Hoffen wir, daß der Vefassungsschutzbericht, wenn er veröffentlicht ist, die Diskussionen auslöst, die dann fällig sind. Putzig ist es allerdings, die Existenz von diversen kommunistischen Arbeitskreisen in einer kommunistischen Partei als deren "Unterwanderung" zu bezeichnen.
"Unterwandert" werden könnte "Die Linke" allenfalls von Demokraten. Aber dafür gibt es keine Anzeichen; jedenfalls kenne ich keine.
"Wenn die Linke eine durch und durch demokratische Partei sein will, dann muss sie den Extremisten in ihren Reihen sagen, dass sie nicht erwünscht sind", schreibt dazu Thorsten Denkler in der heutigen SZ.
Wie naiv ist Thorsten Denkler?
Glaubt er wirklich, Gregor Gysi, als Vorsitzender der Rechtsanwaltskollegien einst einer der wichtigsten Verantwortlichen im Rechtssystem der DDR, sei weniger extremistisch, er sei demokratischer gesonnen als Sahra Wagenknecht?
Oder Lothar Bisky, einst ein führender Kulturfunktionär der DDR, Professor am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, heute der Vorsitzende aller wichtigen Kommunistischen Parteien Europas?
Denkler konzentriert seinen Kommentar auf Oskar Lafontaine. Als wenn der für die Kommunisten eine andere Rolle spielen würde als die des Quislings, des Otto Grotewohl.
Es ist ja nicht das erste Mal, daß die Kommunisten sich einen Teil der Sozialdemokratie einverleiben. Nach 1946 mußten Leute wie Grotewohl und Friedrich Ebert jun. dazu herhalten, den Schein zu wahren, ehemalige Sozialdemokraten hätten in dieser Partei etwas zu sagen. Heute hat man diese Funktion Oskar Lafontaine zugedacht.
Liebe regelmäßige Leser dieses Forums - entschuldigen Sie bitte, wenn ich so etwas immer wieder schreibe; es mag Ihnen, es mag Euch ermüdend erscheinen.
Aber da hier ja auch viele Gäste mitlesen und weil die Naivität (oder Dummheit), wie sie wieder einmal in diesem Zitat zum Ausdruck kommt, ja weit verbreitet ist, schreibe ich's halt immer einmal wieder.
Liebe regelmäßige Leser dieses Forums - entschuldigen Sie bitte, wenn ich so etwas immer wieder schreibe; es mag Ihnen, es mag Euch ermüdend erscheinen.
Mir bestimmt nicht. Es kann nicht oft genug gewarnt und hingewiesen werden, was die Linke in Wirklichkeit ist.
Zitat von KaneLiebe regelmäßige Leser dieses Forums - entschuldigen Sie bitte, wenn ich so etwas immer wieder schreibe; es mag Ihnen, es mag Euch ermüdend erscheinen. Mir bestimmt nicht. Es kann nicht oft genug gewarnt und hingewiesen werden, was die Linke in Wirklichkeit ist. Weiter so
Danke, lieber Kane.
Es ist halt aus meiner Sicht a bisserl eine Gratwanderung. Man kann ja nicht voraussetzen, daß alle, die hier lesen, alles schon kennen, was früher mal geschrieben wurde. Und andererseits möchte man diejenigen nicht mehr als nötig langweilen, die bei manchem ein Déjà Vu haben.
