Ich habe das in vielen Diskussionen, auch hier im Forum, gesagt, ohne nach meiner Erinnerung Widerspruch auszulösen: Der Antisemitismus der Zeit um 1930 herum war zum Teil ein Antikapitalismus. Man meinte den Kapitalismus und personifizierte ihn als "den Finanzjuden".
So weit ist Hans-Werner Sinn in dem Interview mit dem "Tagesspiegel" gar nicht gegangen, aus dem in der morgigen Ausgabe einige Sätze stehen werden. Aber er hat darauf hingewiesen, daß diesmal "den Managern" die Schuld zugeschoben wird, so wie damals in der Weltwirtschaftskrise "den Juden".
Ich bin der Meinung, daß Sinn diese Parallele zu Recht zieht. In dem Artikel vertrete ich aber auch die Auffassung, daß es zu Fehlinterpretationen geradezu einlädt, wenn man so etwas in einem Interview äußert, von dem man überhaupt nicht weiß, was daraus wie zitiert werden wird.
kann es denn nicht sein, daß mit dieser selektiven Darstellung des Tagesspiegel eine der letzten populären Stimmen der Vernunft diskreditiert werden soll? Da wäre sie dann wieder, die (Anti-)Nazikeule!
man hat Handlungsweisen geduldet, die außerhalb des Kapitalismus stehen. Die werden gerade aufgearbeitet. Das Verhalten der Mitarbeiter der Rating Agenturen zum Beispiel in diesem Hearing
Es steht Ihnen frei, sich das durchzulesen. Ein niedlicher Gedankenwechsel erschien in allen großen amerikanischen Tageszeitungen.
In Antwort auf:“Btw — that deal is ridiculous,” one wrote. “We should not be rating it.” “We rate every deal,” came the response. “It could be structured by cows and we would rate it.”
Finden Sie das die angemessene Art und Weise, wie man an die Bewertung von Finanzprodukten herangeht? Ich wundere mich, das er Ihnen entgangen ist. Ähnliches und viel detaillierter schien vor einiger Zeit in bloomberg. Das deutet darauf hin, daß man beim Rating von Finanzprodukten ziemlich skrupellos vorgegangen ist und Mitarbeiter, die sich dagegen gewehrt haben, unter Druck gesetzt hat.
Kapitalismus bedeutet immer noch nicht, daß alle, die sich Kapitalisten nennen, für all ihre Handlungen, die ihnen in den Sinn kommen, einen Freibrief bekommen. Sie in die Schranken zu weisen, ist nicht antikapitalistisch.
Es spricht nicht gerade für das Wahrnehmungsvermögen und das Handlungsvermögen der Elefanten unter den Akteuren, daß sie Handlungen geduldet haben, die für sie selbst nicht in Frage kommen. Es war ihre Aufgabe und vor allem ihre verdammte Pflicht, sicherzustellen, daß Fehlverhalten erkannt und die sich Fehlverhaltenden zur Rechenschaft gezogen werden. Was ist den Selbstregulierung anderes als das die Autoritäten des Marktes, die auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken, die Handlungen ihrer Mitarbeiter überwachen.
Professor Sinn kommt es nicht einmal in den Sinn, daß diese Nachlässigkeit der Autoritäten erst die antikapitalistischen Reaktionen hervorgerufen hat. Glaubt er, diese windelweichen Handelnden können Menschen für den Kapitalismus begeistern. In der Krise zeigt sich die Meisterschaft, Schönwetterdirigenten braucht kein Mensch.
Es gibt noch weitere prokapitalistische Bücher in der englischsprachigen Welt, die sich mit Schwächen der gegenwärtigen Struktur beschäftigen.
Mein ehemaliger Assistent hat zur Hebelwirkung der Finanzgeschäfte mit hohem Fremdkapitalanteil zutreffendes gesagt
In Antwort auf:Der Hebel hat die Entwicklung der Menschheit entscheidend beeinflusst. Zum Positiven. Doch schon der antike Mensch wusste, dass man mit dem Hebel vorsichtig zu Werke gehen muss. Lässt man ihn zur Unzeit los, teilt er schwere Schläge aus. Das kann sogar tödlich enden. An diesem Phänomen hat sich nichts geändert. Daher ist es auch heute noch wichtig, einen Hebel erst dann loszulassen, wenn sich die zu bewegende Masse in einer stabilen Position befindet. Kommen die Finanzmassen am anderen Ende des Hebels allerdings in Bewegung, wie in den letzten Wochen geschehen, so schlägt der Hebel zu, wird gleichsam zur Brechstange. Spätestens hier wird klar, dass viele unserer Banker im Physik-Unterricht nicht aufgepasst haben. Denn bereits der alte Grieche Archimedes wusste, dass man mit einem Hebel und einem festen Punkt die Welt aus den Angeln heben kann. Genau das proben nun die Banker. Weltweit. Zwischenzeitlich sind so viele Finanzmassen in Bewegung, dass man den schlagenden Hebeln garnicht mehr ausweichen kann.
Ja das denke ich auch. Viele die sich dem Studium der Wirtschaftswissenschaften verschrieben haben, stehen mit der Welt der Güter auf Kriegsfuss. Die Erfahrung mit Hebeln out of controll, von der Selenz spricht, hat fast jeder Werkstudent in der Hütte gemacht. Danach nutzt man immer noch Hebel, aber mit mehr Respekt und vor allem mehr Vorsicht.
Nachtrag
Professor Sinn hätte auf diesen Satz verzichten können ohne seine Aussage zu schmälern. Der Rest des Interviews ist ja zutreffend in der Stellungnahme
Zitat von Thomas Paulikann es denn nicht sein, daß mit dieser selektiven Darstellung des Tagesspiegel eine der letzten populären Stimmen der Vernunft diskreditiert werden soll?
Ja, so würde ich Sinn auch sehen, lieber Thomas. Und was er sagt, ist ja auch vernünftig. Nur war es nicht vernünftig, daß er es so, in solch einem Interview gesagt hat, dessen Schicksal man sozusagen nicht kontrollieren kann.
