Der Ruf danach, Steuern zu senken oder abzuschaffen, wird im Allgemeinen nicht ausgerechnet als Ruf nach dem Staat interpretiert. Außer in der "Süddeutschen Zeitung".
Nun ja, selbst die SPD-Parteizeitung FR wird ja von vielen Leuten als "linksliberal" bezeichnet. Das ist so ein Wuselwort geworden, das mit "liberal" nichts mehr zu tun hat sondern wohl nur sagen soll, daß manche Linke nicht direkt vom ZK der SED gesteuert werden ...
Zitat von R.A.Nun ja, selbst die SPD-Parteizeitung FR wird ja von vielen Leuten als "linksliberal" bezeichnet. Das ist so ein Wuselwort geworden, das mit "liberal" nichts mehr zu tun hat sondern wohl nur sagen soll, daß manche Linke nicht direkt vom ZK der SED gesteuert werden ...
Stimmt. Man müßte diesem Wort "linksliberal" überhaupt wohl mal a bisserl auf den Leib rücken.
Der Begriff stammt aus der Zeit, als Linke und Liberale gemeinsam für die Freiheit gekämpft haben. Die 1848er waren in ihrer Mehrheit Linksliberale.
Im Kaiserreich gab es die "Deutsche Fortschrittspartei", später nach Fusion mit einer anderen Gruppe in "Freisinnige Partei" umbenannt, zuletzt nach erneuter Fusion als "Fortschrittliche Volkspartei" firmierend. Das waren 48er bis auf die Knochen, die für bürgerliche Freiheiten, für die Entwicklung hin zu einer konstitutionellen Monarchie nach britischem Vorbild eintraten. Sie waren aufrechte Demokraten und standen insofern dem rechten Flügel der Sozialdemokraten, den "Revisionisten" nahe.
Diese Nähe gab es auch in der Weimarer Zeit, als die Linksliberalen als "Deutsche Demokratische Partei" und später als "Deutsche Staatspartei" weitermachten. Das waren die Leute, die zusammen mit der SPD die Republik gegen ihre Feinde verteidigten - gegen die Monarchisten, die Kommunisten, dann die Nazis. Leute wie Walther Rathenau, Friedrich Naumann, Theodor Heuß, Reinhold Maier, Thomas Dehler, Elisabeth Lüders, Max Weber.
"Links" waren diese Leute, weil sie uneingeschränkt rechtsstaatlich, republikanisch, freiheitlich waren. Nicht etwa, weil sie mit dem Sozialismus sympathisierten.
Das wäre vermutlich heute meine Partei, wenn es einen solchen Linksliberalismus noch gäbe.
Bis zur Achtundsechziger Zeit (wieder einmal, lieber R.A. , ich kann's ja nicht ändern) war das so. In den siebziger Jahren entstand eine ganz neue Art von "Linksliberalismus", die im Grunde nichts war als eine, sagen wir, bürgerliche Variante des Sozialismus. Eine der Strömungen, in die sich die Achtundsechziger aufspalteten.
Am deutlichsten zeigte sich das bei den Judos, die mal in der FDP eine gewaltige Rolle spielten; also den "Jungdemokraten", zeitweise angeführt von jenem Heiner Bremer, der es später zum Chefredakteur des "Stern" brachte und der kürzlich die Achtundsechziger vehement verteidigt hat.
Diese "linksliberalen" Judos entwickelten sich immer weiter weg vom Liberalismus, trennten sich von der FDP und sind heute ein Verein, der irgendwo zwischen Kommunisten und Grünen angesiedelt ist.
Also, lieber R.A., ich stimme Ihnen ganz zu: Die heutigen "Linksliberalen" sind keine Liberalen; jedenfalls die allermeisten nicht. Linksliberale im historischen Sinn des Worts heißen heute nicht mehr so, sondern einfach Liberale oder von mir aus Neoliberale.
Der Begriff "linksliberal" wurde von Sozialisten mit libertären Ideen für sich okkupiert, die im Gegensatz zu den klassischen Linksliberalen nicht für weniger, sondern für mehr Staat eintreten.
Jedenfalls, wenn es um die "soziale Gerechtigkeit" geht. Wenn es hingegen darum geht, daß der Staat seine Bürger schützt, gegen Terroristen und andere Verbrecher, dann sind diese Leute auf einmal wieder ganz "liberal" - Seit an Seit mit Kommunisten und Sozialisten kämpfen sie dann für die Freiheit.
