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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 38 Antworten
und wurde 1.476 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
M.Schneider Offline



Beiträge: 672

08.10.2008 11:08
#26 RE: Erdogan Antworten

Lieber R.A.

In Antwort auf:

Es ist aber ein Faktum dass die Griechen immer mit ihrem Kernland auf der europäischen Platte angesiedelt waren.


Auch da muß ich leider widersprechen.
In einer langen und wichtigen Phase der griechischen Geschichte - dem byzan-tinischen Reich - lag das Kernland in Anatolien und das "klassische" Griechenland war eine eher unwichtige Provinz.


Ich bleibe bei meiner Aussage.

Der Einfachheit halber zitiere ich mal Wiki:

Von der Antike bis zur Griechischen Revolution
Das antike Griechenland, welches über das Gebiet des heutigen Staates nach Kleinasien hinausragte, wird als Wiege Europas bezeichnet, insbesondere aufgrund zivilisatorischer Leistungen auf Gebieten der Philosophie, Naturwissenschaften, Geschichtsschreibung und Literatur. 146 v. Chr. wurde das Gebiet des heutigen Griechenland römische Provinz, nach der Reichsteilung 395 war es Bestandteil des byzantinischen Reiches.


Nun, das zeigt also ganz deutlich, schon das antike Griechenland lag im Kern dort wo das heutige Griechenland liegt.
Das war meine Aussage.

Das byzantinische Reich war hingegen römischen Ursprungs und geht auf den römische Kaiser Konstantin der Große zurück. Logischerweise war Griechenland damals eben nur eine von vielen Provinzen Roms, hatte deshalb aber selber nichts mit Anatolien zu tun.

Herzlich
M.Schneider

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2008 12:39
#27 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

In Antwort auf:
Entschuldigung, ich konnte da nicht widerstehen, wieder einmal auf die völlig vernachlässigte Wichtigkeit des Byzantinischen Reiches für die Entwicklung Europas hinzuweisen.

Vielen Dank für diesen Hinweis, den ich voll unterstütze.
Mein "nicht wichtig" bezog sich auch nicht auf die Rolle von Byzanz, sondern auf die tektonischen Platten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2008 12:44
#28 RE: Erdogan Antworten

In Antwort auf:
schon das antike Griechenland lag im Kern dort wo das heutige Griechenland liegt.

Selbstverständlich.

Aber das mittelalterliche Griechenland hatte seinen Schwerpunkt eben in Kleinasien.

Denn Byzanz war nur dem Namen nach römisch - sprachlich und kulturell war es eine wichtige Phase der griechischen Geschichte.

Es ist ein bißchen historischer Zufall, daß das moderne Griechenland wieder dort ist, wo das antike mal begonnen hat (nicht ganz Zufall, es hat auch etwas mit der philhellenischen Unterstützung im 19. Jahrhundert zu tun).
Denn ansonsten ist die heutige griechische Gesellschaft wesentlich von byzantinischen Traditionen geprägt - mit dem antiken Griechenland haben sie nicht viel mehr zu tun als die übrigen europäischen Völker.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2008 13:01
#29 RE: Erdogan Antworten

In Antwort auf:
Erdogan hat, lieber R.A., meines Erachtens eine sehr ähnliche Weltsicht wie Putin.

Ein sehr interessanter Vergleich, mir sehr neu.
Er überzeugt mich ad hoc auch nicht, aber ich werde noch darüber nachdenken.

Die Parallelen mit dem jeweiligen Zusammenbruch eines Großreichs sind oberflächlich da.
Aber die SU ist zusammengebrochen, als sie sich eigentlich noch stark fühlte - Putin kann an ein noch breit vorhandenes Weltmacht-Gefühl in Rußland anknüpfen.

Das osmanische Reich ist nach langem Niedergang eingegangen. Den Zeitgenossen war bewußt, daß die Türkei schon lange nicht "großmachtfähig" war und Atatürk konnte sich auf einen breiten Konsens stützen, als er auf realistischer Basis neu anfing.
Und nicht zu vergessen: Das ist drei Generationen her!
Es gibt zwar immer wieder nostalgische Erinnerungen an die große osmanische Zeit - aber ich würde bezweifeln, daß Erdogan oder andere ernsthaft an eine Renaissance der Großmacht arbeiten.