Lieber Zettel, da sonst fast niemand über dieses Thema spricht, finde ich es gut, dass Sie insoweit ein bisschen hartnäckiger sind. Was mir in mehreren Diskussionen aufgefallen ist und was ihre Argumentation möglicherweise stützen könnte, ist dieses: Einerseits raunen viele Leute sehr bedeutungsschwer, wenn es um Globalisierung usw. geht, dass der Kommunismus angesichts der Auswüchse des Turbokapitalismus auch noch nicht ausgespielt habe... Andererseits sagen oft die gleichen Leute, dass es total absurd sei, in der PDS nach wie vor eine kommunistische Partei zu sehen. Dabei haben sie ja eigentlich die gleiche Sicht auf die Dinge wie die Kommunisten, die im Moment Kreide fressen. Ich glaube, dass kommt daher, dass wir die Demokratie insgesamt für zu selbstverständlich halten. In fast jedem Zeitalter haben die Menschen geglaubt, dass es endlos so weiter gehen würde. Hier ist noch ein Artikel aus der "Zeit" von vor zwei Wochen, der die Lage total anders beschreibt. Die Autorin behauptet, dass sich Lafontaine die Partei gefügig mache, wogegen die Reformer nun aufbegehren würden. http://www.zeit.de/2008/19/Lafontaine-Linke Herzliche Grüße, Chripa
Zitat von ChripaWas mir in mehreren Diskussionen aufgefallen ist und was ihre Argumentation möglicherweise stützen könnte, ist dieses:
Einerseits raunen viele Leute sehr bedeutungsschwer, wenn es um Globalisierung usw. geht, dass der Kommunismus angesichts der Auswüchse des Turbokapitalismus auch noch nicht ausgespielt habe... Andererseits sagen oft die gleichen Leute, dass es total absurd sei, in der PDS nach wie vor eine kommunistische Partei zu sehen. Dabei haben sie ja eigentlich die gleiche Sicht auf die Dinge wie die Kommunisten, die im Moment Kreide fressen.
Stimmt, diesen Widerspruch gibt es.
Ich glaube übrigens, daß es mit dem Versteckspielen bald vorbei sein wird. Es ist ja kein Zufall, daß Sahra Wagenknecht, die auch bisher schon regelmäßig von mehr als der Hälfte der Delegierten in den PV gewählt worden war, jetzt sogar zur stellvertretenden Vorsitzenden vorgeschlagen wird.
Für Kommunisten ist das alles immer nur eine Frage des "Kräfteverhältnisses".
Auch nach 1945 haben sie sich als Anhänger einer bürgerlichen Demokratie gegeben. Sie saßen in den ersten Landesparlamenten, sie haben in der DDR eine Verfassung in Kraft gesetzt, die sich wie eine lupenreine bürgerlich-demokratische Verfassung las. Als sie fest im Sattel saßen, konnte man diese Verfassung allmählich zur Farce machen und schließlich ersetzen.
Ebenso war es in der Bundesrepublik. Die Kommunisten sind stets als Verteidiger des Grundgesetzes aufgetreten, so wie heute auch wieder. Die DKP hat sich in den siebziger Jahren über "Berufsverbote für Lokomotivführer" empört und derweil ihre Mitglieder in der DDR in Sabotage trainieren lassen.
Zu den Pflichten des von den KPD-Mitgliedern Röhl und Meinhof redigierten "Konkret", das bis zum Bruch mit den Kommunisten vollständig aus Ostberlin gesteuert wurde, gehörte es, regelmäßig DDR-kritische Artikel zu bringen. Denn man wollte den Eindruck erwecken, das sei ein unabhängiges linkes Blatt.
Nach der Wiedervereinigung war der Kommunismus dann derart diskreditiert, daß man es vermied, sich überhaupt noch dazu zu bekennen. Man fuhr genau dieselbe Taktik wie die DKP, sich nur um "soziale Gerechtigkeit" zu kümmern und vom Sozialismus zu schweigen. Dazu dienten natürlich auch die diversen Umbenennungen.
Aber jetzt, als (wenn man die Union als eine einzige Partei nimmt) drittstärkste deutsche Partei wird man, denke ich, bald wieder Flagge zeigen können. Weil das "Kräfteverhältnis" sich eben geändert hat.
Zitat von ChripaIch glaube, dass kommt daher, dass wir die Demokratie insgesamt für zu selbstverständlich halten.
