Zitat von ZettelTrotzdem greifen "Hörbücher" um sich. Ich habe das eine oder andere Mal versucht, so etwas anzuhören. Es ging nicht.
Sie sprechen mir (wie so häufig) aus der Seele . Ähnlich sind Podcasts, vorgelesene Blogeinträge oder Diskussionen. Ich könnte mir nicht vorstellen, mir so etwas anzutun. Und eingebettete Videoclips schaue ich mir fast nie an. Beruhigend, dass ich mit meinen Eigenheiten nicht ganz allein auf der Welt bin.
-- El reaccionario, hoy, es meramente un pasajero que naufraga con dignidad. - Nicolás Gómez Dávila
Ein Artikel der in 3 Teile geteilt wird, bringt, wenn er komplett gelesen wird, 3 Klicks und nicht einen. Die Werbekunden zahlen u.A. nach Klicks auf einer Webseite, weil das als Qualitaetsmerkmal gilt. Die Zeitungen erhoehen die Zahl der Klicks bei gleicher Besucherzahl, in dem sie die Artikel stueckeln.
(Aus selbigen GRund gibt es im Fruehjahr immer Sendungen im Radio, bei denen man ueber Tage hinweg etwas gewinnen kann, wenn man immer diesen Sender hoert - Nach dem Motto 'Wir rufen bei ihnen an und wenn sie uns gerade hoeren, Gewinnen sie etwas" - Soll in der Zeit, in der die Hoererzahlen gemessen werden, diese hochpushen. Um dann die Werbebloecke besser verkaufen zu koennen. )
Zitat von GorgasalBeruhigend, dass ich mit meinen Eigenheiten nicht ganz allein auf der Welt bin.
Ich dachte, lieber Gorgasal, vor meinen ersten Erfahrungen im Web auch, daß ich mit meiner Weltsicht ein Unikum bin - kein Linker, aber auch kein Rechter, ein Freund Israels und der USA, und trotzdem ein deutscher Patriot, für die Freiheit der Andersdenkenden (zB "Pro Köln") eintretend, und deshalb trotzdem nicht mit den Rechtsextremen sympathisierend.
"Später traf ich auf der Weide außer mir noch andere Kälber; Seitdem schätz´ ich sozusagen erst mich selber".
Das hat sich für mich eigentlich erst in diesem Forum herausgestellt.
Lieber Zettel, haben Sie noch immer keinen DSL-Internetzugang?
Youtube: Natürlich muss man sich dort nicht alles antun, aber an bewegte Bilder von Waffentests des südkoreanischen Lufwaffe kam man bis vor kurzen überhaupt nicht ran.
Hörbücher: Englischsprachige Hörbücher höre ich mir manchmal im Zug an, wenn ich meine Mitreisenden nicht sehen möchte. Mit Hörbüchern kann man dann relativ stressfrei zugfahren. Sollte allerdings der Hintergrundgeräuschpegel zu hoch sein, hilft nur noch laute Musik im MP3 Player.
Lieber Zettel, das ist mal so ein richtig schöner konservativer Beitrag ;-) Dem ich auch fast komplett zustimmen kann.
Nur fast, weil natürlich in manchen Situationen durchaus auch gilt, daß ein Bild mehr sagt als tausend Worte. Und Gesprochenes mehr transportieren kann als ein Text nur auf Papier. Und ein gutes Youtube-Video (die gibt es manchmal, man muß nur suchen) kann mehr bringen als ein dickes Buch.
Die jeweils richtige Wahl der besten Kommunikationsart ist die Kunst, jede hat ihre Vor- und Nachteile - und die SZ hat bei dieser Kunst eben völlig versagt.
Eines der genialsten Beispiele für sinnvoll angewandte "Multimedia"-Präsentation findet sich hier: http://www.gapminder.org/
Da muß ich heftig widersprechen. Ein Podcast ist ja letztlich nichts anderes als eine Radiosendung, deren Zeitpunkt man selber wählen kann. Und da gibt es eine Reihe von sehr gut gemachten, die zu hören sich sehr lohnt. Weil sie eben speziell für das Medium produziert wurden - und nicht wie bei Hörbüchern nur vorgelesene Texte sind.