Wenn überhaupt, dann geht es der AKP auch nicht um türkische Dominanz, sondern um die "Weltmacht" Islam. Das entspricht ja auch der Weltsicht ihrer Indokrinatoren - die im wesentlichen von den Saudis gesponsort wurden und mit türkischem Imperialismus extrem wenig zu tun haben.

In Antwort auf:
denn in ihr kann die Türkei ihre traditionelle Vormachtstellung in Südosteuropa wiedergewinnen

Es ist mir wirklich neu, daß nennenswerte Kräfte in der Türkei daran interessiert wären (ausgenommen die Lage der türkischen Minderheit in Bulgarien).
M. E. ist den Türken völlig klar, daß dieses Gebiet heute ein völlig uninteressanter Hinterhof Europas ist, in dem nichts zu holen ist.
Die außenpolitischen Ambitionen der Türkei richten sich viel mehr nach Osten, in Richtung der turksprachigen Nationen Zentralasiens.
Und natürlich in Richtung der reichen westeuropäischen Länder, wo man Einfluß gewinnen möchte - der Verweis auf die Idee einer fünften Kolonne ist völlig berechtigt.

In Antwort auf:
Wenn in Deutschland erst einmal ein kritischer Teil der Wähler Türken sind, dann wird die Bundesrepublik gar nicht anders können, als auf die Wünsche der Türkei einzugehen.

Dieses Risiko sehe ich auch.
Wobei ich das Risiko eher darin sehe, daß diese Bevölkerungsgruppe dann in erster Linie eigene Interessen durchsetzt (mehr Islam, mehr türkische Sprache, mehr Fördergelder ...).
Die türkische Regierung würde m. E. sehr enttäuscht sein, wie wenig sich die "fünfte Kolonne" um die Ideen aus Ankara kümmern würde.

Momentan bin ich aber noch verhalten optimistisch, daß es nicht so weit kommen wird.
Erstens verhindert der hohe Anteil an Kurden/Alewiten eine wirkliche Gemeinsamkeit unter den türkischen Einwanderern.
Und noch ist die Assimilation in die deutsche Gesellschaft, mit allen wirtschaftlichen Vorteilen, immer noch attraktiver als die Ghetto-Bildung mit anderen Looser-Typen.

Es gibt natürlich einige prominente Gegenbeispiele von Islamisten mit akademischen Hintergrund.
Aber üblicherweise ist jeder Türke, der dem Teufelskreis aus Schulversagen und Sprachschwierigkeiten entkommen kann, für die Erdogan-Leute verloren. Und diese Erfolgsgeschichten werden häufiger.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.10.2008 13:54
#30 Griechenland Antworten
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
schon das antike Griechenland lag im Kern dort wo das heutige Griechenland liegt.

Selbstverständlich.

Im Kern ja, natürlich. Wo sollte das antike Griechenland auch im Kern anders liegen als eben in Griechenland? Sonst wäre es ja nicht das antike Griechenland gewesen.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Man hat im 19. Jahrhundert das moderne Griechenland wieder dort erstehen lassen, wo das antike gelegen hatte. Ein bißchen wie bei Israel. Sie weisen, lieber R.A., zu Recht auf den Philhellenismus hin.

Als es aber seine Blütezeit hatte, umfaßte Griechenland längst nicht mehr nur das Gebiet des heutigen Griechenland. Hier kann man sehen, daß zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs das Gebiet Athens ebenso auf der griechischen wie auf der anatolischen Seite der Ägäis lag. Und hier ist zu sehen, wie die griechische Kolonisation das ganze nordöstliche Mittelmeer, das Schwarze Meer (bis hin zum heutigen Georgien; wir hatten das kürzlich) und Teile des westlichen Mittelmeers umfaßte, bis nach Südfrankreich und Spanien.

Übrigens lebten von den großen griechischen Philosophen viele nicht im heutigen Griechenland:

Empedokles auf Sizilien, Heraklit in Ephesus, also in der heutigen Türkei.

Anaxagoras lebte in der Nähe des heutigen Izmir. Thales, Anaximander, Anaximenes und Pythagoras waren alle Mileter; Milet heißt auch heute noch so und liegt an der anatolischen Küste. Diogenes kam aus Sinope, ebenfalls heute Türkei.

