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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 6 Antworten
und wurde 737 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.05.2008 18:15
KKK: Kaum zu unterscheiden Antworten

Unter "Kurioses, kurz kommentiert" weise ich gelegentlich auf Funde hin, die so kurios sind, daß sie sich eigentlich selbst kommentieren. Naja, gut, einen kurzen Kommentar gönne ich ihnen.

Da machen seit Jahrzehnten Linksextreme mit kriminellen Methoden - mit Sachbeschädigung, mit Körperverletzung, mit Transportgefährdung usw. - Politik; sie versuchen es jedenfalls. Nun scheinen Teile der Rechtsextremen die Idee gefaßt zu haben, es ihnen nachzutun. Und - schwupp! - ist das Entsetzen groß.

Kurios, oder nicht?

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

15.05.2008 18:29
#2 RE: KKK: Kaum zu unterscheiden Antworten

Zitat von Zettel
Auch die Parole "Kapitalismus bekämpfen" klingt ja nicht unbedingt, als hätten die Rechtsextremen sie erfunden.


Egal welche Art von totalitären Regime (+ Solche die es noch werden wollen), sie haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie sind gegen den Kapitalismus.

Das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit.
Albert Einstein

vivendi Offline



Beiträge: 663

15.05.2008 19:23
#3 RE: KKK: Kaum zu unterscheiden Antworten

Ich vermute, das ist damit zu erklären, dass Kapitalismus (jedenfalls in der aktuellen Form) keine Ideologie ist, die diktiert werden kann, die in Regeln fassbar ist, sondern ein Verhaltensmuster, das Nachahmer findet, weil es die freie individuelle Entscheidung zulässt und sogar fördert. Und weil es die Machtübernahme durch einige wenige "Elitepersonen" bisher wirksam verhindert hat.
Es gibt meines Wissens keine andere gesellschaftlich-wirtschaftliche Organisationsform, die zu mehr technischer Innovation, zu mehr Wohlstand, Gesundheit und individueller Freiheit geführt hat, als der "Kapitalismus" (was immer man darunter versteht).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.05.2008 23:20
#4 RE: KKK: Kaum zu unterscheiden Antworten

Zitat von vivendi
Es gibt meines Wissens keine andere gesellschaftlich-wirtschaftliche Organisationsform, die zu mehr technischer Innovation, zu mehr Wohlstand, Gesundheit und individueller Freiheit geführt hat, als der "Kapitalismus" (was immer man darunter versteht).

Das ist so evident, lieber vivendi, daß es für mich zu den großen Rätseln gehört, warum so viele intelligente Menschen es nicht sehen.

Gedankenexperiment:

Alle Menschen leben im Sozialismus, in einem real existierenden wie im ehemaligen Ostblock, wie jetzt in Nordkorea und Cuba, demnächst in Venezuela. Einen Kapitalismus hat es nie gegeben.

Und dann kommen junge Theoretiker und entwickeln das Modell von einer Gesellschaft, in der jeder seine Meinung sagen kann, in der es ein reiches Warenangebot gibt, in der die Beamten wenig Macht haben, in der die Restaurants sich um Gäste bemühen statt die Gäste um Plätze im Restaurant, in der man frei reisen kann, in der die Rentner so wohlhabend sind, daß viele von ihrer Rente auf Mallorca oder in Florida leben usw.

Dann würden, nicht wahr, die Menschen sagen: Ach ja, so eine Welt wäre schön. Nur, ihr Anhänger dieses "Kapitalismus" seid doch die reinsten Utopisten. Ihr wollt uns das Paradies auf Erden versprechen.