Warum hat der "Tagesspiegel" - auch er ja in der Berliner Presselandschaft so etwas wie eine der letzten Stimmen der Vernunft - nun ausgerechnet diesen einen Satz zum Aufmacher erkoren?
Man muß vielleicht sehen, daß es ja den meisten Tageszeitungen nicht rosig geht. Der "Tagesspiegel" wird seit gestern Abend mit dieser Sache quer durch die Medien zitiert; auch das ist ja ein Erfolg.
Zitat von Liberoman hat Handlungsweisen geduldet, die außerhalb des Kapitalismus stehen. Die werden gerade aufgearbeitet. Das Verhalten der Mitarbeiter der Rating Agenturen zum Beispiel in diesem Hearing
Danke für diesen Hinweis, lieber Libero! Dieser Aspekt war mir bisher ganz entgangen.
Ja, das ist außerordentlich interessant. Wobei ich - ganz im Sinn des Hinweises von Hans-Werner Sinn - gleich auf einen offenbar wichtigen strukturellen Faktor gestoßen bin, der nichts mit individuellem Versagen zu tun hat.
Zitat von Aussage von Jerome FonsPrior to 1970, rating agencies did not accept payment from rated bond issuers. Instead, they financed their rating operations through manual sales and investment advisory services. Rating agencies were well aware of the conflicts of interest posed by the “issuer-pays” business model. By accepting payment from an issuer, a rating agency sacrifices its independence. Rather than being an impartial party, it has a vested interest in the success of a bond offering and in the welfare of the issuer.
Das bedeutet nun in der Tat, den Bock zum Gärtner zu machen.
Zitat von LiberoFinden Sie das die angemessene Art und Weise, wie man an die Bewertung von Finanzprodukten herangeht? Ich wundere mich, das er Ihnen entgangen ist.
Ach, lieber Libero, mir entgeht viel. Mir fehlen die Grundlagen der Nationaläkonomie; daß merke ich jetzt in dieser Krise sehr. Deshalb halte ich mich ja auch mit Kommentaren dazu sehr zurück und freue mich, daß in diesem Forum eine ganze Reihe von Ökonomen schreiben, von denen ich schon viel gelernt habe.
Zitat von Libero Ähnliches und viel detaillierter schien vor einiger Zeit in bloomberg. Das deutet darauf hin, daß man beim Rating von Finanzprodukten ziemlich skrupellos vorgegangen ist und Mitarbeiter, die sich dagegen gewehrt haben, unter Druck gesetzt hat.
Menschen sind halt, wie sie nun mal sind. Wer in der Wirtschaft tätig ist, der will und muß seinen Focus darauf richten, Geld zu verdienen (so wie der Wissenschaftler ihn darauf richten muß, die Wahrheit herauszufinden, der Künstler darauf, etwas Ästhetisch Neues zu schaffen usw.). Also, ich würde das weniger auf der ethischen Ebene ansiedeln als auf der institutionellen: Was muß an einem System verändert werden, in dem solches Fehlverhalten nicht nur möglich ist, sondern offenbar lange Zeit sogar belohnt wurde?
Zitat von LiberoKapitalismus bedeutet immer noch nicht, daß alle, die sich Kapitalisten nennen, für all ihre Handlungen, die ihnen in den Sinn kommen, einen Freibrief bekommen. Sie in die Schranken zu weisen, ist nicht antikapitalistisch.
Ich stimme Ihnen völlig zu, würde nur im Sinn des eben Gesagten den Akzent etwas anders setzen: Schranken müssen gesetzt, dh die Randbedingungen müssen so gesetzt werden, daß solches Fehlverhalten sich nicht lohnt. Das ist halt meine ordoliberale Überzeugung: Das freie Spiel der Kräfte funktioniert nur, wenn die Spielregeln die richtigen sind.
Das gilt für die Wirtschaft ebenso wie für die Politik. Der demokratische Rechtsstaat, wie er in den USA examplarisch realisiert ist (nicht perfekt, aber eben exemplarisch) ist nicht die Freiheit aller, sich um die Macht zu prügeln, sondern ein System, das den Interessenkonflikt in geregelte Bahnen lenkt. Ebenso ist es in der Ökonomie mit dem freien Markt. Und in diesem System waren, so scheint mir, bestimmte Randbedingungen falsch gesetzt. Wie im obigen Beispiel die Finanzierung der Rating Agencies durch diejenigen, die sie bewerten sollen.
Zitat von Libero"Kommen die Finanzmassen am anderen Ende des Hebels allerdings in Bewegung, wie in den letzten Wochen geschehen, so schlägt der Hebel zu, wird gleichsam zur Brechstange. Spätestens hier wird klar, dass viele unserer Banker im Physik-Unterricht nicht aufgepasst haben. Denn bereits der alte Grieche Archimedes wusste, dass man mit einem Hebel und einem festen Punkt die Welt aus den Angeln heben kann. Genau das proben nun die Banker. Weltweit. Zwischenzeitlich sind so viele Finanzmassen in Bewegung, dass man den schlagenden Hebeln garnicht mehr ausweichen kann."
Lassen Sie mich die mechanische Analogie noch ein wenig weitertreiben, lieber Libero.
Sie kennen das wahrscheinlich weit besser als ich: Eines der einfachste mechanischen Beispiele für ein chaotisches System ist das Doppelpendel. Es genügt, an ein Pendel ein zweites Pendel zu hängen - und man hat schon ein System, dessen Verhalten nicht genau vorhersagbar ist. Man kann sich die Dynamik der Wirtschaft auf einem freien Markt in gewisser Weise wie ein System aus vielen aneinander hängenden Pendeln vorstellen. Das System kann lange in einem dynamischen Gleichgewicht sein - und dann passiert an eine Stelle etwas, daß das gesamte System destabilisiert.
Zitat von LiberoProfessor Sinn hätte auf diesen Satz verzichten können ohne seine Aussage zu schmälern. Der Rest des Interviews ist ja zutreffend in der Stellungnahme.