Wobei die Masse der guten Podcasts englisch-sprachig ist - das liegt halt an der deutschen akademischen Tradition, sich möglichst nicht allgemeinverständlich auszudrücken.
Ich möchte jedenfalls nicht mehr darauf verzichten, morgens und abends beim Pendeln je eine halbe Stunde Podcasts zu hören (und notfalls auch länger, der Stau verliert so einen Teil seines Schreckens).
Alleine was ich schon bei Econtalk gelernt habe - aktuelles und gut verständliches Ökonomie-Fachwissen vom Feinsten. http://www.econtalk.org/
Lieber Zettel, Ihre Einschätzung, was Hörbücher angeht, mag ich leider nicht teilen. Das Vorlesen kann eine Kunst sein, wird allerdings nur von wenigen beherrscht. Auch finde ich, dass man sich noch besser auf den Text konzentriert, da man alle Ablenkungen wegblenden kann. Das Zeitargument ist da für mich nicht so wichtig. Grüsse vom Nordlicht
Zitat von NordlichtDas Vorlesen kann eine Kunst sein, wird allerdings nur von wenigen beherrscht.
Richtig.
Und da fällt mir auf, daß ich unserem geschätztem Gastgeber in einem weiteren Punkt widersprechen muß:
Zitat von ZettelDie Autoren haben ihre Texte halt für die doppelte Geschwindigkeit der Verarbeitung, des Verstehens, geschrieben.
Erstens ist das historisch unkorrekt: Das "stille" Lesen von Texten ist eine vergleichsweise späte Entwicklung (des 19. Jahrhunderts). Eigentlich war es bis dahin üblich, sich selber die Texte laut vorzulesen - mit der entsprechenden Geschwindigkeit.
Und zweitens möchte ich doch sehr bezweifeln, daß irgendein Autor (selbst wir hier im Forum) einen Text verfaßt, und dabei Gedanken auf die Rezeptions-Art oder -Geschwindigkeit verschwendet.
ich bin ein Lesender wie Sie. Trotzdem sehe ich ein, daß es durchaus Anwendungen für die Hörbücher gibt.
Nehmen wir ein bekanntes Beispiel
Harry Potter gelesen von Rufus Beck. Besser als die Filme
oder
Ich bin dann mal weg von Hape Kerpeling
Seitdem ich sein Hörbuch höre, lese ich auch das Buch mit seiner Stimme. Es gäbe noch andere Beispiele.
Es gibt Sprecher, die jagen einen die Wände hoch. Oder erleichtern nur das Einschlafen. Eine durchaus häufige Anwendungen von Hörbüchern, z.B. bei meiner Frau.
Ich mißbillige ihren Hang zum Hörbuch. Aber ich kann nicht leugnen, daß manche Hörbücher mich zu fesseln verstehen. Dann merke ich mir einen Namen. Viele sind es noch nicht, aber die ich mir merke sind exzellent.
Wissen Sie, was ich in der Uni bei manchen Vorlesungen gelitten habe. Die beste hielt Schulz, akademischer Rat ohne Dr., denn machte er als Pensionär, eine der schlechtesten Vorlesungen hielt der damals junge heutige Präsident meiner Alma Mater.
Es ist eine wahre Kunst, Menschen durch das Vorlesen eines Textes, eines Romans zum Beispiel, gegen ihren Willen, das ist bei mir der Fall, zu fesseln. Hoffentlich ist es eine Kunst, die wiederkommt. Sie unterschätzen angesichts der vielen schlechten Beispiele diese Kunst
In Antwort auf:Warum hat die Menschheit in ihrer Evolution die Sprache erfunden?
Ganz einfach. Weil das Sprechen/Schreiben schneller geht als mal geschwindt ein Bild zu malen.
In Antwort auf:Weil ein Satz mehr sagt als tausend Bilder. Bilder deuten an, Sprache sagt aus. Bilder sind vage, unbestimmt, irrational.
Bilder können mehr sagen als tausend Worte (so ja auch das Sprichtwort), aber sie sind auch mehrdeutig oder vage.
Irrational? ... Was soll denn das heißen?