Und daß wir deshalb, lieber Chripa, glauben, Leninisten dächten und handelten wie andere Politiker. Das ist ein großer Irrtum. Anderen Politikern wird vorgeworfen, manchmal zu lügen. Einem Leninisten würde man parteiintern einen Vorwurf machen, wenn er nicht lügen würde. Das würde bedeuten, daß er "unzuverlässig" ist, daß er nicht fähig oder willens ist, sich an die jeweilige Linie zu halten.
Nun wird mir, wenn ich das sage oder schreibe, oft entgegengehalten, ich dächte in Kategorien der Vergangenheit. Die heutige "Linke" sei eben gerade keine leninistische Partei mehr, keine Kaderpartei, ja sie sei überhaupt keine kommunistische Partei mehr.
Aber dasselbe wurde seinerzeit über die DKP gesagt. Auch sie funktionierte nach außen wie eine perfekt demokratische Partei. Und die DKP habe ich damals, via Juso-Kontakte, a bisserl von innen kennengelernt.
Natürlich kann man nicht ausschließen, daß man diesmal wirklich vom Kommunismus Abschied genommen hat. Nur - warum läßt sich dann Bisky zum Vorsitzenden der "Europäischen Linken" wählen, in der aus Italien eben nicht die gewendeten Reformkommunisten organisiert sind, sondern die Altleninisten der Rifondazione Comunista von Fausto Bertinotti? Warum hat man dann nicht schon 1989 das getan, was Throsten Denkler jetzt fordert, nämlich bekennende Stalinisten wie Sahra Wagenknecht aus der Partei zu werfen?
Ich lasse mich ja gern durch Fakten überzeugen.
Es würde mich darum wirklich interessieren, ob es auch nur ein einziges objektives Indiz dafür gibt, daß diese Partei KPD/SED/PDS/Linke mit ihrer inzwischen neunzigjährigen Geschichte jetzt plötzlich aufgehört hat, eine kommunistische Partei zu sein. Außer Beteuerungen sehe ich da nichts.
Herzlich, Zettel
RexCramer
(
gelöscht
)
Beiträge:
15.05.2008 10:08
#7 RE: AKTUELLE ERGÄNZUNG: Wie naiv ist Thorsten Denkler?
Zitat von ZettelLiebe regelmäßige Leser dieses Forums - entschuldigen Sie bitte, wenn ich so etwas immer wieder schreibe; es mag Ihnen, es mag Euch ermüdend erscheinen.
das wirkt auf mich keineswegs ermüdend. Das wäre nur dann der Fall, wenn diese Partei in der allgemeinen Wahrnehmung als das rüberkäme, was sie ist. Solange aber die Strategie aufgeht, sich als demokratische Partei darzustellen, die sozusagen nur etwas "sozial gerechter" ist und den "bösen Neoliberalismus" der anderen bekämpft zum Wohle der Bürger, kann man gar nicht oft und laut genug drauf hinweisen, was wirklich Sache ist.
Aha, sie sind also unterwandert worden? Das impliziert ja, daß man davon (zunächst) nichts gewußt hat. Muß überraschend für sie gewesen sein, das plötzlich zu erfahren. Hoffentlich hat niemand einen Schock bekommen ...
was uns ermüden könnte, lassen wir doch einfach links liegen. Übrigens braucht man dazu nicht den Verfassungsschutz um festzustellen, dass eine linke Partei den Kapitalismus überwinden will, was will sie denn sonst wollen?
Zitat von SüddyetDie Gruppe kämpft offen für die "Überwindung des Kapitalismus". Das Marxistische Forum wiederum hat sich den "außerparlamentarischen Kampf um gesellschaftliche Veränderungen" auf die Fahnen geschrieben
Das ganze ist so kämpferisch wie der Bund der katholischen Jugend, der sich auch außerparlamentarisch um gesellschaftliche Veränderung bemüht.
Natürlich ist die Linke nervig, aber das waren Linke schon immer, zumal sie vollkommen humorbefreit daherkommen, weil sie so schwer am Elend der Welt tragen. (Der traurige Schein wird durch Gysis lausige Rühmannparodien nur leidlich überdeckt).