So sehe ich es auch. Was nichts daran ändert, daß er in der Sache Recht hat.
Herzlich, Zettel
PS: Die Dokumente des House Committe on Oversight and Government Reform, die Sie verlinkt haben, zeigen eine der Stärken des US-Systems: Die Fähigkeit der Institutionen, Fehlentwicklungen rücksichtlos aufzudecken und Korrekturen einzuleiten. Dazu gehört auch die Transparenz. Undenkbar, daß bei uns ein Untersuchungsausschuß des Bundestags in dieser Weise die Dokumente ins Netz stellt.
Das war auch nach 9/11 so, es war nach dem Versagen der Geheimdienste vor dem Irakkrieg so. Das hat zu schnellen Reformen geführt, wie sie zB bei uns ungleich schwieriger sind.
Lieber Zettel, ich habe mir in den letzten Wochen auch immer wieder gedacht, früher hätten sie jetzt erstmal ein paar jüdische Häuser niedergebrannt. Eine weitere Komponente demagogischer Bewegungen ist ja auch das Selbstmitleid. Man interessiert sich nur für seine eigenen Probleme, will aber nichts von anderen wissen und man verdrängt auch, was man selber zu der Situation beigetragen hat. Zum Beispiel hat Lafontaine während seines Gastspiels als Finanzminister und davor immer die expansive, mit niedrigen Zinsen operierende Geldpolitik der Fed gelobt. Und auch die Normalbürger haben sich sicher nicht beschwert, dass die Kredite für ihre Häuser so billig waren. Falsch an dem Vergleich ist nur, dass der Antisemitismus alle Juden trifft, auch Arme oder Kinder, die Manager sich ihre Rolle aber in gewisser Weise ausgesucht haben, indem sie ihre Stelle angenommen haben. Soviel dazu. Ich hab gestern erstmal die Reich-Ranicki-Diskussion hier gelesen und wollte dazu auch noch ein paar Zeilen schreiben, das Thema ist ja verwandt. Bezeichnend ist zunächst einmal, dass dieser ganze Streit mit einem harmlosen, unpolitischen Beitrag begann, dann aber zu einer Diskussion über die "Auschwitz-Keule" wurde. Begonnen ausgerechnet von Leuten, die sich darüber aufregen, dass den Deutschen ständig ihre Nazi- Vergangenheit vorgehalten werde. Das lässt sich verallgemeinern, je weiter man im politischen Sprektrum von der Mitte nach rechts rückt, desto dominanter wird dieses Thema. An der Argumentation von M.Schneider ist aber mE trotzdem etwas dran. Es gibt dieses Muster. Das fängt bei Chirac an, der auf dem EU-Gipfel von Nizza, als Deutschland wegen einer größeren Bevölkerung in den Gremien mehr Stimmen haben wollte als Frankreich, sagte, Frankreich habe sich nach dem Krieg für Kooperation entschieden, dies aber nur auf der Basis absoluter Gleichheit. Im Prinzip das gleiche kann man bei Antifa- oder türkischen Schlägern beobachten, die bei ihrer Verhaftung die Polizisten als Nazis bezeichnen. Aber: Dies ist nur eine spezielle Ausprägung eines allgemeinen Problems, das es in allen westlichen Ländern gibt. Es ist also falsch, die Deutschen in einer besonderen Opferrolle gegenüber "dem Ausland" zu sehen. Dort ist dann eben der Kolonialismus oder die Sklaverei der Ansatzpunkt. Für das Chirac-Zitat habe ich keine Quelle gefunden, ich gehe aber sowieso davon aus, dass Ihnen das Thema zum Hals raushängt, ich habe nur etwas dazu schreiben wollen, weil es mich seit gestern beschäftigt hat. Mir gefällt Ihre Seite und dieses Forum immer noch sehr gut, ich würde gerne öfter schreiben, aber manchmal fehlt mir die Zeit, um etwas vernünftig zu formulieren, und meistens stimme ich mit Ihnen ohnehin soweit überein, dass ich nichts Sinnvolles mehr dazu beitragen kann. Herzlich, Chripa
Zitat von Zettel Wobei ich - ganz im Sinn des Hinweises von Hans-Werner Sinn - gleich auf einen offenbar wichtigen strukturellen Faktor gestoßen bin, der nichts mit individuellem Versagen zu tun hat.
Lieber Herr Zettel, nehmen wir an, Ihr Lebensweg hätte Sie in die Finanzwirtschaft geführt. Ich bin mir sicher, Sie hätten zu den Mitarbeitern gehört, die sich gegen diese Praktiken aufgelehnt hätten. Es hat ja auch bei den Rating Agencies Mitarbeiter gegeben, die sich gewehrt haben. Das ist ja wohl indivuell vorbildlich, trotz des Angebots des Fehlverhalten durch die Regel zu wissen, was Fehlverhalten ist. Ob ich der Verführung nachgebe, liegt immer noch an mir selbst.
Zitat von ZettelAch, lieber Libero, mir entgeht viel.
Das bezog sich auf ihre Lektüre der amerikanische Tageszeitungen. Da fallen Ihnen Artikel auf, die ich immer überlese.
Zitat von ZettelMenschen sind halt, wie sie nun mal sind. Wer in der Wirtschaft tätig ist, der will und muß seinen Focus darauf richten, Geld zu verdienen (so wie der Wissenschaftler ihn darauf richten muß, die Wahrheit herauszufinden, der Künstler darauf, etwas Ästhetisch Neues zu schaffen usw.
Aber bitte, nicht alle Menschen sind so, auch nicht in der Finanzwirtschaft. Es gibt immer noch Menschen, die überlegen sich erst, ob einé Hypothek oder Kredit einem Kunden schadet und dann wieviel Provisionen ihnen entgehen. Es ist allerdings so, daß solche Menschen sich dann andere Wege in der Finanzwirtschaft suchen
Zitat von ZettelLassen Sie mich die mechanische Analogie noch ein wenig weitertreiben, lieber Libero. Sie kennen das wahrscheinlich weit besser als ich: Eines der einfachste mechanischen Beispiele für ein chaotisches System ist das Doppelpendel. Es genügt, an ein Pendel ein zweites Pendel zu hängen - und man hat schon ein System, dessen Verhalten nicht genau vorhersagbar ist. Man kann sich die Dynamik der Wirtschaft auf einem freien Markt in gewisser Weise wie ein System aus vielen aneinander hängenden Pendeln vorstellen. Das System kann lange in einem dynamischen Gleichgewicht sein - und dann passiert an eine Stelle etwas, daß das gesamte System destabilisiert.
