussetzung dafür, ohne die ich mir nicht vorstellen kann, wie es sonst überhaupt zu Reformbemühungen kommen könnte.

Diese Überlegung ist folgerichtig. Sie erinnert mich an die Sonthofener Rede von Franz Josef Strauß, in der er sagte: "Es muß alles erst viel schlimmer werden ...", bevor eine Wende einträte.

Die Wende ist damals aber nicht durch den Wähler herbeigeführt worden, sondern 1982 durch den Grafen Lambsdorff und durch Hans Dietrich Genscher.

Ist Ihnen das aufgefallen? Trotz des jämmerlichen Zustands der SPD hat bei fast allen Umfragen die Volksfront eine Mehrheit. Der SPD laufen die Wähöer davon, aber zu den Kommunisten oder den Grünen.

Ich fürchte, eine Krise unseres Parteiensystems würde weder zu einer Änderung des Wahlrechts führen, noch zu durchgreifenden Reformen, sondern sie würde die Volksfront an die Macht bringen.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2008 01:12
#19 RE: Warum der Zustand der SPD bedrohlich für uns alle ist Antworten

Lieber Zettel,

Zitat von Zettel
Ich fürchte, lieber RexCramer, das Erstarken der Extremisten - im Augenblick ja nur der Kommunisten - ist genau das, was durchgreifende Reformen verhindert.


Ursache und Wirkung sehe ich hier genau andersrum als Sie: Ich denke, die Wahlerfolge extremistischer Parteien (egal, ob wir nun von der NPD in Sachsen oder dem Einzug der SED-Nachfolgepartei in westdeutsche Parlamente reden) sind die Folge der zunehmenden Unzufriedenheit mit den demokratischen Parteien. Zuviele Probleme wurden aufgeschoben, ignoriert, dilettantisch angegangen usw.
Bei diesem Thema muß ich manchmal an "Sabine Christiansen" denken, an eine Sendung lange vor der letzten Bundestagswahl, als Schwarz-Gelb laut Umfragen locker vorne lag, in der die große Steuerreform diskutiert wurde. Es waren einige Fachleute geladen, es ging um Stufentarife, Flat Tax, Negativsteuer usw. - eine sachliche und vernünftige Diskussion. Gegen Ende der Sendung ging die Moderatorin zu einem im Publikum sitzenden Holländer, ein ebenfalls sachkundiger Mann, und stellte ihm die Frage, welchen der Vorschläge und aus welchem Grund er denn für Deutschland empfehle, auch angesichts seiner Erfahrungen mit den Erfolgen der Reformen in den Niederlanden. Alle warteten ganz gespannt, doch er ging darauf überhaupt nicht ein, sondern sagte stattdessen: "Jedes dieser vorgeschlagenen Systeme ist gut und bei weitem besser als ihr jetziges. Hören sie auf zu diskutieren und entscheiden sie sich. Warten sie nicht länger, sondern handeln sie!"
Der Mann hatte es auf den Punkt gebracht: Uns mangelt es nicht an guten Ideen und Konzepten, sondern es wird alles zerredet und so gut wie nichts umgesetzt! Von diesem Stillstand haben die Menschen die Faxen dicke.
Ein anderer Grund bestärkt mich in dieser Ansicht, denn wenn man sich Wählerwanderungen etc. anguckt, dann stellt man schnell fest, daß das Potenzial für rechts- wie linksextreme Parteien, also diejenigen, die diesen Schwachsinn tatsächlich glauben, gar nicht so bedrohlich groß ist, sondern ein beträchtlicher Teil Protestwähler sind, die sich endlich eine bessere Politik wünschen, auch wissen, daß sie sie so nicht bekommen, aber in ihrer Hilflosigkeit sich nicht mehr anders zu helfen wissen, wie sie den demokratischen Parteien für ihre Versäumnisse sonst einen Denkzettel verpassen können.
In diesem Sinne sind die jüngsten Wahlausgänge nicht der Grund für ausbleibende Reformen, sondern deren Ergebnis.

Zitat von Zettel
Die SPD ist ja dabei, die Agenda 2010 Punkt für Punkt zu demontieren, weil ihr die Kommunisten im Nacken sitzen. Und die CDU rutscht in der Reaktion darauf (und natürlich wegen der Großen Koalition) ebenfalls nach links. Zumal ihr fähigster Liberaler, Friedrich Merz, im persönlichen Duell mit Angela Merkel (die ich nach wie vor, anders als viele andere, auch zum liberalen Flügel rechne) außer Gefecht gesetzt wurde.


Ja, das ist das, was wir beobachten und mich ziemlich staunen läßt: Statt endlich konkrete Probleme zu lösen, ist ein Überbietungswettberb in Gang gekommen, wer mehr Heilsversprechen macht. Den kann man gegen Extremisten nie gewinnen, denn je weniger Regierungsverantwortung eine Partei trägt, desto abenteuerlichere Forderungen kann sie stellen.
Das ist allerdings eine Entwicklung, die ich so nicht erwartet hätte, daß Grüne, SPD und CDU nun über die Stöckchen springen, die ihnen von links hingehalten werden.

Zitat von Zettel
Oder anders gesagt: Die zaghaften Liberalisierungen am Ende der rotgrünen Regierung waren nur möglich, weil damals die Kommunisten vergleichsweise schwach waren, jedenfalls auf Bundesebene.


Ich weiß nicht. Es ist ja nicht so, daß man vorher nicht Jahrzehnte Zeit gehabt hätte, ein einfaches, gerechtes und transparentes Steuersystem einzuführen.

Zitat von Zettel
Also, lieber RexCramer, wenn die SPD nicht nur am Rand eine Grauzone zu den Kommunisten hat, sondern wenn - wie jetzt - die Führung selbst wackelt, dann ist das für mich im Wortsinn Alamrstufe Rot.


Ohne Zweifel, das ist eine gefährliche Entwicklung. Dennoch bin ich der Meinung, befaßten sich die demokratischen Parteien endlich mit den massiven und unübersehbaren strukturellen Problemen des Landes, erledigte sich das Problem an den politischen Rändern weitgehend von selbst. Jedenfalls ist das meine Überzeugung, daß aufkommender Extremismus auch immer ein Versagen demokratischer Kräfte ist.

Zitat von Zettel
Und - um zum Ausgangspunkt zurückzukommen - an Reformen ist solange nicht zu denken, wie die Kommunisten eine so starke Position haben wie jetzt. Dank der SPD (denn ihre Erfolge basieren ja wesentlich auch darauf, daß Wowereit sie in Berlin in die Regierung geholt hat; das war der Schritt, durch den sie hoffähig wurde).


Ein wenig hege ich ja noch die Hoffnung, daß das gerade ein Grund für echte Reformen sein könnte - schon aus eigenem Interesse, denn den Niedergang von sich selbst kann sich niemand wünschen.
Andererseits bekommt das Volk auch immer die Politik, die es verdient ...

Zitat von Zettel
Ist Ihnen das aufgefallen? Trotz des jämmerlichen Zustands der SPD hat bei fast allen Umfragen die Volksfront eine Mehrheit. Der SPD laufen die Wähöer davon, aber zu den Kommunisten oder den Grünen.
Ich fürchte, eine Krise unseres Parteiensystems würde weder zu einer Änderung des Wahlrechts führen, noch zu durchgreifenden Reformen, sondern sie würde die Volksfront an die Macht bringen.


Momentan schon, leider. Ich bin halt Optimist und hoffe, daß es sich doch genug Wähler überlegen werden und ins bürgerliche Lager wechseln.

MfG

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