Die freilich die Freiheit von Verbrechern ist, gegen die Gesetze zu verstoßen; die die Freiheit von Linksextremisten ist, den demokratischen Rechtsstaat zu bekämpfen.
Ja, Zettel, die Darstellung der SZ ist absurd. Die Forderungen der FDP zwar auch, aber der Ruf nach dem Staat sind sie nicht.
Die SZ ist natürlich linksliberal. Die beiden Elemente Grundrechte und Fortschrittsseligkeit sind beide vorhanden. Merke: Liberal ist nicht daß was der FDP-Generalsekretär bestimmt.
"Linksliberal" war übrigens die FDP unter Walter Scheel. Davor jedoch eher das Gegenteil. 1969 verfaßte man dann so unglaublich dumme Parolen verfaßte wie "Wir schaffen die alten Zöpfe ab." Das linksliberale ging der FDP in mehreren Schritten 1982 und 1992 verloren.
In Antwort auf:Der Begriff "linksliberal" wurde von Sozialisten mit libertären Ideen für sich okkupiert, die im Gegensatz zu den klassischen Linksliberalen nicht für weniger, sondern für mehr Staat eintreten.
Mit libertären Ideen oder doch mit liberalen? Wie sollte man sozialistisch und libertär zusammenbringen?
Ihr Verweis auf die Themen Verbrechensbekämpfung zeigt doch auf: die Linksliberalen sind liberal.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Letztlich gibt es heute sowohl die "Linksliberalen" wie die "Nationalliberalen" nicht mehr - ihre damaligen Themen und Unterscheidungspunkte sind obsolet geworden, ihr Erbe ist heute die FDP, deren Flügel etc. sich heute an ganz anderen Trennlinien orientieren.
Ich habe ja seinerzeit die Endphase der Jungdemokraten erlebt. Und die waren nicht "linksliberal". Vielmehr gab es da halt Linke und es gab Liberale, die Einen sind dann ins linke Spektrum gewechselt (meist zu den Grünen), die Anderen zur FDP bzw. zu den Julis.
Zitat von str1977Ja, Zettel, die Darstellung der SZ ist absurd. Die Forderungen der FDP zwar auch, aber der Ruf nach dem Staat sind sie nicht.
Was, lieber str1977, ist denn nach Ihrer Auffassung absurd daran, wenn eine Abschaffung der Ökosteuer auf Benzin gefordert wird?
Zitat von str1977Die SZ ist natürlich linksliberal. Die beiden Elemente Grundrechte und Fortschrittsseligkeit sind beide vorhanden. Merke: Liberal ist nicht daß was der FDP-Generalsekretär bestimmt.
Nein, das darf der nicht bestimmen. Die beiden "Elemente" allerdings sehe ich bei der SZ nicht. Die Grundrechte vertreten doch alle, außer den Extremisten, nicht wahr? Und "fortschrittsselig" ausgerechnet die SZ? In welchem Bereich denn?
Zitat von str1977"Linksliberal" war übrigens die FDP unter Walter Scheel. Davor jedoch eher das Gegenteil.
Die FDP hatte immer einen linksliberalen Flügel, im historisch richtigen Sinn des Wortes, den ich ja erläutert habe. Zu seinen Vertretern gehörten Theodor Heuß, Reinhold Maier, Thomas Dehler (der mich einmal für die FDP begeistert hat, als ich als Schüler eine Rede von ihm erlebte).
Wofür Scheel mitverantwortlich war, das war der Schwenk der FDP zur SPD. Er war bei weitem nicht der Erfinder dieser Idee; das waren viel eher Döring, Weyer und im Hintergrund Dörings Freund Rudolf Augstein.
Zitat von str1977
In Antwort auf:Der Begriff "linksliberal" wurde von Sozialisten mit libertären Ideen für sich okkupiert, die im Gegensatz zu den klassischen Linksliberalen nicht für weniger, sondern für mehr Staat eintreten.
Mit libertären Ideen oder doch mit liberalen? Wie sollte man sozialistisch und libertär zusammenbringen?
Das frage ich mich auch, lieber str1977. Aber es ist ja nicht meine Schuld, daß die das tun. Die Judos, so wie R.A. sie in seinem Beitrag in diesem Thread beschreibt, sind ein Musterbeispiel. Nicht weit von den Kommunisten, aber zugleich libertär. Sie stellen sich vermutlich einen alles kontrollierenden Staat vor, der diese Macht dazu nutzt, allen die volle Freiheit zu ermöglichen.
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