Die Analogie ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Dann würde eine kleine Veränderung reichen, um das dynamische Gleichgewicht zu stören
Zitat von ZettelDie Dokumente des House Committe on Oversight and Government Reform, die Sie verlinkt haben, zeigen eine der Stärken des US-Systems: Die Fähigkeit der Institutionen, Fehlentwicklungen rücksichtlos aufzudecken und Korrekturen einzuleiten. Dazu gehört auch die Transparenz. Undenkbar, daß bei uns ein Untersuchungsausschuß des Bundestags in dieser Weise die Dokumente ins Netz stellt.
Das ist eine Art der Aufbearbeitung, die man nur bewundern kann. Die Transparenz ist schon außerordentlich hoch, vor allem wenn man sie mit Deutschland vergleicht. In dem Punkt und vielen anderen ist die USA ein Vorbild, dem man nacheifern sollte.
Welcher Staat lässt so lückenlos und transparent seine Zeitgeschichte aufarbeiten und veröffentlichen? Das wünschte man sich von Deutschland, von Russland, von der Türkei, von China und von Japan. Dazu gehört Größe!
Zitat von Chripaich habe mir in den letzten Wochen auch immer wieder gedacht, früher hätten sie jetzt erstmal ein paar jüdische Häuser niedergebrannt.
Ja, solche Gedanken habe ich auch. Ich meine mich zu erinnern, daß es in einer Umfrage eine hohe Zustimmung zu Sodanns Äußerung zu Ackermann gab, aber ich habe das nicht finden können. Vielleicht irre ich mich auch.
Zitat von ChripaZum Beispiel hat Lafontaine während seines Gastspiels als Finanzminister und davor immer die expansive, mit niedrigen Zinsen operierende Geldpolitik der Fed gelobt. Und auch die Normalbürger haben sich sicher nicht beschwert, dass die Kredite für ihre Häuser so billig waren.
Und daß sie so großzügig vergeben wurden. Daß die Krise bei den beiden halbstaatlichen Hypothekenbanken ihren Ausgang nahm, die verpflichtet waren, Kredite vor allem an sozial Schwache zu vergeben, wird ja oft übersehen oder bewußt ignoriert.
Zitat von ChripaFalsch an dem Vergleich ist nur, dass der Antisemitismus alle Juden trifft, auch Arme oder Kinder, die Manager sich ihre Rolle aber in gewisser Weise ausgesucht haben, indem sie ihre Stelle angenommen haben.
Das stimmt, lieber Chripa. Aber ich möche zu bedenken geben, daß jeder Vergleich, damit er zutreffend ist, ja nur mindestens ein tertium comparationis braucht. Das ist im jetzigen Fall aus Sinns Sicht die Sündenbock-Funktion, und aus meiner Sicht kommt das antikapitalistische Ressentiment hinzu.
Der Unterschied, den Sie nennen, ist gravierend, keine Frage. Das Ressentiment gegen "die Juden" ist ja auch tiefer sitzend und mehr in affektive Zusammenhänge einbezogen als das gegen die "gierigen Manager". Da ist eben die ganze Geschichte dieses scheußlichen Phänomens Antisemitismus im Spiel, das religiöse, wirtschaftliche, selbst sexuelle Komponenten hat (man muß sich nur mal den "Stürmer" wirklich angucken, oder das, was Hitler in "Mein Kampf" über die "Judenbengel" schreibt, die deutsche Mädchen schwängern - da gibt es manche Übereinstimmung mit dem Rassismus in den USA).
Zitat von ChripaIch hab gestern erstmal die Reich-Ranicki-Diskussion hier gelesen und wollte dazu auch noch ein paar Zeilen schreiben, das Thema ist ja verwandt. Bezeichnend ist zunächst einmal, dass dieser ganze Streit mit einem harmlosen, unpolitischen Beitrag begann, dann aber zu einer Diskussion über die "Auschwitz-Keule" wurde. Begonnen ausgerechnet von Leuten, die sich darüber aufregen, dass den Deutschen ständig ihre Nazi-Vergangenheit vorgehalten werde. Das lässt sich verallgemeinern, je weiter man im politischen Sprektrum von der Mitte nach rechts rückt, desto dominanter wird dieses Thema.
Irgendwo habe ich das, glaube ich, schon einmal geschrieben: Nationalismus hat ja sehr oft diesen Unterton des Gekränktseins, des Jammerns darüber, von den anderen schlecht behandelt zu werden. Das ist beim jetzt neu erblühenden russischen Nationalismus nicht anders (ich schreibe demnächst in ZR noch etwas dazu), es war durchweg so beim Nationalismus der "Nationalen Befreiungsbewegungen" (die ja nicht selten neben Marx "Mein Kampf" als ihre Bibel hatten).
Bei inzwischen erwachsen gewordene Nationen wie den USA, dem UK oder Frankreich ist das heute weniger ausgeprägt. Aber auch der französische Nationalismus war ursprünglich so (contre nous de la tyrannie l'étendard sanglant est levé heißt es in der Marseillaise - gegen uns erhebt die Tyrannei ihren blutigen Dolch).
In Deutschland spielt dieser Nationalismus im Grunde eine erstaunlich geringe Rolle; vielleicht wird da auch viel verdrängt.
Zitat von ChripaAn der Argumentation von M.Schneider ist aber mE trotzdem etwas dran. Es gibt dieses Muster. Das fängt bei Chirac an, der auf dem EU-Gipfel von Nizza, als Deutschland wegen einer größeren Bevölkerung in den Gremien mehr Stimmen haben wollte als Frankreich, sagte, Frankreich habe sich nach dem Krieg für Kooperation entschieden,dies aber nur auf der Basis absoluter Gleichheit.
