Wer ZR schon lange liest, der kennt bereits die Menschenrechtsverletzungen in Guantanámo, auf die ich in diesem Artikel aufmerksam mache.
Immerhin ist mein damaliger Text, obwohl eineinhalb Jahre alt, noch aktueller als das Video aus dem benachbarten Lager von Guantánamo, das jetzt so viel Aufsehen erregt.
Sehr wahrscheinlich zu Recht. Brutaler Umgang mit Gefangenen ist inakzeptabel, egal, wer sich ihn zuschulden kommen läßt.
Aber inakzeptabel ist auch die Einseitigkeit, mit der Menschenrechtsverletzungen, die den USA zuzurechnen sind, die Schlagzeilen füllen, während die Unmenschlichkeiten von Sozialisten, Islamisten und anderen, die gegen Demokratie und Freiheit kämpfen, allenfalls in den Jahresberichten von Amnesty International auftauchen.
Ich lasse mich gerne korrigieren, aber ich habe mir das Video nicht angetan, weil mir bereits die in den Medien verbreitete Beschreibung genügte. Gemäß dem Motto "Mache aus einer Mücke einen Elefanten, wenn es zum US-Bashing taugt" gehe ich davon aus, dass bereits diese kolportierten Beschreibungen das schlimmst-mögliche beschreiben, was ich da sehen könnte.
Und was wird mir da mitgeteilt?
1. Das Alter: 16 Jahre. Nach deutschem Recht ein Jugendlicher. Jugendliche werden in Deutschland traditionell mit Samthandschuhen angefasst, selbst bei Veruteilungen wegen Kapitalverbrechen. Nach islamischem Sharia-Recht allerdings volljährig. Und das US-Recht unterschiedet bei Kapitalverbrechen nicht so stark zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Es bleibt in diesem Punkt also nur der alte Streit: will man die deutsche Rechtssystematik als einzig denkbare und einzig erlaubte Möglichkeit hinstellen und alle anderen Staaten der Welt als unmorlisch und verkommen klassifizieren (weil irgendwie anders als Deutschland) - oder nimmt man zur Kenntnis, dass in anderen Ländern andere Rechtssysteme existieren?
Und bevor da ein Einwand kommt: meines Wissens wird in der Menschenrechtscharta kein verbindliches Alter der Strafmündigkeit vorgeschlagen. Es ist also auch aus dieser Sicht möglich, einen 16jährigen eines Kapitalverbrechens anzuklagen.
2. Der Verhörte weint. Aha. Was will mir das sagen? Das jeder, der weint, automatisch a) unschuldig und b) zu hart angefasst worden ist?
3. Er rauft sich die Haare. So weit ich weiss, ist diese Geste im Kulturkreis des Nahen Ostens etwa so selbstverständlich wie bei uns, die Hände ins Gesicht zu legen.
Tja, und das war´s auch schon. Worüber genau soll ich mich also aufregen? Dieses Video enthält nichts, was meine bisher schon existierende Meinung verändern könnte. MfG Frank
Ich hab mir das Video "angetan" und kann sagen, da sind ja die Verhöre bei Barbara Salesch von größerem Kaliber.
Alles was das Video zeigt ist ein Jugendlicher, der weint. Jetzt darf man sich mal die Frage stellen, was wohl ein deutscher Jugendlicher in einem deutschen Gefängnis tun würde, der sich mit dem Vorwurf konfrontiert sieht mit einer Handgranate einen Menschen ermordet zu haben. Ob der wohl nicht weinen würde ? Der Junge ist Kanadier und in dem Alter wird er wohl wissen, was die Amerikaner normalerweise mit jemandem machen, den sie für einen Mörder halten. Da ist Weinen wohl eine absolut anegbrachte Reaktion.
Es ist keine Frage, dass das, was in Guantanamo stattfindet, kaum Zustimmung unter Anhängern des Rechtsstaates finden wird. Folter verbietet sich in einer modernen Rechtsordnung. Aber das, was wir hier sehen, ist weder ein Beleg für Folter, noch skandalös, noch irgendetwas, was mit den Menschenrechten nicht konform geht. Das einzige, was man mokieren müsste, wäre das Fehlen eines Rechtsbeistandes. Aber ansonsten: Schockierend ? Ja, was denn ?
