das Problem der SPD (oder besser der Menschen, die die SPD bilden) ist wohl die Zwitterstellung, die die SPD seit Willy Brandt hat: Einerseits Volkspartei und andererseits sozialistisch sein zu wollen.
Eine sozialistische Volkspartei ist (oder besser: war) aber in der BRD nicht möglich, da es dazu zu wenige Sypmphatisanten für sozialistische Modelle gab. Vor der Wiedervereinigung konnte man für die "alte BRD" eine strukturelle konservative Mehrheit diagnostizieren (was bedeutet: es ging lange nicht ohne die CDU). Brandt hat es (aber auch nur im Verbund mit der FDP) hinbekommen, diese Mehrheit zwar nicht zu brechen, aber der SPD einen Anteil daran zu geben. Das hat dann aber meiner Meinung nach dazu geführt, dass sich die SPD langfristig ein Stück weit aus dem linken Lager in das rechte Lager verschoben hat. Die CDU versucht das nun aufzufangen in dem sie sich etwas nach links bewegt, aber das ist nicht das Thema. Seit der Wiedervereinigung ist eine Verminderung des bürgerlichen Lagers zu beobachten.
Die SPD wurde damit attraktiv für Personen, die "nicht so ganz" sozialdemokratisch im sehr altmodischen Sinne sind; dazu gehört Clement aber auch Schröder und andere aus der Riege.
Trotzdem ist der alte Teil der Sozialdemokratie, der sozialistische Teil, immer noch vorhanden und ist im Grunde auch die eigentliche Definitionsquelle dieser Partei. Diese Wurzel haben Clement, Schröder und Co. ziemlich angenagt. Was jetzt hochhkommt - um bei einem botanischen Bild zu bleiben ;) - sind "Angsttriebe" aus dieser Wurzel, die mehr dem Bild der SPD bei ihren alten Symphatisanten entsprechen: Sozusagen das sozialistische Urbild. Dazu gehört natürlich - aus dieser Perspektive - die Ausmerzung solcher Elemente wie Herrn Clement. Bei Schröder geht das schlecht, würde doch mit dessen Ausschluß die SPD dokumentieren, dass mit ihr mehr als 7 Jahre eine nicht-sozialdemokratische Politik gemacht wurde.
Die SPD ist also meiner Meinung nach dabei, sich mehr und mehr zu einer sozialistischen Partei zurück zu entwickeln, die zwar nicht ganz den Kommunisten entsprechen wird (sie wird demokratischer sein), aber von denen weniger weit entfernt sein wird als von den "Bürgerlichen" (CDU, FDP, Teile der Grünen), die in der neuen BRD (seit der Wiedervereinigung) auch einen schwereren Stand haben als vor 1989.
Zitat von M.SchneiderErinnern Sie sich noch an unsere Diskussion, in der ich sagte die SPD ist eine kommunistische Partei? Meine Aussage wird jeden Tag wahrer.
Ich habe damals, lieber M. Schneider, heftig widersprochen. Und tue das auch jetzt. Indem ich einfach mich selbst zitiere:
Zitat von ZettelWer die SPD ein wenig von innen kennt, der weiß, daß sie im Grunde immer aus zwei Parteien bestand: Einer (früher einmal überwältigend großen) Mehrheit, die unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bejaht und innerhalb von ihr für soziale Verbesserungen eintritt; und einer Minderheit, die wie die Kommunisten den Sozialismus will, mit mehr oder weniger "freiheitlichen" oder "demokratischen" Akzenten in Absetzung von den Kommunisten.
Diese bisherige Minderheit hat im Augenblick - so hat es Wolfgang Clement richtig gesagt - im Vorstand und im Parteirat eine Mehrheit errungen.
Das war nur dank Gerhard Schröder möglich, der - ich habe es schon oft beschrieben - die notwendige Modernisierung der SPD, für die Clement steht, durch die Art, wie er sie in der Art des demokratischen Zentralismus der Partei aufzwang, hoffnungslos diskreditiert hat.
Ich sehe das aber immer noch, liebe M. Schneider, nur als eine momentane Situation.
