Dieser Artikel hätte auch in die Serie "Überlegungen zur Freiheit" gepaßt. Aber da mir nach einer etwas deftigeren Sprache zumute war, ist eine Meckerecke daraus geworden.
Es ist schon beeindruckend, mit welcher Verve das, was unter Rotgrün in Gang gesetzt wurde, auch unter der Großen Koalition weitergeht: Die Ausdehnung der Staatsmacht nicht in dem herkömmlichen Sinn, daß die Macht von Polizei und Sicherheitsdiensten ausgeweitet wird. Das trifft kaum einen gesetzestreuen Bürger. Es ist Peanuts im Vergleich zu dem, was im Verantwortungsbereich nicht des Innen-, sondern zum Beispiel des Gesundheitsministeriums an Gängelung, an Ausweitung der Staatsmacht stattfindet und geplant ist.
Viele Liberale starren immer noch - wie das Kaninchen auf die Schlange - auf das Ressort des Innenministers Schäuble. Sie sehen die Bedrohung unserer Freiheit dort, wo es um deren Schutz geht.
Und viele vernachlässigen die eigentliche Gefahr, die darin besteht, daß die Vernichtung von Freiheit als der fürsorgliche Schutz ausgegeben wird, den der Staat seinen dummen, hilflosen Bürgern gewährt. Vor anderen, vor allem aber vor sich selbst.
Wieder einmal ein großartiger Tagebucheintrag, dem man anmerkst, dass es Ihnen dieses Mal bei dessen Abfassung nicht ganz leicht gefallen ist, Ihre sonstige und von mir sehr bewunderte contenance und (selbst)ironische Distanz aufrecht zu erhalten. Dass Sabine Bätzing zu den im Alltag häufig ausgesprochen nervenden Leuten mit fest eingebautem Erziehungsauftrag gehört, ist übrigens mit besonders schöner Deutlichkeit dem unter der URL http://www.epd.de/sozial/sozial_index_59752.html nachzulesenden Interview mit dem Evangelischen Pressedienst zu entnehmen ("Auch Eltern, die ganz normal Alkohol konsumieren, wollen wir daran erinnern: Ihr seid Vorbilder! Kinder orientieren sich an Vorbildern, ob das die Eltern sind, Lehrer oder Jugendbetreuer in einem Verein. Wir Erwachsenen sollten uns diese Vorbildfunktion öfter bewusst machen. Das gilt besonders für die Weihnachtsfeiertage, wenn die Familie zusammen ist"). Merkwürdigerweise spricht sie zu Beginn des Interviews vom "Verzicht" auf alkoholhaltige Getränke, obgleich sie doch ohne Gans und Wein "gut über die Runden" kommt. Ob sie mit ihrer Vorliebe für "Vanilleeis mit heißen Kirschen" ein geeigneteres Vorbild ist, da Speiseeis im Grunde nichts als gefrorenes Fett ist, dessen Genuss bekanntlich zu übergewichten Untertanen führt, die den fürsorglichen Staat ebenfalls mit großer Sorge erfüllen?
Dennoch: Nichts gegen eine wissenschaftliche Untersuchung der Enge des Zusammenhangs zwischen Bierpreis und Alkoholismus. Möglicherweise wird sie Überraschendes ergeben. Während meines Pilgerwegs durch Spanien etwa habe ich zu meiner Freude erfahren, dass in den Kneipen dieses sympathischen Landes ein halber Liter Bier im Mittel zwei Euro und vierzig Cent kostet; torkelnde und lallende Jünger des Gambrinus sind mir jedoch trotz dieses erfreulichen Umstands nirgendwo begegnet.
P.S. Handelt es sich eigentlich bei der häufig zu hörenden und (u.a. auch in dem erwähnten Interview) zu lesenden Formulierung "an Weihnachten" um einen "leisen, schleichenden Anglizismus" ("at Christmas") oder ist sie eine mundartliche Besonderheit? Mir jedenfalls ist die Wendung "zu Weihnachten" wesentlich sympathischer.
In Antwort auf:Diese Sucht hat offenbar die kleine Verwaltungsanstellte mit dem Abschluß einer Fachhochschule Sabine Bätzing erfaßt
Das meinte ich mit Ressentiments. Nicht nur das diese Frau Sie versucht zu reglementieren, die Rangniedere erdreistet sich, Sie den Ranghöheren, zu reglementieren. Durchbricht sie damit die gottgewollte Ordnung?
Neigen nur kleine Verwaltungsangestellte zu diesem Verhalten?
Mitnichten
Die Drogenbeauftragte ist eine Missionarin auf dem Kreuzzug. Es gibt nicht wenige Menschen, die so sind und ganz ehrlich, ich kenne sogar Allerhöchste, also Professoren, die auf diesem Lebensweg sind.
Es gibt dafür einige Erklärungen. Es kann daran liegen, daß man beruflich mit Folgen des Drogenkonsums konfrontiert wird und dann rigider denkt und handelt. Ein solches Verhalten finden Sie zum Beispiel bei Polizisten. Ein rigides Kreuzzugsverhalten finden Sie auch bei Menschen, die selbst mit Süchtigen zusammenlebten oder deren Nachkommen sind.
Sehr oft auch bei ehemaligen Süchtigen, ehemaligen Rauchern oder Alkoholikern. Oder ehemaligen Fleischessern und inzwischen überzeugten Vegetariern.
Es scheint ein Webfehler bei Konvertiten zu sein, daß sie erbittert das bekämpfen, was sie früher selbst praktizierten. Als wenn sie sich nicht verzeihen können, das sie fehlten und nicht gleich den einzig richtigen und gottgefälligen Weg zur Gnade erkannten.
Ein solches Verhalten findet man ja auch bei Wanderern zwischen den politischen Lagern, die im Alter ihrer Jugend den roten Irrweg nicht verzeihen. Oder bei Weltlichen, die auf den Irrweg der Bigotten und der eifernden Frömmlers verfielen.
Viele Menschen in diesem Lande haben ein Suchtproblem. Das Leben befriedigt viele Menschen nicht, unabhängig davon, ob sie beruflich erfolgreich und vermögend sind. Sie versuchen, sich mit Ersatzbefriedigungen zu betäuben. Das sind nicht einmal gute Krücken, ihr Wirkung kann man nur mit immer neue "Spritzen" aufrechterhalten.
Nun ist die FDP der Meinung, Aufklärung wäre der sinnvollere Weg.
Soso. Aufklärung. Mächtig gewaltig, ganz Nebel eben. Sachliche Broschüren, in denen die Wirkung von Drogen dargestellt werden. Wie lebensnah, genau daran fehlt es.
Es gibt natürlich Süchtige, die sich selbst vorspielen, sie wären es nicht oder soweit abhängig sind, das die Sucht sie beherrscht, sie längst die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Aber die meisten wissen, daß sie süchtig sind. Da hilft nicht alleine Aufklärung, sondern allenfalls auf den einzelnen Menschen zugeschnittenes Lernen, eigene Suchtgefahren frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Oder das Erkennen, das die gegenwärtige Lebenssituation den Drang zur Ersatzbefriedigung schafft und der manchmal schwere Weg, aus dieser Lebenssituation heraus einen neuen Lebensweg zu beschreiten. Das ist für die meisten Menschen die Hürde, die sie nicht bewältigen. Viele werden süchtig, weil sie dann schweigen, wenn sie reden müßten, aber nicht können. Es ist erschreckend, wie weit verbreitet die Unfähigkeit des Redens im richtigen Moment ist.