Lieber Zettel, prinzipiell haben Sie natürlich Recht. Wenn sich im Westen ein Verrückter mitten in einer Menschenmenge in die Luft sprengt, ist er ein wahnsinniger Terrorist. In von den USA besetzten Gebieten mutiert so ein Bastard plötzlich zum Widerstandskämpfer ... Und jetzt das große Aber: Wir sind uns zweifellos einig darin, dass die "Gräueltaten" des Westens geradezu minimal sind verglichen mit dem, was in sozialistischen oder islamistischen Ländern an der Tagesordnung steht. Nur relativiert das meines Erachtens nach in keiner Weise die Qualen der Opfer von Repressalien. Ob in Guantanamo oder einem CIA-Gefängnis irgendwo auf der Welt jemand gefoltert wird oder in China, ist unerheblich. So sehr mich der Antiamerikanismus auch nervt, hat er zweifellos auch etwas Gutes: Nur beständige Kritik (sofern sie berechtigt ist!) kann etwas Positives bewirken. Und anscheinend denkt man in Regierungskreisen daran, Guantanamo aufzugeben, weil es das Ansehen der USA katastrophal beschädigt hat. Sprich: Man entzieht den Gegnern die Basis der Beschuldigungen. Schließlich ist derzeit nicht von der Hand zu weisen, dass Menschenrechtsverletzungen gröbsten Kalibers sowohl in den USA, als auch in China stattfinden, dass beide Staaten Menschen hinrichten, dass beide Staaten Gefängnisse zu Wirtschaftsfaktoren ausgebaut haben, etc. Während ein Linker in Erklärungsnotstand gerät, welche Vorzüge Kuba gegenüber Westeuropa haben soll, bieten sich die USA als Zielscheibe geradezu an. Wobei ja eines wirklich interessant ist: Wieso wollen die meisten Menschen nicht-westlicher Demokratien ausgerechnet in die USA oder nach Westeuropa? Und umgekehrt läuft so gut wie gar nichts? (Das ist eine rhetorische Frage ...)
Es ist ein Unterschied ob Misshandlungen von einer berüchtigten Diktatur ausgehen oder von einer Demokratie. Es interessiert sich auch jeder mehr für die Untaten eines Musterknaben als des stadtbekannten Schlägers.
Zitat von OmniEs ist ein Unterschied ob Misshandlungen von einer berüchtigten Diktatur ausgehen oder von einer Demokratie. Es interessiert sich auch jeder mehr für die Untaten eines Musterknaben als des stadtbekannten Schlägers.
Dieses Argument, lieber Omni, höre und lese ich immer wieder. Und ich halte es, nehmen Sie es mir nicht übel, für unehrlich.
Wie war das denn damals zur Zeit der Apartheid in Südafrika? Das Land galt als das Gegenteil eines Musterknaben, was es sich damals mit der inakzeptablen Rassenpolitik auch redlich verdient hat.
Und war ständig Gegenstand just der Art von Kampagne, wie sie jetzt gegen die USA läuft. Wäre Ihr Argument triftig, dann hätte man damals gesagt: Das ist doch ein berüchtigter rassistischer Staat. Jeder weiß es. Also - warum darüber berichten, warum sich darüber ereifern?
Oder nehmen Sie das Spanien Francos, das Chile Pinochets, das Argentinien der Generäle, das Südkorea des Syngman Rhee (das ist schon a bisserl her, zugegeben). Alles Schurkenstaaten wie heute Cuba, und alle damals dennoch, nein gerade deswegen, ständig weltweit an den Pranger gestellt.
Und umgekehrt - wenn ein Land als "fortschrittlich" gilt, dann ist das eben gerade ein Grund, die Menschenrechtsverletzungen dort nicht etwa besonders anzuprangern, sondern sie gnädig zu übersehen.
