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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 16 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.04.2008 18:49
Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten
Eloman Offline



Beiträge: 239

30.04.2008 20:05
#2 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Berechtigte Frage! Präsentiert Wallraff irgendwelche Beweise? Zur Zeit von Wallraffs BILD-Aktion hat ein Bekannter von mir in einer großen Springer-Druckerei, in der auch eine Lokalredaktion von BILD angesiedelt war, gearbeitet. Er hat mir damals erzählt daß Springer ne ganze Kiste von Wallraffs Buch gekauft und an Mitarbeiter zur allgemeinen Belustigung verteilt hat.

Pelle ( Gast )
Beiträge:

30.04.2008 21:23
#3 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Als Kind/Jugendlilcher habe ich Wallraffs Buch "Ganz unten" gelesen, als er gerade rauskam.

Schon damals kam mir das komisch vor, was dieser Wallraff als Türke Ali so alles erlebt haben wollte.
Er hat sich ja als Türke verkleidet, mit dunkel eingefärbten Kontaktlinsen, um dunkle Augen zu haben, alles gefallen lassen, was man ihm antat. Immer den unwissenden doofen Ausländer spielend, so wie er sich wohl die Türken vorstellte.

Im Grunde hat er damit die Türken zu einer nichtmenschlichen Art degradiert, so als wenn sich Türken alles gefallen ließen und jede Arbeit verrichten würden.

In einer gewissen Weise ist sein teils linksextremer, vom Klassenkampf geprägter Journalismus nicht viel besser als der Rechtsextremismus.

Aber leider ist dieser Wallraff ein typischer Vertreter seiner Zunft.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.05.2008 13:30
#4 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Zitat von Eloman
Zur Zeit von Wallraffs BILD-Aktion hat ein Bekannter von mir in einer großen Springer-Druckerei, in der auch eine Lokalredaktion von BILD angesiedelt war, gearbeitet. Er hat mir damals erzählt daß Springer ne ganze Kiste von Wallraffs Buch gekauft und an Mitarbeiter zur allgemeinen Belustigung verteilt hat.

Das kann ich mir gut vorstellen, lieber Eloman. Ich habe eine dunkle Erinnerung daran, daß das von einigen so interpretiert wurde, daß Springer damit diese Bücher vom Markt nehmen wollte, damit sich die Wahrheit nicht verbreitet.

Nur, ob es die Wahrheit war, das weiß halt niemand.

Wenn jemand sich auf den Weg der Lüge begibt - wer soll ihm dann glauben? Wallraff benimmt sich wie ein Hochstapler, wie ein Betrüger. Er tut das gegenüber seinen Opfern, möchte uns aber glauben machen, daß er es nicht auch gegenüber uns, seinen Lesern, tut.

Ja, vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich jedenfalls habe im Leben die Erfahrung gemacht, daß man niemandem, der notorisch lügt, irgend etwas glauben soll; auch wenn der Anschein dafür spricht, daß er vielleicht einmal die Wahrheit sagt.

Außerdem, lieber Eloman, ist dieses ganze "Wallraffen" (auf dem Höhepunkt seines Erfolgs hatte sich das als Fremdwort in einige Sprachen eingenistet) ja eine alberne Show. Jeder Journalist kann, wenn er sich dafür interessiert, mit fairen und professionellen Recherchemethoden das herausfinden, wofür Wallraff sein Theater veranstaltet.

Nur versucht er mit diesem "Einschleichen" den Eindruck zu erzeugen, da gebe es ein finsteres, verborgenes Reich des Kapitalismus, in das nur der unerschrockene Reporter Wallraff mit seinen Methoden vorstößt. Es ist Schmierentheater.

Von mir aus soll er's betreiben, sein Ein-Mann-Theater. Nur, was mich wirklich ärgert, lieber Eloman, das ist, wie geschrieben, das Publikationsorgan: Daß ausgerechnet die "Zeit" so jemanden als ihren "Reporter" zu Wort kommen läßt, ihn gar auf den Titel des "Zeit-Magazins" setzt, das finde ich schon schlimm.

Naja, vielleicht halt nur ein Symptom für den Niedergang der "Zeit".

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im "Kleinen Zimmer"! Ich habe gesehen, daß Sie schon seit einiger Zeit mitlesen und freue mich, daß Sie jetzt auch "mitschreiben".