So etwas wie diesen "Kapitalismus" wird es nie geben, würden sie sagen. Davon kann man nur träumen.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

15.05.2008 23:26
#5 RE: KKK: Kaum zu unterscheiden Antworten

Wenn Sie das Wort Sozialismus gegen das Wort Feudalismus austauschen und die Liste der Staaten anpassen, haben sie die Geburtsstunde der linken Bewegung. (Und des Liberalismus)
Für mich als (wohl endgültig ehemaligen) Linken ist das immer wieder ein Grund zur Verzweiflung. Daß ein Projekt, das die Menschen aus ihrem Untertanenstatus befreien wollte, sich so um 180° wandeln konnte. Und das schon in dem Moment, als es in Frankreich die Macht bekam.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.05.2008 01:05
#6 Warum wurde aus dem Versuch der Befreiung die Unfreiheit? Antworten
Zitat von califax
Für mich als (wohl endgültig ehemaligen) Linken ist das immer wieder ein Grund zur Verzweiflung. Daß ein Projekt, das die Menschen aus ihrem Untertanenstatus befreien wollte, sich so um 180° wandeln konnte. Und das schon in dem Moment, als es in Frankreich die Macht bekam.

Aber nicht, als es in den USA realisiert wurde. Da vollzog sich etwas in der Weltgeschichte Einmaliges: Die politischen Ideen der Aufklärung wurden in die Tat umgesetzt - und es entstand auf Anhieb ein politisches System, das so perfekt war, daß es auch nach jetzt 220 Jahren kein einziges Mal in seinem Kern geänder werden mußte. Das diesem Volk seither alle Revolutionen erspart hat.

Warum war es bei der Französischen Revolution anders? Warum setzten sich in Kontinentaleuropa dann später nicht die Ideen der Aufklärung durch, sondern der rückwärtsgewandte, aufklärungsfeindliche Marxismus?

Ich komme, lieber califax, immer mehr zu der Überzeugung, daß die Französische Revolution viel weniger die Umsetzung der Ideen von Aufklärern wie Smith, Hume und Montesquieu war, als man das oft annimmt. Deren Schüler waren Jefferson, Madison und Hamilton. Alle drei studierte Leute, Jefferson sogar ein eminent gebildeter Mann. Die Amerikanische Revolution war sozusagen angewandte politische Philosophie der Aufklärung; mit allen von deren Überlegungen zum Gegensatz zwischen Individuum und Gemeinschaft, Freiheit und Ordnung, Demokratie und Minderheitenschutz.



Nichts davon in der Französischen Revolution. Der absolutistische Feudalismus war Ende des 18. Jahrhunderts "historisch fällig"; er war eine schreiende Ungerechtigkeit und, wie Marx richtig sah, eine "Fessel der Produktivkräfte". Insofern war die Revolution in einem anderen Sinn ebenfalls "fällig".

Aber anders als die Amerikanische Revolution basierte das, was sich dann entwickelte, nicht auf durchdachten politischen Ideen. Junge Leute üerboten sich darin, alles über den Haufen zu werfen und sich gegenseitig zu radikalisieren. Das war schon ähnlich wie 1968; nur eben blutiger Ernst.

Es war aber dieselbe Unreife, dieselbe Arroganz, dieselbe Machtversessenheit. Es waren ja auch keine akademisch, keine philosophisch gebildeten Männer, die diese Revolution anführten.

Mirabeau, ein verkrachter Adeliger. Robespierre, ein Rechtsanwalt, der auf dem Gymnasium mit Rousseau in Berührung gekommen war, aber keine philosophische Bildung hatte. Desmoulins, dito. Danton, dito. Alles Rechtsanwälte aus der Provinz ohne Bildung. St. Just, ein abgebrochener Jurastudent und Tunichtgut.

Der einzige Gebildete unter den Führern der Revolution war Marat, dessen spätere Berühmtheit freilich mehr auf seinem dramatischen Tod beruht als auf seinem Einfluß auf den Gang der Revolution.



Also, da wurde eine ganz andere Tradition begründet als in den USA.

Daß dann im 19. Jahrhundert Marx zu einem "großen Denker" avancieren konnte; daß seine politischen Ideen, die nie den Stand derer von Jefferson, Franklin, Madison und Hamilton erreicht hatten, von Montesquieu, Hume und Kant ganz zu schweigen, so wirkmächtig werden konnten, lag mit darin begründet, daß man in Deutschland die Französische Revolution als Vorbild vor Augen hatte, aber die politische Philosophie der Aufklärung keine Rolle spielte.

