Eine mutige cubanische Bloggerin, Yoani Sánchez, stand auf der Liste der Themen, über die ich demnächst etwas schreiben wollte. Jetzt gibt es einen bedrückenden aktuellen Anlaß - und gelesen habe ich es ausgerechnet in einem Artikel, dessen Tenor ist "In Cuba wird die Unterdrückung gelockert".
Was die verbotenen Gegenstände betrifft: Sie haben alle gemein, daß sie Strom verbrauchen. Cubas Wirtschaftsplaner gehören zu den inkompetentesten der Welt. Die Stromversorgung ist ein schlechter Witz. Jetzt erhofft man sich wohl durch das Bündnis mit Chavez einen baldigen Ausweg aus der chronischen Energiekrise. Und man will gleichzeitig ein wenig Frühlingsstimmung erzeugen. Beim Machtwechsel in sozialistischen Staaten ist es ziemlich üblich, daß der neue erstmal ein paar Erleichterungen anordnet. Ob's dann auch in der Praxis funktioniert, ist nochmal was anderes. Schaumermal. Ich wette, die sind so inkompetent, daß auch das Bündnis mit Chavez nichts bringt.
Mich würde interessieren, was an den "Erungenschaften" des Sozialismus in Cuba dran ist. Man liest ja immer bei ihren Sympathisanten, welche tollen Leistungen sie im Bereich Bildungs- und Gesundheitswesen erbracht haben sollen. Kann irgendjemand etwas dazu sagen?
Je mehr ich mich mit kommunistischen Systemen beschäftige, desto mehr erkenne ich, dass es oft mehr Schein als Sein war. Wenn es wirklich in manchen Bereichen Verbesserungen gab, wurden sie meistens mit Opfern erkauft, die in keinem Verhältnis zum Nutzen standen.
Die Zeit vor Castro war noch schlimmer. Die Erfolge der Kommunisten liegen darin, daß es für die breite Masse jetzt überhaupt ein Bildungssystem gibt. Es ist miserabel, aber es existiert überhaupt erstmal. Ein Fortschritt also. Dasselbe gilt für die flächendeckende für alle zugängliche Gesundheitsversorgung. Sie ist nicht gut, aber sie existiert.
Ich weiss nicht ob Cuba in der Zeit vor Castro wirklich so schlimm war. Es gibt den bekannten cubanischen Autor Miguel Barnet, der in seinem Buch "Alle träumen von Cuba" (ist in den 80er bei Suhrkamp erschienen) erzählt, wie noch bis Anfang der 50er viele Spanier, meistens aus dem Nordwesten Spaniens nämlich Galicien nach Cuba ausgewandert sind, weil sie sich dort ein besseres Leben erhofft haben. Übrigens auch die Eltern Castros stammen von dort. http://en.wikipedia.org/wiki/Miguel_Barnet
Während des 2. Weltkrieges und den Jahren danach war Cuba aufgrund seiner Bodenschätze und Zuckers ein Kriegsgewinnler. Wenn man heute durch die Neustadt Havannas läuft, die wohl angeschlagen durch Jahrzehnte der Vernachlässigung ist, kann man immer noch Relikte eines früheren Wohlstands entdecken, die man zum Beispiel in Santo Domingo (Dom. Republik) nicht findet.
Ich meine gehört zu haben, dass in der Zeit vor Castro Cuba das Zentrum für Banking, Versicherungen, Handel und natürlich für Zucker in allen Derivaten (Baccardi) der spanischen Karibik war.
Was die Zeit vor der cubanischen Revolution angeht, habe ich nur kommunistische und Quellen von Sympathisanten gefunden. Nach ihrer Ansicht, wie zu erwarten, war das Leben damals die Hölle. Die grosse Masse vegetierte ungebildet und hungrig vor sich hin. Nur was überhaupt nicht ins Bild passt. Ich habe mich lange Zeit mit lateinamerikanischer Literatur beschäftigt. Neben Argentinien und Brasilien dürfte Cuba, das Land gewesen sein, das den grössten Beitrag zu dieser Literatur geleistet hat.