Sebastian Haffner hat einmal gesagt, Deutschland hätte eine "unschickliche Größe". Größer als seine Nachbarn, aber auch wieder nicht so groß, daß es sozusagen die geborene Vormacht wäre. Deshalb waren diese Nachbarn ja ausnahmslos mit der deutschen Teilung glücklich. De Gaulle hat einmal gesagt, er liebe Deutschland so sehr, daß er sich freue, daß es gleich zwei davon gibt, so ähnlich.
Daß immer noch auf den Krieg Bezug genommen wird, ist eine Frage teils der Generation, teils der, sagen wir, demokratischen Reife. Die Kaczynskis sind geistig auf dem Stand von 1950; und man kann es ihnen angesichts der Diktatur, in der sie hatten leben müssen, ja nicht mal verübeln. Mitterand hat den Krieg ja noch erlebt, sogar als Kriegsgefangener in Deutschland. Thatcher hat ihn noch erlebt. Da sind natürlich tiefsitzende Ängste da. Chirac hat wohl eher diese Karte im Machtpoker gespielt.
Zitat von ChripaIm Prinzip das gleiche kann man bei Antifa- oder türkischen Schlägern beobachten, die bei ihrer Verhaftung die Polizisten als Nazis bezeichnen.
Ja, und man sollte den Mut haben, sie dafür wegen Beleidigung vor den Kadi zu bringen. Sie rechnen natürlich damit, daß sie damit den jeweiligen Deutschen in eine Position der Defensive bringen. Ich finde, man muß das aber offensiv angehen und jedem klarmachen, daß er einen Deutschen genauso wenig beleidigen darf, wie der Deutsche ihn einen Kanaken nennen darf.
Zitat von Chripaich gehe aber sowieso davon aus, dass Ihnen das Thema zum Hals raushängt, ich habe nur etwas dazu schreiben wollen, weil es mich seit gestern beschäftigt hat.
Diese Diskussion mit M. Schneider, von dem ich viele Beiträge sehr schätze, war eine der wenigen seit Bestehen des Forums, die ich wirklich unersprießlich fand, weil ja von vornherein klar war, daß nichts herauskommen würde. Aber es gibt Dinge, die ich einfach nicht "so stehenlassen" möchte. Auch, weil das als Zustimmung mißverstanden werden könnte.
Zitat von ChripaMir gefällt Ihre Seite und dieses Forum immer noch sehr gut, ich würde gerne öfter schreiben, aber manchmal fehlt mir die Zeit, um etwas vernünftig zu formulieren, und meistens stimme ich mit Ihnen ohnehin soweit überein, dass ich nichts Sinnvolles mehr dazu beitragen kann.
Daß es Ihnen hier gefällt, das freut mich, lieber Chripa. Ich freue mich auch über dieses Forum, in dem gründlicher diskutiert wird als in vielen anderen, und in denen man ganz überwiegend fair miteinander umgeht und mit dem Ziel diskutiert, etwas voneinander zu lernen.
Daß es auch mal a bisserl rauher zugehen kann, ist, glaube ich, unvermeidlich. Die Grenze für mich in der Rolle als Wamba ist da, wo es unhöflich zugeht oder wo jemand sonstwie das verletzt, was im Fußtext des Forums steht. Das war in dieser jetzigen Diskussion ja überhaupt nicht der Fall, und vielleicht war sie ja auch in gewisser Weise klärend.
Zitat von KalliasEtendard = Dolch, M. Fiche? Gruß, Kallias
*räusper"
Also, cher Kallias, Sie haben mir zu einer wirklichen Überraschung verholfen.
Ich weiß nicht, wann ich mal die Marseillaise aus Daffke auswendig gelernt habe - wahrscheinlich war ich fünfzehn oder sechzehn, es war jedenfalls, als meine Eltern in die ehemalige französische Besatzungszone gezogen waren und ich Französisch nachlernen mußte, was man dort ab Sexta hatte, was ich aber überhaupt nicht gehabt hatte.
Also, damals habe ich das gelernt und vermutlich die Vokabeln nachgesehen, die ich nicht kannte. Étendard, das kannte ich aber - Dolch! (Weil ich es vermutlich mit Poignard durcheinandergebracht habe).
Seither schleppe ich dieses Wissen mit mir herum, daß der Étendard ein längerer Dolch ist (von étendre natürlich ).
Und nun haben Sie mir die Augen geöffnet, oder vielmehr einen Dolch ins Herz gestoßen - nein, natürlich das Banner der Wahrheit hochgehalten.
Quelle surprise!
(Das habe ich damals auch gelernt - als letzten Satz von Maupassants "Le gueux"; deshalb ist es mir jetzt vermutlich assoziativ eingefallen).
Zitat von ZettelIch bin der Meinung, daß Sinn diese Parallele zu Recht zieht. In dem Artikel vertrete ich aber auch die Auffassung, daß es zu Fehlinterpretationen geradezu einlädt, wenn man so etwas in einem Interview äußert, von dem man überhaupt nicht weiß, was daraus wie zitiert werden wird.
Natürlich hat der Tagesspiegel auch das Interview abrufbar:
Da lassen wir uns doch die inkriminierte Passage auf der Zunge zergehen:
Zitat von TagesspiegelGeht es so einfach? Angesichts verlockender Millionen-Boni war den Bankern offenbar jedes noch so riskante Geschäft recht.
Zitat von SinnDie Boni wurden von den Aktionären so gestaltet, dass die Manager die Risiken suchten. Rendite-Vorgaben von 25 Prozent und mehr, wie sie von manchen Aktionären verlangt wurden, kann man nur mit waghalsigen Geschäften verdienen.
Zitat von TagesspiegelDie Manager als Opfer?
