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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 11 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.11.2008 16:49
Marginalie: Ziele der RAF Antworten

RAF und kein Ende. Auch in ZR gibt es viele Artikel über die RAF, spziell auch über Christian Klar. Man findet sie leicht über die Suchfunktion des Blogs.

Jetzt, anläßlich der bevorstehenden Haftentlassung Klars, möchte ich nur auf einen schlichten Sachverhalt hinweisen: Die Ziele, die Strategie der RAF waren und sind kein Geheimnis. Sie liegen offen zutage.

michael76 Offline



Beiträge: 32

24.11.2008 19:57
#2 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten

Ich habe mich eigentlich nie mit der RAF beschäftigt. Beim lesen des Blog-Eintrags ist mir jetzt aber folgender Satz aufgefallen:

In Antwort auf:

Durch Anschläge sollten harte Reaktionen des Staats provoziert werden, die Empörung auslösen und der RAF neue Kämpfer zuführen würden.



Irgendwie ist es interessant weil wir jetzt ja wissen, dass diese Strategie der RAF offensichtlich nicht funktioniert hat. Wenn wir heute über Terrorismus reden, dann geistert das aber immer noch als Argument herum: also dass wir den Terrorismus/Extremismus nicht militärisch bzw. mit Waffengewalt bekämpfen sollen, weil er dadurch nur noch stärker wird.


http://sohalt.wordpress.com/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.11.2008 21:45
#3 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten

Zitat von michael76
Irgendwie ist es interessant weil wir jetzt ja wissen, dass diese Strategie der RAF offensichtlich nicht funktioniert hat. Wenn wir heute über Terrorismus reden, dann geistert das aber immer noch als Argument herum: also dass wir den Terrorismus/Extremismus nicht militärisch bzw. mit Waffengewalt bekämpfen sollen, weil er dadurch nur noch stärker wird.

Ich gebe Ihnen recht, lieber Michael, und doch auch wieder nicht.

Als der Kern der "ersten Generation" im Juni 1972 verhaftet worden war, dachten viele - auch ich -, daß es damit mit dem Spuk gottseidank vorbei sei. Es hätte schlimmer kommen können - das war damals meine Reaktion.

Dann sah man die Bilder. Von Holger Meins, wie er in der Unterhose herauskam, abgemagert. Von dem verletzten Baader auf seiner Bahre. Später dann die abgemagerte, nicht mehr wiederzuerkennende Ulrike Meinhof, wie sich gegen das Fotografiertwerden wehrte, mit verzerrtem Gesicht. Dann Gudrun Ensslin im Sträflingskleid, auch sie erbarmungswürdig aussehend. Margrit Schiller, wie auch sie sich gegen das Fotografiertwerden wehrt.

Dann kamen die Berichte über "Isolationsfolter", über Hungerstreiks. Es gab eine breite Welle der Empörung.

Überall entstanden Komitees, Initiativen von Unterstützern. Dann der Höhepunkt: Der schreckliche Hungertod von Holger Meins. Das Bild dieser armseligen Figur, dieses abgemagerten Gesichts mit dem langen Bart hatte starke religiöse Konnotationen.

Ich war damals auch tief erschüttert. Sympathisiert hatte ich nie mit diesen Leuten, aber ihr Leiden berührte mich.

So ging es vielen. Sie hatten insofern ihr Ziel erreicht. Ein großer Teil der Sympathisanten, aus denen sich dann die zweite und dritte Generation rekrutierte, waren nicht primär Anhänger des "bewaffneten Kampfs" gewesen, sondern sie waren über die Empörung, das Mitleid dazu geworden. Die Propaganda der RAF hatten - weil Anwälte mitspielten, weil viele Medien mitspielten - perfekt funktioniert.

Insofern also ist die Strategie, den Staat zu "Repressionen" zu zwingen, die dann der RAF neuen Zulauf bringen sollten, erfolgreich gewesen.