Die wichtige Schule der Eleaten, gegründet von Parmenides, heißt so nach der Stadt Elea im heutigen Italien. Archimedes lebte auf Sizilien.

Auf dem Gebiet des heutigen Griechenland lebten nur wenige - Sokrates und Platon in Athen, Epikur auf der Insel Samos. Aristoteles wurde in Stageira auf der Halbinsel Chalkidike geboren, ging dann aber zum Studium nach Athen.

Warum spielten vor allem in der vorsokratischen Philosophie die griechischen Kolonien eine so dominante Rolle? Vielleicht, weil dort die Kulturen aufeinanderstießen; das fördert das freie Nachdenken. Sodann waren die Städte, in denen diese Philosophen wirkten, reiche Handelsstädte; da hatte man Geld für Philosophen. Und drittens erforderte die Seefahrt mancherlei wissenschaftliche Kenntnisse; von der Astronomie bis zur Physik. Und Philosophen - das waren damals ja vor allem Naturwissenschaftler.

Herzlich, Zettel

PS: Ich freue mich immer über eine Anregung, das, was ich so ungefähr wußte, genauer nachzusehen. Ein solches Nachsehen hätte mich zur Zeit der gedruckten Nachschlagwerke einen halben Tag gekostet - jetzt ein paar Minuten.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.10.2008 14:12
#31 RE: Erdogan Antworten

Zitat von R.A.
In Antwort auf:
Erdogan hat, lieber R.A., meines Erachtens eine sehr ähnliche Weltsicht wie Putin.

Die Parallelen mit dem jeweiligen Zusammenbruch eines Großreichs sind oberflächlich da. Aber die SU ist zusammengebrochen, als sie sich eigentlich noch stark fühlte - Putin kann an ein noch breit vorhandenes Weltmacht-Gefühl in Rußland anknüpfen. Das osmanische Reich ist nach langem Niedergang eingegangen.

Ja, das stimmt - der "kranke Mann am Bosporus".

Vielleicht irre ich mich, lieber R.A. (und Sie kennen die Türkei besser als ich), aber ich habe den Eindruck, daß es auch jetzt noch (oder wieder) dennoch einen ausgeprägten türkischen Nationalismus gibt. Er hat sich zB im Zypern-Konflikt gezeigt; er zeigt sich in dem Versuch der Turkisierung der Kurden.
Zitat von R.A.
Es gibt zwar immer wieder nostalgische Erinnerungen an die große osmanische Zeit - aber ich würde bezweifeln, daß Erdogan oder andere ernsthaft an eine Renaissance der Großmacht arbeiten.
Wenn überhaupt, dann geht es der AKP auch nicht um türkische Dominanz, sondern um die "Weltmacht" Islam.

Vielleicht ist auch hier mein Eindruck falsch. Aber es scheint mir so, daß der Erfolg Erdogans gerade darauf basiert, daß er den Islam sozusagen nationalisiert hat; oder umgekehrt: Daß er den türkischen Nationalismus, der in der Tradition Kemal Paschas ja ein moderner, säkularer sein sollte, mit dem Islam verknüpft.
Zitat von R.A.
In Antwort auf:
denn in ihr kann die Türkei ihre traditionelle Vormachtstellung in Südosteuropa wiedergewinnen

Es ist mir wirklich neu, daß nennenswerte Kräfte in der Türkei daran interessiert wären (ausgenommen die Lage der türkischen Minderheit in Bulgarien).

M. E. ist den Türken völlig klar, daß dieses Gebiet heute ein völlig uninteressanter Hinterhof Europas ist, in dem nichts zu holen ist. Die außenpolitischen Ambitionen der Türkei richten sich viel mehr nach Osten, in Richtung der turksprachigen Nationen Zentralasiens. Und natürlich in Richtung der reichen westeuropäischen Länder, wo man Einfluß gewinnen möchte - der Verweis auf die Idee einer fünften Kolonne ist völlig berechtigt.

Vielleicht haben Sie Recht. Mein Eindruck - es ist wieder nicht mehr als ein Eindruck - ist, daß sich in einer EU, zu der die Türkei gehört, natürliche Machtzentren ergeben werden: Der Raum UK/Skandinavien/Benelux unter britischer Führung. Der Südwesten Europas unter der Dominaz Frankreichs. Die Mitte und der Osten mit Deutschland als Vormacht. Und für den Südosten bietet sic die Türkei als Vormacht an.