Zitat von SinnIn jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager. Als Volkswirt sehe ich stattdessen falsche Anreize und fehlende Regeln. Schauen Sie sich den Straßenverkehr in Indien an. Die Leute fahren links, rechts, auf dem Bürgersteig, das ist abenteuerlich. Der Verkehr kommt deswegen immer wieder ins Stocken. Sind daran die „Manager“ an den Steuerrädern schuld oder fehlende Verkehrsregeln?
Die Antwort ist schwach, denn die Diskussion ist ja bedeutend weiter und lediglich eine Minderheit zeigt ausschließlich auf "die Manager", von denen ja einige auch zu recht in der kritik stehen, wie auch Gesetzgeber, Häuslebauer, Aktionäre (wobei Sinn bei seiner Aktionärsschelte ("Rendite-Vorgaben von 25 Prozent") verschweigt, dass sich bei den bedeutenden Transaktionen und auch in Aufsichträten wiederum Manager tummeln. (Davon abgesehen, gibt es in Indien tatsächlich fast die gleichen Verkehrsregeln wie in Europa, hier haben die "Manager an den Steuerrädern" tatsächlich die Schuld.)
Auch der Begriff Sündenbock ist falsch gewählt, denn in letzter Konsequenz ist der Sündenbock der Steuerzahler, wozu natürlich auch Manager gehören, aber auch diejenigen, die niemals in ihrem Leben Risiken eingehen würden, selbst das können natürlich auch wiederum Manager sein, aber auch etliche andere.
Sinn sollte nicht entgangen sein, dass diese Krise mit stoischer Geduld und ohne große Aufregung von der Bevölkerung ertragen wird, lediglich die üblichen Verdächtigen betreiben einseitige Schuldzuweisungen, wobei es natürlich auch antisemitische Stimmen gibt.
Zitat von WikipédiaLe mot est utilisé pour la première fois en 1080 (estendard). Il vient du francique standhard signifiant stable, fixe, inébranlable, mot qui donnera ensuite standard. Il est composé de stand, désignant l'action se tenir debout, et de hard signifiant dur, ferme.
Zitat von DicocitationsÉtendard Nature : s. m. Prononciation : é-tan-dar ; le d ne se lie pas : un é-ta Etymologie : Provenç. estandart, estandard ; espag. estandarte ; ital. stendardo ; angl. standart. Diez le tire du latin extendere, étendre, déployer ; du Cange, du germanique stand, être debout. Le fait est que, à part l'italien, c'est l'a qui est dans le vieux français, dans le provençal et l'espagnol. De plus, l'étendard était quelque chose de fixé et d'immobile durant la bataille, ce qui va à stand ; enfin l'anglais signifie à la fois étendard et étalon [de mesures], ce qui ne paraît se concilier qu'avec une racine analogue à celle qui est dans étalon lui-même. Ces raisons font pencher la balance du côté de stand. Cependant remarquez que, dans certaines provinces, étendard, comme drapeau, signifie un lange.
Viel interessanter als die Bemerkung finde ich folgende Aussage im Interview
In Antwort auf:Schon 2003 habe ich ein Buch dazu veröffentlicht, das von liberalen Bankökonomen heftig kritisiert wurde. Ich habe gewarnt, dass es einen internationalen Wettlauf der Staaten um die laschesten Gesetze gibt.
Die pdf-Dateien der Kapital dürften der pre-print Version entsprechen. Kennt jemand den Inhalt dieses Buches. Hat er die Aussagen dieses Buches in einem Interview erwähnt.
Zitat von LiberoViel interessanter als die Bemerkung finde ich folgende Aussage im Interview
In Antwort auf:Schon 2003 habe ich ein Buch dazu veröffentlicht, das von liberalen Bankökonomen heftig kritisiert wurde. Ich habe gewarnt, dass es einen internationalen Wettlauf der Staaten um die laschesten Gesetze gibt.
Könnten Sie dieses Interview bitte verlinken? Im "Tagesspiegel" habe ich das nicht gefunden.
Zitat von ZettelIch bin der Meinung, daß Sinn diese Parallele zu Recht zieht. In dem Artikel vertrete ich aber auch die Auffassung, daß es zu Fehlinterpretationen geradezu einlädt, wenn man so etwas in einem Interview äußert, von dem man überhaupt nicht weiß, was daraus wie zitiert werden wird.
Ja, danke. Entweder habe ich das übersehen, als ich den Artikel geschrieben habe, oder der Text stand zu dieser Zeit noch nicht im Netz. Aus ihm wird ja deutlich, wie gering der Stellenwert der Antisemitismus-Bemerkung für den Gesamttext des Interviews war. Sinn hat sich vernünftig verhalten und sich entschuldigt, auch wenn er dazu eigentlich keinen Anlaß hatte. Damit ist die Sache hoffentlich aus der Welt.
Übrigens hat die "heute"-Sendung des ZDF heute um 17 Uhr - vielleicht auch noch zu anderen Zeiten, aber da habe ich es gehört - gemeldet, Sinn hätte eine "Parallele zwischen der jetzigen Managerschelte und der Judenverfolgung gezogen". Hätte er das getan, dann allerdings hätte er Grund gehabt, sich zu entschuldigen.
Zitat von C.Die Antwort ist schwach, denn die Diskussion ist ja bedeutend weiter und lediglich eine Minderheit zeigt ausschließlich auf "die Manager"
Meinst du, dear C., eine Minderheit der Fachleute oder eine Minderheit der Deutschen? Bei Letzerem bin ich da nicht so sicher.
Zitat von C.... von denen ja einige auch zu recht in der kritik stehen, wie auch Gesetzgeber, Häuslebauer, Aktionäre (wobei Sinn bei seiner Aktionärsschelte ("Rendite-Vorgaben von 25 Prozent") verschweigt, dass sich bei den bedeutenden Transaktionen und auch in Aufsichträten wiederum Manager tummeln. (Davon abgesehen, gibt es in Indien tatsächlich fast die gleichen Verkehrsregeln wie in Europa, hier haben die "Manager an den Steuerrädern" tatsächlich die Schuld.)