Dennoch haben Sie recht: Langfristig ist sie gescheitert. Ich bin heute der Überzeugung, daß das einem einzigen Mann zu verdanken ist: Helmut Schmidt. Er hat keinen Augenblick geschwankt, er hat diesen Kampf durchgestanden. Wäre damals einer wie Gerhard Schröder Kanzler gewesen, dann hätte die RAF es zumindest schaffen können, eine Organisation aufzubauen, die den Namen "Armee" verdient. Ein paar hundert bewaffnete Leute, die systematisch Beamte, Geschäftsleute usw. ermorden. Das sollte ja die erste Etappe werden.

Den Bürgerkrieg hätte sie nicht erreichen können, weil es den Menschen einfach zu gut ging. Man kann Menschen, die in Freiheit leben, die gut verdienen, die allen Grund haben, mit den Verhältnissen zufrieden zu sein, nicht in einen Bürgerkrieg treiben.

Herzlich, Zettel

Michel Offline



Beiträge: 265

24.11.2008 23:34
#4 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten

Den Eindruck, den ich von den Zeitgesehen habe, ist der, dass Terroristen keine Change haben, wenn der politische Wille zu ihrer Bekämpfung da ist. Rücksichtnahme ermutigt eher zu noch dreisteren Angriffen. Zudem darf man nicht über sehen, dass die Rücksichtnahme auf Terroristen nicht einer überlegten Taktik entspringt, sondern eher der Sympathie für deren Ziele.

Omni Offline



Beiträge: 255

25.11.2008 04:32
#5 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten
In Antwort auf:

Den Bürgerkrieg hätte sie nicht erreichen können, weil es den Menschen einfach zu gut ging. Man kann Menschen, die in Freiheit leben, die gut verdienen, die allen Grund haben, mit den Verhältnissen zufrieden zu sein, nicht in einen Bürgerkrieg treiben.


Sicher? Ein Bürgerkrieg hat etwas von einem Perpetuum Mobile. Er braucht einen Auslöser und Feindbilder, dann schafft er sich seine Gründe selber. Menschen töten sich gegenseitig, eine Spirale der Eskalation kommt in Gang und schafft Gräben in der Gesellschaft. Und der Hass, der durch das gegenseitig zugefügte Leid entsteht, hält das ganze am Gang, treibt den Parteien ständig neue Rekruten zu. Auch kommen in einem Bürgerkrieg, wo das Versprechen von Schutz vor Mord und Totschlag und Rache für die eigenen Verluste wichtig werden, die Brutalen an die Macht, die ihre Macht nicht wieder abgeben wollen und damit effektiv dazu beitragen, dass die Rückkehr zum zivilisierten Umgang erschwert wird.
Was in Deutschland fehlt ist wohl das Feindbild. Aber man soll ja niemals nie sagen. Ich bin mir sicher dass viele Bürgerkriege für die betroffenen Menschen wie aus heiterem Himmel kamen, dass plötzlich Unterschiede in Religion, Konfession, Weltanschauung, Hautfarbe oder dergleichen, die vorher unwichtig wirkten, zur Entscheidung darüber wurden ob jemand ein Freund ist oder ein Todfeind.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.11.2008 05:02
#6 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten

Zitat von Omni
In Antwort auf:

Den Bürgerkrieg hätte sie nicht erreichen können, weil es den Menschen einfach zu gut ging. Man kann Menschen, die in Freiheit leben, die gut verdienen, die allen Grund haben, mit den Verhältnissen zufrieden zu sein, nicht in einen Bürgerkrieg treiben.


Sicher? Ein Bürgerkrieg hat etwas von einem Perpetuum Mobile. Er braucht einen Auslöser und Feindbilder, dann schafft er sich seine Gründe selber. Menschen töten sich gegenseitig, eine Spirale der Eskalation kommt in Gang und schafft Gräben in der Gesellschaft. Und der Hass, der durch das gegenseitig zugefügte Leid entsteht, hält das ganze am Gang, treibt den Parteien ständig neue Rekruten zu.

Ja, das stimmt. Nordirland war ein Beispiel; dort scheint das Schlimmst ja vorüber zu sein. Auch Ex-Jugoslawien.