In Antwort auf:Die Wahl von Vornamen gehört zu denjenigen sozialen Phänomenen, die zeigen, wie gesetzmäßig, wie jedenfalls streng kausal determiniert es auch in der menschlichen Gesellschaft zugeht.
Wenn's drauf ankommt, pfeifen leider auch Liberale auf die Freiheit. Und verfallen in kulturpessimistische Reden - obwohl Sankt Popper doch sowas verboten hat.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
Zitat von DagnyEin Artikel der in 3 Teile geteilt wird, bringt, wenn er komplett gelesen wird, 3 Klicks und nicht einen.
Stimmt. Und wenn man dann jedesmal noch das bereitsgesagte wiederholt werden sogar sechs draus.
Soll ja ab und zu auch auf gewissenen, nicht allzu fern liegenden Blogs vorkommen.
Gruß, str1977
Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon. Aber beide sind aus Stein gemacht.
Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.
Liberalismus ist die Ideologie, die, wenn etwas zu verderben droht, nicht nur nichts unternimmt, sondern auch anderen von Gegenmaßnahmen abrät, um anschließend das verfaulte Resultat zum Ideal zu erklären.
zwei Anmerkungen meinerseits dazu. Ich selbst schätze die Hörbücher gelegentlich, um sie bei der Arbeit nebenbei hören zu können. Wenn ich häufig viele Stunden im Laserlabor verbringe, ist es sehr angenehm, ein gutes Hörbuch vorgelesen zu bekommen. Gerd Westphal oder Will Quadflieg sind sehr angenehme Vorleser. Zweitens sollte man nicht außer acht lassen, dass es sich vielleicht nicht nur um ein Phänomen der Illiteralität handelt, sondern auch um ein soziales. Ton, Bilder oder ein Video gemeinsam anzuhören/anzuschauen, ist viel kommunikativer als ein Buch zu lesen.
Ich möchte diese ihre Aussage unterstreichen, lieber R.A. Auch ich finde, dass das "Youtube"-Konzept nicht nur negativ als Plattform für Selbstdarsteller abgetan werden sollte. Es finden sich immer wieder sehr sehenswerte Videos, seien sie nachdenklich stimmend, belustigend, entlarvend (verzeihen Sie, lieber dirk ) oder anregend in welcher Form auch immer.
ich liebe Meckerecken. Mal so richtig darauf loszumeckern, wenn einem was über die Leber läuft (was Einem? Deutsch ist eine schwere Sprache, kaum hat man sie gelernt, wird sie auch schon wieder reformiert!), und wenn's nur ein paar lästige Bilder sind! So ganz ernst (Ernst? Franz?) muß aber nicht alles gewesen sein, was man sich da von der Seele meckert, nicht wahr? So bin ich überzeugt, dass du dem gesprochenen oder vorgelesenen Wort bzw. der Bildersprache nicht immer so negativ gegenüberstehst wie du das heute dargelegt hast. Sogar Arno Schmidt, der alte BuchstabenHexer, soll sich gelegentlich von seinen Karteikärtchen wegbegeben (warum wohl hat er seine Szenen bildnerisch/bildlich mithilfe der Kartenlegerei aufgebaut?) und Texte akustisch vorgetragen haben!
Das Spielchen mit dem Anklicken, das die SZ sich erlaubt, ist einfach nur widerwärtig. Ich denke, das spielen die wenigsten Leser bis zum Ende durch, auch die mit schnelleren Anschlüssen nicht. Leider sind mehr und mehr (auch große amerikanische Tageszeitungen!) Medien gezwungen, für ihre Internetauftritte, die ja meist eigenständige Redaktionen unterhalten, nach neuen Zubrotmöglichkeiten zu suchen.
Ich höre Nachrichten am liebsten via Radio. Mag sein, dass diese Vorliebe den ausgezeichneten amerikanischen Nachrichtensendungen zu verdanken ist, via Bildschirm sind sie mir zu langsam und zu wenig konzentriert, ausgenommen die PBS NewsHour mit Jim Lehrer Newshour (http://www.pbs.org/newshour/). Auf Hörbücher greife ich auf langen Autofahrten gerne zurück, sonst habe ich weder Zeit noch Verlangen danach. Gelegentlich habe ich mir das eine oder andere Hörspiel, zufällig beim Autofahren im Radio aufgegabelt, mit Vergnügen angehört.
