Am Samstag hatte ich die Vorabmeldung im Spiegel hier kurz kommentiert. Jetzt habe ich das Interview im "Spiegel" gelesen, und danach schien es mir einen Blog wert zu sein: Das, was Knut Folkerts über seine Taten sagt.
Von Reue kann nämlich - entgegen der Vorabmeldung - keine Rede sein.
Folkerts "bedauert" den Polizistenmord, dessentwegen er in den Niederlanden verurteilt wurde; über die Verbüßung der Strafe entscheidet demnächst das Hamburger Landgericht. Er bereut aber nicht, er spricht nicht von Schuld - sondern er versucht zu rechtfertigen. Mit Äußerungen über "Moral", die so empörend sind, daß sie den Blog motiviert haben.
Beim Suchen zu einem anderen Thema bin ich jetzt zufällig auf diesen Artikel von Thomas Kleine-Brockhoff in der "Zeit" von 1997 gestoßen. Geschildert wird ein Treffen entlassener RAF-Häftlinge in Zürich in Gestalt einer öffentlichen Talkshow.
Darin heißt es über Knut Folkerts (Hervorhebung von mir):
Nicht besser steht es um die Gewaltfrage, die stundenlang wie ein stiller Gast im Saal steht. Die selbstkritische Rede vom "Scheitern" läßt immerhin die Interpretation zu, man habe in einem gerechten Krieg am Ende ehrenhaft verloren. Aber keiner der sieben Exterroristen stellt die Frage, ob dem hehren Ziel einer besseren Welt die Legitimität schon abhanden kam, als der erste Schuß fiel. Die Opfer, die sie auf ihrem Weg zurückließen, finden keine Erwähnung. Wer Knut Folkerts zuhört, erfährt etwas über seinen "Aufbruch", über "Aktionen", über achtzehn Jahre Haft, aber nicht ein Wort über den holländischen Polizisten, den Folkerts bei seiner Festnahme 1977 erschoß.
Also nicht nur keine Reue - sondern damals auch kein Bedauern. Wenn Folkerts jetzt auf einmal sein "Bedauern" entdeckt, dann liegt die Vermutung nah, daß dies etwas mit der bevorstehenden Entscheidung des Hamburger Landgerichts darüber zu tun hat, ob er seine Strafe für diesen Mord absitzen muß.
Seine drei anderen Morde hat er auch jetzt nicht "bedauert" - die Strafe dafür hat er ja hinter sich.
Dieser Mann hat drei Menschen ermordet und ist "nach insgesamt 18 Jahren Haft auf Bewährung entlassen" worden, hat auch noch einen vierten Mord begangen und es ist nicht einmal sicher, "ob er seine Strafe für diesen Mord absitzen muß"? Vier Menschen kaltblütig ermordet und er lebt (wieder oder noch) in Freiheit?
Zitat von ReaderVier Menschen kaltblütig ermordet und er lebt (wieder oder noch) in Freiheit? Ich fasse es nicht.
Es gab damals, in den achtziger Jahren, eine Erklärung der niederländischen Regierung, daß sie (in Anbetracht der Verurteilung von Folkerts zu zweimal Lebenslänglich) ihren eigenen Strafanspruch als abgegolten ansehe, so ungefähr.
Ob man Lebenslängliche grundsätzlich nach 15 Jahren plus x entlassen sollte, ist aus meiner Sicht eine schwierige Frage. Jedenfalls scheint mir, daß man dafür mindestens eine glaubhafte Reue verlangen muß, die bei Folkerts und vielen seiner Genossen eindeutig nicht vorliegt.
Es waren ja für Folkerts und Genossen keine Morde, sondern "bewaffenter Kampf". Und so sehen sie das ganz offensichtlich auch heute noch.
Die Ideologie der Baader-Meinhof-Bande, die sich "RAF" nannte, kann man übrigens immer noch vollständig im Web nachlesen; hier.
Es gibt durchaus eine Kontinuität des Terrorismus. Die damaligen deutschen Terroristen waren in vieler Hinsicht Vorläufer des heutigen Terrorismus:
Anders als die Brigate Rosse in Italien "arbeiteten" sie zB von vornherein mit dem Mittel des gezielten Mords
Anders als viele Terroristen der 70er Jahre (wie die Brigate Rosse, die Action Directe in Frankreich, militante Linksextreme in den USA) hatten die RAF-Ideologen keine romantischen Vorstellungen von einer freien Gesellschaft. Sie waren nicht die "Anarchisten", als die sie damals sogar von der Polizei bezeichnet wurden, sondern knallharte, elitär denkende Leninisten. Mit ihrer Brutalität und ihrem Zynismus durchaus Vorläufer von Terroristen à la Al Zarkawi.
Wenn heute versucht wird, die RAF zu historisieren - beispielsweise durch eine Kunstausstellung, dann ist das, anders als die Historisierung des Nationalsozialismus, meines Erachtens abwegig.
Die Taten der RAF reichen bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung, und ihre "Selbstauflösung" ist gerade mal acht Jahre her.
Die RAF jetzt bereits ausschließlich mit dem objektiven Blick des Historikers zu betrachten wäre so, als hätte man das im Jahr 1953 mit dem Nationalsozialismus versucht.
Formal weise ich darauf hin, daß ich die in verlinkten Sites vertretenen terroristischen Auffassungen schärfstens verurteile. Die Links dienen dazu, daß der Leser sich selbst ein Bild vom verbrecherischen Charakter dieser "Politik" machen kann.
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