Manchmal habe ich den Eindruck, viele Menschen in diesem Land fehlt vor allem das Talent zum Glücklichsein und die Fähigkeit, andere Menschen glücklich zu machen. Leider mangelt es bei vielen nicht an der entgegengesetzt wirkenden Fähigkeit, andere Menschen unglücklich zu machen. Das ist schon eigenartig. Wie oft hört man, das man sich im Urlaub so wohlgefühlt hat, daß man nur ungern zurückflog. Die Menschen in dem fernen fremden Land waren so ganz anders, offen, herzlich und lebensfroh. Erst wieder am Sonntag hörte ich das über Kreta. Dann fahren sie zurück in die Tristesse ihres eigenen Lebens und merken nicht, daß Kreta überall sein kann in Deutschland. Glücklich sein ist ansteckend, Unglücklich sein auch.
Zitat von Friedel B.Dass Sabine Bätzing zu den im Alltag häufig ausgesprochen nervenden Leuten mit fest eingebautem Erziehungsauftrag gehört, ist übrigens mit besonders schöner Deutlichkeit dem unter der URL http://www.epd.de/sozial/sozial_index_59752.html nachzulesenden Interview mit dem Evangelischen Pressedienst zu entnehmen ("Auch Eltern, die ganz normal Alkohol konsumieren, wollen wir daran erinnern: Ihr seid Vorbilder! Kinder orientieren sich an Vorbildern, ob das die Eltern sind, Lehrer oder Jugendbetreuer in einem Verein. Wir Erwachsenen sollten uns diese Vorbildfunktion öfter bewusst machen. Das gilt besonders für die Weihnachtsfeiertage, wenn die Familie zusammen ist").
So etwas sagte früher vielleicht der Pfarrer (wahrscheinlich sagt er es auch heute noch), und man kann es in jedem beliebigen Erziehungs- Ratgeber lesen. Es ist ja auch nicht falsch, und warum sollen diejenigen, deren Amtes es ist oder die uns ihren Rat verkaufen wollen, es nicht immer wieder sagen.
Nur, wie in aller Welt kommen wir Steuerzahler dazu, jemanden dafür zu bezahlen, daß er uns mit solchen Trivialitäten traktiert? Die Administration soll administrieren. Das soll sie gut machen; für mehr bezahlen wir sie nicht. Allenfalls den Bundespräsidenten bezahlen wir auch für schöne Worte.
Zitat von Friedel B.Dennoch: Nichts gegen eine wissenschaftliche Untersuchung der Enge des Zusammenhangs zwischen Bierpreis und Alkoholismus. Möglicherweise wird sie Überraschendes ergeben. Während meines Pilgerwegs durch Spanien etwa habe ich zu meiner Freude erfahren, dass in den Kneipen dieses sympathischen Landes ein halber Liter Bier im Mittel zwei Euro und vierzig Cent kostet; torkelnde und lallende Jünger des Gambrinus sind mir jedoch trotz dieses erfreulichen Umstands nirgendwo begegnet.
Das ist auch meine Meinung. Heroin ist bekanntlich etwas teurer als Alkohol, und das hindert Süchtige nicht, es sich zu leisten. Weil sie eben Süchtige sind.
Dort, wo Wein billig ist - in klassischen Weinländern wie Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien zum Beispiel - , wird er zwar reichlich, aber von den meisten Konsumenten ohne Kontrollverlust genossen. Das jedenfalls ist mein Eindruck (wie auch der Ihre in Bezug auf das Bier in Spanien).
Wenn man das genauer erforschen will (vermutlich ist es allerdings längst erforscht) - warum nicht?
Dann sollen die betreffenden Forscher einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einreichen, oder bei sonst einem Drittmittel- Geber; zweckmäßigerweise im Forschungsverbund mit Kollegen aus anderen EU-Ländern. Die Drogenbeauftragte Bätzing mag sich, wenn sie denn Geld dafür in ihrem Etat hat, an der Finanzierung dieser Forschung beteiligen. Schaun wir mal, was rauskommt.
Zitat von Friedel B.P.S. Handelt es sich eigentlich bei der häufig zu hörenden und (u.a. auch in dem erwähnten Interview) zu lesenden Formulierung "an Weihnachten" um einen "leisen, schleichenden Anglizismus" ("at Christmas") oder ist sie eine mundartliche Besonderheit?
Ich vermute eher das Letzere, lieber Friedel B. Jedenfalls ist mir als Hessen "an Weihnachten" schon aus meiner Kindheit geläufig, als die Anglizismen noch selten waren.
Ich vermute auch einen klitzekleinen Bedeutungsunterschied. "An Weihnachten" schneit es zum Beispiel. "Zu Weihnachten" schenken wir der Oma selbstgehäkelte Topflappen.
Herzlich, Zettel
PS: Wenn Sie mit einem Ihrer schönen, ermutigenderden Beiträge in aller Herrgottsfrühe einen Forumstag eröffnen, dann freut mich das simmer besonders. Frohes Fest!
Ich würde gerne Rauchen aus Ihrer recht beeindruckenden Liste von angeblichen Drogen ausklammern. Rauchen fällt etwas aus der Reihe, weil im Unterschied zu allen anderen genannten Mitteln/Praktiken umstehende Personen in Mitleidenschaft gezogen werden. Mir ist es vollkommen wurst, ob jemand seine Gesundheit gern mit Rauchen (oder irgendetwas anderem) ruiniert, wenn sein freier Wille ihm das so befielt. Ich habe als Nichtraucher allerdings erhebliche Einwände, wenn ich gezwungen werde, die teerhaltige Atemluft von Rauchern zu atmen. Der Fluch der Gasphase sozusagen. ;-) Wenn jemand trinkt, joggt oder Sex hat, werde ich nicht gezwungen mitzumachen und daher sind diese Dinge grundsätzlich anders zu behandeln als Rauchen.
Zitat von LiberoNicht nur das diese Frau Sie versucht zu reglementieren, die Rangniedere erdreistet sich, Sie den Ranghöheren, zu reglementieren. Durchbricht sie damit die gottgewollte Ordnung?
Sie überschreitet ihre Kompetenzen. Erdreisten tut sie sich, uns alle zu reglementieren. Mit Rang hat das nichts zu tun.
Zitat von LiberoDie Drogenbeauftragte ist eine Missionarin auf dem Kreuzzug. (...) Es scheint ein Webfehler bei Konvertiten zu sein, daß sie erbittert das bekämpfen, was sie früher selbst praktizierten.
Das ist wohl so, lieber Libero. Allerdings weiß ich nicht, ob Frau Bätzing eine Konvertitin ist. Sie soll ja auch gern, von mir aus missionarisch, gegen den Drogenkonsum kämpfen. Christa Nickels hat das getan, und offenbar durchaus erfolgreich. Die Zahl der Drogentoten ist seither gesunken, aber immer noch viel zu hoch. Die Beschaffungskriminalität ist immer noch ein großes Problem. Die Drogenmafia ist es.
Darum soll sich Frau Bätzing kümmern; dafür wird sie bezahlt. Wir bezahlen sie nicht dafür, daß sie sich Gedanken über den Preis einer Flasche Wein macht oder Eltern ermahnt, wie sie ihre Kinder erziehen sollen.
Sie ist Drogenbeauftragte. Sie ist nicht Ernährungs- und ist nicht Suchtbeauftragte.