Cuba hat heute eine Bevölkerung von ca. 11 Mio. Vor der Machtübernahme Castros dürften es nur ca. 6 Mio gewesen sein. Immer unterstellt, dass die Castro-Apologeten recht haben, dass die überwältigende Mehrheit der Cubaner damals Analphabeten waren, wie kann es dann sein, dass Land mit einer solch kleinen Gruppe von gebildeten Menschen einen solch grossen Beitrag leisten konnte. Es folgt eine Liste, ich habe mich dabei auf die bekanntesten Namen beschränkt, von cubanischen Autoren. Davon haben u.a. Heberto Padilla, Reinaldo Arenas und Cabrera Infante ihre Hauptwerke während der Castro-Zeit geschrieben. Muss ich wirklich sagen, dass sie alle im Exil gestorben sind? Padilla und Arenas waren auch lange Zeit im Gefängnis.
Hier eine Auflistung der bekanntesten cubanischen Autoren:
Reinaldo Arenas (1943-1990), Autor von Antes que anochezca Miguel Barnet (1940- ) , Autor von Biografía de un cimarrón Guillermo Cabrera Infante (1929-2005), Autor von Tres tristes tigres Jesús Díaz (1941-2002) Alejo Carpentier (1904-1980), Autor von El reino de este mundo Enrique Cirules (1938- ),Autor von El Imperio de La Habana Edmundo Desnoes Autor von Memorias del Subdesarrollo Gertrudis Gómez de Avellaneda (1814-1873), Autor von Sab und Baltasar José Lezama Lima (1910-1976), Autor von Paraíso Heberto Padilla (1932-2000) Gabriel de la Concepción Valdez (1809-1844), Autor von Plegaria a Dios Cirilio Villaverde Autor von Cecilia Valdes (1882) Lydia Cabrera (1899-1991)
Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass Cuba inkl. seiner Geschichte derart romantisiert wird. ...und die Romantisierung ist kein Phänomen der deutschen Alt- und Neu-Revolutionäre, es ist allgegenwärtig.
Vor zwei Wochen hat mich ein Arbeitskollege in einer Diskussion Über Castro's Nachfolge darauf hingewiesen, dass Cuba eines der weltweit besten Krankenversicherungs- und Schulsysteme hat.
Ca. eine Woche später, in gemütlicher Runde bei 1-2 Cuba-Libre bemerkt ein Bekannter: "Ach, Cuba ist schon schön, die haben das alles toll gemacht". Revolutionsgeschichten werden erzählt. Mein Einwand, dass der durchschnittliche Cubaner keinen "original"-Cuba-Libre trinken kann, weil's da auf den Märkten für einheimische keine Limetten zu kaufen gibt, und wenn, dann nur für extrem Reiche auf dem Schwarzmarkt, hat die romantische Stimmung ruiniert. Bitte vielmals um Entschuldigung.
Lang lebe Cuba, inklusive der Unterdrückung des Volkes, solange es den Westeuropäern zum imaginären Idealsystem gereicht.
Zitat von F.AlfonzoIch finde es immer wieder erstaunlich, dass Cuba inkl. seiner Geschichte derart romantisiert wird. (...) Lang lebe Cuba, inklusive der Unterdrückung des Volkes, solange es den Westeuropäern zum imaginären Idealsystem gereicht.
So sehe ich das auch so (und Ihr Beitrag klingt mir so, als könnten Sie es, anders als ich, aus eigener Erfahrung beurteilen).
Ich habe solche Situtionen xfach erlebt (nicht nur in Bezug auf Cuba, sondern früher einmal Vietnam, China, Jugoslawien usw.).
Ich denke inzwischen, daß diese Verherrlichung des Sozialismus im Grunde einem großen Egoismus entspringt. Leute, denen es in der Regel gut geht (denen, mit denen ich solche Erfahrungen habe, meist sogar glänzend), leisten sich auch noch den Luxus eines guten Gewissens.
Dazu gehört, daß sie das System, dem sie ihren Wohlstand verdanken, in Grund und Boden kritisieren und ihm ein Wolkenkuckucksheim gegenüberstellen, in dem es angeblich allen Menschen gut geht. Je weiter weg, umso inbrünstiger glauben sie das.
Und wenn man dann noch in Cuba Urlaub macht - am besten mit "Rundreise", wo einem der Propaganda-Schwindel vorgeführt wird -, dann ist man rundum zufrieden.
Herzlich, Zettel
PS: Willkommen im "kleinen Zimmer"!
