Nicht weil es nicht Loyalitäten mehreren Ländern gegenüber geben könnte. Wir sollten doch inzwischen über dieser Idee des einen Nationalstaats, die gesamte und höchste Loyalität von seinen Angehörigen fordert, hinter uns lassen. Das ist eine Idee aus dem Absolutismus und dem Nationalismus.
ABER
Ich sehe in diesem Fall eher das Problem, daß es überhaupt keine Loyalität gegenüber Deutschland gibt. Was auch nicht verwunderlich ist, denn auch auf deutscher Seite ist das Mangelware.
Darüber hinaus finde ich eine Loyalität der türkischstämmigen Deutschen gegenüber ihrer türkischen Heimat nur dann problematisch, wenn z. B. Politiker zu Vertretern der türkischen Staatsinteressen werden, selbst wenn sie als deutsche Abgeordnete im Europaparlament sitzen. Herr Öger fiele mir da ein.
Aus dem religiösen Leben sollte sich der türkische Staat ohnehine raushalten ... und zwar nicht nur in Deutschland sondern auch in der Türkei.
PS. Der Vergleich mit Österreich-Ungarn hinkt übrigens total. Das war ja nicht ein Land in dem zwei Völker bzw. Nationen lebten sondern - vereinfacht gesagt - zwei Länder und Nationen in Realunion. Das Problem dabei war, daß das Reich tatsächlich aber noch mehr Länder und Völker umfaßte, die aber im Ausgleich von 1867 übergangen wurden.
Was soll nun daran so gut sein, wenn ein Mensch dem Staat gegenüber loyal ist ? Wie konkret verhält er sich denn anders, als einer der nicht loyal zum Staat ist ?
In Antwort auf:Man sollte Erdogan klarmachen, daß wir das nicht wollen und daß Deutschland alles tun wird, um dieses Konzept zu durchkreuzen.
Gute Idee, doch wer ist man? Erdogan spricht lediglich aus was faktisch schon vorhanden ist und was nicht nur geduldet, sondern seit Jahren auch noch gefördert wird.
In Antwort auf:Arslan erklärt die Abneigung gegen Assimilation theologisch: „Im Koran und in den heiligen Schriften aller Religionen steht, dass Gott die Menschen in Vielfalt geschaffen hat; zwar aus einem Mann und einer Frau, aber er hat sie in verschiedene Stämme geteilt. Er will uns in Vielfalt.“ Die Einwanderung der Türken nach Deutschland habe doch gezeigt, dass beide Völker auch in Verschiedenheit friedlich miteinander leben könnten.
Das steht übrigens auch in der FAZ, im Rahmen einer Lobeshymne auf Bekir Alboga, der wie kein anderer etwas minder Informierte nach Strich und Faden verscheissert.
In Antwort auf:Auch die Ditib, die größte türkisch-muslimische Organisation in Deutschland, hat sich geändert. Gegründet 1984 mit dem Auftrag, die Seelsorge für die Türken im Ausland zu gewährleisten und sie zur Pflege ihrer türkischen Identität anzuhalten (sie also nicht Deutsche werden zu lassen), unternimmt sie nun große Anstrengungen zur Integration
Ich weiß zwar nicht, wie Frau Rasche auf diese Idee kommt, vieleicht weil es Alboga ihr erzählt hat, allerdings ist das aus meiner persönlichen Anschauung falsch. Die Ditib hat sich zwar verändert, allerdings ist sie türkisch-islamistischer als je zuvor, was allerdings niemanden verwundert sollte , der sich etwas intensiver mit der AKP beschäftigt hat.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Trend in den letzten Jahren zur Desintegration geht und die DITIB umgeben von Speichelleckern aus Politik, Wirtschaft und Medien spielt am erfolgreichsten auf dieser Klaviatur.
In Antwort auf:Wie es aus Kreisen des Bundesinnenministeriums heißt, hätten Bekir Alboga (Vertreter der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion und Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland), Ayyub Axel Köhler (Zentralrat der Muslime), Mehmet Yilmaz (Verband der islamischen Kulturzentren), Ali Ertan Toprak (Alevitische Gemeinde Deutschland) und Ali Kizilkaya (Islamrat) inzwischen ein „derart enormes Sagen”, dass gegenläufige Meinungen kaum Gehör fänden. Die Islam-Konferenz, so ein Ministerieller zur NRZ, entwickele sich aus Sicht Nakschbandis „zu einer Farce, die dem Ansehen der nicht in Verbänden organisierten Muslime massiv schade”
Allerdings würde ich Herrn Toprak aus dieser Aufzählung herausnehmen.
Zitat von str1977 Wir sollten doch inzwischen über dieser Idee des einen Nationalstaats, die gesamte und höchste Loyalität von seinen Angehörigen fordert, hinter uns lassen. Das ist eine Idee aus dem Absolutismus und dem Nationalismus.
Das sehe ich anders, lieber str1977. Diese Idee ist viel älter und dürfte zurückreichen bis zu den Horden von Homo Erectus und Homo Habilis.
Denn sie waren auf die Loyalität ihrer Mitglieder angewiesen. Darauf, daß sie einander halfen, daß sie Nahrung teilten und sich gemeinsam gegen Raubtiere wehrten. (Viel) später dann auch, als der Homo sapiens in der Konkurrenz mit dem Neandertaler bestehen mußte, daß sie gegen diese anderen Menschen gemeinsam bestanden.
Loyalität hat, lieber str1977, seither jede Gesellschaft von ihren Mitgliedern, hat jeder Staat von seinen Bürgern verlangt. Die griechischen Stadtstaaten ebenso wie das römische Imperium, die Lehensherren des Mittelalters ebenso wie die absolutistischen Fürsten und wie die modernen Nationalstaaten.