Sinn meint aber - und mir scheint, daß er da sehr Recht hat -, daß es eben weder die individuelle Schuld der einen noch die der anderen war und ist. Sondern die Regeln stimmten nicht.
Ich vertrete das hier und in ZR ja immer wieder und habe mich gefreut, daß Sinn das auch so sieht, der es im Unterschied zu mir ja wirklich beurteilen kann.
Was den Verkehr in Indien angeht: Gute Gesetze allein helfen nicht; ihre Einhaltung muß auch durchgesetzt werden. Finanzmanangern vorzuwerfen, daß sie sich nach Kräften bereichern wollten, wäre ungefähr so, als würde man dem Opa des Eisbären Knud vorwerfen, daß er das Robbenfangen nicht gelassen hat.
Zitat von C.Auch der Begriff Sündenbock ist falsch gewählt, denn in letzter Konsequenz ist der Sündenbock der Steuerzahler, wozu natürlich auch Manager gehören, aber auch diejenigen, die niemals in ihrem Leben Risiken eingehen würden, selbst das können natürlich auch wiederum Manager sein, aber auch etliche andere.
Den Steuerzahler würde ich nicht den Sündenbock nennen, sondern das Opferlamm.
Zitat von C.Sinn sollte nicht entgangen sein, dass diese Krise mit stoischer Geduld und ohne große Aufregung von der Bevölkerung ertragen wird, lediglich die üblichen Verdächtigen betreiben einseitige Schuldzuweisungen, wobei es natürlich auch antisemitische Stimmen gibt.
Ja, nur daß diese trübe Brühe eben oft in antikapitalistische Kanäle fließt, weil da der Widerstand geringer (genauer: der Rohrdurchmesser größer) ist.
Zitat von Zettel Was den Verkehr in Indien angeht: Gute Gesetze allein helfen nicht; ihre Einhaltung muß auch durchgesetzt werden. Finanzmanangern vorzuwerfen, daß sie sich nach Kräften bereichern wollten, wäre ungefähr so, als würde man dem Opa des Eisbären Knud vorwerfen, daß er das Robbenfangen nicht gelassen hat.
Tut mir leid, der Vergleich ist schwach, Herr Zettel, es gab und gibt Menschen in der Finanzwirtschaft, die ihre Kunden nicht wissentlich schädigen. Robben sind danach tot, Kunden zumindest finanziell.
Wenn es keine Regeln gibt, die ein Mensch befolgt, ohne das es staatliche Regeln gibt, schaffen sie folgende pikante Situation. Sinn sagt, es sind Systemfehler, die zu bedauerlichen Verhalten geführt haben. Was sagt er damit noch? Egal wie ihr euch verhaltet auf den Finanzmärkten, das seid nicht ihr, das ist das System. Das ist der umfassendste Freibrief, der für menschliches Verhalten jemals ausgestellt wurde. Ist ihnen das nicht klar?
Nehmen wir mal an, das Töten von Menschen wird nicht mehr unter Strafe gestellt. Dann ist das auch in Ordnung, das Menschen wahllos töten, weil es ja ein Systemfehler ist, der es nicht verbietet. Nicht der tötende Mensch ist schuld, sondern das System, das ihm nicht einhalt gebietet. Kommt Ihnen diese Denken nicht bekannt vor?
Soll es wirklich keine Regeln mehr geben, an die ein Mensch sich hält, ohne das es staatliche Regeln gibt, die ihn vom Brechen dieser Regeln abhalten? Ist das noch bürgerliches Denken, frei und unabhängig vom Staat und sich selbst verwaltend.
In dem Zusammenhang ein kleiner Beitrag zu Volker Beck's (grüner Experte für alles und nichts) Aussage, die Wirtschaftskompetenz von Hans-Werner Sinn wäre umstritten (gut, umstritten vielleicht in dem Sinne, dass manche Menschen ihn als Wissenschaftler akzeptieren und für andere so etwas wie ein Wirtschaftswissenschaftler nur ein Synonym für "Arbeiterausbeuter" darstellt):
Hab mir eben die Illner-Freakshow (vom, ich glaube 16.10., kurz nach Verabschiedung des Rettungspakets) angesehen.
Kleine Zusammenfassung:
Sinn: Das Paket ist gut, aber die 'Klausel' mit der Begrenzung der Managergehälter wird dazu führen, dass die Privatbanken das Paket nicht in Anspruch nehmen, sondern eher die Kreditvergabe einschränken (um das Verhältnis FK/EK wieder in einen akzeptablen Bereich zu rücken). Arbeitsminister Scholz: [...] das wird mit Sicherheit nicht passieren, das werden Sie schon sehen. Sinn: Ja, wir werden sehen.
Zitat von Zettel Ja, nur daß diese trübe Brühe eben oft in antikapitalistische Kanäle fließt, weil da der Widerstand geringer (genauer: der Rohrdurchmesser größer) ist.
Das ist ohne Frage der Fall. Im übrigen beginnt der Antikapitalismus und Wirtschaftsantisemitismus in Deutschland mit dem Gründerkrach und der Artikelserie in der Gartenlaube, späteren Buch "Der Börsen- und Gründerschwindel in Berlin" von Otto Glagau, kurzinfo siehe wikipedia. Mit seiner pauschalen Beschuldigung hatte er natürlich unrecht, aber er beschreibt sehr detailliert das damalige window dressing. Man kaufte z.B. Brauereien von Familienunternehmern auf, machte daraus eine Aktiengesellschaft und gab Aktien zum 4 bis 10 fachen Nennwert des Verkaufpreises des Unternehmens heraus. An dem Wert des Unternehmens hatte sich nichts geändert. Wie haben die neuen Unternehmensleiter die Gewinne erwirtschaftet? Indem sie die Qualität der Produkte verschlechtert haben. Die heutige Praxis ist, Eigenkapital raus, Fremdkapital rein.
Nun meine Frage. Glauben Sie, daß das Verhalten der Marktteilnehmer in der gegenwärtigen Krise, vor allem das großen Elephanten mit langjähriger Erfahrung, eine Empfehlung für den Kapitalismus ist? Meine zweite Frage. Handeln die Herren so, daß man Ihnen vertrauen kann? Da sind Menschen, die eine schwere Situation zu meistern haben und sie bekommen sie nicht in den Griff. Sie haben sich übernehmen, siehe Porsche oder Schaeffler.
