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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 15 Antworten
und wurde 1.037 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.06.2008 14:34
Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Es ist ein Stereotyp, daß das Elfmeterschießen eine Art Lotterie sei; daß der Glücklichere und nicht der Bessere gewinnt. Aber stimmt das eigentlich?

Was die Beteiligung des Faktors "Zufall" angeht, stimmt es nicht. Es stimmt allerdings insofern, als beim Elfmeterschießen die Verantwortung jeweils allein bei dem ausführenden Spieler liegt, während der Torerfolg während des Spiels eine Sache der gesamten Mannschaft ist.

Insofern neigen wir dazu, die Torerfolge auch als gerechte Belohnung für diese gemeinsame Anstrengung anzusehen. Aber faktisch spielt das Glück dabei eine mindestens so große Rolle wie beim Elfmeterschießen.

Llarian Online



Beiträge: 7.117

21.06.2008 23:43
#2 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Lieber Zettel,

das Glück spielt sicher beim normalen Spiel wie auch beim Elfmeterschiessen eine Rolle. Dennoch ist die Varianz des Elfmeterschiessens höher und das wird als größerer Zufall angesehen.

Nehmen wir ein Spiel zwischen einer sehr gute Mannschaft und einer sehr schlechten. Damit ein Tor in einem normalen Spiel fällt, müssen (im Normalfall) etliche Zusammenspiele funktionieren, die Pässe müssen ankommen, die Flanke stimmen, der Schuss das Tor treffen und der Torwart danebengreifen. Und natürlich müssen die Duelle alle zugunsten der angreifenden Mannschaft ausgehen. Wenn wir jetzt postulieren die eine Mannschaft spiele doppelt so gut wie die andere, dann ist, selbst im Falle von großem Unglück für die bessere Mannschaft, das Spielergebnis geradezu determiniert.
Verkürze ich jedoch das Experiment auf 5 Schüsse und gehe nach wie vor davon aus, dass die bessere Mannschaft doppelt so gut ist, wie die schlechtere, dann gibt es dennoch eine nicht unerhebliche Chance das die schlechtere gewinnt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2008 00:14
#3 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Lieber Llarian,

Zitat von Llarian
Nehmen wir ein Spiel zwischen einer sehr gute Mannschaft und einer sehr schlechten. Damit ein Tor in einem normalen Spiel fällt, müssen (im Normalfall) etliche Zusammenspiele funktionieren, die Pässe müssen ankommen, die Flanke stimmen, der Schuss das Tor treffen und der Torwart danebengreifen. Und natürlich müssen die Duelle alle zugunsten der angreifenden Mannschaft ausgehen.

Das sind (vielleicht) notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen. Darüber legt sich die, statistisch gesprochen, Fehlervarianz. Wenn sie relativ zu der Varianz, die durch Faktoren wie "technische Fähigkeiten", "Taktik", "Kondition", "Motivation", "Selbstkontrolle" usw. aufgeklärt wird, groß ist, dann wird oft auch die Mannschaft gewinnen, die in der Mehrzahl dieser Faktoren, vielleicht gar in allen, die schlechteren Werte hat. (In einer Varianzanalyse würde vielleicht sogar keiner dieser Faktoren signifikant werden).
Zitat von Llarian
Wenn wir jetzt postulieren die eine Mannschaft spiele doppelt so gut wie die andere, dann ist, selbst im Falle von großem Unglück für die bessere Mannschaft, das Spielergebnis geradezu determiniert.

Das hängt eben von dem Verhältnis der durch diese Faktoren aufgeklärten Varianz zur Fehlervarianz ab.
Zitat von Llarian
Verkürze ich jedoch das Experiment auf 5 Schüsse und gehe nach wie vor davon aus, dass die bessere Mannschaft doppelt so gut ist, wie die schlechtere, dann gibt es dennoch eine nicht unerhebliche Chance das die schlechtere gewinnt.

Das muß meines Erachtens nicht zwingend so sein. Meine These ist, daß die Fehlervarianz beim Elfmeter viel geringer ist als bei einem Torschuß im Feldspiel.

Im Grunde dürfte nichts schief gehen, wenn ein guter Schütze vor keiner anderen Aufgabe steht, als aus elf Metern das Tor zu treffen, und zwar nicht gerade dort, wo der Torwart ist.

Wenn er danebenschießt, wie gestern zwei Kroaten, dann ist das ein Zeichen fehlender motorischer Kontrolle, dh großer Nervosität.

Wenn der Torwart hält, dann kann das (mindestens) drei Gründe haben, die auch in beliebigen Kombinationen zusammentreffen können: Ein schlechter Schuß; Informationen, die der Schüzte unfreiwillig dem Torwart gegeben hat, wo er hinschießen wird (einschließlich seiner generellen Präferenz, wie sie auf Lehmanns Zettel steht) oder schlicht Zufall: Wenn der Torwart sich halt in eine Ecke wirft, und zufällig schießt der Spieler in diese Ecke.

Und dieses Letztere ist, lieber Llarian, eigentlich der einzige Fall, in dem wirklich der Zufall ins Spiel kommt.