Wenn jetzt Denkler über den Populisten lästert, geht er allerdings am Kern des Problems vorbei, ein Populist kann das nur aufgreifen, was er vorfindet und da spielen die Südyyet, die Zeit, SpOn und vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der ersten Reihe mit. Wer sich den Abend mal gründlich versauen will, lässt sich auf ein Gespräch über politik mit überzeugten Linken ein, Diskussion kann man dieses unreflektirte Flächenbombardement mit Plattitüden ja wohl nicht nennen, da rollen sich selbst den taz- und telepolis-gestählten Forentanten bei so viel Selbstherrlichkeit die Fußnägel. Linke Attitüde ist die heimat des autoritären Charakters, wenn er nicht gleich zum Islam konvertiert.
Zitat von C.Übrigens braucht man dazu nicht den Verfassungsschutz um festzustellen, dass eine linke Partei den Kapitalismus überwinden will, was will sie denn sonst wollen?
Das sagt sie ja nicht, dear C. Die DKP hatte in der von mir immer gern erwähnten Zeit eine klare Sprachreglung. Auf entsprechende Fragen antwortet man: Der Sozialismus steht jetzt nicht auf der Tagesordnung. Auf der Tagesordnung stehen jetzt Lohnerhöhungen usw. usw.
Heute gibt es eine ähnliche Sprachregelung, achte mal darauf. Wenn einer aus "Die Linke" gefragt wird, ob er denn Kommunist sei, dann antwortet er: Ach, das ist so ein Wort, da kann man sich viel darunter vorstellen.
Zitat von C.
Zitat von SüddyetDie Gruppe kämpft offen für die "Überwindung des Kapitalismus". Das Marxistische Forum wiederum hat sich den "außerparlamentarischen Kampf um gesellschaftliche Veränderungen" auf die Fahnen geschrieben
. Oskars Extremistentruppe Das ganze ist so kämpferisch wie der Bund der katholischen Jugend, der sich auch außerparlamentarisch um gesellschaftliche Veränderung bemüht.
Jetzt hätte ich wirklich fast nach "Süddyet" gegoogelt.
Nur, dear C., haben die Kommunisten keine Aussicht auf die Wonnen des Paradieses und wollen deshalb mit Gewalt die Welt verändern.
"Mit Gewalt" meine ich natürlich als Redensart.
Was die momentane Taktik angeht, empfehle ich übrigens dringend, einmal Gramsci zu lesen. Dessen Grundgedanke war es, daß der Weg zum Sozialismus über kulturelle Hegemonie führt. Der herrschenden Hegemonie soll eine "Gegen-Hegemonie" entgegengesetzt werden, indem die Kommunisten schrittweise Postionen in Kultur, Wissenschaft, Erziehung erobern.
Das tun sie im Augenblick, die deutschen Kommunisten. Wobei so wichtig gar nicht mal ist, daß der Redakteur X oder der Lehrer Y Kommunist ist; sondern daß diese für ihn die Themen setzen, die Antworten vorgeben.
Zitat von C.Wenn jetzt Denkler über den Populisten lästert, geht er allerdings am Kern des Problems vorbei, ein Populist kann das nur aufgreifen, was er vorfindet und da spielen die Südyyet, die Zeit, SpOn und vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der ersten Reihe mit.
Exakt. Aber warum? Die Redakteure haben sich das ja nicht ausgedacht, sondern sie haben es von ihren Lehrern, ihren Professoren, sie haben es als selbstverständliche Denke an den Unis gelernt.
Also, ich stimme dir zu, daß die kommunistischen Populisten nur das aufgreifen können, was schon kulturell hegemonial ist. Aber hegemonial geworden ist es eben wesentlich dank des Wirkens der Kommunisten.
In Antwort auf:Liebe regelmäßige Leser dieses Forums - entschuldigen Sie bitte, wenn ich so etwas immer wieder schreibe; es mag Ihnen, es mag Euch ermüdend erscheinen.