Irgendwie bringst du mich aber doch zum Wanken! Am Ende hast du Recht, und F. K. Waechter hat klammheimlich das Zeitalter der Literalität ausgeläutet. Potzblitz, man hätt' es ahnen sollen!
Mit lieben Emoticon-Bildchen verseuchten Grüßen, R.r
@ Libero: "Harry Potter gelesen von Rufus Beck"
Begeisterte Zustimmung! Die Übersetzung der ersten drei Bücher fand ich ausgezeichnet, vorgelesen von Rufus Beck ein wahrer Ohrenschmaus. Hatte die Kassetten gekauft, um unseren Kindern Deutsch aufzudrängen, wenn sie im Auto zuhören mußten, am Ende waren große und kleine Zuhörer begeistert.
Rufus Beck ist in diesen Hörbüchern der reinste Verwandlungskünstler. Das ist einfach unglaublich, selbst wenn man das Phänomen Harry Potter mit Zurückhaltung wahrnimmt. Ich glaube, daß auch geschriebene Sprache nicht nur gelesen, sondern gerade auch gesprochen werden muss. Vorlesen ist nicht nur bei Märchen wichtig. Früher hätte man mich mit vorlesen und rezitieren jagen können, heute freue ich mich, wenn ich Gelegenheit dazu habe.
Sicherlich gibt es viele schlechte Hörbücher. Das ist bedauerlich, wenn die Buchvorlage gut ist, aber wieviele langweilige Bücher wurden gedruckt?
Wieviele öde Leinwände ruhen zu Recht in den Studiengallerien? Wieviele mittelmäßige klassische Musik wird nicht gespielt? Wieviele nichtssagende Häuser werden um uns gebaut?
Das ist eigentlich das Erstaunliche. Eine Gesellschaft, die nach Freiheit strebt, verewigt sich in langweiliger Architektur. Mir graut davor, daß diese Beleidigungen des Auges mal unter Denkmalschutz stehen werden.
Vorher war ich ja ähnlich mißtrauisch gegenüber Youtube wie Zettel. Bis mir mein Sohn (12 Jahre, heißt auch Philipp ;-) diesen Clip zeigte. Der ist in seiner Altersgruppe absoluter Kult, die Kernpassagen sind inzwischen normaler Sprachgebrauch der Jungs. Das hat mich optimistisch gemacht, daß die Indoktrinationsversuche gewisser Lehrer ziemlich ins Leere laufen werden ...
Und seitdem habe ich ab und an weitere Perlen bei Youtube gefunden. Man muß halt suchen (bzw. Empfehlungen bekommen), das Meiste ist schon wenig wert.
Zitat von R.A.Nur fast, weil natürlich in manchen Situationen durchaus auch gilt, daß ein Bild mehr sagt als tausend Worte.
Ja, das stimmt. Und es ist interessant, sich zu überlegen, wann denn. Mir scheint, lieber R.A.,
1. Wenn es darum geht, räumliche Verhältnisse darzulegen. Den Grundriß eines Hauses erfaßt man mit einer Skizze sofort. Ihn zu beschreiben ist mühsam und oft erfolglos.
2. Wenn es sich um funktionelle Beziehungen handelt, die man in einem Diagramm darstellen kann. Blockschaltbilder, Flußdiagramme, dergleichen.
3. Wenn es auf viele Einzelheiten ankommt. Ein Foto von all den Geschenken unter dem Weihnachtsbaum ist schneller erfaßt als deren Beschreibung
4. Wenn eine emotionale Reaktion ausgelöst werden soll. Das Foto von dem herzigen Baby, das die Auswanderer der Oma in der Heimat schicken, kann natürlich nicht durch dessen Beschreibung ersetzt werden.
5. Wenn es darum geht, eine emotionale Reaktion zu beurteilen. Mein Bild von Barack Obama ist zum Beispiel nicht durch das geprägt worden, was er gesagt hat, sonder wie er es gesagt hat - wie er diese Weihestimmung erzeugt hat, in der er als Erlöser auftreten konnte.