Was ich in dem Artikel beschreibe, ist eine Gefahr, nicht bereits die Realität. Danke, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, das noch einmal zu verdeutlichen.
Zitat von ZettelIch sehe das aber immer noch, liebe M. Schneider, nur als eine momentane Situation.
Lieber Zettel,
wenn ich das (http://www.spiked-online.com/index.php?/site/article/5549/) hier lese, dann sehe ich starke Parallelen zwischen dem Schicksal von Labour und der SPD. Die Auseinandersetzungen sind Machtkämpfe und werden nicht mehr auf der politischen Ebene ausgetragen, sie wirken sich dort nurmehr aus. In England scheinen dabei jedoch eher Personen gegenüberzustehen während dies in Deutschland eher Flügel sind. Das unmittelbare Resultat ist in beiden Fällen gleich: Die Zerlegung einer der großen Volksparteien, wobei es den Beteiligten darum geht, wer die Partei verlassen muß und wer sie (ihre Mittel) beerbt. Natürlich sind das die Gremienartisten, die Du ja so eloquent beschrieben hast.
Interessante Analyse, lieber Volker. Allerdings sehe ich einiges anders:
Zitat von VolkerDdas Problem der SPD (oder besser der Menschen, die die SPD bilden) ist wohl die Zwitterstellung, die die SPD seit Willy Brandt hat: Einerseits Volkspartei und andererseits sozialistisch sein zu wollen.
Ich würde das nicht als eine Zwitterstellung der SPD sehen wollen, sondern als eben, wie beschrieben, zwei Parteien innerhalb der SPD.
Diese beiden Strömungen hat es immer gegeben, auch schon zur Weimarer Zeit. Aber die Linke war immer eine kleine Minderheit.
In der Nachkriegszeit gab es zunächst eine gewisse Einhelligkeit entlang der Linie von Kurt Schumacher: Das Ziel einer sozialen Demokratie; keine Handbreit Gemeinsamkeit mit den Kommunisten. Was aber nicht verhinderte, daß es auch damals eine extreme Linke in der SPD gab (Viktor Agartz, Wolfgang Abendroth zum Beispiel).
Mit Godesberg wurde neu definiert, was man unter sozialer Demokratie (man nannte es auch demokratischer Sozialismus, meinte aber dasselbe) verstand: Keine Planwirtschaft mehr, sondern eine soziale Marktwirtschaft à la Erhard, aber mit besser ausgebauten Sozialsystemen.
Willy Brandt hat die SPD nicht verändert; er wird überhaupt in seinem Einfluß überschätzt. Er war der Kandidat der SPD-Rechten, als er gegen Adenauer ins Rennen geschickt wurde. Dann wurde er das Idol vieler Linker; dabei spielten die Angriffe gegen ihn von Rechtsaußen keine geringe Rolle, auch seine antinazistische Vergangenheit und seine persönliche Integrität, schließlich seine Außenpolitik. Was die beiden Parteien in der Partei angeht, stand Brandt eindeutig auf der Seite der Demokraten und gegen die Sozialisten. Übrigens auch, was seinen Patriotismus anging.
Zitat von VolkerD Seit der Wiedervereinigung ist eine Verminderung des bürgerlichen Lagers zu beobachten.
So ist es. Es wurde unterschätzt, daß die DDR-Bevölkerung zwar in ihrer großen Mehrheit den Kommunismus ablehnte; sie kannt ihn ja nun. Aber es fehlte dort eine demokratische Tradition. Wo hätte sie auch herkommen sollen, wenn man seit 1933 in Diktaturen gelebt hatte?
Zitat von VolkerDDie SPD wurde damit attraktiv für Personen, die "nicht so ganz" sozialdemokratisch im sehr altmodischen Sinne sind; dazu gehört Clement aber auch Schröder und andere aus der Riege.
Schröder war zeitweise Vorsitzender der Jusos in deren ultralinker Periode. Wo er zwischen den Fronten (der Stamokaps, der Antirevisionisten) stand, war nie klar; aber das waren ja beides ganz linke Gruppierungen. Schröder trat noch bei der "Urwahl" als der Kandidat der Linken gegen Scharping als den Kandidaten der Rechten und der Mitte an.
