Das, wovon dieses Zitat handelt, hat Solchenizyn doppelt beschäftigt: Mut und Feigheit, Rußland und die westliche Kultur.
Ich fürchte, seine Diagnose, gestellt vor dreißig Jahren, noch zu Sowjetzeiten, stimmt heute mehr als je: Wir im Westen haben zu wenig Mut. Uns fehlt der Mut, zu sagen und gegenüber anderen zu vertreten, daß unsere westliche Kultur die beste ist, die die Menschheit bisher hervorgebracht hat.
Die einzige Kultur, die eine Aufklärung kannte, die den alten Traum vom Rechtsstaat, die den Traum von der Demokratie verwirklicht hat. Die einzige Kultur, die eine wissenschaftlich-technische Revolution hinbekommen hat, aufgrund deren der Durchschnittsbürger heute ein Maß an Wohlstand und Wohlbefinden genießt, wie es noch vor wenigen Jahrhunderten allenfalls den Reichsten vorbehalten war.
Intellektuell ist unsere Kultur immer noch allen andern überlegen. An Mut, an Selbstvertrauen, an Glauben an die eigenen Werte ist fast jede andere der unseren überlegen.
Die Diagnose ist richtig und Spengler hat sie ja bereits fünfzig Jahre vor Solschenizyn gestellt. kleine Korrektur: Solschenizyn wurde 1918 geboren, nicht 1908.
Zitat von ZettelDie einzige Kultur, die eine Aufklärung kannte, die den alten Traum vom Rechtsstaat, die den Traum von der Demokratie verwirklicht hat. Die einzige Kultur, die eine wissenschaftlich-technische Revolution hinbekommen hat, aufgrund deren der Durchschnittsbürger heute ein Maß an Wohlstand und Wohlbefinden genießt, wie es noch vor wenigen Jahrhunderten allenfalls den Reichsten vorbehalten war.
Und, lieber Zettel, die einzige Kultur, die die Sklaverei gesetzlich abgeschafft hat. Dafür müssen wir uns ja auch dauernd entschuldigen. Überflüssig zu sagen, daß ich nie einen Sklaven gehalten habe...
Zitat von Robinkleine Korrektur: Solschenizyn wurde 1918 geboren, nicht 1908.
Danke, lieber Robin! Habe es korrigiert (und nur damit man Ihren Beitrag versteht: Ich hatte mich beim Artikel vertan und "1908" geschrieben und dann, offenbar geistesabwesend, auch noch den Fehler hierher übernommen. Shame on me).
Manchmal würde ich mir einen wünschen, der, wie beim "Spiegel", jeden Satz Korrektur liest, bevor er raus geht.
Gerne. Nebenan bei den Freunden der offenen Gesellschaft hat sich da (zufällig?!) genau der gleiche Fehler eingeschlichen. Im Artikel ist er korrigiert, die URL verrät ihn aber noch . Honi soit qui mal y pense.