Wahrscheinlich ist die Liste nicht vollständig, aber das ist es, was mir einfällt. In fast allen anderen Fällen ist die sprachliche Kommunikation vorzuziehen, weil sie
1. eindeutiger ist,
2. die Struktur von Sachverhalten beinhaltet und nicht nur das Aussehen von etwas
3. zeitliche Abläufe, vor allem auch zeitliche Strukturen besser darstellen kann als ein Bild, auch als ein Film.
die vielen Videoclips und Bilderserien auf Nachrichten-Webseiten sind nicht zum Zweck der Information da. Der typische Nutzer klickt Sie nicht an, weil er über die 20 häufigsten Vornamen informiert werden möchte, sondern weil er seine Zeit vertreiben will.
Zitat von LiberoSicherlich gibt es viele schlechte Hörbücher. Das ist bedauerlich, wenn die Buchvorlage gut ist, aber wieviele langweilige Bücher wurden gedruckt?
Meine Schwierigkeit ist, lieber Libero, eine andere. (Ich habe allerdings noch nie ein Hörbuch wirklich angehört, aber oft Lesungen im Radio, weil meine Frau sie mag).
Beim Lesen bestimme ich das Tempo. Ich kann schnell lesen, wenn der Text es erlaubt. Ich kann stehenbleiben und etwas überlegen. Ich kann zurückgehen. Ich bin als Leser aktiv. Lesen ist eine Handlung, ja auch in einem ganz äußerlichen Sinn, denn man führt Blickbewegungen aus. Wenn ich lese, dann eigne ich mir den Text an.
Wenn ich höre, nicht. Ich muß dem Tempo des Vortragenden folgen. Mal langweilt mich das. Dann wieder würde ich gern über eine Textstelle nachdenken, aber der Vortrag geht ja weiter. (Gut, beim Hörbuch kann man auf "Pause" drücken, aber das entspricht nicht dem Wesen eines Vortrags).
Ebenso zwingt mir der Vortragende eine bestimmte Interpretation auf; gerade dann, wenn er ein guter Vortragender ist. Ich möchte aber den Text selbst interpretieren.
Kurz, lieber Libero, ich finde, hier gehen die Genres durcheinander. Ein Drama verlangt die Interpretation, die Bühne. Ein Roman, ein Essay verlangt den aktiven Leser.
Bei der Lyrik mag ein Grenzfall vorliegen.
Und dann kann es natürlich reizvoll sein, einen Autor "lesen" zu hören. Wegen des Authentischen.
In Antwort auf:Wenn ich höre, nicht. Ich muß dem Tempo des Vortragenden folgen.
Manchmal fordern Sie viel Nachsicht ab. Das ist ein solcher Moment. Erinnere ich mich falsch oder gehören Sie nicht den Lehrenden an? Was hätten Sie zu einem Studenten gesagt, der Ihnen diese Argumentation präsentiert und dann vielleicht noch hinzufügt, Sie halten ihn beim Nachdenken nur auf.
Wie gut und schnell ich lese und lerne, hängt auch davon ab, wie gut es präsentiert ist. Die Wenigsten sind solche Könner, das Chemie hineingeht wie mit Schaufel, wie ein russischer Student damals über den späteren Nobelpreisträger sagte.
Ich habe mich zurückgehalten, in meine Bewertung das während der Ausbildung Gehörte so richtig voll und ganz einzubeziehen. Ich hatte einige gute Vortragende, vor allem den akademischen Rat Schulze. Schulze lehrte im vollen Audimax und 800 Studenten hingen an seinen Lippen, um bloß nichts zu verpassen. Mathematik I bis IV! Er war der erste Lehrende, den ich kennenlernte, der Chemiker Riedel war auch so ein Kaliber, sein Lehrsaal auch gerammelt voll. Ich war naiv genug zu glauben, ich würde nur auf solche Kaliber treffen. Das war leider nicht der Fall. Den jetzigen Präsidenten der TUB, auch ein Mathematiker, den ich noch als junger Professor hörte, konnten Sie vergessen. Jeder 8.te war sehr gut bis großartig, jeder 4.te noch gut. Der Rest hatte kein Entgelt für seine Lehrveranstaltung verdient und ist unter dem gnädigen Mantel der Geschichte geflüchtet. Bei Lehrbüchern finden Sie Ähnliches.