Bernd Offline



Beiträge: 13

01.05.2008 13:52
#5 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Hmm... ich glaube, dass ich Günter Wallraff und seine Arbeit doch ein klein wenig verteidigen muss. Ich teile Wallraffs politisch sehr linke Einstellung überhaupt nicht, aber ich habe sein Buch "Ganz unten" gelesen, sowie seine Callcenter-Reportage in der "Zeit" von vor ein paar Monaten. (Den aktuellen Artikel noch nicht.)

Ich denke, der Verdienst von Wallraff liegt darin, dass er als "schlechtes Gewissen" der deutschen Gesellschaft in unregelmäßigen Abständen einige lieb gewonnene "Fassaden" und Selbstvergewisserungen einreißt, seinen Finger in Wunden legt, die die Gesellschaft nicht wahrhaben will - selbstverständlich, und da bin ich wieder ganz bei Zettel, auf eine sehr selbst-inszenierende und irgendwie eitle Art.

Dadurch aber, dass Wallraff sich eben nicht als Pressevertreter outet, sondern sich "unters Volk" mischt, erhält er Zugang zu einigen Abgründen unserer Welt, die ihm sonst - als Pressemensch - wohl verschlossen bliebe. Ich denke da etwa an die ungeheuerlichen Praktiken des Unternehmers Vogel in "Ganz unten" - im Ruhrgebiet der 80er Jahre ein höchst angesehener Unternehmer und Sozialdemokrat (!), der keine Skrupel besitzt, seine Arbeitskräfte ungeschützt Revisionsarbeiten im strahlenden KKW verrichten zu lassen und damit in den sicheren Tod zu schicken - dies nur als eines der krassesten Beispiele.

Darüber hinaus sei angemerkt, dass zahlreiche Firmen versucht haben, juristisch gegen seine Berichte vorzugehen - aber Wallraff in allen Fällen Recht behielt. Immerhin hat etwa Mc Donald's anschließend aus der Sache etwas gelernt und einige der schlimmsten geschilderten Zustände beseitigt.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

01.05.2008 16:50
#6 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten
Hallo Bernd

Zitat von Bernd
seine Arbeitskräfte ungeschützt Revisionsarbeiten im strahlenden KKW verrichten zu lassen und damit in den sicheren Tod zu schicken - dies nur als eines der krassesten Beispiele.



Haben sie dazu genauere Informationen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ungeschützt in einem hochradioaktiven Bereich arbeiten darf. Kennen sie den Film K-19? Die Szene mit den Reparaturarbeiten im Reaktor? Das es so gewesen ist kann ich mir nicht vorstellen.
Radioktiv ist nicht gleich radioaktiv, genaugenommen ist alles mehr oder weniger radioaktiv.

Herzlich Feynman

Das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit.
Albert Einstein

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.05.2008 17:04
#7 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Lieber Bernd,

Zitat von Bernd
Ich teile Wallraffs politisch sehr linke Einstellung überhaupt nicht, aber ich habe sein Buch "Ganz unten" gelesen, sowie seine Callcenter-Reportage in der "Zeit" von vor ein paar Monaten. (Den aktuellen Artikel noch nicht.)

Haben Sie das Buch damals gekauft, als es erschien? Es war ein ungeheurer Rummel. Es hieß, es würde umgehend verboten werden. Also standen am Erstverkaufstag die Schlangen vor den Buchhandlungen; ich habe es natürlich auch sofort erworben, damals 1985.

Die Enttäuschung beim Lesen war dann groß; noch mehr, als der Film ausgestrahlt wurde mit Material, das zT Walraff heimlich gedreht hatte.

Warum war ich so enttäuscht? Heute würde ich sagen, weil ich mich durch das Buch nicht informiert fühlte. Wallraff hatte ja nicht, wie ein guter Journalist, recherchiert, Beteiligte interviewt, alle relevanten Seiten der Sache beleuchtet. Sondern es war beim Lesen klar, daß er völlig parteilich berichtete: Er hatte herausgepickt, was kritisierenswert war, was vielleicht den Leser empören konnte.

Ob das nun eim Einzelnen stimmte oder nicht, ist im Grunde egal. Überall wird man, wenn man derart einseitig recherchiert wie Wallraff, Mißstände finden können.

Und ob nun Wallraff beim Schreiben weniger gelogen hat als gegenüber seinen Arbeitgebern, seinen Kollegen usw. bei dieser "Aktion" - wer will das wissen? (Die Kollegen hat er ja auch nach Strich und Faden belogen; zum Beispiel mit einem ganzen Lügengebäude, mit dem er "erklärte", warum er kaum Türkisch sprach).