Überzeugungen hat Schröder nie erkennen lassen. Sein Handeln spiegelte immer die gerade herrschenden Machtverhältnisse wider. (Auch gegen den Irak-Krieg, wenn Sie mir die Abschweifung gestatten, war er ja, um eine schon fast verlorene Wahl noch im letzten Augenblick zu gewinnen).
Zitat von VolkerDTrotzdem ist der alte Teil der Sozialdemokratie, der sozialistische Teil, immer noch vorhanden und ist im Grunde auch die eigentliche Definitionsquelle dieser Partei. Diese Wurzel haben Clement, Schröder und Co. ziemlich angenagt.
Clement war im sozialdemokratischen Stammland NRW, wo die Tradition fester verankert ist als anderswo, ein sehr populärer Ministerpräsident.
Die "alte SPD" ist keine sozialistische SPD, lieber Volker. Die Arbeiter, die diese alte SPD ausmachten, sind viel zu vernünftig, als daß sie an den Sozialismus glauben würden; in ihrer großen Mehrheit. Die Sozialisten, die jetzt die SPD zu einer sozialistischen Partei im Bündnis mit den Kommunisten zu machen versuchen, sind Lehrer, Sozialarbeiter, Politologen, oder haben gar nichts gelernt, wie Niels Annen, der noch nicht mal seinen Studienabschluß geschafft hat.
Das ist eben gerade nicht die Traditions-SPD, sondern es ist der Versuch von Linken, diese Tradition an sich zu reißen.
Zitat von VolkerDDie SPD ist also meiner Meinung nach dabei, sich mehr und mehr zu einer sozialistischen Partei zurück zu entwickeln, die zwar nicht ganz den Kommunisten entsprechen wird (sie wird demokratischer sein), aber von denen weniger weit entfernt sein wird als von den "Bürgerlichen" (CDU, FDP, Teile der Grünen), die in der neuen BRD (seit der Wiedervereinigung) auch einen schwereren Stand haben als vor 1989.
Dem stimme ich zu; außer daß es eben kein "Zurückentwickeln" ist. Nochmal gesagt: Die SPD Kurt Schumachers war ebenso wie die von Otto Wels eine strikt antikommunistische Partei.
Danke für deine Kritik, die ich natürlich kritisieren muß
In Antwort auf:Diese beiden Strömungen hat es immer gegeben, auch schon zur Weimarer Zeit. Aber die Linke war immer eine kleine Minderheit.
Das sehe ich ein wenig anders, aber vielleicht hatte ich die falschen Geschichtsbücher als Grundlage meiner subjektiven Analyse ; die SPD in der Weimarer (und mehr noch in der vorherigen Zeit) war deutlich linker als die SPD nach der Nazidiktatur; die SPD nach dem Krieg war aber immer noch linker als unter Brandt und Schmidt (wobei ich einschränkend erwähnen muß, dass ich die Arä Brandt als "66er" politisch bewußt nicht erlebt habe, was auch für die vorhergehenden Zeiten gilt).
In Antwort auf:Die "alte SPD" ist keine sozialistische SPD, lieber Volker. Die Arbeiter, die diese alte SPD ausmachten, sind viel zu vernünftig, als daß sie an den Sozialismus glauben würden; in ihrer großen Mehrheit. Die Sozialisten, die jetzt die SPD zu einer sozialistischen Partei im Bündnis mit den Kommunisten zu machen versuchen, sind Lehrer, Sozialarbeiter, Politologen, oder haben gar nichts gelernt, wie Niels Annen, der noch nicht mal seinen Studienabschluß geschafft hat.