Sie ist nicht damit beauftragt, uns zu erziehen, ob Jugendliche oder Erwachsene. Sie ist beauftragt, den Drogenkonsum einzudämmen.
Drogen sind Cannabis, Heroin, Kokain, Designerdrogen usw. Rauschgifte also. Tabak ist so wenig ein Rauschgift wie Alkohol.
Mit dem Begriff der "legalen Drogen" wurde und wird die Grenze zwischen Rauschgiften und diesen Genußmitteln verwischt. Das sollte ursprünglich ein Entlastungsagriff derer sein, die zB die Legalisierung von Cannabis anstreben. Inzwischen ist es die Grundlage dafür, daß dieses Amt versucht, seine Kompetenzen ins Uferlose auszuweiten.
Wenn man sich die WebSite dieses Amtes anguckt, dann findet man - in dieser Reihenfolge - Tabak, Alkohol, Medikamente genannt und dann erst das, wofür das Amt zuständig ist: Cannabis, Heroin und andere Drogen.
Und dann ist da noch eine Sparte "Glücksspiel". Was nun mit Rauschgift ungefähr so viel zu tun hat wie der Westerwald mit den Rocky Mountains.
Man sieht, wie ein solches Amt Kompetenzen zusammenraubt. Jede Bürokratie hat diese Tendenz. Je mehr Kompetenzen, umso mehr Mitarbeiter, umso mehr Beförderungen in höher Besoldungsstufen.
Es ist Aufgabe des Parlaments, dem entgegenzuwirken. Bei diesem Amt versagt der Bundestag augenscheinlich.
Was Sie dann noch über Glücklich- und Unglücklichsein geschrieben haben, lieber Libero - dem stimme ich zu.
Ergänzung zu Diskus' Beitrag: Es scheint auch nachgewiesen, dass Raucher süchtig werden. Wer vom Rauchen loskommen will, der muss jedenfalls eine Sucht bekämpfen. Insofern kann man die Zigarette als Droge einstufen.
Ich verstehe auch nicht, warum die Gesundheits- und Umweltpolitik nicht als Bedrohung für die Freiheit wahrgenommen wird. Wenn ich etwa mit anderen über das Rauchverbot rede, dann sagen die meisten "Wieso? Was hast Du dagegen, ich finde es gut, dass meine Klamotten nicht mehr nach Rauch stinken."
Ja, das finde ich auch gut, aber darum geht es ja gar nicht. Diejenigen, die sich die sich an der Freiheitseinschränkung stören, kann ich an einer Hand abzählen.
Ich habe den Eindruck, dass die meisten anderen nur denken, was gut ist müsse erlaubt, was schlecht ist müsse verboten werden. Da gibt es überhaupt keinen Zugang eine Argumentation über die Freiheit oder "Grenzen des Staates". Ich weiss auch nicht, wie man ein solches Bewusstsein schaffen könnte, denn bei mir ist die Abneigung gegenüber Freiheitseinschränkungen zugegebenermaßen zunächst emotional ("Wie? Die wollen mir etwas verbieten? Unverschämtheit!").
Als Machtpolitiker kann man das natürlich leicht ausnutzen, in dem man mit Stempeln arbeitet. Erstmal etwas als "unökologisch", "rechts" oder "ungesund" etikettieren und dann kann verboten werden.
Zitat von stefanolixErgänzung zu Diskus' Beitrag: Es scheint auch nachgewiesen, dass Raucher süchtig werden. Wer vom Rauchen loskommen will, der muss jedenfalls eine Sucht bekämpfen. Insofern kann man die Zigarette als Droge einstufen.
Man kann das, lieber Stefanolix, aber man ändert damit den Begriff der Droge.
Er bezeichnet, um es nochmal zu sagen, im weiteren Sinn jedes psychoaktive oder sonstwie auf das Funktionieren des Organismus einwirkende Mittel. Auch Jogging ist in diesem Sinn eine Droge, Aspirin ist es und das Gift des Knollenblätterpilzes, wie jedes Gift.
Im engeren Sinn ist eine Droge ein Rauschgift. Das Wort ist in dieser Bedeutung aus dem Englischen gekommen - Drug - und hat bei uns den Begriff des Rauschgifts in der Öffentlichkeit verdrängt. Nicht ganz bei der Polizei, die noch ihr Rauschgiftdezernat hat.
Ein Suchmittel ist etwas anderes. Nicht jedes Rauschgift ist ein Suchtmittel; Cannabis allenfalls in einem sehr eingeschränkten Sinn. Nicht jedes Suchtmittel ist ein Rauschgift, siehe Jogging. Tabak ist ein Suchtmittel, aber kein Rauschgift. Herrschsucht ist eine Sucht, aber sie hat nichts mit Rauschgift zu tun - außer eben bei Frau Bätzing.
Ich finde, man muß das auseinanderhalten. Sonst passiert, was wir bei Frau Bätzing und ihren Vorgängerinnen erleben:
Ursprünglich ging es um die Bekämpfung von Rauschgiften, und es handelte sich nur um eine Aufgabe, die einer Parlamentarischen Staatssekretärin zugewiesen worden war.
Jetzt ist ein veritables Amt daraus geworden, und seine Inhaberin benimmt sich, als sei sie erstens für jede Sucht zuständig, bis hin zum Glücksspiel, und als hätte sie sich zweitens nicht nur um Rauschgiftabhängige zu kümmern, sondern als dürfte sie jedem gesunden Bürger vorschreiben, ob und wo er rauchen und zu welchem Preis er Wein oder Bier trinken darf. Aus einer Funktion, die der Eindämmung des Gebrauchs von Heroin usw. dienen sollte, ist eine Art Super-Volkserzieherin hervorgegangen.
Da hat man in Gestalt dieses Amts ein kleines Sepialein ins Wasser gesetzt, und jetzt wächst ein Riesenkrake heran.
Zitat von dirkIch verstehe auch nicht, warum die Gesundheits- und Umweltpolitik nicht als Bedrohung für die Freiheit wahrgenommen wird. Wenn ich etwa mit anderen über das Rauchverbot rede, dann sagen die meisten "Wieso? Was hast Du dagegen, ich finde es gut, dass meine Klamotten nicht mehr nach Rauch stinken."
Ja, das finde ich auch gut, aber darum geht es ja gar nicht. Diejenigen, die sich die sich an der Freiheitseinschränkung stören, kann ich an einer Hand abzählen.
Ich habe den Eindruck, dass die meisten anderen nur denken, was gut ist müsse erlaubt, was schlecht ist müsse verboten werden. Da gibt es überhaupt keinen Zugang eine Argumentation über die Freiheit oder "Grenzen des Staates". Ich weiss auch nicht, wie man ein solches Bewusstsein schaffen könnte, denn bei mir ist die Abneigung gegenüber Freiheitseinschränkungen zugegebenermaßen zunächst emotional ("Wie? Die wollen mir etwas verbieten? Unverschämtheit!").
Als Machtpolitiker kann man das natürlich leicht ausnutzen, in dem man mit Stempeln arbeitet. Erstmal etwas als "unökologisch", "rechts" oder "ungesund" etikettieren und dann kann verboten werden.
Lieber Dirk, ich zitiere Ihren Beitrag fast komplett, weil ich ihm Satz für Satz zustimme. Ganz genau so sehe ich das auch.
Ich erinnere mich an ein weit zurückliegendes "Spiegel"-Gespräch, aus den sechziger Jahren, bei dem mir sozusagen blitzartig das aufgegangen ist, was offenbar die meisten nicht verstehen.