Dasselbe gilt für die anderen "Aktionen" von Wallraff. Er will nicht informieren, ist dazu vielleicht auch gar nicht in der Lage. Er agitiert. Ich traue ihm so wenig wie jedem, der agitiert.
Zitat von Bernd
Ich denke, der Verdienst von Wallraff liegt darin, dass er als "schlechtes Gewissen" der deutschen Gesellschaft in unregelmäßigen Abständen einige lieb gewonnene "Fassaden" und Selbstvergewisserungen einreißt, seinen Finger in Wunden legt, die die Gesellschaft nicht wahrhaben will - selbstverständlich, und da bin ich wieder ganz bei Zettel, auf eine sehr selbst-inszenierende und irgendwie eitle Art.

Er hat sich, lieber Bernd, meines Erachtens immer nur an Trends angehängt. Einiges habe ich ja schon erwähnt - Napalm, Springer-Presse, schlechte Behandlung von Ausländern.

Das waren doch alles Themen, die zu der Zeit, wo Walraff sie aufgriff, jeweils breit diskutiert worden waren, zum Teil schon ausgelutscht. wie "Bild", als er das 1977 wieder aufs Tapet brachte. Das war fast zehn Jahre nach der "Enteignet-Springer!" - Kampagne.

Und auch da wieder: Hand aufs Herz, lieber Bernd - haben Sie aus "Der Aufmacher" ein objektives Bild davon gewonnen, wie es in den Redaktionen von "Bild" zugeht? Ich nicht. Wie in "Ganz unten" pickt Wallraff Negatives heraus und montiert es. Er hätte sich auch in die Redaktion der "Zeit" einschleichen und alle möglichen Horror-Stories berichten können.
Zitat von Bernd
Dadurch aber, dass Wallraff sich eben nicht als Pressevertreter outet, sondern sich "unters Volk" mischt, erhält er Zugang zu einigen Abgründen unserer Welt, die ihm sonst - als Pressemensch - wohl verschlossen bliebe. Ich denke da etwa an die ungeheuerlichen Praktiken des Unternehmers Vogel in "Ganz unten" - im Ruhrgebiet der 80er Jahre ein höchst angesehener Unternehmer und Sozialdemokrat (!), der keine Skrupel besitzt, seine Arbeitskräfte ungeschützt Revisionsarbeiten im strahlenden KKW verrichten zu lassen und damit in den sicheren Tod zu schicken - dies nur als eines der krassesten Beispiele.

War das so? Ich kann mich an diesen Punkt nicht mehr erinnern. Jedenfalls würde ich es nicht glauben, nur weil Wallraff es behauptet.

Stimmt es wirklich, lieber Bernd, daß solche Mißstände ohne die verlogenen Methoden Wallraffs verborgen blieben? Er rechtfertigt sie natürlich damit. Aber auch ein seriös recherchierender Journalist hätte das doch alles zutage fördern können. Er hätte Arbeiter interviewen, bei der Unternehmensleitung anfragen, die eine Aussage mit der anderen vergleichen, Leute mit Behauptungen konfrontieren können usw. So, wie das eben investigative Journalisten machen.

Sie bekommen dann ein detailliertes, ausgewogenes Bild. Und nicht so etwas Selektives, Subjektives, dann auch noch Agitatorisch Aufbereitetes wie das, was Wallraff liefert.
Zitat von Bernd
Darüber hinaus sei angemerkt, dass zahlreiche Firmen versucht haben, juristisch gegen seine Berichte vorzugehen - aber Wallraff in allen Fällen Recht behielt. Immerhin hat etwa Mc Donald's anschließend aus der Sache etwas gelernt und einige der schlimmsten geschilderten Zustände beseitigt.

Das müßte man sich im Einzelnen ansehen. Oft ist es ja für ein Unternehmen besser, eine solche Sache nicht weiter zu verfolgen, weil es nur dem Image schadet - egal, ob die Vorwürfe stimmen oder nicht. Oft geht es für Gerichte auch nicht um den Wahrheitsgehalt einer Aussage, sondern darum, ob sie im Rahmen des Rechts auf Meinungsäußerung zulässig ist.

Ich habe, lieber Bernd, Wallraff einmal ähnlich gesehen wie Sie jetzt. Erst allmählich ist mir klargeworden, daß er die Gloriole nicht verdient, die ihn umgibt. Jedenfalls nach meiner subjektiven Meinung.