Vielleicht, lieber R.A., ist das zu einfach gedacht. Ich formuliere solche Parallelen wie Putin/Erdogan gern als Anregung. Wenn ich dann mit der Nachhilfe durch Fachleute wie Sie zu dem Schluß komme, daß doch nicht viel dran ist - umso besser.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2008 16:05
#32 RE: Griechenland Antworten

Lieber Zettel,

macht Spaß, so vom Thema abzuweichen ;-)

In Antwort auf:
Als es aber seine Blütezeit hatte, umfaßte Griechenland längst nicht mehr nur das Gebiet des heutigen Griechenland.

Ja - aber trotz der vielen Städte außerhalb, mit ihrem Reichtum und ihrer Kultur: Der Schwerpunkt lag eindeutig dort, wo auch heute wieder Griechenland ist. Athen, Sparte, Korinth und Theben dominierten die griechische Welt und waren unbestrittene Machtzentren.

Das änderte sich dann radikal mit Alexander und der Hellenisierung Vorderasiens. Jahrhundert für Jahrhundert wurde das heutige Griechenland immer unbedeutender, seine Städte verschwanden oder wurden zu unwichtigen Dörfern.

In Antwort auf:
Man hat im 19. Jahrhundert das moderne Griechenland wieder dort erstehen lassen, wo das antike gelegen hatte. Ein bißchen wie bei Israel.

Guter Vergleich.
Aber nicht so geplant wie im Falle Israels - sondern in erster Linie wirklich als historischer Zufall.

Es waren eben nicht die griechischen Bevölkerungszentren in Kleinasien oder in Thessalonike, die den Aufstand gegen die Osmanen führten. Das waren Kosmopoliten, die sich ganz gut arrangiert hatten.

Es war die unbedeutende Provinz, die da rebellierte.
Wie in vergleichbaren Fällen:
Nicht die Wiener haben den Aufstand gegen Napoleon gemacht, sondern Hofers Tiroler Bergbauern.
Nicht die Lowlande-Schotten in Glasgow oder Edinburgh haben die Widerstand gegen die Engländer getragen, sondern die armen Hirten des Highlands.

Und eigentlich hätten die Osmanen diesen Aufstand genauso niedergeschlagen wie sie es (wie jede Großmacht) mit zahllosen anderen Aufständen (auch von Griechen in anderen Teilen des Reiches) gemacht haben - wenn nicht plötzlich Europa sich engagiert hätte. Im Gedenken an ein antikes Griechenland, daß die Griechen selber längst vergessen hatten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.10.2008 16:23
#33 RE: Erdogan Antworten

Und weiter zu den Türken ...

In Antwort auf:
ich habe den Eindruck, daß es auch jetzt
noch ... einen ausgeprägten türkischen Nationalismus gibt.

Aber ja - das ist noch das Atatürk-Erbe. Ein Nationalismus, wie er eben im Europa der Zwischenkriegszeit Standard war.

Aber ein Nationalismus, der ungerne an die Osmanenzeit anknüpft - die wird doch eher skeptisch gesehen, wegen der islamischen Prägung, wegen Dekadenz-Erscheinungen, wegen reaktionärer Strukturen.

Die Begeisterung, mit der sich die Türkei nach 1990 bei den turksprachigen "Brudervölkern" in Zentralasien engagierte - das war echtes Atatürk-Erbe, die Osmanen waren in dieser Region ja nie aktiv.

In Antwort auf:
Aber es scheint mir so, daß der Erfolg Erdogans gerade darauf basiert, daß er den Islam sozusagen nationalisiert hat;

Das sind jetzt Feinheiten, die ich nicht so gut beurteilen kann. Da werde ich bei Gelegenheit einen guten Freund fragen, der da Experte ist.
Mir scheint die AKP eher so eine typische Sammlungsbewegung zu sein, in der halt diverse Flügel nebeneinander stehen. Die Nationalisten, die eigentlich übernationalen Islamisten, die typischen ideologiefreien Karrieristen ...