Interviewt wurde der damalige Justizminister Gustav Heinemann, der später Bundespräsident wurde; es war also während der Großen Koalition. Damals wurde eine Reform des Sexualstrafrechts diskutiert. Zum Teil sollte es noch verschärft werden; die große Liberalisierung kam erst später. Unter anderem gab es das Bestreben, Striptease zu verbieten.
Dazu stellten die "Spiegel-Redakteure" eine Frage, und Heinemann gab zu erkennen, daß er für ein solches Verbot sei und sagte - nach meiner Erinnerung - : "Ja, finden Sie Striptease denn moralisch?"
Und einer der Redakteure sagte darauf (wieder nach meiner Erinnerung, natürlich): "Herr Minister, es geht nicht darum, ob das moralisch ist, sondern welches Rechtsgut denn dadurch verletzt wird".
Der Staat darf nur zum Schutz von Rechtsgütern die Freiheit und Selbstverantwortung der Bürger beschneiden. Moral geht ihn nichts an. Wie wir uns ernähren und welche Genußmittel wir konsumieren, geht ihn nichts an. Mir scheint wie Ihnen, daß das immer weniger verstanden wird.
Wir sind auf dem Weg zu einem Nanny-Staat, der das ganze Leben durchdringt und alles so regelt und reguliert, wie es die Bürokraten am besten finden. Und viele Bürger sind's zufrieden.
Das Putzige daran ist, daß die Wegbereiter dieses neuen autoritären Staats diejenigen sind, die einst als Antiautoritäre gegen jede Nanny protestiert haben. Aus einem libertären Hedonismus ist obrigkeitsstaatliches Denken geschlüpft.
Dann wäre die Zigarette also nur ein »giftiges Suchtmittel, bei dessen Gebrauch Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden«, aber kein Rauschgift? Da würde ich gern auf weitere Erkenntnisse der Forschung warten. Denn es hat auch Jahrzehnte gedauert, bis endlich die Tatsache anerkannt wurde, dass der Zigarettenrauch den Raucher gesundheitlich schwer schädigen kann. Bei der Erforschung der Folgen für Passivraucher hat die Tabakindustrie noch nicht aufgegeben, das Offensichtliche zu bestreiten ;-)
Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich will gar keine weitere Reglementierung oder Bevormundung der Bürger. Mir wäre es auch ziemlich gleichgültig, weil ich selten zu gutem Wein greife und mir den auch mit Steueraufschlag noch leisten kann. Vor Wettkämpfen lebe ich in dieser Hinsicht sowieso abstinent. Ich muss jetzt (zwanghaft) laufen -- nicht joggen! -- gehen, bevor Frau Bätzing auch Laufwettkämpfe als Anreiz für die Sucht verbietet ;-)
Das Rechtsgut »Gesundheit der unfreiwilligen Passivraucher« hat einen höheren Wert als das Rechtsgut »Genuss des Rauchers«. Wo einem Raucher das Rauchen nicht verboten wird, setzt er sein vermeintliches Recht auf Rauchen ohne Rücksichtnahme durch -- das habe ich in 15 Jahren ICE-Reisen oft genug erleben müssen (in den ICE waren das Bistro und der vorderste Abschnitt der Nichtraucherwagen oft eine Raucherzone, wo die Raucher nicht die geringste Rücksicht auf Kinder oder Nichtraucher nahmen). Im Prinzip ist das Rauchverbot im Nah- und Fernverkehr, auf Bahnhöfen und Flughäfen, in öffentlichen Gebäuden und Schulen richtig, weil dadurch Menschen vor Gift geschützt werden.
Die Gesundheit eines freiwilligen Passivrauchers ist kein Rechtsgut, das der Staat in irgendeiner Weise schützen muss. Deshalb sind weitergehende Gesetze (zum Rauchverbot in Kneipen, Diskotheken etc.) als Einschränkung der Freiheit zu betrachten und sollten zurückgenommen werden.
Zitat von ZettelIch erinnere mich an ein weit zurückliegendes "Spiegel"-Gespräch, aus den sechziger Jahren, bei dem mir sozusagen blitzartig das aufgegangen ist, was offenbar die meisten nicht verstehen.
Interviewt wurde der damalige Justizminister Gustav Heinemann, der später Bundespräsident wurde; es war also während der Großen Koalition. Damals wurde eine Reform des Sexualstrafrechts diskutiert. Zum Teil sollte es noch verschärft werden; die große Liberalisierung kam erst später. Unter anderem gab es das Bestreben, Striptease zu verbieten.
Dazu stellten die "Spiegel-Redakteure" eine Frage, und Heinemann gab zu erkennen, daß er für ein solches Verbot sei und sagte - nach meiner Erinnerung - : "Ja, finden Sie Striptease denn moralisch?" Und einer der Redakteure sagte darauf (wieder nach meiner Erinnerung, natürlich): "Herr Minister, es geht nicht darum, ob das moralisch ist, sondern welches Rechtsgut denn dadurch verletzt wird".
Dank des fantastischen Angebots des "Spiegel", sämtliche frühere Hefte mit Volltextsuche zur Verfügung zu stellen, habe ich das Interview jetzt gefunden. Das Gespräch mit den "Spiegel"-Redakteuren Axel Jeschke und Hans Schmelz erschien im Heft 16/1967 vom 10.4. 1967, und die Passage, an die ich mich erinnert hatte, lautete:
Zitat von Gespräch mit Gustav HeinemannSPIEGEL: Nach neuem deutschem Strafrecht soll auch Strip-tease strafbar sein. Wie finden Sie das?
HEINEMANN: Da stelle ich eine Gegenfrage: Halten Sie Strip-tease für eine erfreuliche Entwicklung?
SPIEGEL: Unsere Frage heißt, ob der Rechtsfrieden unter denjenigen, die sich Strip-tease ansehen, gestört wird, wenn sie sich das ansehen?
HEINEMANN: Der Rechtsfrieden unter denen, die sich das ansehen, wird vielleicht nicht gestört; denn die wissen ja, wohin sie gehen. Aber der Rechtsfrieden kann darüber hinaus bei denjenigen gestört werden, die von derartigen Veranstaltungen hören.
SPIEGEL: Jugendlichen ist der Zutritt verwehrt.
HEINEMANN: Oft genug werden auch sie hineingelassen. Aber abgesehen davon setzt der neue Tatbestand voraus, daß die Schaustellung unzüchtig ist.
So dachte man noch 1967; und Heinemann war ja ein vergleichsweise liberaler Mann. Weil Jugendliche von "derartigen Veranstaltungen hören" könnten, nimmt sich der Staat das Recht heraus, sie Erwachsenen zu verbieten.
Auf diesem Gebiet des "Unzüchtigen" hat sich danach ja vieles verbessert; das Verbot des Striptease erblickte nie das Licht der Welt. Aber diese Grundidee, daß der Staat alles verbieten darf, was irgendwie nicht "erfreulich" ist, erlebt heute ihre Wiederauferstehung.
Der Redakteur Axel Jeschke, der zusammen mit Hans Schmelz vom Bonner Büro des "Spiegel" dieses Interview führte, war übrigens Jurist und nach dem Ende seiner Tätigkeit beim "Spiegel" auch wieder als Anwalt tätig.
Als ich das nachgesehen habe, bin ich auf ein interessantes Foto gestoßen, das Jeschke im Gespräch mit Gregor Gysi zeigt.
Das war Anfang 1989, also noch vor der Wende. Das in dem Foto dokumentierte "Spiegel"-Gespräch ist hier nachzulesen.