Herzlich, Zettel

PS: Willkommen im "Kleinen Zimmer"! Und danke für den schönen Beitrag, auch wenn wir hier unterschiedlicher Meinung sind.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

03.05.2008 11:05
#8 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten
Hallo Zettel,

Wenn Walraff sich irgendwo unter falscher Identität einschleicht, halte ich das nicht für eine Lüge im verwerflichen Sinne, es sei denn man verwirft jedweden investigativen Journalismus.

Wenn Walraff in seiner Rolle sich alles gefallen läßt, dann wirft das zwar Probleme auf, ist aber auch noch nicht verwerflich: er will ja das Verhalten der anderen ausforschen und schreitet deshalb nicht ein (nachdem Motto: "Willst du etwas über einen Menschen erfahren, gib ihm Macht!").

Das Problem entsteht dann in der Darstellung: ein seriöser Autor müßte bei seiner Darstellung berücksichtigen, daß auch sein bewußtes Mitspielen natürlich zur Eskalation beiträgt. Das Walraff dies nicht tut - das ist es, was ihm vorzuwerfen wäre.

(Alternativ hätte er auch gegen Ende seiner Arbeit aufmüßpfiger werden können, um etwaige Reaktionen auszutesten.)

Aber das spricht den Polier Schulze nicht frei, wenn er den Türken Ali schikaniert. Und auch nicht die Bildredaktion, wenn sie "Lügen drückt" - es hätte ja auch ein anderer als Hans Esser Einwände erheben können.

Ich halte es auch nicht für rassistisch, wenn Walraff als Türke Ali sich nicht wehrt. Es gehört gewissermaßen zur Recherechemethode. Das natürlich auch Klischees im Spiel sind ist klar, denn Walraff ist nunmal nicht Ali und hat wohl auch wenig Ahnung vom echten Ali.

Soviel zu meiner Verteidigung Walraffs gegen ungerechte Vorwürfe.

ABER: das heißt nicht, daß Walraff in seinen Büchern immer die Wahrheit schreiben muß, daß man ihm immer glauben soll, daß er vertrauenswürdig ist. Mißtrauen ist hier angebracht ... nur eben nicht weil er ein Hochstapler wäre.

Persönlich halte ich GW für nicht so helle. Allein seine "Ich lese Rushdie in der Moschee"-Aktion (und ich habe damals die Sendung, wo ihm die Idee kam, live gehört) beweist dies.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

03.05.2008 11:20
#9 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten
Zitat von Zettel
Nur, was mich wirklich ärgert, lieber Eloman, das ist, wie geschrieben, das Publikationsorgan: Daß ausgerechnet die "Zeit" so jemanden als ihren "Reporter" zu Wort kommen läßt, ihn gar auf den Titel des "Zeit-Magazins" setzt, das finde ich schon schlimm.

Naja, vielleicht halt nur ein Symptom für den Niedergang der "Zeit".


Ja, vor einiger Zeit hätte ich das auch noch so gesehen, als ich im Begriff war, mein Abonnement zu beenden. (Aus diversen Gründen, die man vielleicht mit den Namen Joffe - Heuser - Leicht - tw. auch Naumann umreissen kann.)

Damals dachte ich auch, "die Gräfin hätte das nicht zugelassen", oder "wo steckt Theo Sommer".

Nun, ich bin zum ersten Mal auf Zettels Raum gestoßen in der Sache Filbinger bzw. Öttinger. Und in der gleichen Sache mußte ich leider auch erkennen, daß die ZEIT - leider gerade besagter Herr Sommer - schon in den Siebzigern genauso schlimm war - oder zumindest, so schlimm sein konnte, wenn sie wollte.

In Antwort auf:
Er hätte sich auch in die Redaktion der "Zeit" einschleichen und alle möglichen Horror-Stories berichten können.


Au ja, da wäre ich schwer dafür, daß das mal jemand macht.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.05.2008 14:51
#10 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten
Zitat von str1977
Wenn Walraff sich irgendwo unter falscher Identität einschleicht, halte ich das nicht für eine Lüge im verwerflichen Sinne, es sei denn man verwirft jedweden investigativen Journalismus.

Das kann ich, lieber str1977, nicht nachvollziehen. Investigativer Journalismus - das heißt zu deutsch: Ein Journalismus, der untersucht, der nachforscht.

Das geschieht nicht mit den Methoden eines Hochstaplers wie bei Wallraff. Wäre das, was er macht, einfach investigativer Journalismus, dann wäre er damit ja nicht berühmt geworden.