Das setzt aber voraus, daß es zwei Bevölkerungsgruppen gibt, die einander bereits ablehnend, mißtrauisch usw. gegenüberstanden. Wie die Schiiten und die Sunniten im Irak. Wenn dann die allgemeine Situation angespannt, die Versorgungslage schlecht, die Staatsgewalt schwach ist - dann können Anstifter wie in diesem Fall die Kaida das von Ihnen geschilderte Perpetuum Mobile in Gang bringen.

Das freilich in Wahrheit keins ist; weil es erstens wie das angebliche physikalische in Wahrheit der Zufuhr von Energie bedarf, und weil es zweitens zum Stillstand gebracht werden kann.

Man sieht das jetzt im Irak. Im Sender Al Jazeera läuft wöchentlich eine ausgezeichnete Sendung "Inside Iraq". Da diskutierten vergangenes Mal eine Schiitin der Sadr-Gruppe, ein sunnitischer Führer und ein Regierungsvertreter (der Außenminister) miteinander. So, wie Demokraten überall auf der Welt diskutieren, mit Argumenten.



Die RAF wollte eine andere Art von Bürgerkrieg. Einen wie nach der Oktoberrevolution. Einen Massenaufstand gegen den "Kapitalismus". Das damals ja noch frische Vorbild war Fidel Castros Eroberung Cubas, war der Guerrillakrieg in Indochina.

Nur wollte man das an die Verhältnisse in hochentwickelten Industriestaaten anpassen. Das Zauberwort war "Stadtguerrilla". Der Kampf sollte in den Großstädten geführt werden, wo die Rote Armee im linken Milieu würde untertauchen können, darin schwimmen wie ein Fisch im Wasser, so wie das Mao für die Unterstützung der Guerrilleros durch die Landbevölkerung gelehrt und wie es der Viet Cong ja in der Tat erfolgreich praktziert hatte.

Nur war dieses linke Milieu nicht das, wovon die RAF-Leute träumten. Es gab anfangs Unterstützung (man beherbergte "Kämpfer", gab ihnen seinen Paß, dergleichen). Aber diese schwand rapide, als man merkte, auf welchen Wahnwitz man sich da einließ.

Ein Schlüsselereignis war die Verhaftung Ulrike Meinhofs. Sie hatte einem "linken Lehrer" vertraut, und dieser war in sich gegangen und hatte sich entschieden, die Polizei zu rufen. Von da an hat sich die RAF immer weniger auf solche legalen Unterstützer verlassen und stattdessen versucht, aus diesem linken Milieu Kämpfer zu gewinnen, die bereit waren, in den Untergrund zu gehen. In dem sie auf sich gestellt agierte. Damit war das Konzept Stadtguerrilla im Grunde gescheitert.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.11.2008 05:27
#7 "Martyrium" als Waffe Antworten

Zitat von Michel
Den Eindruck, den ich von den Zeitgesehen habe, ist der, dass Terroristen keine Change haben, wenn der politische Wille zu ihrer Bekämpfung da ist. Rücksichtnahme ermutigt eher zu noch dreisteren Angriffen.

Das Problem, lieber Michel, ist, wie man vermeidet, durch hartes Vorgehen den Terroristen Sympathisanten zuzuführen.

Nehmen wir einmal an die verhaftete "erste Generation" hätte sich wie normale Untersuchungshäftlinge verhalten. Dann hätte man sie auch so behandelt.

Dann hätte es keine Isolation gegeben, keine Durchsuchung von Anwälten usw. Die Gruppe hätte einen normalen Strafprozeß bekommen. Sie wären heute alle längst frei und würden vermutlich als Schriftsteller, Journalisten usw. arbeiten. Oder als Professoren, wie Toni Negri in Frankreich/Italien und Bill Ayers in den USA.

Aber die Inhaftierten hatten die Taktik, ihre Haft von Anfang an als ein Martyrium zu inszenieren. Und sie hatten ein Umfeld, das mitspielte. Eine Presse - allen voran der "Spiegel" - und TV-Sender, die diese Propaganda transportierten.

Das ging schon mit "Widerstand" nach der Verhaftung los. Dieses Bild, wie man Ulrike Meinhof den Kopf festhält, wie sie mit verzerrtem Gesicht sich gegen das Fotografiertwerden wehrt - das dürfte der RAF mehr Sympathisanten zugeführt haben, als alle flammenden Aufrufe zusammen.