Schauen Sie, Oskar Lafontaine schweigt zu den Menschenrechtsverletzungen in Cuba doch nicht deshalb, weil aus seiner Sicht Cuba halt eine berüchtigte Dikatur ist. (Haben Sie in ZR diesen Artikel gelesen? Und vielleicht auch diesen und diesen, wo das a bisserl in einen allgemeinen Zusammenhang gestellt wird?).
Daß die Verbrechen des diktatorischen Regimes in Cuba nicht ständig weltweit an den Pranger gestellt werden, liegt nicht daran, daß sie weniger schlimm wären als die von Pinochet oder Galtieri. Sondern es liegt daran, daß es sich um eine kommunistische und nicht eine rechtsextreme Diktatur handelt.
Und da ich, lieber Omni, gerade bei Argumenten bin, die ich nicht nachvollziehen kann: Wenn ich auf die Verbrechen des kommunistischen Cuba, auf die Verbrechen der Nordvietnamesen im Vietnamkrieg usw. hinweise, dann wird immer argumentiert: Aber das mache doch die Verbrechen der Amerikaner nicht weniger schlimm. Man könne doch das eine nicht gegen das andere aufrechnen.
Natürlich nicht. Aber ich bin ja auch fern davon, irgend etwas aufzurechnen. Es wird einfach unterstellt (nicht von Ihnen), daß jemand auf die Verbrechen der Kommunisten nur deshalb aufmerksam macht, weil er dadurch diejenigen der USA "relativieren" wolle.
Nein. Verbrechen sind Verbrechen. Die einen müssen genauso angeprangert werden wie die anderen. Menscherechtsverletzungen im cubanischen Guantánamo entschuldigen nicht die im US-Stützpunkt nebenan. Aber umgekehrt gilt das eben genauso.
das ist sicher eine interessante Diskussion, wir führen sie ja auch nicht zum ersten mal in einer zumindest ähnlichen Form. Nur ist der Anlass hier, auch wenn ich das zum zweiten mal betone, unpassend. Ich habe, nachdem ich den kurzen Einwurf weiter oben geschrieben habe, noch einmal intensiver nachgelesen, wer es denn da ist, der da auf dem Video weint.
Und wer es ist, ist eher schockierend und ich kann kein Mitleid emfinden. Unter anderem existiert ein Video des Jungen, wie er dabei gefilmt wird, wie er lachend Landminen vergräbt. Es fällt schwer, mit einer solchen Person Mitleid zu emfinden, denn nach meinem Dafürhalten gehören Anti-Personen-Minen zu dem Diabolischsten was Menschenhand je erfunden hat. Man kann nach allem was man über den Werdegang des Jungen weiss, davon ausgehen, dass das ein ausgebildeter Kindersoldat ist, der keine Skrupel emfindet (dafür brauchte es kein Guantanamo) und der durchaus eine ganze Menge übers Töten weiss. Nachdem ich all das gelesen habe, habe ich mich eigentlich nur gefragt, was macht man mit solchen Menschen ? Denn wenn wir uns darüber Gedanken machen, dass wir (und auch die Amerikaner) besser sein müssen als die Diktatoren dieser Welt, dann hätte ich gerne erst einmal die Antwort, was in diesem Fall denn besser ist.
Können wir diese Person jemals wieder in Freiheit entlassen ? Und wie steht es mit der Verantwortung gegenüber seinen zukünftigen Opfern, die man durchaus vermuten dürfte. Erst wer dieses Dilemma beantworten kann, sollte es auch nur wagen darauf hinzuweisen, dass wir besser sein müssen.