Es ist das aber nicht. Sondern Wallraff lügt, wenn er behauptet, er sei ein anderer. Er lügt, wenn er seinen Arbeitskollegen alle möglichen erfundenen Geschichten auftischt (ich habe das ja schon erwähnt). Er lügt auch gegenüber Dritten, wenn er sich zB als "Hans Esser" Bürgern gegenüber als Redakteur der "Bild-Zeitung" ausgegeben hat. Er hat in den Telefonaten gelogen, die ich erwähnt habe, in denen er Geistliche angerufen und ihnen vorgelogen hat, er sei ein Napalm-Fabrikant.

Wenn jemand so etwas macht, dann fliegt er normalerweise und ist für den Rest seines Lebens, wenn seine Verlogenheit publik wird, beruflich erledigt.

Wallraff behauptet, er lüge sozusagen für die Wahrheit. Ich sehe keinen Grund, ihm das abzunehmen.

Nochmal: Was sollte denn jemanden, der schamlos Arbeitgeber, Kollegen, Kunden anlügt, veranlassen, ausgerechnet den Lesern und Käufern seines Buchs oder den Abnehmern seiner "Reportage" gegenüber die Wahrheit zu sagen?

Der Mann ist doch keine gespaltene Persönlichkeit. Der Schreiber Wallraff ist derselbe Mensch wie der professionelle Täuscher und Trickser Wallraff.

Herzlich, Zettel
Pelle ( Gast )
Beiträge:

03.05.2008 20:14
#11 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Zitat von Zettel
Der Schreiber Wallraff ist derselbe Mensch wie der professionelle Täuscher und Trickser

Kann man diesen Wallraff denn als Linkspopulisten bezeichnen?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

03.05.2008 21:46
#12 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Zitat von Pelle
Zitat von Zettel
Der Schreiber Wallraff ist derselbe Mensch wie der professionelle Täuscher und Trickser

Kann man diesen Wallraff denn als Linkspopulisten bezeichnen?

Das würde ich passend finden, lieber Pelle.

Zumal er ja eben, wie alle Populisten, ein Gespür dafür hat, welches Thema sich jeweils gerade dafür eignet, eine Diskussion zu emotionalisieren.

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

05.05.2008 11:59
#13 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Lieber Zettel,

ich habe ja auch meine Probleme nicht nur mit Wallraffs Meinungen sondern auch mit seiner Methode.

ABER: Ist das so sehr verschieden von den anderen investigativen Jornalisten?

Ich denke nein - Wallraff ist ein Jornalist mit allem Guten und Schlechten was damit zusammenhängt.

Daher nützt es auch nichts, wenn Sie ihr Argument wiederholen. Ich habe Sie schon verstanden. Nur reicht das für mich nicht aus, alle Wallraff'schen Aussagen als Lügen zu klassifizieren.

Wenn er über z.B. Bild lügt, dann weil man es ihm nachgewiesen hat, nicht weil er sich als Hans Esser vorgestellt hat.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.05.2008 12:51
#14 Investigativer Journalismus Antworten

Zitat von str1977
ich habe ja auch meine Probleme nicht nur mit Wallraffs Meinungen sondern auch mit seiner Methode. ABER: Ist das so sehr verschieden von den anderen investigativen Jornalisten?

Ja, ist es, lieber str1977. Schauen Sie sich an, wie investigativer Journalismus dort funktioniert, wo er erfunden wurde, in den USA. Ein Journalist, dem man nachweist, daß er selbst bei seinen Recherchen gelogen hat, wäre erledigt. Weil ihm eben niemand das glauben würde, was er schreibt.
Zitat von str1977
Ich denke nein - Wallraff ist ein Jornalist mit allem Guten und Schlechten was damit zusammenhängt.

Er ist das Gegenteil davon. Übrigens hat er noch nicht einmal eine journalistische Ausbildung. Er ist gelernter Buchhändler, hat aber meines Wissens nach seiner Lehre nie in diesem Beruf gearbeitet. Er war nie bei einer Zeitung oder Zeitschrift fest angestellt. Was von seinen Texten von ihm selbst stammt und was er sich von Ghostwritern hat schreiben lassen, ist umstritten.