In Antwort auf:
Mein Eindruck - es ist wieder nicht mehr als ein Eindruck - ist, daß sich in einer EU, zu der die Türkei gehört, natürliche Machtzentren ergeben werden:

Sehe ich eigentlich gar nicht.
Es gibt Länder und Ländergruppen, die eher miteinander harmonieren und öfters parallel abstimmen. Es gibt Sonderbeziehungen und gewachsene Rivalitäten.
Aber vor allem sehe ich eine ständig in Bewegung befindliche Landschaft, in der sich eben KEINE Regionen herausbilden - da wird immer wieder neu sortiert.

In Antwort auf:
Der Raum UK/Skandinavien/Benelux unter britischer Führung.

Oh nein.
Die Briten können gut mit den wirtschaftspolitisch ähnlichen Holländern. Die aber auch mit den Deutschen.
Die Belgier orientieren sich eher an Paris (oder im Falle der Flamen am eigenen Kirchturm).
Die Skandinavier sind sich in erster Linie selbst genug, nur die Dänen haben in Ansätzen ähnliche Politikideen wie die Briten - die übrigen Skandinavier sind in der Gesellschaftsstruktur das krasseste Gegenteil des UK. Die Finnen pflegen ihre Sonderbeziehungen zu Estland und zu Deutschland.
Die Iren würden sich lieber aufhängen als einen Londoner Führungsanspruch akzeptieren.

Es gibt einen abstrakten britischen Anspruch, weltweit wichtig zu sein. Und eine wichtige Adresse innerhalb der EU. Aber es gibt m. E. Null Idee, einen solchen Länderblock zu führen - und das würde auch keines der übrigen Länder auch nur in Ansätzen akzeptieren.

Und so weiter.

Die Spanier orientieren sich eher an Deutschland als an Frankreich.
Die Portugiesen eher an England.

Die Polen und Tschechen wachen eifersüchtig darauf, daß Deutschland NICHT für Mittel-Ost-Europa spricht.

Der vorherrschende Trend ist eigentlich, daß man NICHT mit seinem Nachbarn kann (Ausnahme Österreich ;-), und es daher auch wenig regionale Bündnisse gibt.

In Antwort auf:
Und für den Südosten bietet sic die Türkei als Vormacht an.

Kaum denkbar.
Alle diese Länder haben ihre nationale Identität im Kampf gegen die Türken gebildet.
Die mögen untereinander noch so zerstritten sein, aber niemals eine Vormachtrolle Ankaras akzeptieren.
Und wie schon gesagt: Die Türken sind gar nicht daran interessiert, diese Pampa zu dominieren.
Dann lieber über Einwanderer Einfluß in Deutschland oder Holland nehmen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.10.2008 16:52
#34 RE: Griechenland Antworten

Zitat von R.A.
Der Schwerpunkt lag eindeutig dort, wo auch heute wieder Griechenland ist. Athen, Sparte, Korinth und Theben dominierten die griechische Welt und waren unbestrittene Machtzentren.

Umso interessanter ist es, daß die griechische Philosophie nicht dort ihren Ausgang nahm, sondern in den Kolonien im Westen und im Osten. Auch Abdera, die Stadt Demokrits, lag in Thrakien, weit weg von den griechischen Zentren, wenn es auch heute zu Griechenland gehört. Die griechische Philosophie war das Werk von Kosmopoliten.
Zitat von R.A.
Es waren eben nicht die griechischen Bevölkerungszentren in Kleinasien oder in Thessalonike, die den Aufstand gegen die Osmanen führten. Das waren Kosmopoliten, die sich ganz gut arrangiert hatten. Es war die unbedeutende Provinz, die da rebellierte.

Wie in vergleichbaren Fällen: Nicht die Wiener haben den Aufstand gegen Napoleon gemacht, sondern Hofers Tiroler Bergbauern. Nicht die Lowlande-Schotten in Glasgow oder Edinburgh haben die Widerstand gegen die Engländer getragen, sondern die armen Hirten des Highlands.

Interessanter Gesichtspunkt; das war mir noch gar nicht so klar gewesen.

Aber es stimmt ja: In einem solchen Vielvölkerstaat wie dem Reich Alexanders, dem Imperium Romanum, dem British Empire, dem Zaren- und dem Sowjetreich, dem Osmanischen Reich haben die Angehörigen der Völker, die nicht Staatsvolk sind, immer die beiden Möglichkeiten, sich zu assimilieren und in dem jeweiligen Imperium aufzusteigen - oder sich der Assimilation zu verweigern. Je ungebildeter, je ärmer, je traditioneller lebend Bevölkerungsteile sind, umso weniger sind sie zur Assimilation bereit oder auch nur in der Lage.