Man erfährt dort, daß Gysi in der Tat - ich hatte das bisher nirgends dokumentiert gefunden - im Jahr 1988 "nicht nur zum Vorsitzenden des Ost-Berliner Rechtsanwaltskollegiums, sondern auch zum Chef des Rates aller 15 Anwaltskollegien der DDR" gewählt worden war; er war also der oberste Rechtsanwalt der DDR und damit einer der wichtigsten Männer des SED-Regimes.
Das Interview ist lesenswert: Gysi tritt zwar für mehr Rechtsstaatlichkeit in der DDR ein, läßt aber keinen Zweifel daran, daß er auf der Seite des Regimes steht.
Lesenswert besonders, wie er es verteidigt, daß DDR-Bürgern keine Reisefreiheit gewährt wurde.
Zitat von stefanolixDann wäre die Zigarette also nur ein »giftiges Suchtmittel, bei dessen Gebrauch Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden«, aber kein Rauschgift? Da würde ich gern auf weitere Erkenntnisse der Forschung warten.
Ich glaube nicht, lieber Stefanolix, daß man das durch empirische Forschung entscheiden kann. Was ein Rauschift ist, war und ist sozial definiert - eben Heroin, Kokain, Cannabis, Designerdrogen.
Gemeinsam ist diesen Rauschgiften, daß ihr Genuß in unserer Kultur nicht verankert ist und daß deshalb die Gefahr groß ist, daß derjenige, der sie konsumiert, die Kontrolle über sein Verhalten verliert. Beim Opium/Heroin ist das nahezu unvermeidlich, weil es massive Veränderungen im Gehirnstoffwechsel hervorbringt, schon nach einer kurzen Zeit regelmäßigen Konsums. Beim Cannabis ist es nicht so. Es könnte im Prinzip freigegeben werden, wenn es nicht nach wie vor die wichtigste Einstiegsdroge wäre und wenn nicht jedes Land, das sie freigibt, sofort zu einem Eldorado für Süchtige aller Art werden würde.
Alkohol ist kein Rauschgift, weil sein Konsum in unserer Kultur verankert ist und die übergroße Zahl der Konsumenten nicht süchtig wird. Rauchen von Tabak macht zwar süchtig, aber es ist ebenfalls seit Jahrhunderten in unserer Kultur verankert. So, wie in anderen Kulturen der Genuß der Kokapflanze oder von Betel.
Psychoaktive Substanzen werden in so gut wie allen Kulturen verwendet. Der Rausch gehört zu den menschlichen Grunderlebnissen, seit Jahrtausenden. Aber die Gefahren solcher Substanzen wurden und werden auch in jeder Kultur durch soziale Kontrolle beherrscht und müssen durch sie beherrscht werden.
Zitat von stefanolixDas Rechtsgut »Gesundheit der unfreiwilligen Passivraucher« hat einen höheren Wert als das Rechtsgut »Genuss des Rauchers«. Wo einem Raucher das Rauchen nicht verboten wird, setzt er sein vermeintliches Recht auf Rauchen ohne Rücksichtnahme durch -- das habe ich in 15 Jahren ICE-Reisen oft genug erleben müssen (in den ICE waren das Bistro und der vorderste Abschnitt der Nichtraucherwagen oft eine Raucherzone, wo die Raucher nicht die geringste Rücksicht auf Kinder oder Nichtraucher nahmen). Im Prinzip ist das Rauchverbot im Nah- und Fernverkehr, auf Bahnhöfen und Flughäfen, in öffentlichen Gebäuden und Schulen richtig, weil dadurch Menschen vor Gift geschützt werden.
Ich stimme zu, lieber Stefanolix, daß es um eine Güterabwägung geht. Ich wäge aber anders ab.
Daß Passivrauchen gesundheitsschädlich sein kann, ist schlechterdings nicht zu bestreiten. Die gesundheitsschädlichen Substanzen sind im Tabakrauch, ob ihn nun der Raucher direkt einatmet oder der Passivraucher erst, nachdem er in die Luft gelangt ist.
Aber es ist eine Frage der Dosierung. Epidemiologie ist immer eine schwierige Sache. Aber ich bezweifle sehr, daß man ein erhöhtes Krebsrisiko bei Passivrauchern nachweisen kann, die lediglich dann Rauch einatmen, wenn sie im üblichen Umfang - sagen wir, zwei, dreimal im Monat - in einem Restaurant essen gehen, in dem geraucht wird. (Daß es auf die Dosierung ankommt, wird notorisch in der Öffentlichkeit übersehen; jetzt auch wieder bei dem "Alarm" wg. irischen Fleischs).
Solche gelegentlichen Passivraucher werden belästigt, und zwar erheblich. Daß sie einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind - das hätte ich gern erst einmal nachgewiesen.
Aber die Belästigung reicht meines Erachtens aus. Sie ist ja unangenehm genug und wiegt den Genuß des Rauchers mehr als auf.
Wie kann der Nichtraucher diese Belästigung vermeiden? Nun, indem er in ein Nichtraucher-Restaurant geht. Wenn der Staat sich da unbedingt einmischen will, soll er ihnen von mir aus Steuervergünstigungen gewähren, so wie sie in Frankreich Restaurants genießen, deren Fläche einen bestimmten Wert nicht übersteigen.
Wieso kann es aber daneben nicht auch Restaurants für Raucher geben?
Desgleichen beim Bahnverkehr. Ich hätte nichts dagegen, alle Bord-Bistros zu Nichtraucherlokalen zu erklären, weil sie zu klein sind, um effektiv in eine Raucher- und eine Nichtraucherzone geteilt zu werden. Dann müssen die Raucher halt ihre Zigarette oder Zigarre rauchen, wenn sie zurück im Abteil sind, oder in ihrem Großraumwagen.
Aber wieso man nicht Raucherabteile, Raucherwagen beibehalten konnte - das hat mir noch niemand plausibel machen können. So wenig, wie diese lächerliche Regelung, daß auf offenen Bahnsteigen nicht geraucht werden darf, außer in diesen winzigen auf den Boden gepinselten "Zonen".
Das, lieber Stefanolix, ist Willkür. Es ist der Ausdruck von Eiferertum, der Neigung, Menschen zu gängeln.
Herzlich, Zettel
Pentas
(
gelöscht
)
Beiträge:
22.12.2008 15:25
#16 RE: Zettels Meckerecke: Die suchtgefährdete Sabine Bätzing
In Antwort auf:Aber wieso man nicht Raucherabteile, Raucherwagen beibehalten konnte - das hat mir noch niemand plausibel machen können. So wenig, wie diese lächerliche Regelung, daß auf offenen Bahnsteigen nicht geraucht werden darf, außer in diesen winzigen auf den Boden gepinselten "Zonen".
Diese Zonen, lieber Zettel, halte ich für sehr sinnvoll. Sind keine vorhanden, wird überall geraucht, also dort wo der Wind mir den Rauch direkt ins Gesicht bläst. Als Nichtraucher hat man es auf raucherzonenfreien Bahnsteigen (lt. ÖBB ist am gesamten Bahnsteig Rauchverbot!) schwer einen Platz zu finden, wo wirklich nicht geraucht wird. Sogenannte Raucherinseln beheben dieses Problem, nur sind diese wiederum so angeordnet, dass man als Nichtraucher daran vorbeigehen muss.