Von dem Gehörten im Beruf und der Manie der Präsentation will ich gar nicht rede. Bei den Schlechten schlaf ich ein, bei den Guten denke ich immer, in der Zeit hätte ich eine Zusammenfassung gelesen, die mehr Informationen geboten hätte. Ich bin informationshungrig und fühle mich durch Redner oft nur gestört. Wenn ich, der ein fanatischer Leser ist, für den Lesen regelrecht NAHRUNG ist, schreibe, es gibt auch gute Hörbücher, die ich mit Genuß und Belehrung gehört habe, gute Hörbucher haben einen Sinn, nicht nur bei der Unterhaltung, sondern auch beim Lernen und Erkennen, gibt Ihnen das nicht zu denken? Nicht ein bißchen?
Es gibt verschiedene Wege zum Bildungserlebnis der Menschen. Der Weg ist durch ein mächtiges Tor versperrt. Im Schloss steckt bereits ein Schlüssel. Den Schlüssel müssen Sie bewegen, nicht den Schlüssel, der Ihr Schloss öffnete. Viele Eltern und Lehrende, auch ich, machen den Fehler, ihren Schlüssel zu nehmen und nur ihren Schlüssel für den einzig richtig Schlüssel gehalten. Als wenn das ein Naturgesetz wäre. Den Fehler habe ich einmal gemacht, aber ich bin ja lernfähig, gerade bei Fehlern. Heute sehe ich mir an, welcher Schlüssel bei einem Heranwachsenden im Schloß steckt und versuche ihn zu öffnen. Gelingt sogar, obwohl das absolut nicht mein Schlüssel ist und naturgemäß die Menschen nicht fanatische Leser sind und werden. Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Um es auf den Punkt zu bringen. Ich lese lieber, meine Wahlsöhne liegen unter dem Auto und schrauben. Oder einer anderen Maschine.
Aber ich wurde auf andere Art belohnt. Seitdem laufe ich nicht mehr Gefahr, zu glauben, daß Menschen, die mit einem anderen Schlüssel herumlaufen, weniger leisten können als Menschen, die mit meinem Schlüssel ausgestattet sind. Auch nicht in den Wissensgebieten, wo ich leiste.
Zitat von ZettelBeim Lesen bestimme ich das Tempo.
Ein ganz wichtiger Punkt. Ein Grund, warum ich schon mein Studium fast komplett mit Bücherlektüre bestritten habe, und nur minimal Vorlesungen besuchte.
Und ich würde es auch nicht fertig bringen, Hörbücher oder Podcasts still auf dem Sofa sitzend zu konsumieren - wie ich das mit Büchern mache. Ich mache das halt beim Autofahren oder ähnlichen Tätigkeiten, bei denen man im Prinzip beschäftigt ist.
Aber ansonsten gebe ich Libero recht: Wenn ein Vortrag richtig gut ist, dann kann und sollte man sich auch darauf einlassen, incl. des Tempos.
In Antwort auf:Ebenso zwingt mir der Vortragende eine bestimmte Interpretation auf
Er bietet eine an, von "aufzwingen" würde ich da nicht sprechen. Und wenn die gut ist, sollte man sie ruhig gönnen. Denn eine gute Interpretation, auch wenn man ihr nicht in allen Punkten zustimmt, kann sehr viel für das Verständnis eines Textes bringen.
In Antwort auf:Ein Roman, ein Essay verlangt den aktiven Leser.
Ich sehe da keine Zwangsläufigkeit. Ich habe ja schon darauf verwiesen, daß früher das stille Lesen überhaupt nicht üblich war - da hat man sich selber vorgelesen oder hat sich von anderen vorlesen lassen. Die berühmten Literaturzirkel des 19. Jahrhunderts lebten von solchen Vorträgen.
In Antwort auf:Wenn ich höre, nicht. Ich muß dem Tempo des Vortragenden folgen.
Manchmal fordern Sie viel Nachsicht ab. Das ist ein solcher Moment. Erinnere ich mich falsch oder gehören Sie nicht den Lehrenden an? Was hätten Sie zu einem Studenten gesagt, der Ihnen diese Argumentation präsentiert und dann vielleicht noch hinzufügt, Sie halten ihn beim Nachdenken nur auf.
