Zettel: vor allem würde mich interessieren, worauf sich der Konservative und der Liberale in Ihnen hier einigen. Genau in so einem Zwiespalt bin ich hinsichtlich dieses Artikels nämlich auch.
Zusammenfassend wurden in Großbritannien kürzlich Shariagerichte zugelassen, die in Zivilsachen bei Zustimmung beider Parteien bindende Urteile aussprechen dürfen. Grundsätzlich habe ich nun den Eindruck, dass die Sharia bei Zwistigkeiten z.B. im ehelichen Bereich strukturell nicht zur gleichberechtigten Berücksichtigung von Mann und Frau neigt, sondern die Frau eher benachteiligt (das mein uninformierter Eindruck - ich kann mich irren).
Der Liberale in mir spricht dann: "Ei fein, wenn sich beide Parteien auf ein Shariagericht einigen, dann kann man ihnen diesen ihren Willen doch schlecht verwehren, oder? Es sind schließlich beides Erwachsene! Wie kommt ein Außenstehender dazu, ihnen vorzuschreiben, nach welcher Rechtstradition sie ihren Zwist austragen sollen?"
Der Konservative hingegen erklärt: "Auf dem Papier mögen sich beide Parteien auf das Shariagericht geeinigt haben, aber wenn die Frau eine frisch importierte Cousine aus Pakistan ist, die ihr Mann kaum auf die Straße lässt, dann ist es mit dem freien Einverständnis ihrerseits wohl nicht weit her. Hier müssen wir wirklich die Frau schützen, indem wir nur die gewachsene westliche Rechtstradition zulassen."
Zitat von Christian GiordanoAm Ende wird man aber einsehen, dass sich das Konzept eines einheitlichen Rechts für alle in einer Migrationsgesellschaft wie der Schweiz überlebt hat. Genauso wie der Nationalstaat selber.
Zitat von GorgasalZettel: vor allem würde mich interessieren, worauf sich der Konservative und der Liberale in Ihnen hier einigen. Genau in so einem Zwiespalt bin ich hinsichtlich dieses Artikels nämlich auch.
Meine pragmatische Antwort, lieber Gorgasal, bevor mein Vermittlungsausschuß überhaupt angerufen wurde, lautet: Nach britischem Recht müssen die Scharia-Gerichte offenbar anerkannt werden. Wenn das britische Recht solche Gerichte vorsieht und wenn Juden bereits ihre eigenen Beth Din-Gerichte haben, dann kann man den Moslems die Gleichberechtigung nicht verweigern.
Ich würde das aber dem angelsächsischen Rechtssystem zuschreiben, das ja diesen Gedanken, daß man von seinen Peers abgeurteilt wird, beinhaltet.
Für Deutschland halte ich das für undenkbar und würde eine klare Grenze ziehen: Leute, die sich streiten, können gern irgendwelche "Gerichte" bilden und sich einigen, deren Rechtsprechung anzuerkennen. Aber ich wäre entschieden dagegen, daß diese Entscheidungen auch für andere rechtswirksam sind, in welcher Form auch immer.
Der Staat kann nicht in Anspruch genommen werden, solche "Entscheidungen" anzuerkennen. Wenn die beteiligten Parteien wollen, daß sie rechtswirksam werden, können sie ja einen Vertrag schließen, gegebenenfalls vor einem Notar.
Und wenn jemand - sagen wir, eine zwangsverheiratete Frau - eine solche Entscheidung nicht anerkennen will, dann hat er dazu jedes Recht, nämlich staatliches Recht, und muß ggf. vom Staat in seinen Rechten gegen das "Scharia-Gericht" (oder von mir aus gegen das Fußball-Gericht des DFB, oder gegen das Klassengericht der OIa, dem ich mal vorstand ) geschützt werden.
Es kann nur ein letztlich verbindliches Rechtssystem in einem Staat geben, da bin ich ganz Jakobiner.
Denn genau das ist eine der originären Aufgaben des Staats: Ein gemeinsames Rechtssystem schaffen, aufrechterhalten, durchsetzen.
Herzlich, Zettel
PS: Hat sich da jetzt eigentlich meine konservative oder meine liberale Seite durchgesetzt?
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