Zitat von Zettel Daß Passivrauchen gesundheitsschädlich sein kann, ist schlechterdings nicht zu bestreiten. Die gesundheitsschädlichen Substanzen sind im Tabakrauch, ob ihn nun der Raucher direkt einatmet oder der Passivraucher erst, nachdem er in die Luft gelangt ist. Aber es ist eine Frage der Dosierung. Epidemiologie ist immer eine schwierige Sache. Aber ich bezweifle sehr, daß man ein erhöhtes Krebsrisiko bei Passivrauchern nachweisen kann, die lediglich dann Rauch einatmen, wenn sie im üblichen Umfang - sagen wir, zwei, dreimal im Monat - in einem Restaurant essen gehen, in dem geraucht wird. (Daß es auf die Dosierung ankommt, wird notorisch in der Öffentlichkeit übersehen; jetzt auch wieder bei dem "Alarm" wg. irischen Fleischs). Solche gelegentlichen Passivraucher werden belästigt, und zwar erheblich. Daß sie einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind - das hätte ich gern erst einmal nachgewiesen.
Das geht doch fließend ineinander über. Wenn dem Passivraucher nach 500 Kilometern Bahnfahrt die Augen brennen, die Lunge sticht und er an Reizhusten leidet, dann ist das natürlich nicht mit Lungenkrebs oder einer chronischen Atemwegserkrankung zu vergleichen. Aber es ist gleichwohl eine gesundheitliche Beeinträchtigung.
Außerdem ging die Argumentation (vor allem der Tabakindustrie) beim echten Rauchen jahrzehntelang genauso: »Soll doch erst mal nachgewiesen werden, dass Rauchen Schäden verursacht ...« -- nun, heute ist es unstrittig.
Zitat von Zettel Aber die Belästigung reicht meines Erachtens aus. Sie ist ja unangenehm genug und wiegt den Genuß des Rauchers mehr als auf. Wie kann der Nichtraucher diese Belästigung vermeiden? Nun, indem er in ein Nichtraucher-Restaurant geht. Wenn der Staat sich da unbedingt einmischen will, soll er ihnen von mir aus Steuervergünstigungen gewähren, so wie sie in Frankreich Restaurants genießen, deren Fläche einen bestimmten Wert nicht übersteigen.
Restaurants sollte man in der Tat in Ruhe lassen. Sie sollten nur eindeutig deklarieren, ob sie Nichtraucher- oder Raucherrestaurants sind. Anreize sind möglich, dürfen aber nicht verfassungswidrig sein.
Du fragst: »Wieso kann es aber daneben nicht auch Restaurants für Raucher geben?« -- Warum sollte es sie nicht geben? Ich habe nichts dagegen. Wenn es eindeutig draußen angeschrieben steht ...
In Antwort auf: Desgleichen beim Bahnverkehr. Ich hätte nichts dagegen, alle Bord-Bistros zu Nichtraucherlokalen zu erklären, weil sie zu klein sind, um effektiv in eine Raucher- und eine Nichtraucherzone geteilt zu werden. Dann müssen die Raucher halt ihre Zigarette oder Zigarre rauchen, wenn sie zurück im Abteil sind, oder in ihrem Großraumwagen. Aber wieso man nicht Raucherabteile, Raucherwagen beibehalten konnte - das hat mir noch niemand plausibel machen können. So wenig, wie diese lächerliche Regelung, daß auf offenen Bahnsteigen nicht geraucht werden darf, außer in diesen winzigen auf den Boden gepinselten "Zonen".
Unterschätze nicht das wirtschaftliche Interesse der Betreiber. Sie müssen wesentlich weniger Geld für die Reinigung der Züge, Gleise und Bahnsteige ausgeben (ich habe die konkreten Zahlen vergessen, aber die Bahn hat das nach dem Inkrafttreten der Einschränkungen auf den ersten Bahnhöfen veröffentlicht). Überhaupt hat der Betreiber das Hausrecht und kann selbst bestimmen, wo geraucht wird. Und weil Raucher die Gebäude verschmutzen, dürfte er an möglichst kleinen Raucherzonen interessiert sein.
Zu den separaten Raucherwagen: es hat sich offensichtlich wirtschaftlich nicht gelohnt, die ICE mit ganzen Raucherwagen auszurüsten. Also hat man acht Sitzplätze in einem Nichtraucherwagen als Raucherplätze deklariert. Diese Plätze waren in keiner Weise von den anderen Plätzen abgetrennt. Die Nichtraucher waren also völlig ungeschützt, da sich der Rauch zusätzlich auch noch durch die Klimaanlage verteilte (und der Filter dagegen im wesentlichen wirkungslos war).
So scheinen mir handfeste wirtschaftliche Gründe gegen das Rauchen in ICE, Nahverkehrszügen und auf Bahnhöfen zu sprechen. Ein deutlicher Aufpreis auf die Fahrkarten könnte das wieder ausgleichen. Ist es Dir das wert? ;-)
Zitat von Zettel Was ein Rauschift ist, war und ist sozial definiert - eben Heroin, Kokain, Cannabis, Designerdrogen.
Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein, lieber Zettel. Der Punkt nämlich, der die Wurzel des, sagen wir es höflich, Missverständnisses der selbsternannten Volkserzieher bildet.
Woran es jenen - und zu jenen gehört offensichtlich auch diese deutsche Drogenbeauftragte, von der ich, der Ösi, heute zum ersten Mal gehört habe - mangelt, die nichts daran finden, den Bürgerinnen und Bürger vorzuschreiben, was sie zu konsumieren haben und was nicht, ist ein grundlegendes Verständnis für die Unterscheidung von gesetzlich verbotenem bzw. daraus abgeleitet: gebotenem Verhalten und solchem menschlichem Verhalten, das subjektiv als nicht wünschenswert empfunden wird, aus welchem Grund auch immer. Der Raucher wird als solcher von Gesundheitsaposteln stigmatisiert, weil er nicht nur seine eigene, sondern die Gesundheit seiner Mitmenschen nicht nur aufs Spiel setze, sondern nachgerade mutwillig ruiniere. Darauf läuft die Rhetorik vieler jedenfalls hinaus, die mitunter so tun, als wäre man des Todes, wenn man auf offener Straße auch nur ein wenig Zigarettenrauch inhaliert, den jemand ausgeblasen hat, der einige Schritte weiter seines Weges schreitet.
Moral, Recht und Sitte sind normative Ordnungen, die das Zusammenleben in einer Gesellschaft regeln. Sie unterscheiden sich in der Art der Sanktionierung: Wer moralisch denkt, verantwortet sich fortwährend vor seinem eigenen Gewissen. Der Verstoß gegen die gute Sitte kann mit sozialer Ächtung, mit gesellschaftlicher Ausgrenzung verbunden sein. Und das Recht im objektiven Sinn als Gesamtheit der Rechtsnormen ist charakterisiert dadurch, dass es durch staatliche Gewalt durchgesetzt wird.