Und das wurde dann systmatisch eskaliert.

Was hätte der Staat zum Beispiel mit "Hungerstreikenden" machen sollen? (Die zB etwas forderten, was keinem U-Häftling zusteht, nämlich die Behandlung als Kriegsgefangene, die "Zusammenlegung in interaktionsfähige Gruppen"). Ließ man jemanden sich umbringen, wie Holger Meins, dann hatte die RAF ihren Märtyrer. Wurde Zwangsernährung angeordnet, dann standen in der Presse seitenlange Artikel über die Grausamkeit, mit der dieser Zwang ausgeführt wird.

Ließ man die Häftlinge kommunizieren, dann planten sie gemeinsam neue Verbrechen. Isolierte man sie voneinander, dann war das "Isolationsfolter".

Lies man die Verteidiger unüberwacht, dann konspirierten viele von ihnen mit den Häftlingen. Überwachte und durchsuchte man sie, dann sah die linksliberale Presse den Rechtsstaat zerstört.

Was hätte Prinzing mit renitenten Angeklagten machen sollen, die ihn beschimpften, die dazwischenschrieen? Hätte er sie gewähren lassen, dann wäre der Prozeß zu einer Farce geworden, zu einer Propagandaveranstaltung der RAF. Ordnete er Ordnungsmaßnahmen an, dann traf ihn die Wut der Medien, dann sah man wiederum den Rechtsstaat am Ende.



Es gibt da, lieber Michel, eine Parallele zu Guantánamo. Auch mit den El-Kaida-Häftlingen können die USA machen, was sie wollen - es wird immer progagandistisch gegen sie verwendet werden. Präsident Obama wird das noch zu spüren bekommen.

Allerdings benehmen sich diese Häftlinge, soweit bekannt, nicht so renitent wie die der RAF. Hätte man - lieber Omni - sie in den USA inhaftiert, sie dort vor ordentliche Gerichte gestellt, dann hätten sie sehr wahrscheinlich dieselbe Strategie verfolgt wie damals die RAF: Mitleid erregen, den Rechtsstaat scheinbar ins Unrecht setzen.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.253

25.11.2008 05:32
#8 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten
Zitat von michael76
Ich habe mich eigentlich nie mit der RAF beschäftigt. Beim lesen des Blog-Eintrags ist mir jetzt aber folgender Satz aufgefallen:

In Antwort auf:

Durch Anschläge sollten harte Reaktionen des Staats provoziert werden, die Empörung auslösen und der RAF neue Kämpfer zuführen würden.



Irgendwie ist es interessant weil wir jetzt ja wissen, dass diese Strategie der RAF offensichtlich nicht funktioniert hat. Wenn wir heute über Terrorismus reden, dann geistert das aber immer noch als Argument herum: also dass wir den Terrorismus/Extremismus nicht militärisch bzw. mit Waffengewalt bekämpfen sollen, weil er dadurch nur noch stärker wird.



@michael: Dass diese Strategie (bis jetzt, oder in Deutschland) nicht funktioniert hat, ist klar... Allerdings hat er m.E. durchaus recht mit dieser Aussage. Was sonst wäre wohl der Sinn von Terrorismus? Vor allem dann, wenn die Bevökerungsmehrheit nicht hinter den Terroristen steht (was schon definitionsgemäß nicht sein kann, weil die Terroristen sonst Befreier wären).
Mir fällt kein anderer Grund ein.

Und der Umkehrschluss, dass es diese Strategie nicht gab, weil sie sich ex post als wirkungslos erwiesen hat, ist eigentlich sowieso nicht 'zulässig'...