Nein, lieber str1977 - der Mann ist kein seriöser Journalist. Deshalb ägert es mich ja so, daß er jetzt bei der "Zeit" gelandet ist. Und daß seine "Reportage" auch noch ausgerechnet in demselben Heft des "Zeit-Magazins" erscheint, in dem Helmuth Schmidt über seine Tätigkeit bei der "Zeit" interviewt wird.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

06.05.2008 22:22
#15 RE: Investigativer Journalismus Antworten

Lieber Zettel,

Zitat von Zettel
Nein, lieber str1977 - der Mann ist kein seriöser Journalist. Deshalb ägert es mich ja so, daß er jetzt bei der "Zeit" gelandet ist.


heute Abend ist er auch noch bei "Kerner" zu sehen, wo er "weitere Infos" zum "Fall Lidl" hat. Zu der Sendung paßt er natürlich vom Niveau her ganz gut - wobei mich nur ärgert, daß staatliche Zwangsgebühren dafür draufgehen.

MfG

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.05.2008 12:09
#16 RE: Investigativer Journalismus Antworten
Zitat von RexCramer
heute Abend ist er auch noch bei "Kerner" zu sehen, wo er "weitere Infos" zum "Fall Lidl" hat. Zu der Sendung paßt er natürlich vom Niveau her ganz gut - wobei mich nur ärgert, daß staatliche Zwangsgebühren dafür draufgehen.

Ich habe die Sendung leider nicht gesehen, dh nur einmal kurz reingezappt, als der Aufsichtsratsvorsitzende von Lidl gerade die Kunden dazu einlud, doch die Kassiererinnen zu fragen, wie sie sich bei Lidl behandelt fühlten. Dazu Wallraff, grinsend: "Die trauen sich ja nicht".

Das ist genau seine Strategie: Er selbst lügt und täuscht, was das Zeug hält und spielt sich zugleich als der große Entlarver auf, der die Wahrheit enthüllt. Und wenn jemand ihm widerspricht, dann wird das damit abgetan, daß der nicht die Wahrheit sage oder unter Druck stehe, sie nicht zu sagen.

Noch vor Wallraffs Artikel, als aber die "Bespitzelungs"-Affäre gerade angelaufen war, gab es bei "Domian" den Anruf einer Kassierein von Lidl, die berichtete, sie hätte sich keineswegs bespitzelt gefühlt, die Kontrollen seien erforderlich, weil viel gestohlen werde usw. Jürgen Domian hat darauf auch ungläubig reagiert, es aber akzeptiert. Für Wallraff und die, die ihm glauben, sind das natürlich alles nur bestellte Aussagen usw.

Übrigens scheint sich diese Bäckerei, in die Wallraff sich eingeschlichen hatte, sehr vernünftig zu verhalten: Einfach nicht reagieren, bis die Sau durchs Dorf getrieben ist. Jede Reaktion führt ja nur zu erneuter Publicity, und am Ende wird der "Ankläger" immer als der dastehen, der Recht hat.

Lidl kann sich natürlich nicht so verhalten. Sie hatten offenbar kräftige Umsatzeinbußen, haben das aber schon wieder aufgefangen.

Das ist ja das Tröstliche an solchen Kampagnen: Ihre Wirkung verpufft meist schnell. Es sei denn, es gelingt den Urhebern, Gesetzesänderungen zu erreichen.

Herzlich, Zettel
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.05.2008 14:44
#17 RE: Zettels Meckerecke: Lügt Wallraff? Antworten

Zitat von Pelle
Im Grunde hat er damit die Türken zu einer nichtmenschlichen Art degradiert, ...

Volle Zustimmung!

Mich hat das damals bei dem ganzen Hype sehr gestört.
Wallraff und seine Fans haben eigentlich eine sehr krasse Form von Rassismus zelebriert.

Denn es gab ja schon damals sehr viele echte Berichte von Türken (oder anderen Einwanderern) über ihre Erlebnisse in Deutschland. Authentisch, aus verschiedenen Blickwinkeln, mit den verschiedensten Urteilen.

Wer also wissen wollte, wie es Türken/Einwanderern so ergeht im Lande, konnte das einfach nachlesen.
Und hätte festgestellt, daß keiner dieser echten Berichte so krass und einseitig negativ war wie die Kollage von Wallraff.

Aber das hat die mediale Öffentlichkeit nicht interessiert, türkische Autoren wurden generell ignoriert.

Aber wenn dann ein "echter Deutscher" in überaus unglaubwürdiger Weise einen Türken imitiert - dann wurde diesen Stories mehr geglaubt als den authentischen Berichten.
Das Wort eines Deutschen zählte für die Wallraff-Fans offenbar deutlich mehr als das eines Türken.

Und genau diese Einstellung ist praktisch gelebter Rassismus, davon können Lippenbekenntnisse nicht ablenken.

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