Diese drei normativen Ordnungen sind voneinander zu unterscheiden, gleichwohl sie zueinander in einer Beziehung stehen: Wenn viele Menschen die selben oder ähnliche moralische Vorstellungen haben, folgt daraus über kurz oder lang ein Gebot der guten Sitte. Und im Zuge der politischen Willensbildung, aus der die Gesetzesformulierung entsteht, spielen solche gesellschaftlichen Vorstellungen natürlich eine einflussreiche Rolle. Besonders problematisch wird es, wenn gute Sitten zunächst von oben oktroyiert und dann auch noch gesetzlich verankert werden; das heißt, wenn Politiker sich als Volkserzieher gerieren und ihre Kontrollfantasien ausleben, um den BürgerInnen einzureden, es sei nur zu ihrem besten, wenn der Staat ihnen dieses und jenes verbiete und sie außerdem in möglichst jeder Situation des Alltags darauf hinweise, dass Verhalten X nicht den Erziehungsrichtlinien der Obrigkeit entspreche. Derartiger politischer Interventionismus, der es auf die Aushöhlung der privaten Sphäre zugunsten eines imaginierten Wohles aller absieht, bedroht die Freiheit des einzelnen und untergräbt die Grundsätze einer demokratischen Rechtsordnung, die dem Menschen größtmögliche Freiheit bei der individuellen Lebensbestreitung einräumt.
Ich glaube, die Implementierung von Rauchverboten, völlig unverhältnismäßigen Sicherheitsvorkehrungen und anderen Maßnahmen zur Einschränkung individueller Freiheit stößt deshalb auf so wenig Widerstand, weil es allzu vielen schlicht an Wertschätzung und Sensibilität für die eigene Freiheit fehlt. Diesbezüglich muss sich jeder an der eigenen Nase packen. Ein Grund für die mangelnde Sensibilität sind aber nicht zuletzt die politischen Anstrengungen, den Menschen durch immer neue Vorschriften und paternalistische Maßnahmen die Eigenständigkeit möglichst weitreichend auszutreiben. Denn ist der Untertan erst einmal voll umsorgt, mutiert er zum abhängigen, unselbstständigen Trottel; und das hat den "angenehmen Nebeneffekt" für machtbessene Politiker, dass Menschen, die nur eingeschränkt sich selbst ihre Meinung bilden (können/wollen), recht unkompliziert regiert werden können.
Zitat von ZettelDaß Passivrauchen gesundheitsschädlich sein kann, ist schlechterdings nicht zu bestreiten. Die gesundheitsschädlichen Substanzen sind im Tabakrauch, ob ihn nun der Raucher direkt einatmet oder der Passivraucher erst, nachdem er in die Luft gelangt ist.
Aber es ist eine Frage der Dosierung. Epidemiologie ist immer eine schwierige Sache. Aber ich bezweifle sehr, daß man ein erhöhtes Krebsrisiko bei Passivrauchern nachweisen kann, die lediglich dann Rauch einatmen, wenn sie im üblichen Umfang - sagen wir, zwei, dreimal im Monat - in einem Restaurant essen gehen, in dem geraucht wird. (Daß es auf die Dosierung ankommt, wird notorisch in der Öffentlichkeit übersehen; jetzt auch wieder bei dem "Alarm" wg. irischen Fleischs).
Solche gelegentlichen Passivraucher werden belästigt, und zwar erheblich. Daß sie einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind - das hätte ich gern erst einmal nachgewiesen.
Da werden Sie, lieber Zettel, vermutlich noch lange warten müssen.
Zur Hochzeit der Diskussion um das Rauchverbot habe ich versucht zu recherchieren, welche Dosis denn ein Passivraucher so abbekommt in den typischen Szenarien (verrauchte Kneipe, Raucher im Zug usw.). Ich habe damals nur eine einzige Quelle gefunden (die ich leider gerade nicht zur Hand habe), in der eine solche Untersuchung gemacht wurde. Szenario: Acht-Stunden-Schicht eines Kellners in einer verrauchten Kneipe (irgendwas in der Gegend 60qm und 20 Leute beim Kettenrauchen). Ergebnis: die Dosis entspricht dem Rauchen einer halben Zigarette.
Zusammen mit der alten Erkenntnis, dass epidemiologisch unterhalb von etwa 4 Zigaretten pro Tag keine gesundheitlichen Probleme erkennbar sind, sollte klar sein, dass die Gesundheitsgefährdung beim Thema Passivrauchen nur vorgeschoben ist. Also bleibt die Geruchsbelästigung.
Es bleibt die Frage, warum man nicht wie in allen anderen Fällen einfach eine maximale Schadstoffkonzentration definiert, die dann wie auch immer eingehalten werden muss (z.B. durch ein vernünftiges Entlüftungssystem - da gibt es inzwischen begeisterndes High Tech).
Zitat von hubersn Zur Hochzeit der Diskussion um das Rauchverbot habe ich versucht zu recherchieren, welche Dosis denn ein Passivraucher so abbekommt in den typischen Szenarien (verrauchte Kneipe, Raucher im Zug usw.). Ich habe damals nur eine einzige Quelle gefunden (die ich leider gerade nicht zur Hand habe), in der eine solche Untersuchung gemacht wurde. Szenario: Acht-Stunden-Schicht eines Kellners in einer verrauchten Kneipe (irgendwas in der Gegend 60qm und 20 Leute beim Kettenrauchen). Ergebnis: die Dosis entspricht dem Rauchen einer halben Zigarette.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das reproduzierbar messen kann. Wenn Sie die Studie noch finden sollten, würde mich die Versuchsanordnung wirklich interessieren. Natürlich ist für bleibende Schäden die Dosis entscheidend. Aber von temporären Beeinträchtigungen haben mir viele Leute berichtet: Reizungen der Atemwege und der Augen, massive Geruchsbelästigung. Ich habe auch diese Erfahrungen machen müssen.
Und dass für Kinder sowieso viel niedrigere Grenzwerte gelten müssen als für Erwachsene, sollte doch unumstritten sein. Ich bleibe dabei: die Rauchverbote im öffentlichen Verkehrswesen, in öffentlichen Gebäuden und in Schulen sind richtig.
Es müsste doch dazu auch schon Tierversuche gegeben haben. Ich glaube mich zu erinnern, dass Ratten beim Passivrauchen messbare Schäden davongetragen haben. Aber ich habe auch gerade keine Quelle bei der Hand.
Im großen und ganzen stimme ich Ihrem Artikel (natürlich) wieder einmal zu. Nur in einer Hinsicht habe ich ein Problem.
Zitat von Zettel
Zitat von stefanolixDann wäre die Zigarette also nur ein »giftiges Suchtmittel, bei dessen Gebrauch Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden«, aber kein Rauschgift? Da würde ich gern auf weitere Erkenntnisse der Forschung warten.
Ich glaube nicht, lieber Stefanolix, daß man das durch empirische Forschung entscheiden kann. Was ein Rauschift ist, war und ist sozial definiert - eben Heroin, Kokain, Cannabis, Designerdrogen.
Gemeinsam ist diesen Rauschgiften, daß ihr Genuß in unserer Kultur nicht verankert ist und daß deshalb die Gefahr groß ist, daß derjenige, der sie konsumiert, die Kontrolle über sein Verhalten verliert. Beim Opium/Heroin ist das nahezu unvermeidlich, weil es massive Veränderungen im Gehirnstoffwechsel hervorbringt, schon nach einer kurzen Zeit regelmäßigen Konsums. Beim Cannabis ist es nicht so. Es könnte im Prinzip freigegeben werden, wenn es nicht nach wie vor die wichtigste Einstiegsdroge wäre und wenn nicht jedes Land, das sie freigibt, sofort zu einem Eldorado für Süchtige aller Art werden würde.
Alkohol ist kein Rauschgift, weil sein Konsum in unserer Kultur verankert ist und die übergroße Zahl der Konsumenten nicht süchtig wird. Rauchen von Tabak macht zwar süchtig, aber es ist ebenfalls seit Jahrhunderten in unserer Kultur verankert. So, wie in anderen Kulturen der Genuß der Kokapflanze oder von Betel.