Kant war der letzte und der einzige wirklich große deutsche Aufklärer gewesen. Er hatte im Grunde keine Nachfolger, auch wenn Fichte sich auf ihn berief. Mit Hegel begann eine Anti-Aufklärung, deren schließliches Produkt Marx war.

Daß dieser Scharlatan mit seinem Halbwissen, seiner Aufgeblasenheit (es gab ja kaum eine Wissenschaft, in der er nicht dilettierte), seiner Egomanie, seiner Intoleranz, seiner völligen Unfähigkeit zu einer wissenschaftlichen Diskussion und seiner Machtversessenheit der dominierende politische Denker der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts werden sollte, war einer der Gründe für das Unglück dieser Unglückszeit. Der andere war natürlich das Auftreten Hitlers.

Ohne den Ersten Weltkrieg wäre der Sozialismus, der kommunistische wie der nationale, der Welt vermutlich dennoch erspart geblieben; überall in den ökonomisch entwickelten Ländern war man ja auf dem Weg zum demokratischen Rechtsstaat, ob nun als Republik oder als konstitutionelle Monarchie. Aber der Weltkrieg und der virulente Marxismus und dann noch diese Figur Hitler - das war eine teuflische Mischung.

Er war ein historisches Unglück, der Sozialismus. Shit happens.

Herzlich, Zettel
Facoly Offline



Beiträge: 3

18.05.2008 18:36
#7 Jugend und Linkssein Antworten

Daß die linke Radikalität einen so großen Bonus hat, läßt sich aus psychologischer Sicht sehr gut erklären. Zum ersten ist man in der Jugend, mit dem Erwachen einer kritischen Betrachtung der gesellschaftlichen Umwelt und des Weltgeschehens, extrem empfänglich für linke Ideologie. Dazu gehören Faktoren wie Abgrenzung und Protest gegen Autoritäten, Wahrnehmung der Ungleichheit der Menschen als "Ungerechtigkeit", Begeisterung für Ideale und die Schaffung einer "besseren Welt", leidenschaftlicher Einsatz für "das Richtige", die Umwelt, hehre Ziele usw. Die linke Ideologie bietet Identifikationspotential für Jugendliche ohne Ende. Dazu gesellt sich als weitere Voraussetzung die jugendliche Unreife sowie der Mangel an Lebenserfahrung. Es gelingt den Jugendlichen noch nicht, die realen Bedingungen unseres Daseins und die realen Möglichkeiten sowie (schlechten) Eigenschaften jedes Menschen (inkl. ihrer selbst) zu erkennen und richtig einzuschätzen. Sie sind noch nicht durch harte Erfahrungen von ihren Illusionen befreit.

Dies geschieht aber mit zunehmender Reife und tieferen Kenntnissen der menschlichen Lebensbedingungen und Antriebskräfte sowie besonders durch Familiengründung und eigene Kinder. Langsam kommen viele dann durchaus zu der Erkenntnis, daß Leben auf linkstheoretischer Basis nicht funktioniert. Ihr eigenes Leben wird mehr und mehr pragmatisch, hedonistisch und illusionslos. Das heißt aber noch lange nicht, daß alle derartig gereiften Menschen jede Sympathie für "links" verlieren. Emotional bleibt eine Sehnsucht nach den Idealen der Jugend latent vorhanden, verbunden mit Erinnerungen an Erlebnisse der Jugendzeit. Das emotionale Lernen funktioniert nur in der Jugend und die dort gemachten Erfahrungen und abgespeicherten Erinnerungen sind für jeden Menschen später mit positiven Gefühlen verbunden. Insofern räumen viele wohl aus diesen irrationalen Gesichtspunkten linken Aktivisten und Anarchos einen großen Bonus ein. Es werden noch viele altgewordene Politiker, Professoren, Publizisten, Journalisten, Schriftsteller und Sozialpädagogen einen tief vergrabenen Traum von der idealen Gesellschaft herumtragen - einfach, weil die Jugendzeit so schön war.

Dazu passend die alte Weisheit: "Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz, wer mit 50 immer noch links ist, hat keinen Verstand." Das Geheimnis liegt in Reife und Unreife der Menschen.

 Sprung  



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