Auch wenn wir in einem anderen aktuellen Thread schon über bemannte Raumfahrt diskutieren - einen kurzen Kommentar zu der Kuriosität, daß die Russen nach jetzigem Zeitplan ihren Teil der ISS genau dann fertiggestellt haben wollen, wenn die Station aufgegeben wird, konnte ich mir doch nicht verkneifen.
Meines Wissens nach hat die ISS nicht mal eine sich drehende Konstruktion zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft. So etwas ist doch heute ohne Weiteres realisierbar.
Das Problem der Schwerelosigkeit ist nämlich der rapide Knochensubstanzabbau, gegen den die im All arbeitenen Wissenschaftler täglich mehrere Stunden mit speziellen Geräten und Anzügen trainieren müssen. Und diesen Zeitverlust könnte man sich mit einer künstlichen Schwerkraft sparen, was der Wissenschaft zugute käme.
Da bin ich, wie Omni, nicht so ganz sicher, lieber Pelle.
Es gab solche Überlegungen in der Tat. Wenn ich mich recht erinnere, hat schon der "Vater der Raumfahrt", der von Wernher von Braun sehr verehrte Professor Hermann Oberth in den zwanziger Jahren in seinem Buch "Die Rakete zu den Planetenräumen" (oder so ähnlich) diese Idee vertreten.
Von Braun hat dann in den fünfziger Jahren, bevor er selbst das Projekt "Saturn" leiten durfte, selbst ein Buch geschrieben, in dem er eine Orbitalstation beschrieb. Das war eine riesige kreisförmige Röhre. Sie sollte sich drehen und durch die entstehende Fliehkraft die Schwerkraft simulieren. Die Astronauten (nicht drei wie jetzt, sondern Dutzende) lebten in dieser Röhre mit dem Kopf zum Mittelpunkt, die Füße auf der Außenwand.
Ein Problem bei einer derart künstlich erzeugten Schwerkraft ist, daß die Fliehkraft mit dem Abstand zum Zentrum der Drehung wächst. Bei einer kleinen Kreisröhre hätte das den Effekt, daß die "Schwerkraft" an den Füßen größer ist als am Kopf. Außerdem müßte sich die Raumstation sehr schnell drehen, damit eine hinreichend starke Fliehkraft entsteht, was z.B. Erdbeobachtungen und die Beobachtung von Sternen unmöglich machen würde.
Aus allen diesen Gründen ist diese Idee nie verwirklicht worden sondern existiert bisher, wie Omni richtig vermutet, nur in der Science Fiction.
Herzlich, Zettel
PS: Ich habe eben in der Wikipedia nachgesehen: Es hat doch einmal einen derartigen Versuch gegeben, und zwar schon innerhalb des Projekts "Gemini". Dabei drehte sich die Kapsel um die Agena-Raketenstufe, mit der sie durch eine 36 Meter lange Leine verbunden war. Die entstehende Fliehkraft war aber so schwach, daß sie von den Astronauten nicht als "Schwerkraft" wahrgenommen wurde.
Soweit ich von der ISS weiß, wird diese im Endausbau Fußballfeldgröße haben. Würde man die Module dann kreisförmig anordnen und ausreichend Stabilität und Steifigkeit voraussgesetzt, würde es gehen. Aber das wird schon noch. Nicht immer so skeptisch sein. Ich denke, dass die Erzeugung einer künstlichen Schwerkraft ein eher kleines Problem im Themenkomplex der bemannten Raumfahrt ist.
Rein rechnerisch wirkt auf einen Punkt, der sich auf einem Kreis mit Radius r und Winkelgeschwindigkeit w bewegt, die Beschleunigung w²*r. Um die Erdbeschleunigung von 9,8 m/s² zu reproduzieren muss eine Raumstation mit r = 33 m sich in etwa 11,5 Sekunden einmal um die eigene Achse drehen. Das wären also die Füße. Am 2m höheren Kopf herrschte dann eine Beschleunigung von 9,2 m/s². Weiß nicht, wär das schon ein beunruhigend großer Unterschied?
Zitat von OmniRein rechnerisch wirkt auf einen Punkt, der sich auf einem Kreis mit Radius r und Winkelgeschwindigkeit w bewegt, die Beschleunigung w²*r. Um die Erdbeschleunigung von 9,8 m/s² zu reproduzieren muss eine Raumstation mit r = 33 m sich in etwa 11,5 Sekunden einmal um die eigene Achse drehen. Das wären also die Füße. Am 2m höheren Kopf herrschte dann eine Beschleunigung von 9,2 m/s². Weiß nicht, wär das schon ein beunruhigend großer Unterschied?
Wahrscheinlich nicht, lieber Omni. Diese Sorge bestand wohl für Raumschiffe, die nicht ringförmig sind und einen solchen großen Radius haben. (Sie haben einen realistischen Wert angenommen; der Radius der Wernher-von-Braun-Station sollte 38 m sein), sondern für zylinderförmige Raumschiffe, die um ihre Zylinderachse rotieren; bei einem logischerweise sehr viel kleineren Durchmesser und einer entsprechend höheren Rotationsgeschindigkeit. (Wobei man nicht hätte auf die Erdbeschleunigung kommen müssen; schon, sagen wir, g/2 hätte ein Gefühl von "oben" und "unten" vermittelt).
Das Problem bei der Von-Braun-Station war, abgesehen von der Schwierigkeit, eine solche große ringförmige Station zu bauen, die immer noch hohe Rotationsgeschwindigkeit. Leben Sie mal in einer ringförmigen Röhre, die sich alle zehn Sekungen einmal um ihre Achse dreht! Mit Rausgucken ist da nix mehr.
Entscheidend dürften aber die Erfahrungen der ersten Langzeitflüge gewesen sein (am Ende des Projekts Gemini waren zwei Astronauten, wenn ich mich recht erinnere, bereits vierzehn Tage unterwegs). Es zeigte sich, daß man sich schnell an die Schwerelosigkeit gewöhnte, daß sie sogar als angenehm empfunden wurde, und daß die Probleme des Schwunds an Muskelmassen, des Kalziumverlusts usw. medizinisch zu beherrschen waren. Damit verschwand die Notwendigkeit, noch mit aufwendigen Mitteln eine künstliche Schwerkraft zu erzeugen.
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