Es ist im Gegenteil sehr wertvoll. Sollte ZR je offline gehen, was der Herrgott verhüten möge, sagen Sie es bitte vorher, damit man sich vorher den Datenbestand herunterladen kann. Die Mischung aus Unnachgiebigkeit in der Sache und vollkommener Wahrung bürgerlicher Kommunikationsgepflogenheiten ist es, was diesen Netzplatz angenehm von anderen abhebt.
Lieber Zettel, ich weiß es auch nicht, man kann nicht in die Köpfe der PDSler reingucken, die in Stadträten, Landtagen etc. aktiv sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es vielen davon so geht, wie vielen Nazis nach dem Krieg, die solange Läuterung geheuchelt haben, bis sie ihre eigenen Lügen geglaubt haben. Wenn man über die kommunistische Strategie nachdenkt, muss man vielleicht zwischen Ost und West unterscheiden: Manche Leute benutzen den Begriff „Kulturmarxismus“. Die These ist, dass die Kommunisten im ersten Weltkrieg bitter enttäuscht gewesen seien, dass die Arbeiter sich nicht ihrem Klasseninteresse entsprechend erhoben haben, sondern ihren Nationalstaaten treu blieben. Daraus hätten einige Marxisten dann den Schluss gezogen, dass man die bürgerliche Gesellschaft erst von innen heraus zerstören müsse, bevor die Zeit für die Revolution reif sei. Den Begriff der kulturellen Hegemonie von Gramsci haben sie ja schon angesprochen. Seitdem hätten die Kommunisten daran gearbeitet, Werte wie Arbeitsmoral, Patriotismus und Familiensinn zu zerstören. Entwickelt wurde dieses Konzept angeblich am Frankfurter Institut für Sozialforschung, das nach dem Krieg ja wieder aufgenommen wurde. Gewisse Tendenzen in die Richtung kann man nicht leugnen, für mich klingt das trotzdem etwas nach Verschwörungstheorie und ist mir zu pessimistisch. Ein Argument dafür, dass es diesen „Kulturmarxismus“ wirklich gibt, ist aber, dass die Linke in den westlichen Ländern sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu sehr für die wirtschaftliche Debatte interessiert hat (behaupte ich einfach mal). Sie hat aber große Erfolge bei der Zerstörung der vorher bestehenden Moralvorstellungen erzielt, zB ist heute auch die CDU für "gender-mainstreaming". Selbst ich als eher rechtsliberal Denkender finde viele dieser Veränderungen positiv, aber das ist vielleicht nur ein weiteres Indiz für den Erfolg dieser Bewegung. Diese Aktivitäten gab es ja aber nur in Westeuropa und Nordamerika. Ich weiß nicht, wie sich die Kommunisten im früheren Ostblock dazu verhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass man vieles davon dem durchschnittlichen ehemaligen Staatsbürgerkundelehrer aus Berlin-Marzahn nur schwer vermitteln kann. Deshalb glaube ich nicht, dass man heute noch von einem auch nur einigermaßen einheitlichen kommunistischen Block sprechen kann. Was die PDS angeht, bin ich mir auch nicht sicher, ich tendiere aber auch zu Ihrer skeptischen Auffassung. Herzliche Grüße, Chripa
Zitat von Chripaich weiß es auch nicht, man kann nicht in die Köpfe der PDSler reingucken, die in Stadträten, Landtagen etc. aktiv sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es vielen davon so geht, wie vielen Nazis nach dem Krieg, die solange Läuterung geheuchelt haben, bis sie ihre eigenen Lügen geglaubt haben.
Das halte ich für wahrscheinlich, und die Parellele ist auch sehr einleuchtend. Ich habe mich oft gefragt, wie es eigentlich die gläubigen Anhänger des DDR-Kommunismus verarbeitet haben, daß die Bundesrepublik so ganz anders war, als sie es geglaubt oder selbst propagiert hatten. Ähnlich muß es den Altnazis gegangen sein, als Deutschland nach dem Sieg der Alliierten nicht unterging, sondern alles immer besser wurde.
