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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 7 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.05.2008 07:11
Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten

Als Zitat des Tages diesmal eine Peinlichkeit. Wobei ich mich frage, was peinlicher ist:

Daß die Internetausgabe der führenden deutschen Tageszeitung eine Rubrik mit ihrem englischen statt ihrem deutschen Namen bezeichnet hatte; offenbar Existenzgründern nacheifernd, die ihr Perückengeschäft "Moni's Hair Shop" oder ihren Zeitschriftenladen "Journals Corner" nennen, weil das ja bekanntlich jung und peppig klingt?

Daß die Selbstverständlichkeit, sich aufs eigene Niveau und in die eigene Sprache zurückzubegeben, von dem Redakteur Ebbinghaus in einem ausführlichen Artikel begründet wird?

Daß dieser Artikel das leere Gedröhne ist, ein gedankenloses Dahergerede, gegen das Adornos Stil fast schon konzise zu nennen ist?

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

08.05.2008 13:43
#2 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten
Hahaha! "Abstract" - schöne Parodie!

Herzlich, Thomas
Friedel B. Offline




Beiträge: 49

08.05.2008 20:33
#3 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten
Wenn das Nordelbische Jugendpfarramt doch auch einen Ebbinghaus hätte! Sie lädt am ersten Juli-Wochenende zu einer Veranstaltung namens "Heaven in Husum" ein, zu deren "Events" unter anderem "Coole Bands und Musik-Acts", "Action und Fun am Marktplatz", "Workshops", "Open Stage: Rock, Pop, Musical", "Rhythm and Voice Connection" , eine "Heaven Disco" sowie schließlich ein Jugendgottesdienst mit Namen "Heavens Gate" gehören. Herr Ebbinghaus hat viele schöne Worte der Erläuterung und Entschuldigung dafür gefunden, dass sich die FAZ die Stirn hat, sich der deutschen Sprache zu bedienen; vielleicht möchte die evangelische Kirche auf keinen Fall eine gleich schwere Sünde wider den heiligen Zeitgeist auf sich laden. Dazu passt, dass eine gewisse Franzi, vermutlich Teenager ihres Zeichens und mit der Veröffentlichung von Informationen über den Stand der Vorbereitungen besagten Festivals betraut, in ihrem letzten Eintrag auf http://heaveninhusum.de schreibt:

"Hey Leute, ich bin`s Eure Franzi
Ich bin von total begeistert. Die Götter scheinen das Festival Heaven in Husum in ihr Herz geschlossen zu haben."


Es müssen tatsächlich "die Götter" gewesen sein, die den englisch-deutschen Spracheintopf zusammengerührt haben; der Vater Jesu Christi war es bestimmt nicht.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.05.2008 22:56
#4 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten
Lieber Friedel B.,

es gibt - wenn ich keinen vergessen habe - drei Bereiche, in denen Anglizismen sozusagen etwas Natürliches sind: Die Wissenschaften, das Internet und die Pop-Musik.

Die Gründe sind in allen drei Fällen dieselben: Erstens eine Dominanz der Angelsachsen. Die Amis und Brits haben nun mal lange Zeit die beste Naturwissenschaft hinbekommen, haben die moderne Popmusik weitgehend geschaffen, haben das Internet erfunden und groß gemacht.

Zweitens eine Globalisierung, deren Sprache nun einmal das Englische ist. Es hätte auch Esperanto werden können. Vielleicht hätte sogar das Französische die Weltsprache bleiben können; etwa als eine Pidgin-Version (in Frankreich "petit nègre" geheißen, in der Zeit vor PC). Aber es ist nun mal das Englische.

Wer in einer Naturwissenschaft arbeitet, für den ist das Englische so selbstverständlich wie die Mathematik. In einer anderen Sprache zu publizieren bedeutet nur, daß die betreffende Arbeit wenig taugt. Ebenso dürfte es unter Pop-Musikern selbstverständlich sein, daß man auf Englisch kommuniziert.

Im Internet herrschte, als ich es kennenlernte - das war Mitte der achtziger Jahre, als sich das alles noch in MS-DOS abspielte, die erste grafische Benutzeroberfläche von Apple lag noch in der Zukunft - zwangsläufig Englisch. Die DOS-Befehle waren es ja.

Als dann das Web allmählich über die militärisch-wissenschaftliche Nutzung hinauswuchs, als erst Apple und dann Microsoft mit Windows graphische Oberflächen herausbrachten, kamen mehr und mehr landessprachliche, bei uns also deutsche Elemente hinzu. Aber das *lol*, das *cu*, das *blush* geht jedenfalls mir noch immer so leicht von den Lippen bzw. den Fingern wie damals.