In Antwort auf:Zitat Llarian: Und wer es ist, ist eher schockierend und ich kann kein Mitleid emfinden. Unter anderem existiert ein Video des Jungen, wie er dabei gefilmt wird, wie er lachend Landminen vergräbt. Es fällt schwer, mit einer solchen Person Mitleid zu emfinden, denn nach meinem Dafürhalten gehören Anti-Personen-Minen zu dem Diabolischsten was Menschenhand je erfunden hat. Man kann nach allem was man über den Werdegang des Jungen weiss, davon ausgehen, dass das ein ausgebildeter Kindersoldat ist, der keine Skrupel emfindet (dafür brauchte es kein Guantanamo) und der durchaus eine ganze Menge übers Töten weiss. Nachdem ich all das gelesen habe, habe ich mich eigentlich nur gefragt, was macht man mit solchen Menschen ? Denn wenn wir uns darüber Gedanken machen, dass wir (und auch die Amerikaner) besser sein müssen als die Diktatoren dieser Welt, dann hätte ich gerne erst einmal die Antwort, was in diesem Fall denn besser ist.
Können wir diese Person jemals wieder in Freiheit entlassen ? Und wie steht es mit der Verantwortung gegenüber seinen zukünftigen Opfern, die man durchaus vermuten dürfte. Erst wer dieses Dilemma beantworten kann, sollte es auch nur wagen darauf hinzuweisen, dass wir besser sein müssen.
Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Das ist etwas, daß ich immer wieder gedacht habe, wenn im TV die Kindersoldaten und die Hintergründe gezeigt werden. Was für kranke Hirne haben diese tausende und aber tausende Kinder für den Rest ihres Lebens als tickende Zeitbomben programmiert. Da ist nichts mehr zu retten, da war die Gehirnwäsche komplett. Es bliebe wohl nur die Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung mit dem Versuch soviel zu retten wie es eben noch geht. Guantanamo oder ähnlich wird hier zu nichts führen, im Gegenteil, es ist wohl für diese Kinder eher wie "zuHause". Lieber Llarian, jetzt habe ich wahrhaftig Gänsehaut bekommen.
Ich finde das nicht unehrlich sondern eher viel ehrlicher :) Warum? Ich empfinde Empörung, Erschrecken, Abscheu nicht gleichermaßen und behaupte, dass es anderen Menschen ähnlich geht. Wieso wurde der 11. September so medial ausgeschlachtet? Wieso fanden sich spontan Menschen in Deutschland, die einen Gedenkgottesdienst für die 3000 Opfer der Terroranschläge abhielten während täglich tausende Menschen gewaltsam sterben? Wie kann man so dermaßen über einen Amoklauf in einer deutschen Schule schockiert sein, wie es Deutschland 2003 war, wenn doch in den USA und anderen Staaten solches schon mehrfach stattgefunden hat? Ich weiß noch, wie in einer Forendiskussion zum 11. September es genau um die Frage ging, wieso die Leute jetzt plötzlich so schockiert sind und es jemand brutal und politisch unkorrekt, aber völlig passend, auf den Punkt brachte (sinngemäß zitiert) "Es interessiert eben mehr, wenn Leute sterben, die wie wir leben, als wenn Neger in irgendeiner Wüste verrecken". Ich kann es deshalb verstehen, dass, wenn im Vaterland der Demokratie Menschenrechte mit Füßen getreten werden, man viel schockierter ist als wenn das in Cuba passiert, was nun wirklich geradezu clichéhaft die sozialistische Diktatur repräsentiert. Ein Anführer, der immer in der Uniform rumrennt, Mangelwirtschaft, inhaftierte Oppositionelle, hohe Staatsverschuldung. Das hatte man ja schon im kalten Krieg zur Genüge vor der Nase, da rechnet man doch automatisch mit der Nichtexistenz von Menschenrechten. Dass Südafrika die Leute schockiert hat kann ich auch verstehen. Eine wirtschaftlich liberale, scheinbar weltoffene Gesellschaft die gleichzeitig ein brutales, menschenverachtendes Regime unterhält. Das tägliche Leben der weißen Südafrikaner glich dem europäischen Leben sicher mehr als die Mangelwirtschaft in sozialistischen Staaten.