Ich vermute, daß viele inzwischen zu Sozialdemokraten geworden sind, auch wenn sie das nicht zugeben. Aber damit hätte ihre Partei ja auch zugleich ihre Existenzberechtigung verloren.
Bei den Führern der PDS glaube ich das nicht. Was ja in gewisser Weise ein Kompliment ist. Ich glaube nicht, daß Gysi, der aus einer alten kommunistischen Familie stammt und der DDR treu gedient hat, seine Überzeugung gewechselt hat. Ich glaube das nicht von Bisky, der einst freiwillig in die DDR gegangen ist, um dort mit den Sozialismus aufzubauen, und der diesem Staat ebenso bis zum Schluß treu gedient hat. Ich glaube es auch nicht von Funktionären aus der unteren und mittleren Führungsebene wie Bartsch und Pau. Die wollen, davon bin ich überzeugt, eine neue DDR, natürlich unter Vermeidung der Fehler der alten.
Übrigens sieht Günter Schabowski, der es ja wissen muß, das genauso.
Zitat von ChripaDie These ist, dass die Kommunisten im ersten Weltkrieg bitter enttäuscht gewesen seien, dass die Arbeiter sich nicht ihrem Klasseninteresse entsprechend erhoben haben, sondern ihren Nationalstaaten treu blieben. Daraus hätten einige Marxisten dann den Schluss gezogen, dass man die bürgerliche Gesellschaft erst von innen heraus zerstören müsse, bevor die Zeit für die Revolution reif sei. (...) Seitdem hätten die Kommunisten daran gearbeitet, Werte wie Arbeitsmoral, Patriotismus und Familiensinn zu zerstören. Entwickelt wurde dieses Konzept angeblich am Frankfurter Institut für Sozialforschung, das nach dem Krieg ja wieder aufgenommen wurde. Gewisse Tendenzen in die Richtung kann man nicht leugnen, für mich klingt das trotzdem etwas nach Verschwörungstheorie und ist mir zu pessimistisch.
Das sehe ich wie Sie, lieber Chripa. Es mag solche Überlegungen gegeben haben, aber ich sehe keine Anzeichen dafür, daß das die Linie der KPD oder einer anderen europäischen Kommunistischen Partei gewesen wäre. Dieses Sekundärtungenden brauchte man ja selbst für die Zeit nach dem Sieg; sie blühten gerade in der DDR. Man hätte auch gar nicht die intellektuellen Mittel gehabt, sie zu zerstören.
Die Strategie der SED, der KPD, der DKP war, soweit ich das beurteilen kann, die des "breiten antiimperialistischen Bündnisses", wie sie in der Stamokap-Theorie ihren Ausdruck fand (bei Kommunisten sind Theorien immer die Folgen, nicht die Grundlage von Strategien).
Der Kern dieser Strategie war es, eine Front zu schaffen, bei der auf der einen Seite das Großkapital, die Altnazis, die Multis usw. standen und auf der andere Seite alle anderen - die Lohnabhängigen bis hin zum Professor, die Gewerbetreibenden bis hin zum kleinen Unternehmer. Die sollten alle, natürlich unter kräftiger Einflußnahme der Kommunisten, in den Kampf gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus geführt werden mit dem Ziel, sie zu enteignen und damit einen Staatskapitalismus zu schaffen.
War das erst einmal gelungen und saßen die Kommunisten mit ihren Verbündeten fest im Sattel, dann sollten allmählich auch die kleinen Gewerbetreibenden enteignet werden usw.; also schrittweise Verhältnisse wie in der DDR hergstellt werden.
Da spielte Kulturmarxismus keine Rolle. Im Gegenteil, die meisten Kommunisten waren kulturell immer sehr konservativ, bis hin zur Wertschätzung der Familie, sogar der Nation (siehe die DDR, die ja immer viel nationalistischer gewesen ist als die Bundesrepublik).
Zitat von ChripaEin Argument dafür, dass es diesen „Kulturmarxismus“ wirklich gibt, ist aber, dass die Linke in den westlichen Ländern sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu sehr für die wirtschaftliche Debatte interessiert hat (behaupte ich einfach mal).