Ich schreibe das, lieber Friedel B., weil ich der Meinung bin, daß es so etwas wie natürliche, unproblematische Anglizismen gibt. Ich bin in meinem Fach immer dafür eingetreten, das nach Möglichkeit zu begrenzen und vermeide in meinen eigenen Übersetzungen Anglizismen, sofern es gute deutsche Alternativen gibt. Aber andere sehen das anders und plädieren für Anglizismen bei Fachausdrücken, weil man ihnen ansieht, welches englische Wort da übersetzt wurde. (Wenn man vom "Randomisieren" spricht, dann weiß jeder, daß "randomization" gemeint ist).

Ebenso sehe ich das bei der Pop-Musik, aus der ja einige Ihrer Beispiele stammen.

Trotzdem stimme ich Ihrer Kritik vollständig zu. Denn aus diesen genannten Kernbereichen sind die Anglizismen ja längst ausgebrochen und haben sich dort breitgemacht, wo es nicht nur keine Notwendigkeit, sondern auch keine Rechtfertigung für sie gibt.

Weil die Jugendlichen durch Popmusik mit dem Englischen vertraut sind, wird unterstellt, daß sie auch in ganz anderen Bereichen das Englische tja, "cool" finden. Also wirft die Telekom mit Anglizismen um sich, in der (meines Erachtens ganz falschen) Erwartung, damit Jugendliche zu erreichen. Also trotten die Kirchen brav hinterher.

Daß nun freilich auch noch "die Götter" in höherem Kurs stehen als Gott, im Zusammenhang mit einer christlichen Veranstaltung, das hat schon ein Gschmäckle.

Dazu ein kürzliches TV-Erlebnis: Da gibt es im NDR eine dieser vielen Wissens-Shows, moderiert von Frank Plaßberg. Ein Kind/Jugendlicher und ein Erwachsener müssen Fragen aus Schulfächern beantworten. Als ich da hineingezappt war, war gerade das Fach "Religion" gewählt worden.

Und wie lautete die Frage? In welcher Weise die Suren des Koran angeordnet seien!

Herzlich, Zettel
Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

09.05.2008 08:37
#5 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten

Lieber Zettel,

bei Thomas Kapielski (http://www.zweitausendeins.de/writersblo...elski/index.cfm) fand ich einst dieses kleine Juwel:

In Antwort auf:
Frühschoppenproblemchen
Kleine beglaubigte Zwischenmitteilung:

Ruhrgebiet, Hauptschule, ein Schüler meldet sich unverhofft und fragt den Englischlehrer: „Was heißt eigentlich ‚shoppen’ auf englisch?“

Der Lehrer verwirrt: „Wie kommst du denn da drauf?“

„Na, das klingt bestimmt cooler als shoppen!“

Veröffentlicht um : 12:22. | Beitrag von : kapielski


Das sagt doch eigentlich alles Nötige?

Herzlich, Thomas

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.05.2008 10:23
#6 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten

*lolrof*

FTT Offline



Beiträge: 30

09.05.2008 11:41
#7 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten

Zitat von Zettel

Daß die Selbstverständlichkeit, sich aufs eigene Niveau und in die eigene Sprache zurückzubegeben, von dem Redakteur Ebbinghaus in einem ausführlichen Artikel begründet wird?


Das habe ich mir auch gedacht, als ich den Artikel gelesen habe. Ebbinghaus hätte vielmehr ausführlich darlegen sollen, wie ein liberal-konservatives Leitmedium der deutschen Presselandschaft auf einen derart affigen Anglizismus gekommen ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.05.2008 13:04
#8 RE: Zitat des Tages: Ein Satz aus der FAZ Antworten

Zitat von FTT
Ebbinghaus hätte vielmehr ausführlich darlegen sollen, wie ein liberal-konservatives Leitmedium der deutschen Presselandschaft auf einen derart affigen Anglizismus gekommen ist.

Ich stelle es mir ungefähr so vor: Man sitzt in der Redaktion zusammen und sucht nach einem Namen für die Rubrik. "Bücherecke"? zu altbacken, man ist doch jung und aufgeschlossen. "Bücherspiegel"? Gibt's schon. "Lesesalon"? Klingt, als seien ältere Damen die Zielgruppe.

Da meldet sich der Redakteur Ebbinghaus: Ey, Leute, ich habe mal in den USA studiert, an der Notre Dame University. Da stand über dem Lesesaal der Bibliothek "Reading Room". Wäre das nicht was? Klingt irgendwie cool, findet ihr nicht?

Und da die Konferenz ohnehin schon drei Stunden gedauert hatte und am Abend Eintracht Frankfurt spielte, nickten alle erleichtert, und so war's beschlossen.

Eine just so story, lieber FTT.

Herzlich, Zettel

 Sprung  



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