Was erwarten Sie dann als Reaktion von Menschen, die weniger Urteilsvermögen haben, auf dieses Schauspiel?
Zustimmung?
Das macht ihr gut, Jungs, wir vertrauen euch und gehen mit euch durch dick und dünn.
"Die Ressentiments, die dem zugrundeliegen, gehen zum Teil auf dieselbe antikapitalistische Haltung zurück."
Nicht ganz, Zettel.
Der Antisemitismus hatte, auch unter Nazis, verschiedene Spielarten.
Für die Brüder Strasser war das Bild des "Finanzjuden" sicher das Hauptmotiv. "Der Jude" stand hier nur als Personifizierung für den Finanzkapitalismus und ob eine Strasser-Diktatur Vernichtungslager gebaut hätte halte ich für ziemlich fraglich.
Auch für Röhm und den ehemaligen Strasser-Adepten Goebbels spielte es eine Rolle.
Bei Hitler und Himmler sieht man davon aber wenig.
Man sollte auch nicht grundsätzlich jedwede Anfrage an den Kapitalismus (den ich hier mal von der Marktwirtschaft unterschieden wissen will) - und/oder meinetwegen den Kapitalisten (wenn das Libero lieber ist) - mit dem Antisemtismus zu verbinden.
Aber davon abgesehen und grundsätzlich haben Sie natürlich recht, Zettel. Und Herr Sinn auch.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die wenn etwas droht zu verderben, nicht nur nichts unternimmt sondern auch andere von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
str1977
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28.10.2008 10:42
#23 RE: Zitat des Tages: Eine Äußerung von Hans-Werner Sinn
In Antwort auf:Die Antwort ist schwach, denn die Diskussion ist ja bedeutend weiter und lediglich eine Minderheit zeigt ausschließlich auf "die Manager", von denen ja einige auch zu recht in der kritik stehen, wie auch Gesetzgeber, Häuslebauer, Aktionäre (wobei Sinn bei seiner Aktionärsschelte ("Rendite-Vorgaben von 25 Prozent") verschweigt, dass sich bei den bedeutenden Transaktionen und auch in Aufsichträten wiederum Manager tummeln. (Davon abgesehen, gibt es in Indien tatsächlich fast die gleichen Verkehrsregeln wie in Europa, hier haben die "Manager an den Steuerrädern" tatsächlich die Schuld.)
Aber spricht Herr Sinn nicht auch von Systemproblemen? Das könnte ein Ansatz zu Kapitalismuskritik - inclusive genannte Rendite-Erwartungen - die weit über ein bloßes "Hängt die Manager" hinausgeht.
In Antwort auf:Auch der Begriff Sündenbock ist falsch gewählt, denn in letzter Konsequenz ist der Sündenbock der Steuerzahler, wozu natürlich auch Manager gehören, aber auch diejenigen, die niemals in ihrem Leben Risiken eingehen würden, selbst das können natürlich auch wiederum Manager sein, aber auch etliche andere.
Das ist allerdings ein sehr eigenwilliges Verständnis des Wortes "Sündenbock". Unter einem solchen versteht man gemeinhin jemanden, dem die Schuld gegeben wird. Niemand gibt diesem Phantom "Steuerzahler" die Schuld an irgendetwas.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
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str1977
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28.10.2008 10:47
#24 RE: Zitat des Tages: Eine Äußerung von Hans-Werner Sinn
Zitat von ZettelSinn hat sich vernünftig verhalten und sich entschuldigt, auch wenn er dazu eigentlich keinen Anlaß hatte. Damit ist die Sache hoffentlich aus der Welt.
Für sich selbst vernünftig, ja. Aber wie lange sollen diese Reflexreaktionen eigentlich noch weitergehen?
Aus der Welt ist es, wie ich gestern lt. DLF von Frau Knobloch gehört habe, aber nicht. In unserere Landschaft politischer Korrektheit muß man zwar zu Kreuze kriechen, aber vergeben wird einem deswegen noch lange nicht.
In Antwort auf:Übrigens hat die "heute"-Sendung des ZDF heute um 17 Uhr - vielleicht auch noch zu anderen Zeiten, aber da habe ich es gehört - gemeldet, Sinn hätte eine "Parallele zwischen der jetzigen Managerschelte und der Judenverfolgung gezogen". Hätte er das getan, dann allerdings hätte er Grund gehabt, sich zu entschuldigen.
Ja, das habe ich im DLF auch gehört. Das ist die alte Masche, die man schon von der Hohmann oder Eva Herrmann kennt. Oder auch von Filbinger.
Gruß, str1977
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str1977
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28.10.2008 10:50
#25 RE: Zitat des Tages: Eine Äußerung von Hans-Werner Sinn
Ich stimme Libero insofern zu, daß man trotz aller Kritik an den Regeln die persönliche Verantwortung und - ja! - Schuld nicht wegreden sollte.
Ja, vieles mag die Gier gefördert haben, was aber die konkrete Gier nicht besser macht.
Manager (oder wer auch immer) sind auch keine Tiere, die nicht anders hätten können. Es sind Menschen, die für ihre Handlungen gradestehen müssen. Aber eben nur für ihre, nicht im Sinne einer Kollektivschuld. Und da kommt genau der Sündenbockmechanismus hinein.
In Antwort auf:Nehmen wir mal an, das Töten von Menschen wird nicht mehr unter Strafe gestellt. Dann ist das auch in Ordnung, das Menschen wahllos töten, weil es ja ein Systemfehler ist, der es nicht verbietet. Nicht der tötende Mensch ist schuld, sondern das System, das ihm nicht einhalt gebietet. Kommt Ihnen diese Denken nicht bekannt vor?
Ja, das kommt mir sehr bekannt vor. In manchen Bereichen ist das ja schon verwirklicht.
Gruß, str1977
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