Herzliche Grüße Robin
PS: Es gibt nur wenige Publikationen - ob auf Papier oder online -, bei denen Zusammenhänge und Hintergründe so klar und zielsicher auf den Punkt den gebracht werden, wie es in Zettels Raum der Fall ist. Und bei soviel Hintergrundwissen und Kenntnis, die eben nicht bloß aus der Wikipedia nachgeschlagen sind, fallen solche lapidaren Fehler doch nicht ins Gewicht. Von daher ist das Faktum, dass die Artikel ohne Korrektorat und Schlussredaktion auskommen müssen, sicher zu verschmerzen
Hallo Zettel, ja, damit ist einer der drei Leute gestorben, die mit am meisten zum Zusammenbruch der Sowjetunion beigetragen haben, der alte Papst, Reagan und eben Solschenizyn. An dem "Archipel Gulag" hab ich mich auch mal versucht, es hat mir aber ehrlich gesagt nicht so gefallen (es erschien mir etwas langatmig). Es ist interessant zu sehen, wie kritisch viele der Dissidenten aus der UdSSR den Westen heute sehen. Das hat zum Teil sicher psychologische Gründe, aber ignorieren sollte man diese Kritik sicher nicht. Das Zitat ist in Bezug auf den Mut richtig. Diese Entwicklung hat wohl auch mit dem Atheismus zu tun. Denn wenn es keinen Gott gibt, hängt der Wert des Menschen mehr von seiner Wertschätzung durch andere Leute ab. Deshalb will man sich nicht unbeliebt machen. Auch die vereinheitlichenden Massenmedien leisten sicher einen Beitrag. Im Hinblick auf den Glauben an die eigenen Werte ist die Lage glaube ich etwas verworren. Im Prinzip weiß jeder, dass Minderheiten im Westen am besten behandelt werden usw. Aber man nimmt all das Gute als selbstverständlich hin und richtet den Blick nie wirklich nach außen. Das Angenehme am Multikulturalismus ist ja, dass man nicht wirklich Ahnung von anderen Kulturen haben muss, man muss sie nur eine diffuse Zuneigung für sie empfinden. Wenn die also den Westen dafür kritisieren, dass beispielsweise die Gleichstellung der Frau in Teilbereichen noch nicht vollendet sei, so steckt darin in gewisser Weise ja auch eine ungeheure Verachtung gegenüber anderen Kulturen, wo die Lage noch viel schlechter ist. Offenbar legen gerade die schärfsten Kritiker des Westens an diesen besonders strenge moralische Maßstäbe an. Viele Grüße, Chripa
Zitat von ChripaAn dem "Archipel Gulag" hab ich mich auch mal versucht, es hat mir aber ehrlich gesagt nicht so gefallen (es erschien mir etwas langatmig).
Wenn ich mich recht erinnere, hat damals der "Spiegel" vorabgedruckt; und es ging mir auch so. Ich könnte mir denken, daß das russische Original auf einen russischen Leser ganz anders wirkt.
Zitat von ChripaDas Zitat ist in Bezug auf den Mut richtig. Diese Entwicklung hat wohl auch mit dem Atheismus zu tun. Denn wenn es keinen Gott gibt, hängt der Wert des Menschen mehr von seiner Wertschätzung durch andere Leute ab. Deshalb will man sich nicht unbeliebt machen.
Mag sein, daß das auch eine Rolle spielt.
Ich glaube allerdings, daß aufgeklärtes, kritisches Denken sozusagen einen Sprengsatz zur Selbstzerstörung in sich trägt. Er muß nicht zünden, aber oft tut er es.
Er besteht darin, die Toleranz, die Skepsis, die Bereitschaft zum Perspektivwechsel, die diesem Denken eigen sind, auch selbstreferentiell auf eben dieses aufgeklärte Denken anzuwenden. Es also in Zweifel zu ziehen, es zu relativieren.
Dann ist es nur noch ein Schritt bis zur Mutlosigkeit, wie Solschenizyn sie beschreibt.
Zitat von ChripaIm Hinblick auf den Glauben an die eigenen Werte ist die Lage glaube ich etwas verworren. Im Prinzip weiß jeder, dass Minderheiten im Westen am besten behandelt werden usw. Aber man nimmt all das Gute als selbstverständlich hin und richtet den Blick nie wirklich nach außen. Das Angenehme am Multikulturalismus ist ja, dass man nicht wirklich Ahnung von anderen Kulturen haben muss, man muss sie nur eine diffuse Zuneigung für sie empfinden.
Wie wahr! Dieser Kulturrelativismus verwechselt Toleranz mit Indolenz.
Wenn man glaubt, daß auf seine Art jeder recht hat, dann erspart man sich jede Auseinandersetzung. Nichts ist einer fruchtbaren Diskussion abträglicher, als wenn man von vornherei alle zur Debatte stehenden Auffassungen als gleichwertig behandelt. Wozu dann überhaupt noch diskutieren?
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