Nachdem Sie darauf aufmerksam gemacht haben, fallen mir weitere Beispiele ein: Die Oberschicht Indiens, die sich mit den Briten arrangiert hatte; die tibetische Oberschicht, die sich mit der chinesischen Besatzung abgefunden hat. Ghandi stützte sich auf die armen Massen; der Dalai Lama dürfte auch bei diesen seine Anhänger haben.

Und ein Beispiel am Rande: Ich habe das, glaube ich, schon einmal erwähnt, daß ich kürzlich die Aufzeichnungen des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs ("Quer durch Afrika. Reise vom Mittelmeer nach dem Tschad-See und zum Golf von Guinea") gelesen habe.

Kulturgeschichtlich faszinierend: Damals, in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, bestand dieses Gebiet aus zahllosen kleinen Feudalstaaten; ein Sultan herrschte jeweils über ein paar Tausend, vielleicht ein paar Zehntausend Untertanen.

Diese Herrscher und die Oberschicht - komplett mit Ministern, Beamten usw. - waren islamisiert und hatten auch das eine oder andere von der arabischen Kultur übernommen.

Ihre Untertanen in den Städten (ja, das waren kleine, befestigte Städte mit einer Art Burg oder Schloß) und vor allem ihre tributpflichtigen Bauern im Umland waren Polytheisten, ganz in afrikanischen Stammeskulturen verwurzelt; statt den Burnus einen Lendenschurz tragend oder auch nicht.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.10.2008 09:55
#35 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

Nur als kleiner Nachtrag:
Die Türkei ist in den UN-Sicherheitsrat gewählt worden - als Vertreter Westeuropas.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/p...in-Teheran.html

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.10.2008 13:20
#36 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

Zitat von R.A.
Nur als kleiner Nachtrag: Die Türkei ist in den UN-Sicherheitsrat gewählt worden - als Vertreter Westeuropas.

Ich habe das, lieber R.A., auch mit Verwunderung gelesen; zumal für die UNO - das haben wir ja diskutiert - Georgien zu Asien gehört!

Interessant ist diese Passage aus dem Artikel der FR:
Zitat von FR
Sie hat unter der islamisch-konservativen Regierung Erdogan auch außenpolitisch beträchtlich an Statur gewonnen. Beispiele dafür sind die erfolgreichen Vermittlung zwischen Israel und Syrien, die türkische Initiative für einen Kaukasus-Kooperationspakt wie auch Ankaras Bemühen, auf den "Erbfeind" Armenien zuzugehen und im Konflikt um Berg Karabach zu vermitteln.

Wie man sieht, engagiert sich die Türkei außenpolitisch in Westeuropa.

Übrigens verstehe ich nicht, wieso Westeuropa. So steht es in dem FR-Artikel, aber in Westeuropa liegt die Türkei ja nun wahrlich nicht.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

20.10.2008 13:42
#37 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

In Antwort auf:
Übrigens verstehe ich nicht, wieso Westeuropa. So steht es in dem FR-Artikel, aber in Westeuropa liegt die Türkei ja nun wahrlich nicht.



Aber man hat doch schon "Kolonien" dort, lieber Zettel, alles andere ist ja fast ein Selbstgänger. Sieht man doch.

♥lich Nola

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.10.2008 14:20
#38 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

So weit ich mich erinnere, gibt es drei nichtständige Sitze für Europa: Zwei für Westeuropa und einen für Osteuropa.
Und diese damalige Regionendefinition (wo das NATO-Mitglied Türkei natürlich zum Westen gezählt wurde) gilt wohl immer noch.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.10.2008 14:44
#39 RE: Georgien und der russische Imperialismus (1): Helmut Schmidt Antworten

Zitat von R.A.
So weit ich mich erinnere, gibt es drei nichtständige Sitze für Europa: Zwei für Westeuropa und einen für Osteuropa. Und diese damalige Regionendefinition (wo das NATO-Mitglied Türkei natürlich zum Westen gezählt wurde) gilt wohl immer noch.

Na, dann sollte man vielleicht bei der UNO mal die Augen aufmachen und zur Kenntnis nehmen, daß der Eiserne Vorhang gefallen ist.

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