Es geht auch nicht anders. Verliert ein Gemeinwesen die Loyalität seiner Bürger, dann hört es bald auf zu existieren.
Eine andere Frage ist natürlich, ob man nicht zwei Gemeinswesen gegenüber zugleich loyal sein kann.
Ich weiß nicht, ob das geht. Ich weiß nur, daß es bisher, wie es scheint, noch nie funktioniert hat. Die Elsässer mußten sich entscheiden, ob sie Franzosen oder Deutsche sein wollen (sie wollen heute eindeutig Franzosen sein). Die Südtiroler mußten sich entscheiden, ob sie Österreicher oder Italiener sein wollen (sie sind heute Italiener). Die Nordschleswiger mußten sich entscheiden, ob sie Dänen oder Deutsche sein wollen (sie sind heute in ihrer großen Mehrheit Deutsche).
Natürlich bedeutet Loyalität nicht die Aufgabe einer eigenen Kultur. Die Südtiroler sprechen unter sich weiterhin deutsch, die Südschleswiger dänisch, die meisten Elsässer alemannisch.
Aber die nationale Identität, eben die Loyalität ist dennoch eindeutig. Kennen Sie Gegenbeispiele? (Mir fällt noch am ehesten eine kleine Gruppe von Israelis ein, die zwischen Israel und den USA pendeln und sich als Bürger beider Staaten zu fühlen scheinen; aber das ist eine in vieler Hinsicht sehr spezielle Situation).
Zitat von str1977PS. Der Vergleich mit Österreich-Ungarn hinkt übrigens total. Das war ja nicht ein Land in dem zwei Völker bzw. Nationen lebten sondern - vereinfacht gesagt - zwei Länder und Nationen in Realunion. Das Problem dabei war, daß das Reich tatsächlich aber noch mehr Länder und Völker umfaßte, die aber im Ausgleich von 1867 übergangen wurden.
Der Vergleich, lieber str1977, hinkt keineswegs.
Österreich-Ungarn war der klassische Vielvölkerstaat des 19. Jahrhunderts. Er hatte eine komplizierte staatsrechtliche Konstruktion, das stimmt. Auf der sozusagen obersten Ebene gab es die beiden Teilstaaten Österreich und Ungarn; auf den Ebenen darunter dann die einzelnen Staatsvölker (daher ja das eigenartige "k.u.k.").
Zwischen diesen Staatsvölkern gab es ständige Konflikte, die das Wiener Parlament prägten (und übrigens bei Adolf Hitler, der dort ein häufiger Besucher war, seine Abscheu sowohl gegen den Parlamentarismus als auch gegen Vielvölkerstaaten hervorbrachte).
Noch in einer anderen Hinsicht paßt die Analogie, lieber str1977: Auch in der Habsburger Monarchie lebten die Menschen nur bedingt geographisch getrennt. Häufiger waren Siedlungsgebiete, in denen sie sich mischten - die Tschechen, Juden und Deutsche in Böhmen; Italiener und Kroaten im Raum Triest usw.
Das hat, sobald der Vielvölkerstaat zebrach, zu Ausbrüchen von Nationalismus geführt.
Genauso wie nach 1989, als die Vielvölkerstaaten Jugoslawien und UdSSR zerbrachen. An den Folgen leiden dort die Menschen noch heute.
Zitat von DalayahWas soll nun daran so gut sein, wenn ein Mensch dem Staat gegenüber loyal ist ?
"Gut", liebe Dalayah, ist aus meiner Sicht nicht das richtige Wort. Es scheint notwendig zu sein.
Ein Gemeinwesen ohne diese Loyalität zerfällt. Die Gründe mögen von Fall zu Fall verschieden sein, aber historisch ist es immer so gewesen.
Nehmen Sie - ich habe es gerade in einem anderen Beitrag erwähnt - die Vielvölkerstaaten, die der Kommunismus hinterlassen hat.
Es hatte in Kroatien, in Serbien usw. nie eine Loyalität gegenüber "Jugoslawien" gegeben. Kaum war die kommunistische Gewaltherrschaft weg, da zerfiel der Staat. Ebenso wie die Sowjetunion.
Ob das heutige Rußland, das ja trotz dieses Zerfalls immer noch ein Vielvölkerstaat ist, Bestand hat, bleibt abzuwarten. Putin versucht eine Loyalität gegenüber Rußland zu schaffen, indem er einen neuen russischen Nationalismus propagiert.
Oder nehmen Sie die USA: Sie funktionieren nur deshalb als Gemeinwesen, weil alle Einwanderer - selbst wenn sie weiter Spanisch sprechen - sich doch als Amerikaner fühlen, gemeinsame Werte und eine gemeinsame nationale Identität anerkennen. Ohne das herrschte in Californien, in Texas usw. das Chaos.
Zitat von DalayahWie konkret verhält er sich denn anders, als einer der nicht loyal zum Staat ist ?
Das ist wohl sehr verschieden, je nach Umständen. Das Entscheidende aus meiner Sicht ist, daß derjenige, der loyal zu dem gemeinsamen Staat ist, in allen anderen Staatsbürgern Seinesgleichen sieht - Menschen mit denselben Werten, auch demselben Wert. Nur wenn das so ist, können ethnische Konflikte zwischen Menschen, die im selben Staat zusammenleben, vermieden werden.
Wenn die Einwanderer aus Mexiko in die USA sich auch in der dritten, vierten Generation noch nicht als Amerikaner, sondern als Mexikaner fühlen würden, dann würden sie irgendwann ihren eigenen Staat anstreben oder den Anschluß von Südkalifornien usw. an Mexiko.
So, wie jetzt gerade die Kosovaren um keinen Preis Serben sein wollten.
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