Fazit: Das Problem ist, wie ich erst durch Ihren Beitrag gemerkt habe, viel interessanter, als ich gedacht hatte. Man muß in der Tat (das hatte ich ganz übersehen) auch berücksichtigen, wieviele Einzelereignisse zusammengenommen das Ergebnis entscheiden.

Und dann ist da noch die haarige Frage, was eigentlich Zufall ist. Wenn man ein Experiment mit einem varianzanalytischen Design macht, dann ist Fehlervarianz einfach der Oberbegriff für die Wirkung aller Faktoren, die man in dem Experiment nicht kontrolliert hat. Das nennt man dann "Zufall". (Es sei denn, man hat einen Versuchsfehler gemacht und systematische Faktoren unkontrolliert gelassen).

Aber was ist beim Fußballspiel eigentlich Zufall und was ist auf einen definierbaren Faktor zurückzuführen?

Herzlich, Zettel

Dalayah Offline



Beiträge: 24

22.06.2008 02:11
#4 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Ich finde, beim Elfmeterschiessen gewinnt die glücklichere Mannschaft, im Spiel hingegen die fähigere Mannschaft, und das erst, nachdem ich Deinen Beitrag gelesen habe. Also der hat mich praktisch vom Gegenteil überzeugt Du zählst nämlich Faktoren auf, die im Spiel den Treffer entscheiden:

Zitat von Zettel
wo welche Spieler gerade stehen, was jeder von ihnen sieht und wie er sich entscheidet; ob derjenige, der schließlich aufs Tor schießt, richtig zum Ball steht; und so fort.


Das sind aber Faktoren, bei denen der Zufall *relativ* eine kleine Rolle, die Begabung, die Übung und die Erfahrung der Spieler eine grosse Rolle spielen. Beim Elferschiessen, sind die von Dir genannten Faktoren aber nicht vorhanden, also ausgeblendet, sagst Du ja selbst. Was bleibt übrig ? Der Zufall, als *relativ* viel stärkerer Faktor, nämlich : die Ecke in die der Schütze schiesst, und die Ecke in die der Torwart hüpft, zwei Münzwürfe, bei unterschiedlichen Ergebnissen, ist es ein Tor.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

22.06.2008 10:32
#5 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von Dalayah

Das sind aber Faktoren, bei denen der Zufall *relativ* eine kleine Rolle, die Begabung, die Übung und die Erfahrung der Spieler eine grosse Rolle spielen. Beim Elferschiessen, sind die von Dir genannten Faktoren aber nicht vorhanden, also ausgeblendet, sagst Du ja selbst. Was bleibt übrig ? Der Zufall, als *relativ* viel stärkerer Faktor, nämlich : die Ecke in die der Schütze schiesst, und die Ecke in die der Torwart hüpft, zwei Münzwürfe, bei unterschiedlichen Ergebnissen, ist es ein Tor.


Liebe Dalayah,

ist es denn wirklich so, wie Sie beschreiben? Es wäre nur dann so, wenn alle Spieler gleich sichere Elfmeterschützen wären. Das ist aber nicht der Fall! Warum werden denn Elfmeter, die während der regulären Spielzeit anfallen, meist von den gleichen Spielern ausgeführt (bei den Deutschen z. B. Ballack )? Weil nicht alle Spieler gleich gute und platzierte Schüsse zustandebringen.

Zudem ist ein Elfmeter auch zum großen Teil Nervensache. Die Spieler, die nach 120 Minuten völlig ausgepumpt sind (während die Torhüter im Vergleich meist auf dem Höhepunkt der Konzentration stehen), müssen dann antreten. Oft nicht nur gegen den Torwart, sondern auch gegen eine Kurve von 20.000 pfeifenden gegnerischen Fans. Plus der psychologische Nachteil des Schützen: Verschießt er, ist er der Depp. Der Torwart dagegen hat nix zu verlieren, der Spieler alles. (btw, das zeigt uns, dass Peter Handke vom Fußball keine Ahnung hat, der Satz dürfte nicht heißen "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", sondern vielmehr "Die Angst des Schützen vor dem Tormann").

Insgesamt würde ich also sagen, die Mannschaft gewinnt beim Elferschießen, deren Spieler mehr (unter all den oben genannten Bedingungen) sichere Elfmeterschützen in ihren Reihen hat. Daher stimme ich Zettel zu: Keine Lotterie!

Gruß Petz

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

22.06.2008 10:49
#6 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten
Allgemein zur statistischen Berechenbarkeit von Fußballspielen eine Ergänzung: Ich habe kürzlich von einer meiner Meinung nach ziemlich überzeugenden Studie gelesen. Die ging von der These aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die nominell besser besetzte Mannschaft gerade in den Sportarten um so häufiger gewinnt, je mehr Entscheidungssituationen es gibt (vereinfacht gesagt, je mehr Tore, Punkte, Körbe usw. vergeben werden). Beim Basketball z. B. gibt es bei Spielen meist zwischen 80 und 100 Punkten pro Spiel und Mannschaft, also hat jede Mannschaft 40 Entscheidungssituationen, in der sie Ihre Klasse zeigen kann (oder auch nicht). Auch beim Handball sind es zwischen 20 und 30 Toren. Beim Fußball dagegen sind es viel weniger, ein Spiel mit 10 sicheren Torchancen ist schon eine absolute Ausnahme.