Sie hat aber große Erfolge bei der Zerstörung der vorher bestehenden Moralvorstellungen erzielt, zB ist heute auch die CDU für "gender-mainstreaming". Selbst ich als eher rechtsliberal Denkender finde viele dieser Veränderungen positiv, aber das ist vielleicht nur ein weiteres Indiz für den Erfolg dieser Bewegung.
Ich glaube aber nicht, daß das von Marxisten gesteuert wurde. Das wäre, wie Sie ja auch anmerken, wirklich schon nah an einer Verschwörungstheorie. Das sind alles emanzipatorische Bewegungen, die mit der Aufklärung begonnen haben. Poppers "offene Gesellschaft" ist der Inbegriff einer emanzipierten Gesellschaft, aber Popper war ja ein heftiger Gegner des Marxismus.
Zitat von ChripaDiese Aktivitäten gab es ja aber nur in Westeuropa und Nordamerika. Ich weiß nicht, wie sich die Kommunisten im früheren Ostblock dazu verhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass man vieles davon dem durchschnittlichen ehemaligen Staatsbürgerkundelehrer aus Berlin-Marzahn nur schwer vermitteln kann.
Das glaube ich auch, weil der eben ein kommunistisches Weltbild hat und dieses emanzipatorische kein kommunistisches ist.
Zitat von ChripaDeshalb glaube ich nicht, dass man heute noch von einem auch nur einigermaßen einheitlichen kommunistischen Block sprechen kann. Was die PDS angeht, bin ich mir auch nicht sicher, ich tendiere aber auch zu Ihrer skeptischen Auffassung.
Ich sehe den Zusammenhang zwischen emanzipatorischen Bewegungen und Marxismus eher umgekehrt wie diese Theorie des Kulturmarxismus: Diese Bewegungen sind weder von Marxisten gesteuert noch sind sie auch irgendwie in ihrem Inhalt marxistisch (Marx war ja kein Theoretiker der Freiheit, auch wenn ihm das fälschlich zugeschrieben wird). Sondern die Kommunisten versuchten und versuchen, sie für ihre Zwecke auszuschlachten. Meist mehr taktisch als strategisch.
Als die SED als PDS vor dem Problem stand, sich in der Bundesrepublik zu behaupten, brauchte sie eine Doppelkstrategie. Im Osten und für die Alten war sie weiter die SED, die für Ruhe, Ordnung und Gehorsam stand. Im Westen und für die Jungen probierte sie die Taktik, sich als jung und frech darzustellen; sogar die Punkerin Angela Marquardt durfte ja mal ganz oben mitmischen (inzwischen ist sie ausgetreten, weil sie wohl gemerkt hat, vor welchen Karren man sie da gespannt hatte).
Inzwischen ist auch das vorbei. Die jetzige Taktik, seit der Angenda 2010, ist es, sich als die beste SPD zu präsentieren, die es je gab.
Ja, Zettel, es ist ermüdend immer das gleiche lesen zu müssen, besonders wenn es (wenn auch manchmal nur haarscharf) nicht stimmt:
In Antwort auf:Glaubt er wirklich, Gregor Gysi ... sei weniger extremistisch, er sei demokratischer gesonnen als Sahra Wagenknecht?
Ja, das glaubt er wohl. Und natürlich hat er damit auch recht. So extrem Gysi sein mag, Frau Wagenknecht hinter den sieben Bergen ist noch tausendmal extremer als er.
In Antwort auf:Putzig ist es allerdings, die Existenz von diversen kommunistischen Arbeitskreisen in einer kommunistischen Partei als deren "Unterwanderung" zu bezeichnen. "Unterwandert" werden könnte "Die Linke" allenfalls von Demokraten. Aber dafür gibt es keine Anzeichen; jedenfalls kenne ich keine.