Ich wollte nicht schreiben, dass die SPD damals oder auch heute eine Art "Kommunismus light" vertritt; davon war diese Partei und ist sie (glücklicherweise) auch heute noch meilenweit entfernt. Nur werden diese Meilen immer kleiner, bei manchen wie treffend bemerkt, sind es wohl höchstens noch Zentimeter. Jedoch habe ich (da ich aus einer alten sozialdemokratischen Familie komme und dort ein schwarzes oder besser blau-gelbes Schaf bin ) den Eindruck gewonnen, das die "alte Arbeiterschaft", der Grundbestand der SPD schon eine Art Sozialismus vertritt, wenn sich auch dieser mehr als Negativabgrenzung gegen "die Unternehmer" und deren Raffgier versteht
Zitat von VolkerDdie SPD in der Weimarer (und mehr noch in der vorherigen Zeit) war deutlich linker als die SPD nach der Nazidiktatur; die SPD nach dem Krieg war aber immer noch linker als unter Brandt und Schmidt
Lassen Sie es mich in einem Bild verdeutlichen, lieber VolkerD: Man kann sich die SPD wie einen Fluß vorstellen, der mal mehr nach rechts und mal eher nach links mäandert. Und in diesem Fluß gibt es wiederum eine breite rechte und eine schmalere linke Strömung.
Die Partei als Ganzes - dh ihr Programm,ihr Vorstand - waren immer dann besonders weit rechts, wenn es linke Abspaltungen gegeben hatte. Sie war immer besonders weit links, wenn es eine Vereinigung mit weiter links stehenden Gruppen gegeben hatte. Das war der Fall, als der ADAV von Lassalle (den ich jetzt mal als die Urzelle der SPD betrachte) sich auf dem Gothaer Parteitag mit der SAP vereinigte. Danach war die Partei ziemlich weit links; noch mehr während der Sozialistengesetze, als sie - als einzige Phase ihrer Geschichte - wirklich eine marxistische Partei war.
Dann rückte sie, nach der Wiederzulassung, immer weiter nach rechts, was dann Bernstein theoretisch formuliert hat: Man steuert nicht mehr auf die Revolution zu, sondern richtet sich im Kapitalismus ein. Das gipfelte in der Zustimmung zu den Kriegskrediten. Aus der innerparteilichen Oppostion dagegen ging eine linke Strömung hervor, die über die USPD zur KPD führte. Nach dieser Abspaltung war die SPD eine Partei der bürgerlichen Demokratie; der Fluß mäandere nach rechts. Durch den Wiedereintritt derer aus der USPD, die nicht in die KPD gegangen waren, ging es dann wieder mehr nach links.
Und so fort. Aber innerhalb des mäandernden Stroms gab es seit ungefähr 1890 immer die breite rechte - mit der bürgerlichen Demokratie, mit dem Kapitalismus einverstandene, reformorientierte - Strömung und die linke Minderheit, die das alles abschaffen, die eine staatliche Planwirtschaft und irgendeine seltsame "sozialistische Demokratie" wollte.
Zitat von VolkerDJedoch habe ich (da ich aus einer alten sozialdemokratischen Familie komme und dort ein schwarzes oder besser blau-gelbes Schaf bin ) den Eindruck gewonnen, das die "alte Arbeiterschaft", der Grundbestand der SPD schon eine Art Sozialismus vertritt, wenn sich auch dieser mehr als Negativabgrenzung gegen "die Unternehmer" und deren Raffgier versteht
Ich kann das auch nur soweit beantworten, wie meine eigene Erfahrung reicht.
Ich war lange Zeit in einem Ortsverein in einem Industrieviertel, nah an einem großen Stahlwerk. Fast alle Mitglieder des OV arbeiteten dort - in den diversesten Funktionen, vom Hilfsarbeiter über den Ingenieur bis zum Arbeitsdirektor.
Ich habe in der ganzen Zeit dort einen einzigen Genossen kennengelernt, der den Sozialismus wollte. Das war ein Hilfsarbeiter, der sich für einen Intellektuellen hielt, in familiären Verhältnisse am Rand der Gesellschaft lebte und den Spitznamen "Fürst" hatte. Die anderen dachten - da stimme ich Ihnen zu - in Kategorien von "unten" und "oben" und schimpften häufig und liebevoll auf "die da oben". Aber über den Sozialismus hatten sie keine Illusionen. Sie wollten innerhalb des Kapitalismus mehr vom Kuchen haben. Eine Planwirtschaft, eine Räterepublik oder dergleichen lag ihnen fern.
Solche Illusionen hatten die Studenten, die nach 1967 in diesen Ortsverein kamen und den Alten klarzumachen vesuchten, was eigentlich Sozialdemokratie ist.
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