Eine Analyse von ausreichend vielen Spielen in den jeweiligen Sportarten hat dann die These bestätigt. Beim Basketball und Handball gewinnt viel öfter die Mannschaft, die auch auf dem Papier stärker ist.

Auch das spricht gegen das Elfmeterschießen als Lotterie, da es quasi nur aus Entscheidungssituationen besteht.

Gruß Petz
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.06.2008 12:15
#7 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von Meister Petz
Allgemein zur statistischen Berechenbarkeit von Fußballspielen eine Ergänzung: Ich habe kürzlich von einer meiner Meinung nach ziemlich überzeugenden Studie gelesen. Die ging von der These aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die nominell besser besetzte Mannschaft gerade in den Sportarten um so häufiger gewinnt, je mehr Entscheidungssituationen es gibt (vereinfacht gesagt, je mehr Tore, Punkte, Körbe usw. vergeben werden). (...) Eine Analyse von ausreichend vielen Spielen in den jeweiligen Sportarten hat dann die These bestätigt.

Sehr einleuchtend, lieber Meister Petz. Statistisch gesprochen ist einfach die Stichprobe größer, je öfter es zu solchen Situationen kommt, und damit ihre Reprästentativität.

Hier habe ich einmal argumentiert, daß just darin, daß ein Tor ein seltenes Ereignis ist, mit der Reiz des Fußballs liegt.

Ich habe beim Schreiben des damaligen Artikels (zur WM 2006) nur daran gedacht, daß dadurch jedes Tor zu einem Höhepunkt wird. Dieser zweite Effekt - daß dadurch der Ausgang des Spiels weniger vorhersagbar, also spannender wird - habe ich nicht gedacht.

Wenn einfach Punkt auf Punkt gehäuft wird, ist ein Spiel ja schon dadurch oft langweilig (ich kann deshalb dem Handball, dem Basketball usw. wenig abgewinnen). Beim Tennis hat man die geniale Lösung des speziellen Zählsystems gefunden.

Wie öde wären die meisten Tennisspiele, wenn man einfach über eine festgelegte Spielzeit hinweg die Punkte addieren würde, und am Ende hat der mit den meisten gewonnen!

Herzlich, Zettel

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2008 21:07
#8 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Nein, das Elfmeterschießen ist keine Lotterie, kein Zufall. Spannend ist es trotzdem.

Es ist vielmehr eine Nervenprüfung, gerade weil alles so festgelegt ist und es nur wenige Optionen gibt.

Die höchste Konzentration wird sowohl dem Schützen wie dem Torwart abverlangt.

Wobei ich die Lage des Schützen bei weitem als schwerer erachte. Entgegen deutschen Literaturtiteln, braucht der Tormann gar keine Angst haben, nimmt ihm doch niemand übel, wenn er den Ball nicht hält. Doch wehe der Schütze trifft nicht ... von den Fehlleistungen eines Herrn Hoeness oder diverser englischer Spieler redet man heute noch.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.

Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Dalayah Offline



Beiträge: 24

23.06.2008 03:32
#9 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von Meister Petz
ist es denn wirklich so, wie Sie beschreiben?


Ich weiss es nicht, ich habe noch nie einen Elfmeter geschossen :)

Zitat von Meister Petz
Es wäre nur dann so, wenn alle Spieler gleich sichere Elfmeterschützen wären. Das ist aber nicht der Fall! Warum werden denn Elfmeter, die während der regulären Spielzeit anfallen, meist von den gleichen Spielern ausgeführt (bei den Deutschen z. B. Ballack )? Weil nicht alle Spieler gleich gute und platzierte Schüsse zustandebringen.


Aber wenn mitten im Spiel ein Spieler, ungestört von Gegenspielern sich bis auf Elfmeter-Entfernung mit dem Ball am Fuss dem Tor nähert, und draufhaut, und der Ball übers Tor fliegt, dann höre ich von gewissen Lebensgefährten "den MUSS er doch reinmachen". Also gehe ich davon aus, dass die Spieler aus der Entfernung mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage sind, das Tor zu treffen, sei mal dahingestellt, wo genau. Ausserdem gehe ich davon aus, dass der Torwart aus der Entfernung sich nicht erst dann werfen darf, wenn er den Ball schon fliegen sieht, er also raten oder vermuten muss.

Deswegen folgerte ich, der Elfmeter müsste gar nicht so genau platziert sein. Der Ball muss doch einfach nur irgendwo im Tor ankommen, ich habe glaube ich in Zeitlupe sogar schon Schüsse gesehen, wo der Ball genau auf die Mitte gezielt, traf, eben weil der Torwart zur Seite sprang. Das hat schon irgendwie Lotterie-Charakter.


Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2008 05:38
#10 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von Dalayah
Aber wenn mitten im Spiel ein Spieler, ungestört von Gegenspielern sich bis auf Elfmeter-Entfernung mit dem Ball am Fuss dem Tor nähert, und draufhaut, und der Ball übers Tor fliegt, dann höre ich von gewissen Lebensgefährten "den MUSS er doch reinmachen". Also gehe ich davon aus, dass die Spieler aus der Entfernung mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage sind, das Tor zu treffen, sei mal dahingestellt, wo genau.