Zitat von ZettelNein. Verbrechen sind Verbrechen. Die einen müssen genauso angeprangert werden wie die anderen. Menscherechtsverletzungen im cubanischen Guantánamo entschuldigen nicht die im US-Stützpunkt nebenan. Aber umgekehrt gilt das eben genauso. Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
ich sehe in der Debatte sozusagen zwei Stufen:
Die erste Stufe (ich denke u. a. auch an den Reagan Thread) will aufgrund westlichen Fehlverhaltens (USA, Israel) den "Übeltätern" verbieten, die Verbrechen der Diktaturen beim Namen zu nennen. Diese Argumentation durch Retorsion halte ich mit Verlaub für etwas infantil (wenn kleine Kinder streiten, ist das häufigste Wort "selber!"), aber zumindest in begrenztem Ausmaß für nachvollziehbar. Ihre Unzulässigkeit erhält sie lediglich aus der Einseitigkeit, mit der sie meist vorgebracht wird, nicht aus der Sache selber. Denn den Bock nicht zum Gärtner zu machen, da ist ja im weitesten Sinne was dran.
Die zweite Stufe dagegen geht soweit, zu den Verbrechen der Diktatoren nicht nur zu schweigen, sondern diese sogar zu rechtfertigen - entweder, weil man die Schuld einseitig dem "westlichen Aggressor" zuschreibt, oder aber irgendwelche Argumente von kapitalistischer Ausbeutung herbeifabuliert. Diese Argumentation ist grundsätzlich ideologisch geprägt und kümmert sich in der Tat nicht um die Opfer, sondern nutzt diese aus, um Punkte gegen die großen und kleinen Satane dieser Welt zu sammeln. Übrigens ist dieses Argumentationsmuster in jeder Terrorismusdiskussion präsent, neulich musste ich erst wieder eine Kneipendiskussion verlassen, nachdem ein Teilnehmer (interessanterweise ein evangelischer Pastor) behauptete, die großen Konzerne müssten sich nicht wundern, wenn es bald wieder Baader-Meinhof geben würde. Selbe Schiene - solange es den gewünschten Feind trifft, ist alles in Butter.
Und dabei gibt es wieder drei Stufen der Perfidie: 1. Der Zweck heiligt die Mittel. "Terrorismus ist zwas falsch, aber die einzige Möglichkeit, wie sich die Verdammten der Erde wehren können". 2. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. "Die USA (Konzerne, Israel) sind die größte Bedrohung der Welt - alles was sie schwächt, ist gut, weil es ihnen ihre Grenzen aufzeigt". Auf dieser Stufe steht auch meistens die kulturrelativistische Idee des "Wettstreits der Systeme", nach dem Motto "Wenn die USA ihr System/ihre Kultur anderen oktroyieren wollen, ist es klar, dass sie Gegenwind bekommen". 3. Die Wurzel allen Übels. "Allein durch ihre kulturelle (McWorld), ökonomische (Heuschrecken) und militärische (Guantanamo) Überlegenheit sind die USA, Israel und die Konzerne (hier fallen die drei nämlich zusammen) die Ursache von Gewalt und Ungerechtigkeit auf der Welt. Die Frage, ob Terrorismus gegen die USA/Israel/Konzerne richtig oder falsch ist, stellt sich nicht, weil er einzug und allein durch ihr Verhalten verursacht wird".
Und leider hört man gerade die dritte Stufe der Perfidie sehr sehr häufig
Es gibt viele Gründe dafür, warum wir z.B. Unglücke unterschiedlich intensiv wahrnehmen. Viele Bilder sind z.B. einfach nur deswegen so eindrucksvoll, weil es sie gibt - wie auch das fragliche Video beweist. Das meiste Elend dieser Welt ist nicht so einfach in dramatische Bilder zu fassen. Selbstverständlich berührt uns Nähe - ich habe z.B. mal oben auf dem WTC gestanden. Und selbstverständlich nehmen wir auch zur Kenntnis, wenn Terroristen, die so eine Untat ausführen, uns zu verstehen geben, dass sie mit uns am liebsten das Gleiche tun würden.