Ich hätte ihm, lieber Libero, gesagt, daß ich mir Mühe geben werde, bessere Vorlesungen zu halten.
In der 68er Zeit wurde das gern "hinterfragt" - wozu überhaupt Vorlesungen? Man kann sich das Wissen doch ebensogut, nein besser, aus Lehrbüchern aneignen. Vorlesungen sahen viele dieser "kritischer" Studenten nur als so etwas wie eine Machtzeremonie. Der allmächtige Professor zwingt die Studenten dazu, sein Gelaber anzuhören, wenn sie die Prüfung bestehen wollen.
Ganz falsch war und ist das nicht. Es soll Professoren geben, die einmal ein Buch geschrieben haben und nun ihre Vorlesungen damit füllen, daraus vorzulesen. Viele tun in der Tat nicht viel anderes, als das Wissen aus Lehrbüchern wiederzukäuen.
Man kann aber auch gute Vorlesungen halten. Wie?
Erstens muß man frei sprechen. Allenfalls anhand von Stichworten. Wer seinen Stoff wirklich beherrscht, braucht auch diese nicht. Man hat eine Gliederung im Kopf, man hat seine Folien oder Powerpoint, und dann entwickelt sich die Vorlesung.
Zweitens entwickelt sie sich interaktiv. Vorlesungen, in denen keine Fragen erlaubt, nein erwünscht sind, können kaum gute Vorlesungen sein. Erst in der Interaktion wird die Vorlesung lebendig. Man geht beim Antworten Seitenwege, stellt neue Bezüge her, illustriert mit Beispielen.
Drittens muß eine Vorlesung in ihrem Inhalt sozusagen quer zu den Lehrbüchern stehen. Andere Gesichtspunkte vermitteln - zum Beispiel den forschungsgeschichtlichen Zusammenhang, aus dem heraus ein Ergebnis entstanden ist. Querverbindungen herstellen zwischen Bereichen, die in den Lehrbüchern getrennt dargestellt werden. Probleme von Theorien, die in den Lehrbüchern nur referiert werden; Alternativen zu ihnen herausarbeiten.
Kurzum, Lehrbücher stellen die Ergebnisse der Forschung dar, Vorlesungen machen die Hörer damit vertraut, wie Forschung funktioniert. Lehrbücher vermitteln Fakten, Vorlesungen wecken Einsichten. Vorlesungen liefern ein Gerüst, die Lehrbücher den Rest des Gebäudes. Vorlesungen zeigen den Lehrenden als einen, der auch forscht, der das Gebiet beherrscht und überblickt, der auch seine persönliche wissenschaftliche Meinung hat. Als Autor eines Lehrbuchs muß man das alles in den Hintergrund treten lassen.
Natürlich geht das nicht in allen Bereichen. In einer Statistik-Vorlesung können solche Gesichtspunkte nur am Rand eine Rolle spielen. Aber auch da geht es darum, Verständnis zu wecken. Die Rechenverfahren kann man den Lehrbüchern entnehmen. In den Vorlesungen sollten die Studenten die Logik eines Verfahrens verstehen, seine Voraussetzungen, seine Grenzen.
Viertens ist die Vorlesung den Lehrbüchern überlegen, wenn es darum geht, Darstellungsformate zu verknüpfen. Eine Abbildung erläutern - das ist in einem Lehrbuch immer ein großes Problem. Für den Vortragenden, der mit Stock oder Pointer agiert, ist es weitaus leichter. Man kann ein komplexes Diagramm schrittweise entstehen lassen. Früher habe ich Folie auf Folie gelegt; mit Powerpoint ist das heute ein Kinderspiel. Man kann mal diesen, mal jenen Zusammenhang hervorheben.
Das funktioniert alles gut, wenn man a bisserl Zeit in Vorlesungen investiert, lieber Libero.
Nur ist das, karrieremäßig betrachtet, für einen deutschen Professor schlecht investierte Zeit. Er bekommt nichts dafür, gute Lehre anzubieten, außer daß die Studenten ihn schätzen.
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