Je mehr hier diskutiert wird, liebe Dalayah, umso mehr wird mir klar, welches schwierige Problem ich in dem kleinen Artikelchen ganz unzureichend behandelt habe.

Also, es gibt Leute, die über den Zufall beim Elfmeter promoviert haben. Und es gibt auch sonst jede Menge Statistisches zum Thema.

Ich kannte schlicht die Literatur nicht, als ich naiv über so etwas Schwieriges wie den Elfmeter geschrieben habe.

74,6 Prozent der Elfmeter sind Treffer, fand Kuß heraus. In dem internationalen Vergleich werden andere Daten verwendet, da waren es in der Bundesliga nur 69 Prozent, gegen 82 Prozent in Frnkreich, 78 Prozent in England und jeweils 75 Prozent in Italien und Spanien.

Vermutlich sind das alles zufällige Abweichungen von einem wahren Wert, der irgendwo in der Gegend von 75 Prozent liegt.

Das ist mit Sicherheit mehr als bei Torschüssen im Feldspiel. Ich habe da zwar keine umfassende Statistik gefunden, aber zum Beispiel waren es bei Werder Bremen in der Saison 2006/2007 ganze 16,5 Prozent.



Jetzt würde ich, liebe Dalayah, gern mal folgendes Experiment machen: Die fußballerisch versierten Versuchspersonen sehen den Ablauf bis zu dem Augenblick, in dem der Ball den Fuß des Schützen verläßt. Dann sollen sie schätzen, wohin der Ball fliegen wird (also den Punkt markieren, wo er das Tor erreicht).

Meine Vorhersage ist, daß das im Feldspiel mit einer deutlich größeren Genauigkeit möglich ist als beim Elfmeter. Das heißt, im Feldspiel sind die möglichen Flugbahnen des Balls stärker durch objektive Faktoren determiniert als beim Elfmeter - durch die Position des Schützen, die des Torwarts, die gesamte Spielsituation. Beim Elfmeter kann der Ball hingegen viele Bahnen nehmen; deshalb kann der Schütze den Torwart "verladen".

Man könnte nun vermuten, daß es just die großere Freiheit ist, die dem Torschützen beim Elfmeter das Treffen so schwer macht. Er muß eine bewußte Entscheidung treffen, wo er hinschießt; er muß den ganzen Vorgang teilweise bewußt steuern. Im Feldspiel ist das nur sehr bedingt erforderlich óder auch nur möglich; hier bestimmt die Gesamtsituation weitgehend, was passieren wird.

Es ist also a bisserl wie bei dem Tausendfüßler, der nicht mehr laufen kann, wenn er versucht, jedes Bein bewußt zu bewegen.

Dummerweise ist es beim Torwart genauso. Auch sein Verhalten ist im Feldspiel weitgehend durch Geübtes und Automatismen bestimmt. Beim Elfmeter aber muß auch er überlegen und entscheiden.

Es ist also in den beiden Fällen eine ganz andere Situation mit ganz anderen Ursachen dafür, daß Fehler auftreten.



Anfang des Zwanzigsten Jahrhundert hat der Psychologe Narziß Ach ein ganzes Buch über solche Themen geschrieben, "Analyse des Willens". Darin hat er ein "Gesetz der spezifischen Determination" formuliert: Je genauer eine Aufgabe determiniert ist, umso schneller kann man sie lösen.

Wenn man einer Versuchsperson die Aufgabe stellt, so schnell wie möglich irgendeinen Vokal zu nennen, dann ist die Reaktionszeit kürzer, als wenn man sagt, sie soll so schnell wie möglich irgendeinen beliebigen Buchstaben nennen - obwohl sie doch im zweiten Fall auch einen Vokal nehmen könnte; sie ist ja völlig frei.

Ich glaube, liebe Dalayah, jetzt haben wir immer noch nur erst an der Oberfläche des Problems gekratzt.

Herzlich, Zettel

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2008 12:43
#11 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten
Lieber Zettel,

vielleicht drei Aspekte zum Thema, die noch nicht genannt wurden:

1. Wenn der Schütze hart und platziert in eine Ecke trifft, hat kein Torwart der Welt eine Chance - selbst wenn er es vorher wüßte, wohin der Ball geht. Im Vergleich zu einer Situation aus dem Spiel heraus, wo man auch oft meint, dieser oder jener Schuß "muß" sitzen, rennen keine Abwehrspieler auf ihn zu, die ihn unter Druck setzen. Insofern spricht das für kontrolliertere Bedingungen.
Aber alleine aus der Tatsache, daß die Spieler beim Elfmeterschießen eine wesentlich höhere Trefferwahrscheinlichkeit als in anderen Spielsituationen haben, läßt sich auf den Zufall noch genau gar nichts schließen. Ließe man die Mannschaften am Ende stattdessen würfeln und wäre die Regel, daß aus 100 Wiederholungen entweder die Mannschaft weiter ist, die am häufigsten eine 6 oder eine 5 und 6 erzielt, wäre es doch in beiden Fällen Zufall, auch wenn im zweiten Fall das ausschlaggebende Ereignis viel häufiger einträte.
Solange die Bedingungen für beide Teams gleich sind, läßt sich daran, wie oft durchschnittlich getroffen wird, nichts über den Zufall sagen.

2. Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag über das Elfmeterschießen gesehen, wo man ganz anders an die Sache herangegangen ist: Es wurde untersucht, ob der Torwart überhaupt die Möglichkeit hat, auf den Schuß zu reagieren, indem er wartet, bis er erkennt, wohin er geht. Man kam zu dem Schluß, daß angesichts der Zeit, die vergeht, bis der Ball eine ausreichende Strecke zurückgelegt hat, um überhaupt seine Richtung zu erkennen, bis die Info vom Gehirn verarbeitet wurde und man schließlich darauf reagieren kann, die Sache längst vorbei ist, wenn ein Profi nur halbwegs hart schießt. Geht der Ball dann nicht direkt auf Mann oder daß eine simple Bewegung eines Arms reichte, wäre es für den Torwart unmöglich, auch nur einen Elfmeter zu halten. Er muß sich vorher entscheiden und kann nur versuchen, den Schützen durch Körpertäuschungen in die vermeintlich freie Ecke schießen zu lassen, um dann genau dort hinzuspringen. Da der Schütze das weiß, wird er seinerseits entweder versuchen, den Torwart zu "verladen", also ebenfalls zu täuschen, wobei der Schuß dann nur irgendwie in die richtige Ecke gehen muß, oder so platziert zu schießen, so daß der Torwart ohnehin keine Chance hat, was die Reaktion des Torwarts aus der Rechnung ausschließt, aber auch schwerer zu bewerkstelligen ist.
Der Unterschied zu anderen Situationen ist hier nun, daß der Torwart sonst kaum auf blauen Dunst irgendwo hinspringen wird, während er beim Elfmeter keine andere Wahl hat. Das spricht klar für ein zufälligeres Ergebnis beim Elfmeterschießen.

3. Der letzte Elfmeter, der bei einem Elfmeterschießen von einem deutschen Spieler bei einem großen Turnier vergeben wurde, war der von Uli Stielike im Halbfinale der WM 1982 (und zugleich der einzige Fehlschuß jemals bei Weltmeisterschaften). Wenn man das z. B. mit den Engländern vergleicht, kann es nicht mehr viel mit Zufall zu tun haben!

MfG
califax Offline




Beiträge: 1.502

23.06.2008 17:03
#12 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Mir fallen an der Sache zwei Dinge auf:

Zum einen die Frage der Beteiligung. Autounfälle sind viel häufiger als Flugzeugabstürze. Selbst wenn man die Anzahl der Toten anhand der Anzahl der Beförderungsfälle(1) normalisiert, sollte das Flugzeug viel sicherer sein. Dennoch habe ich sicher nicht als einziger Mensch mehr Angst vorm Fliegen als vorm Fahren. Allerdings nur, solange ich selbst fahre. Taxifahren empinde ich wieder als riskanter als selbst zu fahren.
Warum? Man bildet sich ein, man hätte die Situation besser unter Kontrolle, wenn man mitwirken kann.
Oft stimmt das ja auch. Aber wir gehen eben einen Schritt weiter: Von der Kontrolle schließen wir auf Sicherheit und Beherrschaftbarkeit. Und das ist ein Fehlschluß.
Ich hätte am Steuer eines Airbus offensichtlich viel mehr Kontrolle über den Vogel als als Passagier. Mehr Sicherheit hätte ich aber ganz sicher nicht.
Beim Elfmeterschießen stehen 20 Leute daneben und können nur hoffen.
Da fehlt den Spielern also die Illusion der Kontrolle und der Sicherheit.
Entsprechend äußern sie sich bei Interviews, und wir glauben es ihnen. Sind ja schließlich Experten.

Zweitens ist das Elfmeterschießen ein ganz anderes Spiel als der normale Fußball. Es herrschen ja ganz andere Regeln und Umstände.
Eine solche Ursachenverlagerung mögen wir meist nicht. Im Stau zu stehen ist ärgerlich. Im Stau zu stehen, weil eine Bahnlok auf einem Übergang liegengeblieben ist, ist aber noch viel ärgerlicher.
Es gab mal einen schönen Vorfall: Der ICE in München fiel aus. Ärgerlich, aber damals häufig. Explodiert sind die Passagiere auf dem Bahnsteig aber, als sie den Grund erfuhren - keine Schlamperei der Bahn, sondern ein Idiot, der seinen BMW in einer leichten Kurve von der Autobahnüberholspur über 100m weit durch die Luft auf die Bahngleise geschleudert hatte. (Er hat übrigens überlebt.)

Im normalen Spielverlauf spielen neben Treffsicherheit und Nervenstärke noch andere wichtige Faktoren mit: Übersicht, Stellungsspiel, Mannschaftsdiziplin, Schnelligkeit, Ausdauer, Wendigkeit, Regenerationsfähigkeit (schnell wieder zu Puste kommen), Kopfballstärke, Mannschaftsaufstelung, etc.
Und all dies doppelt.
Eine Mannschaft kann aus 11 Scharfschützen bestehen. Wenn das Diven sind, die nicht zusammenarbeiten, wird sie gegen einen durchschnittlichen Gegner trotzdem verlieren.
All das sind Faktoren, um deren Kontrolle im normalen Spiel gekämpft wird, und in denen man üblicherweise die Ursache für ein Ergebnis sucht. Beim Elfmeter sind sie ausgeschaltet, die herkömmlichen Erklärungs- und Prognosemuster funktionieren nicht mehr.
Das ist, als ob man einem Piloten die Cockpitinstrumente wegnimmt und sagt: "Ja, ist doch so viel einfacher - Entweder kommst Du lebend an oder eben nicht." Das wird dem Piloten entschieden zuviel Lotterie sein. Dabei wird in beiden Fälle eh per Autopilot gesteuert.