Und da ich dem Namen und den Kenntnissen nach in Ihnen jemanden vermute, der das cubanische Spanisch beherrscht, möchte ich Sie gleich mit einer Frage überfallen: Ich habe hier eine Unsicherheit bei der Übersetzung von "muñequitos" gehabt. Ich hatte erst "Püppchen" erwogen, habe dann aber gesehen, daß es in der deutschen Version des Blogs mit "Comic-Figuren" oder so ähnlich übersetzt ist. Ich habe mich dann neutral in "Männeken" gerettet. Können Sie helfen?
In Antwort auf:Immer unterstellt, dass die Castro-Apologeten recht haben, dass die überwältigende Mehrheit der Cubaner damals Analphabeten waren, wie kann es dann sein, dass Land mit einer solch kleinen Gruppe von gebildeten Menschen einen solch grossen Beitrag leisten konnte.
Ja, wie kann es sein, daß gebildete Leute einen Beitrag leisten, ungebildete aber nicht? Die Frage ist nicht ernst gemeint, oder? Sonst müsste ich mal einen tiefen Blick in die Geschichtsbücher empfehlen. Schließen Sie aus dem Hartmann von Aue oder dem Mauritius von Craun ebenso auf das Bildungssystem des Mittelalters oder passiert ihnen diese Dummheit nur, wenn es um Ihr persönliches Feindbild geht? Ich bin weiß Gott kein Castrofan, aber sich aus ideologischer Verblendung Batistas Militärdiktatur (und die Unfähigkeit seiner korrupten Vorgänger, samt des Diktators Machado) schön zu fantasieren, ist schlicht peinlich.
Eigentlich eine einfache Frage, aber ganz einfach schwarz/weiß ist es nicht. Zwischen komplett kein Wort lesen zu können, und mit Freude Goethe zu lese, bleiben viele Grauschatierungen, und kann nicht etwa ein vielbelesener Germanist ein funktioneller Analphabet bei technisch/naturwissenschaftlichen Texten sein.
Gibt es heute wirklich unabhängige Angaben zu der Alphabetisierungsrate in Kuba?
Ich habe hier eine Unsicherheit bei der Übersetzung von "muñequitos" gehabt. Ich hatte erst "Püppchen" erwogen, habe dann aber gesehen, daß es in der deutschen Version des Blogs mit "Comic-Figuren" oder so ähnlich übersetzt ist. Ich habe mich dann neutral in "Männeken" gerettet. Können Sie helfen?
muñequitos muss soviel wie Karikaturen heißen, daraus folgt dann wohl auch die Übersetzung Puppen die ich fand.
"Ja, wie kann es sein, daß gebildete Leute einen Beitrag leisten, ungebildete aber nicht? "
Wenn man davon ausgeht, dass gem. den Kommunisten vor der Machtübernahme Castros die Bevölkerung Cubas aus ca. 6 Mio Menschen bestand, und von denen ca. 90% Analphabeten waren. Bleibt ein Potential von Lesern, das aus maximal 600.000 Personen besteht, Kinder und Säuglinge eingerechnet. Davon können doch keine dutzende Autoren leben. Irgend etwas stimmt doch an der ganzen Sache nicht.
Ich habe immer mehr den Eindruck, dass Cuba vor der Machtübernahme der Kommunisten ein Land war, mit einem hohen kulturellen Niveau. Im Nachhinein wird die Vergangenheit natürlich verteufelt. Ähnlich wie in China, wo man während der "Grossen proletarischen Kulturrevolution" die Relikte der "Feudalistischen Vergangenheit" systematisch zerstört hat.
Es ist übrigens bezeichnent, dass kein cubanischer Autor, der der während der Castro-Zeit gross wurde, jemals internationale Anerkennung erlangte.
Ich habe jetzt doch etwas gefunden zur Lage Cubas vor der "Revolution":
"..Success by the Numbers Cuba's capital, Havana, was a glittering and dynamic city. In the early part of the century the country's economy, fueled by the sale of sugar to the United States, had grown dynamically. Cuba ranked fifth in the hemisphere in per capita income, third in life expectancy, second in per capita ownership of automobiles and telephones, first in the number of television sets per inhabitant. The literacy rate, 76%, was the fourth highest in Latin America. Cuba ranked 11th in the world in the number of doctors per capita. Many private clinics and hospitals provided services for the poor. Cuba's income distribution compared favorably with that of other Latin American societies. A thriving middle class held the promise of prosperity and social mobility..."
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