Aber dass "Leute, die wie wir leben" ein Kriterium wäre, ist mir wirklich neu. Ich bin mir sicher, wir hätten z.B. 1980 eine große Katastrophe in der DDR viel intensiver verfolgt als eine vergleichbare in Südafrika, obwohl das Leben eines Kapstädters wahrscheinlich dem eines Münchners mehr geähnelt hätte als dem eines Dresdners.
Wir haben da manchmal so eine fatale Gier nach absoluter Reinheit. Nicht nur in solchen Fällen, sondern auch beim Umweltschutz wird die sichtbar. Wir streben danach, aus einer Situation, die zu 90% unser Ideal erfüllt, eine zu machen, die 100% abdeckt. Wenn irgendwo nur 10% verwirklicht sind, decken wir leicht arrogant den Mantel der Hoffnungslosigkeit darüber. Dabei gilt in den meisten Fällen, dass Verbesserungen in ganz schlechten Situationen mit weniger Aufwand (Opportunitätskosten, die z.B. auch in Form des Verzichts auf Sicherheit oder materiellem Wohlstand anfallen können) zu bewerkstelligen sind und größere Auswirkungen haben - ja, auf ganz konkrete Menschen.
Und da gibt es dann noch den "Fluch der Öffentlichkeit" (der natürlich eher ein Segen ist): Über Defizite in freiheitlichen Demokratien wird dortselbst heftig und freimütig debattiert, während Diktatoren ihren Daumen natürlich auch auf den Informationen haben, die aus ihrem Land herausgehen. Hier gibt es lange Reportagen bis zur Live-Berichterstattung und Diskussionsrunden, HDTV-ready und in Farbe, dort vielleicht mal einen Augenzeugenbericht oder ein herausgeschmuggeltes, verwaschenes Schwarz-Weiß-Foto. Unsere Medien jagen eben auch nur die Säue durchs Dorf, die sie davor antreffen.
Gut, wir können noch weiter über verzerrte Wahrnehmungen sprechen, aber wir sind uns doch eigentlich klar darüber, dass es verzerrte sind, oder? Selbstverständlich ist ein Mensch in Afrika genau so viel wert wie einer in Hamburg, und es ist eben nur den genannten Gründen zu verdanken, dass wir anders handeln (auf den Sozialstaat übertragen, ergeben sich daraus übrigens interessante Einblicke in menschliche Heuchelei). Da wir das jetzt aber erkannt haben, können wir keine rationalen Begründungen mehr dafür finden, die erheblich schlimmeren Verbrechen des kubanischen Staates zu ignorieren, die Menschenrechtsverletzungen der USA aber groß anzuprangern.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Ich denke auch nicht, dass es "Leute, die wie wir leben" sind, sondern dass es Leute/Länder sind, die wir kennen oder zu kennen glauben. Bei Gesellschaft, die unserer ähnlich sind, fällt es uns naturgemäss einfacher, so wirken 3000 Tote in New York stärker als 300000 im Sudan, 57 Tote in London stärker als 100 in Algerien. 88 Tote in Scharm al Scheich 2005 treffen uns dagegen schon wesentlich mehr, nicht weil die Ägypter wie wir leben, sondern weil wir schonmal in Ägypten gewesen sind, es aus Bilder, Berichten und dem Fernsehen kennen. Öhnliches konnte man beim Tsunami 2004 beobachten, als uns die Opfer in Thailand wesentlich nöher gingen als die Opfer des stärker betroffenen Indonesiens. Gerade deswegen finde ich das Beispiel Cuba gelungen, weil Cuba eben kein unbekannter Ort für uns ist. Die kommunistische Regierung wird von der Linken hofiert, die Kultur ist bei uns mit Zigarren und Buena Vista Social Club allzeit präsent und das Land selbst ist ein Urlaubsparadis für Tausende Deutsche jedes Jahr. Die Schattenseiten werden komplett ausgeblendet, verharmlost oder negiert, den meisten in Deutschland werden sie unbekannt sein. Woher sollten sie sie auch kennen? Cuba kommt ja nur in Reisesendungen vor oder Fidel Castro ist wieder einmal von einer Krankheit "genesen".
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