(1) Beförderungsfall ist zwar grauenhaftes Bahnerdeutsch, aber sinnvoll. Ein Kunde ist genau ein Kunde, egal wie oft er befördert wird. Wenn ein Passagier hin- und zurückfährt, ist er derselbe Passagier. Es sind aber zwei Beförderungsfälle.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.06.2008 21:40
#13 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von califax
Autounfälle sind viel häufiger als Flugzeugabstürze. Selbst wenn man die Anzahl der Toten anhand der Anzahl der Beförderungsfälle(1) normalisiert, sollte das Flugzeug viel sicherer sein. Dennoch habe ich sicher nicht als einziger Mensch mehr Angst vorm Fliegen als vorm Fahren.

Hinzu kommt wohl, daß

a) das Fliegen unserem Primatengehirn unverständlich ist; eigentlich müßte, psychologisch gesehen, jedes Flugzeug runterfallen. Das man heil landet, ist ein Wunder, der Mensch ist schließlich kein Vogel;

b) ein einziges Flugzeugunglück spektakulärer ist als viele Autounfälle
Zitat von califax
Beim Elfmeterschießen stehen 20 Leute daneben und können nur hoffen. Da fehlt den Spielern also die Illusion der Kontrolle und der Sicherheit.

Interessanter Punkt. Stimmt wohl. Buffon hat zeitweise, wenn er selbst nicht dran war, der Szene des Schreckens den Rücken zugekehrt.
Zitat von califax
All das sind Faktoren, um deren Kontrolle im normalen Spiel gekämpft wird, und in denen man üblicherweise die Ursache für ein Ergebnis sucht. Beim Elfmeter sind sie ausgeschaltet, die herkömmlichen Erklärungs- und Prognosemuster funktionieren nicht mehr. Das ist, als ob man einem Piloten die Cockpitinstrumente wegnimmt und sagt: "Ja, ist doch so viel einfacher - Entweder kommst Du lebend an oder eben nicht." Das wird dem Piloten entschieden zuviel Lotterie sein. Dabei wird in beiden Fälle eh per Autopilot gesteuert.

Dann wäre es also so etwas wie eine Illusion einer Lotterie?
Zitat von califax
(1) Beförderungsfall ist zwar grauenhaftes Bahnerdeutsch, aber sinnvoll. Ein Kunde ist genau ein Kunde, egal wie oft er befördert wird. Wenn ein Passagier hin- und zurückfährt, ist er derselbe Passagier. Es sind aber zwei Beförderungsfälle.

Das ist wie beim Traffic in einem Forum oder Blog. Sie sind immer derselbe Califax, aber jedesmal ein neuer Lese- und Schreibfall.

Vor allem über das Letztere freut sich immer wieder

Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

26.06.2008 01:07
#14 RE: Elfmeterschießen - eine Lotterie? Antworten

Zitat von Zettel
Wenn einfach Punkt auf Punkt gehäuft wird, ist ein Spiel ja schon dadurch oft langweilig (ich kann deshalb dem Handball, dem Basketball usw. wenig abgewinnen). Beim Tennis hat man die geniale Lösung des speziellen Zählsystems gefunden.


Richtig. Und das Elfmeterschießen ist auch so eine Situation. Seine spezielle Spannung erhält es lediglich aus dem Kontext der vorigen 120 Minuten. Es bewirkt eine Entscheidung, die die Spieler vorher nicht zustande gebracht haben. Und bei der verlierenden Mannschaft sind nicht nur die Spieler traurig, die verschossen haben, sondern auch die, die vorher im Spiel Torchancen vergeben haben, weil sie damit das Elfmeterschießen hätten abwenden können (z. B. war im EM-Halbfinale 96 nicht Southgate der tragische Held, sondern Gascoigne, der in der Verlängerung eine gute Chance vergeben hat).

Ich behaupte mal, ein reines "Elfmeter-Turnier" würde keine 100 Zuschauer ins Stadion locken.

Gruß Petz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.06.2008 15:24
#15 Was ist Zufall? Antworten

Als Antwort auf diesen Beitrag von Dirk:

Zitat von dirk
In dem Beitrag fehlt eine Definition von Zufall. Allgemein kann man Zufall von deterministischem Verhalten nicht unterscheiden. Ein Computer zum Beispiel spuckt Zufallszahlen aus, die alle nach einem festen Algorithmus berechnet werden.

Wie Friedel B. schon geschrieben hat - das sind Pseudo-Zufallszahlen. Simulierter Zufall, wie man ihn vor dem Einsatz des Rechners in Tables of Random Numbers zur Verfügung hatte.



Was ist Zufall? Im Englischen gibt es interessanterweise dafür verschiedene Begriffe.