Sie übersehen, daß die Linkspartei ja eben nicht die PDS in Reinform ist sondern eine Fusion aus PDS, WASG und Lafontaine. Insofern kann man schon von einer parteiinternen Unterwanderung der WASG-Kräfte durch PDS'ler oder Angehörige von westlinken Splitterparteien (wie z.B. die ins Gerede gekommene niedersächsische Landtagsabgeordnete) reden. Eben so wie es nach 1946 in der SED gelaufen ist. (Ein Quisling is übrigens immer noch etwas anderes.)
Im folgenden fehlt etwas:
In Antwort auf:Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, sprach am Mittwoch von einer "Unverschämtheit" und forderte Schäuble auf, "die Beobachtung und Erfassung von Mitgliedern der Partei Die Linke unverzüglich einzustellen – unabhängig davon ob Kommunistische Plattform, Cuba Sí oder andere."
Nur wer hats vergessen? Sie, Zettel? Oder Herr Bartsch? Oder die SZ? Und was war es?
In Antwort auf:... sie haben in der DDR eine Verfassung in Kraft gesetzt, die sich wie eine lupenreine bürgerlich-demokratische Verfassung las. Als sie fest im Sattel saßen, konnte man diese Verfassung allmählich zur Farce machen und schließlich ersetzen.
Da täuschen Sie sich. Ja, die SED hat eine modifizierte Weimarer Verfassung verabschieden lassen, um die DDR als legitime Fortsetzung deutscher Staatlichkeit gegenüber der Neuerung des "Adenauerstaates" darzustellen (ähnlich wie man ja auch ausdrücklich Wehrmachtsuniformen verwendet hat). Nur: die Verfassung wurde nicht allmählich zur Farce gemacht - sie war es immer schon.
In Antwort auf:Nun wird mir, wenn ich das sage oder schreibe, oft entgegengehalten, ich dächte in Kategorien der Vergangenheit.
Ich muß sagen, durchaus nicht zu unrecht, zumindest insofern, als Sie eine Vollgültigkeit alter Modelle annehmen, die sie erst noch belegen müßten.
In Antwort auf:Die heutige "Linke" sei eben gerade keine leninistische Partei mehr, keine Kaderpartei, ja sie sei überhaupt keine kommunistische Partei mehr.
Die Linkspartei ist ja auch wirklich keine Kaderpartei, es sei denn sie gehen von einer Partei in der Partei aus. Der Leninismus kommt dadurch ins Spiel, daß viele PDS'ler eben eine lenistische Kaderausbildung genossen haben, die sich sicherlich bei vielen nachwirkt.
Etwas weniger extrem zu sprechen wäre angebrachter. Sätze wie:
In Antwort auf:Und daß wir deshalb, lieber Chripa, glauben, Leninisten dächten und handelten wie andere Politiker. Das ist ein großer Irrtum.
sind doch nur lächerlich. Als ob das irgendwie Menschen vom Mars wären. Leninisten lügen genauso wie andere (oder auch nicht). Ideologen gibt es nicht nur kommunistische.
In Antwort auf:Ein Argument dafür, dass es diesen „Kulturmarxismus“ wirklich gibt, ist aber, dass die Linke in den westlichen Ländern sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu sehr für die wirtschaftliche Debatte interessiert hat (behaupte ich einfach mal). Sie hat aber große Erfolge bei der Zerstörung der vorher bestehenden Moralvorstellungen erzielt, zB ist heute auch die CDU für "gender-mainstreaming".
Aber nicht nur Marxisten. Da sind sie wieder die Linksliberalen. Aber ich sagte ja bereits: Ideologen gibt es nicht nur kommunistische.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Zitat von Herr OberSollte ZR je offline gehen, was der Herrgott verhüten möge, sagen Sie es bitte vorher, damit man sich vorher den Datenbestand herunterladen kann.
Nein, lieber Herr Ober, soweit ich in die Zukunft blicken kann, sehe ich nicht ins Off.
Daß Ihnen ZR gefällt, freut mich, und ich danke Ihnen für diese Rückmeldung.
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