Das sind Sendungen, für die man den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht: Die Live-Übertragung der Lesungen zum Ingeborg-Bachmann-Preis, und soeben die Übertragung der Abstimmungen über die Preise nebst deren Verleihung.
Man hat auch andere Nominierte nicht verkommen lassen; neben dem eigentlichen Preis gab es noch ein paar andere, auch nicht schlecht dotiert.
Das Abstimmungsverfahren war öffentlich. Jedes Mitglied legte sein Votum offen und begründete es, jedenfalls im jeweils ersten Wahlgang. Das war ganz amüsant; ob es auch sachdienlich war, weiß ich nicht. Ein Jurymitglied hatte einen Autor nominiert, Ulf Erdmann Ziegler, und sagte bei jeder Abstimmung stereotyp: "Ich bleibe bei meinem Kandidaten Ulf Erdmann Ziegler". Es ging anscheinend darum, da jemandem ostentativ die Treue zu halten. Bei geheimen Beratungen, bei geheimer Abstimmung hätte das ganz anders aussehen können.
Und noch eine Kuriosität: Obwohl es ganze sieben Jurymitglieder gab, wurde elektronisch abgestimmt, mittels einer Touchscreen, die jeder auf seinem Pult montiert hatte.
Mir erschien das zuerst höchst albern, ein sinnloser Einsatz von Technik. Aber das stimmte nicht. Da gab es Wahlgänge, Stichwahlen, mehrere zu vergebende Preise. Man mußte schon sehr gut aufpassen, um zu wissen, wer jeweils aktuell im Rennen war (ein Notar sorgte dafür, daß das Verfahren über alle Einwände erhaben war). Und da war es schon sehr hilfreich - und ganz sicher eine große Beschleunigung des Verfahrens - , daß die Juroren jeweils auf ihrer Touchscreen nur diejenigen Namen gefettet sahen, die gerade zur Abstimmung standen.
Überhaupt lief das Verfahren sehr zügig und ohne den üblichen Pomp. So zügig, daß am Ende dem Vorsitzenden der Jury - und das war nun freilich ein peinlicher Schlußgag - noch Zeit blieb, seine Eröffnungsrede zu halten, die anfangs hatte ausfallen müssen.
Er hatte sich nun mal die Mühe gemacht, sie zu Papier zu bringen, und da wollte er sie offenbar unbedingt auch loswerden. Nicht ohne berechtigte Lacher im Publikum.
An ihn werde ich mich nicht unbedingt erinnern, den Burkhard Spinnen.
Zitat von FAZDoch erst in diesem Jahr geschah der Durchbruch. Dafür verantwortlich ist - neben einer Verkürzung der Veranstaltung - zu großen Teilen ein Text, auf den man gewartet hat: der brillante, absolut stilsichere, zum Bersten komische und zugleich hochliterarische Romanauszug über einen renitent-überlegenen, nun freilich irgendwie toten Großvater, den der bescheiden auftretende Tilman Rammstedt in einer kongenialen Turbolesung zum Besten gab. Damit erhielt er völlig zu Recht den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis und - was viel sagt - den mit 6000 Euro dotierten Kelag-Publikumspreis gleich dazu.
Vielleicht war mein Vergleich mit Robert Gernhardt noch etwas verfrüht; aber daß Rammstedt ein großes Talent ist, dessen bin ich ziemlich sicher.
Hi Zettel, ich freue mich sehr, daß Du so positiv vom Bachmann-Preis berichtet hast. Früher habe ich Jahr für Jahr gelauert, daß die Lesungen doch endlich kommen möchten- im Radio. Dann sah ich einige Lesungen im Fernsehen, was mir immer peinlicher wurde- die Juroren und Autoren hatten so ihre Ambivalenzen und Überheblichkeiten. Einzig Ammann war noch von der alten Riege da, als auch er ging, war die Sendung für mich gestorben. Vielleicht wird man ja auch in Klagenfurt modern und publikumsfreundlich. Grüßchen, Inger
Zitat von IngerDann sah ich einige Lesungen im Fernsehen, was mir immer peinlicher wurde- die Juroren und Autoren hatten so ihre Ambivalenzen und Überheblichkeiten. (...) Vielleicht wird man ja auch in Klagenfurt modern und publikumsfreundlich.
Ja, genau diesen Eindruck hatte ich dieses Jahr, liebe Inger.
Ich habe selten Literaten erlebt, die sich bei ihren Äußerungen über Texte derart knapp und klar ausgedrückt haben - das TV mit seinen Zeitvorgaben saß ihnen augenscheinlich im Nacken.
Herzlich, Zettel
(der sich gefreut hat, wieder einmal etwas von dir zu lesen!)
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