(1) "Zufällig", wenn man es alltagssprachlich verwendet, kann "by chance", "by accident", "by coincidence" heißen. Damit meint man etwas Unerwartetes oder Unwahrscheinliches. "By accident" kam gerade ein Taxi vorbei, als ich eins brauchte. "By coincidence" sagte die Uroma, die gar nicht weiß, wie ein Fußballspiel abläuft, richtig vorher, daß Deutschland gegen die Türkei 3:2 gewinnen würde. Es traf halt zufällig zusammen.

Ist ein solches Zusammentreffen glücklich, dann sagt man auch, es sei "fortuitous". Manchmal wird auch doppelt gemoppelt: "By a fortuitous coincidence" traf den Soldaten die feindliche Kugel gerade dort, wo er seine stählerne Tabaksdose verstaut hatte.

(2) In einem anderen umgangssprachlichen Sinn verwendet man im Englischen "haphazard". "In a haphazard way" malt der Affe, dem man einen Pinsel und Farbe gegeben hat, auf der Leinwand herum - zufällig, also chaotisch, ungeplant. "A haphazard collection" von Gegenständen fand man früher im Hosensack eines richtigen Jungen - eine wilde, bunte Sammlung, vom Taschenmesser über die Murmel bis zum toten Frosch.

(3) Zufall im wissenschaftlichen Kontext ist "randomness"; meist wird das Adjektiv "random" verwendet, wie - siehe oben - in "random numbers", oder bei einem "randomized factor"; das ist ein Faktor, dessen verschiedene Ausprägungen in einem Experiment zufällig aufeinander folgen.



Wie sieht es nun mit Determiniertheit und Indeterminiertheit aus?

"Coincidence" hat mit Indeterminiertheit nichts zu tun. Es ist einfach ein Zusammentreffen, das sich von anderen Zusammentreffen nur dadurch entscheidet, daß es unerwartet, selten, also "unwahrscheinlich" war. Zufällig stand der arme Herr X dort, wo der Meteorit einschlug. Alles determiniert, nur leider nicht vorhersagbar.

"Haphazard" kommt der fehlenden Determiniertheit schon näher. Ein chaotisches System ist jedenfalls in seinem Verhalten unbestimmt in dem Sinn, daß man es nicht vorhersagen kann, jedenfalls nicht nach Belieben. Ob es auch in einem ontologischen Sinn unbestimmt ist - das ist eine große Streitfrage.

Das englische Wort "uncertainty" trägt diese beiden Möglichkeiten sozusagen in sich. Es kann "Unsicherheit" bedeuten, aber auch "Unbestimmtheit". In den Anfängen der Informationstheorie wurde "uncertainty" manchmal als das Wort für die Größe H verwendet ( = Entropie, mittlerer Informationsgehalt). Da war es nicht uninteressant, ob man es mit "Unsicherheit" oder "Unbestimmtheit" übersetzt.

Und was nun "randomness" angeht: Das ist derjenige "Zufall", der eine Gauss'sche Normalverteilung hervorbringt. Also diejenige Verteilung, die man bekommt, wenn eine sehr große Zahl von Faktoren, die von einander unabhängig eine jeweils nur geringe Wirkung haben (die sich also additiv verhalten), die jeweilige Meßgröße bestimmen.

Das ist also überhaupt nicht undeterminiert. Nur handelt es sich um eine andere Art von Determination als diejenige, die uns in einem Experiment interessiert, wenn wir die Wirkung bestimmter Faktoren untersuchen. Der Gauss'sche Zufall tritt dann in Form von Rauschen, von Fehlervarianz sehr unschön in Erscheinung.



Und nun zum Fußball.
Zitat von dirk
In dem Fall des Fussballspiels würde ich Zufall dann indirekt definieren: Es gibt ein gewisses fussballerisches Können, aber das alleine entscheidet nicht über den Ausgang des Spiels. Da gibt es noch eine Störgröße. Also Zufall ist alles das, was nicht durch Fussballerisches Können erklärt werden kann.

Diese Definition gefällt mir sehr gut. Sie trifft genau das, was ich oben zu "randomness" erläutert habe.
Zitat von dirk
Und beim Elfmeterschießen spielen die Nerven eine Rolle. Also nicht nur fussballerisches Können, sprich Zufall im obigen Sinne. Im Elfmeterschiessen kann die schlechtere Mannschaft genauso gut gewinnen. ("Es sind alle Karten gleich verteilt")

Da setzen Sie aber voraus, lieber Dirk, daß gute Nerven nicht auch ein Faktor fußballerischen Könnens sind.
Zitat von dirk
Umgekehrt ist der Zufall in einzelnen Spielsituationen (Pfosten statt Tor) vielleicht da. Aber ein Spiel dauert ja 90 Minuten, so dass viele Situationen zu erwarten sind, sich der Zufall wegmittelt und das (fussballerische) Können einen höhren Anteil am Erfolg erhält.

Das ist weitgehend so, wenn es nicht um fuß- , sondern beispielsweise um handballerisches Können geht. Weil - wie schon in diesem Thread diskutiert - das Endergebnis sich aus dem Ergebnis vieler Einzelentscheidungen zusammensetzt.