(EDIT: Vielleicht war den Terroristen in den 60ern/70ern auch nicht klar, dass ihre Methoden auch zu neuen Strategien der Staatsmacht führen könnten... die haben vermutlich von so einer Art Vietnam/Kuba in Deutschland geträumt, in dem der Staat ziellos Zivilisten plattmacht, bis sie sich ihnen anschließen)

Grüße,
F.Alfonzo
Omni Offline



Beiträge: 255

25.11.2008 14:31
#9 RE: "Martyrium" als Waffe Antworten

In Antwort auf:

Die zB etwas forderten, was keinem U-Häftling zusteht, nämlich die Behandlung als Kriegsgefangene, die "Zusammenlegung in interaktionsfähige Gruppen")


Wieso hat man die RAF-Häftlinge nicht mit ein paar harmlosen Betrügern oder Einbrechern in eine Zelle verlegt? Dann wäre der Vorwurf der Isolationshaft nicht haltbar gewesen und ich glaub jetzt mal nicht, dass man jemand Beliebigen in einem Gefängnis binnen Wochen agitativ zum Komplizen machen kann...Dann wär es den Typen auch schwergefallen, Pistolen in Plattenspielern zu schmuggeln oder sich unbemerkt aus den Stromkabeln eine Gegensprechanlage zu bauen...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.11.2008 15:23
#10 RE: "Martyrium" als Waffe Antworten

Zitat von Omni
In Antwort auf:
Die zB etwas forderten, was keinem U-Häftling zusteht, nämlich die Behandlung als Kriegsgefangene, die "Zusammenlegung in interaktionsfähige Gruppen")

Wieso hat man die RAF-Häftlinge nicht mit ein paar harmlosen Betrügern oder Einbrechern in eine Zelle verlegt? Dann wäre der Vorwurf der Isolationshaft nicht haltbar gewesen und ich glaub jetzt mal nicht, dass man jemand Beliebigen in einem Gefängnis binnen Wochen agitativ zum Komplizen machen kann...

Das wäre ausgeschlossen gewesen, lieber Omni, weil dann niemand die Sichereheit der RAF-Häftlinge hätte garantieren können. So sehr sie in gewissen linken Kreisen Sympathie, zumindest Verständnis genossen - die meisten anderen Menschen verabscheuten sie.

Und stellen Sie sich vor, jemand von diesen anderen Häftlingen wäre auf einen der RAF-Gefangenen losgegangen - was das für ein Propagandaerfolg für die RAF gewesen wäre!
Zitat von Omni
Dann wär es den Typen auch schwergefallen, Pistolen in Plattenspielern zu schmuggeln oder sich unbemerkt aus den Stromkabeln eine Gegensprechanlage zu bauen...

Daß sie alle diese Vergünstigungen in Stammheim hatten - tagsüber waren die Zellentüren geöffnet, sie konnten einander beliebig besuchen, hatten hunderte von Büchern, hatten x Zeitungen abonniert usw. -, war ein großer Erfolg ihrer Strategie, "Isolationsfolter!" zu schreien. Aber von diesen Haftbedingungen in Stammheim ahnte ja niemand etwas. Auch ich dachte damals, sie seien isoliert.

Sie hatten es mit ihrer Propaganda fertiggebracht, die Justiz derart zu verunsichern, daß offenbar kein Vollzugsbeamter sich traute, auch nur in den Zellen aufzuräumen. Dort sah es aus wie bei der Bohème, und deshalb konnten sie ja auch diese Verstecke anlegen, das Kommunikationsnetz aufbauen usw.

Die Pistolen hatte einer der Anwälte, die mit den Gefangenen konspirierten - Nerwala, wenn ich mich recht erinnere, oder Haag -, ja in eine ausgehöhlte Akte eingebaut und so eingeschmuggelt. Das wurde nicht bemerkt, weil durch die Propaganda in der Öffentlichkeit die Sicherheitsbeamten nur das Nötigste taten; auch ihre Maßnahmen gegen solche "Verteidiger" wurden ja sofort als faschistisch usw. gebrandmarkt.

Ich habe, lieber Omni, noch eine ganze Abteilung in meiner Bibliothek mit Schriften aus dieser Zeit. Sie stehen nur jetzt ganz oben im Regal, dort, wo ich nur über das Treppchen hinkomme, und auch dann nur mit ausgestrecktem Arm.

Mal sehen, vielleicht hole ich gelegentlich mal die eine oder andere Schrift von Sympathisanten hervor und zitiere daraus.