Beim Fußball kann es aber leicht passieren, daß die eine Mannschaft sich viele Chancen erarbeitet, nur gehen alle Schüsse haarscharf vorbei oder an die Latte oder werden vom Torwart gerade noch mit der Fußspitze vereitelt usw. Und die andere Mannschaft schießt so ein Glückstor wie kürzlich Ballack in der EM.
Zitat von dirk
Elfmeterschiessen ist ein wenig so wie Klausuren schreiben. Das sind zwar auch Laborbedingungen, aber der Beste schneidet nicht unbedingt am besten ab.

Hm, aber die Korrelation mit den vorausgehenden Leistungen ist aber doch gut, oder? Freilich nicht so gut wie bei einer mündlichen Prüfung, oder wenn ein Lehrer jemanden über ein ganzes Jahr benotet.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit etwas zu meiner Erfahrung als Prüfer sagen: Ich war und bin ein Anhänger der mündlichen Prüfung, weil ein guter Prüfer die Zufälligkeiten, die bei einer Klausur auftreten können, gewissermaßen auspendeln kann. Man kann die Fragen auf das Niveau des Kandidaten abstimmen, sobald man sich davon ein Bild gemacht hat. Man kann, wenn jemand erkennbar etwas nicht weiß, das Thema wechseln. Man kann nachfragen, wie jemand etwas meint. Man kann auch die Prüfungsangst dämpfen, indem man freundlich mit dem Kandidaten umgeht.

Ich habe deshalb nie verstanden, warum - so habe ich es jedenfalls erlebt - aus der Studentschaft immer wieder die Forderung nach schriftlichen Klausuren kommt. Naja, vielleicht, weil es ja auch schlechte Prüfer gibt.
Zitat von dirk
Kurz: Ihr Beitrag hängt im wesentlichen davon ab, dass sie ein anderes Verständnis von "Zufall" haben als diejenigen, die die Behauptung "Elfmeterschiessen=Zufall" aufstellen. Und die Diskussion krankt daran, dass nicht klar ist was "Zufall" in diesem Zusammenhang bedeuten soll.


Das erste glaube ich nicht. Und was das zweite angeht - da sind wir ja dabei, es zu beheben.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

26.06.2008 19:58
#16 RE: Was ist Zufall? Antworten

In Antwort auf:
Da setzen Sie aber voraus, lieber Dirk, daß gute Nerven nicht auch ein Faktor fußballerischen Könnens sind.


Genau. Weil gute Nerven anzunehmenderweise wenig Erklärungspotenzial für den Ausgang von Fussballspielen haben - sofern sie nicht durch Elfmeterschiessen entschieden werden.

In Antwort auf:
Das ist weitgehend so, wenn es nicht um fuß- , sondern beispielsweise um handballerisches Können geht. Weil - wie schon in diesem Thread diskutiert - das Endergebnis sich aus dem Ergebnis vieler Einzelentscheidungen zusammensetzt.


Torchancen müssen auch erst erspielt werden, da spielt Können eine entscheidende Rolle.


In Antwort auf:
Hm, aber die Korrelation mit den vorausgehenden Leistungen ist aber doch gut, oder? Freilich nicht so gut wie bei einer mündlichen Prüfung, oder wenn ein Lehrer jemanden über ein ganzes Jahr benotet.
Ja, selbstverständlich. Ich weiss auch nicht mehr, was ich damit sagen wollte. Vermutlich meinte ich das, was in Kluasuren zusätzlich zu den Fähigkeiten noch den Ausschlag gibt. Auch ich bevorzuge mündliche Prüfungen. Weil eine evtl Verwirrung oder ein kleiner, eigentlich unerheblicher Fehler korrigiert werden kann. Auch ist der Prüfer qualifizierter als die Studenten, die üblicherweise Klausuren korrigieren und auf unvorhergesehende Lösungsvorschläge kann der Prüfer flexibler reagieren.

In Antwort auf:
Kurz: Ihr Beitrag hängt im wesentlichen davon ab, dass sie ein anderes Verständnis von "Zufall" haben als diejenigen, die die Behauptung "Elfmeterschiessen=Zufall" aufstellen. Und die Diskussion krankt daran, dass nicht klar ist was "Zufall" in diesem Zusammenhang bedeuten soll.


Das erste glaube ich nicht. Und was das zweite angeht - da sind wir ja dabei, es zu beheben.


Doch, ich glaube schon. Bei Ihnen ist Zufall all jenes, was der Spieler nicht kontrollieren kann. Und da beim Elfmeter "Laborbedingungen" herrschen, gäbe es dort keinen Zufall. Bei mir ist Zufall das, was nicht durch das erklär werden kann, was man üblicherweise als fussballerisches Können versteht: Die Rangfolge der Spielstärken enthält wenig Information über den Ausgang des Elfmeterschiessens. Oder, in der on Ihnen aufgeworfenen Terminologie, die relative Entropie der Verteilung der Ergebnisse des Elfmeterschiessens gegeben die Verteilung der Spielstärke ist hoch.

Eine andere Interpreatation des Zufalls wäre als wiederholte Ereignisse. Was würde passieren, wenn zwei Mannschaften nicht nur ein Elfmeterschiessen sondern gleich 1000 hintereinander vollführen?

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