Wer das nicht miterlebt hat, der kann sich nicht vorstellen, was für ein immenser öffentlicher Druck damals von den Sympathisanten aufgebaut wurde. Bis hinein in die linksliberale Presse - "Spiegel", "Zeit", "Frankfurter Rundschau".

Man sah nicht, daß diese Leute den Staat vorzuführen versuchten, sondern man glaubte sie gegen einen angeblich faschistoiden Staat schützen zu müssen.

Herzlich, Zettel


PS: Anfangs hatte es wirklich Fälle von Isolation gegeben. Ulrike Meinhof im "Toten Trakt" in, wenn ich mich recht erinnere, Ossenheim. Das war eine im Grunde hilflose Aktion der Behörden, die mit dem Umgang mit solchen renitenten, von Sympatisanten und mit ihnen konspirierenden Rechtsanwälten unterstützten Häftlingen keine Erfahrungen hatten.

Es gab ja bei der RAF auch Pläne, Häftlinge aus den Gefängnissen herauszuholen, etwa beim Hofgang. Das war so weit gediehen, daß man für einen Erkundungsflug schon einen Hubschrauber gechartert hatte; angeblich für Filmaufnahmen.

F. Hoffmann Offline



Beiträge: 34

25.11.2008 19:28
#11 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten

Nun ja.
Wenn man ein wenig im Internet nach "Bewährung" schaut, stößt man Pi mal Daumen auf folgenden Sachverhalt.
Bei Bewährungsstrafen bis zu 2 Jahren:
(hier gesehen http://www.spormann.de/pflicht.htm)
"Bei einer 12 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe (also 13 - 24 Monate) hingegen setzt eine Strafaussetzung zur Bewährung zusätzlich voraus, dass nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter besondere Umstände vorliegen, die eine Strafaussetzung rechtfertigen.
Dabei wird es zum Beispiel neben der positiven Sozialprognose auf das Bemühen Verurteilter ankommen, den von ihnen angerichteten Schaden wieder gutzumachen."
Bei der Aussetzung einer Reststrafe bei "Lebenslänglich" zur Bewährung soll das dann keine Rolle spielen?
Hmmm.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.11.2008 21:17
#12 RE: Marginalie: Ziele der RAF Antworten
Zitat von F. Hoffmann
"Bei einer 12 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe (also 13 - 24 Monate) hingegen setzt eine Strafaussetzung zur Bewährung zusätzlich voraus, dass nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter besondere Umstände vorliegen, die eine Strafaussetzung rechtfertigen. Dabei wird es zum Beispiel neben der positiven Sozialprognose auf das Bemühen Verurteilter ankommen, den von ihnen angerichteten Schaden wieder gutzumachen."

Bei der Aussetzung einer Reststrafe bei "Lebenslänglich" zur Bewährung soll das dann keine Rolle spielen?

Das ist, lieber F. Hoffmann, ein anderer Fall, soweit ich sehe.

In der zitierten Passage geht es um die Verhängung einer Bewährungsstrafe, also darum, ob jemand in Haft muß oder seine Strafe gar nicht verbüßen muß, wenn er sich nicht noch einmal etwas zuschulden kommen läßt. Deshalb die Grenze von 24 Monaten, denn nur bis zu dieser Grenze ist das möglich. Hierfür sind "besondere Umstände" erforderlich; es ist also der Ausnahmefall.

Bei Klar geht es aber um die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung. Sie wird bei Lebenslänglichen grundsätzlich gewährt. Ich glaube mich zu erinnern, daß es dazu sogar ein höchstrichterliches Urteil gibt: Grundsätzlich gehört es zur Achtung der Menschenwürde, daß ein Mensch die Hoffnung haben darf, wieder in Freiheit gesetzt zu werden. So ungefähr.

Die Aussetzung ist also der Regelfall. Das Gericht mußte nicht prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine Strafaussetzung rechtfertigen, sondern umgekehrt, ob besondere Umstände (nämlich die Gefahr eines Rückfalls) vorliegen, die gegen sie sprechen. Das hat es verneint.

Herzlich, Zettel
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