Psychoaktive Substanzen werden in so gut wie allen Kulturen verwendet. Der Rausch gehört zu den menschlichen Grunderlebnissen, seit Jahrtausenden. Aber die Gefahren solcher Substanzen wurden und werden auch in jeder Kultur durch soziale Kontrolle beherrscht und müssen durch sie beherrscht werden.
Wenn wir hier schon mit der Unterscheidung von Drogen, Suchtmitteln und Rauschgift hantieren, dann sollten wir saubere Definitionen unterlegen. Und wenn Sie, werter Zettel, diejenige von Rauschgift allein an der sozialen Definition festmachen, dann ist mir das - mit Verlaub - zu subjektiv. Wikipedia zum Beispiel leitet von "Rauschgift" unmittelbar zu "Droge" weiter. Was sagt der Duden zu "Rauschgift"?
-- El reaccionario, hoy, es meramente un pasajero que naufraga con dignidad. - Nicolás Gómez Dávila
Die von Ihnen zitierte Passage bringt es auf den Punkt. Die Antwort, "Es geht darum, welches Rechtsgut verletzt wird" finde ich gut (und besser als die tatsächlich gegebene). Die hebt sofort das Gespräch auf eine andere Ebene und eröffnet durch den abstrakten Begriff "Rechtsgut" eine analytische Perspektive. Die merke ich mir und probiere sie bei Gelegenheit aus.
Der Unterschied zwischen früher und heute ist wohl, dass man damals die "Moral" und heute die "Vernunft" als Grund für verbote heranzieht.
In Antwort auf:Was ein Rauschift ist, war und ist sozial definiert - eben Heroin, Kokain, Cannabis, Designerdrogen.
Und genau das ist das Problem, lieber Zettel. Sie setzen hier ihre Definition und ihr Verständnis des Begriffes Droge ein und folgern daraus den Rest. Aber genau dieses Verständnis muss nicht das richtige sein. Im Lexikon finden Sie die Definition "Rauschgift", nun denn, Alkohol ist damit präzise beschrieben: Es verursacht einen Rausch und es ist ein Gift. Somit müsste es auch ein Rauschgift sein. Die Verwischung des Begriffes, die Sie den Canabisbefürwortern zuordnen, ist eigentlich dem Begriff innewohnend. Es ist eher umgekehrt der Fall, dass die Alkoholkonsumenten nicht unbedingt Lust haben als Drogenkonsumenten bezeichnet zu werden. Das ist gesellschaftlich eben geächtet. Man möchte eigentlich nicht offen sagen, dass man Drogen konsumiert, vor allem dann wenn man auf die "Drogensüchtigen" herabschauen will.
Das witzige ist, dass ich in der Schlussfolgerung vollkommen mit Ihnen übereinstimme, vielleicht sogar darüber hinaus gehe, denn ich meine, dass der Staat sich nicht in die Genussmittel seiner Bürger einmischen sollte. Nur subsumiere ich unter Genussmittel eben auch den Begriff Droge. Alkohol ist für mich ganz selbstverständlich eine Droge, das Rauchen übrigens ebenso.
An einer Sache stimme ich übrigens überhaupt nicht mit Ihnen überein, und zwar das Alkohol "harmlos" ist und die wenigsten danach süchtig werden. Ich bin in einer Kleinstadt groß geworden und ich finde es immernoch erschreckend wie viele Alkoholiker dort gelebt haben. Angepasst ja, aber vollständig auf die Droge angewiesen. Einige sind inzwischen daran gestorben. D.h. nicht das ich Alkohol als Droge nicht schätze, die berauschende Wirkung ist ja nun erstmal sehr angenehm und verbindend. Aber es ist eine Droge und sollte deshalb auch so behandelt werden. Und vielleicht eins, dass mir auch immer zu denken gibt, ist ein Zitat von Stefan Raab, der mal treffend gesagt hat, wenn er nachts alleine auf der Strasse unterwegs ist, dann begegne er lieber drei Bekifften als drei Besoffenen. Besser kann man meines Erachtens die Diskussion um Canabis und Alkohol kaum subsumieren.
Zitat von GorgasalWenn wir hier schon mit der Unterscheidung von Drogen, Suchtmitteln und Rauschgift hantieren, dann sollten wir saubere Definitionen unterlegen. Und wenn Sie, werter Zettel, diejenige von Rauschgift allein an der sozialen Definition festmachen, dann ist mir das - mit Verlaub - zu subjektiv. Wikipedia zum Beispiel leitet von "Rauschgift" unmittelbar zu "Droge" weiter. Was sagt der Duden zu "Rauschgift"?
"das".
Da hatte ich allerdings den Rechtschreib-Duden erwischt.
Und nachdem ich den meiner Frau zurückgebracht hatte, brachte sie mir den anderen, das Duden "Bedeutungswörterbuch". Da steht unter "Rauschgift":
Zitat von Duden BedeutungswörterbuchStoff, der auf das Zentralnervensystem des Menschen erregend oder lähmend wirkt und so zu Bewußtseinsveränderungen und Euphorie führt und psychische wie körperliche Abhängigkeit hervorrufen kann.
Jetzt haben Sie mich also erwischt, lieber Gorgasal. Denn ich muß zugeben, daß ich den Duden freudig zitiere, wenn er mir zupaß kommt - wie in dem Artikel - und daß ich jetzt rundweg erkläre, daß mir diese Definition überhaupt nicht gefällt.
Zum einen könnte man im Einzelnen beckmessern (die Wirkungen der meisten psychoaktiven Mittel sind z.B. viel spezifischer, als daß sie auf "das" ZNS "erregend oder lähmend" wirken; nicht nur Euphorie kann eintreten, sondern auch eine depressive Verstimmung; motorische Wirkungen kommen in der Definition gar nicht vor usw.). Aber das ist, wie gesagt, Beckmesserei, denn jede Definition kann man auf dieser Ebene natürlich kritisieren.
Was mich stört, ist, daß diese Definition schlicht nicht mit dem allgemeinen Wortgebrauch übereinstimmt. Nach ihr ist jede psychoaktive Substanz ein Rauschgift, von Schokolade über Beruhigungstee bis zum euphorisierenden Johanniskraut.
Damit befassen sich aber zum Beispiel die Rauschgiftdezernate der Polizei nicht. Sie befassen sich ausschließlich mit illegalen Drogen, und das ist es, was der allgemeine Sprachgebrauch mit "Rauschgift" meint.
Und ob ein psychoaktives Mittel erlaubt oder verboten ist - das ist eben eine Frage der jeweiligen kulturellen Tradition.
Und noch einmal, lieber Gorgasal: Der Rausch gehört zur Kultur. Techniken zur Erzeugung veränderter Bewußtseinszustände (Altered States of Consciousness = ASCs) gehören zur Kultur. Psychoaktive Substanzen sind verbreitet, aber Rausch- und Trancezustände kann man auch anders erzeugen; durch rhythmische Bewegungen zum Beispiel wie bei rituellen Tänzen, durch Reizentzug (Sensory Deprivation), durch Mediationstechniken.
Das ist ein weites Feld. Ich würde so weit gehen, zu sagen, ohne Rauscherlebnisse fehlt dem Menschen etwas Wesentliches zum Menschsein.
Zitat von LlarianUnd genau das ist das Problem, lieber Zettel. Sie setzen hier ihre Definition und ihr Verständnis des Begriffes Droge ein und folgern daraus den Rest. Aber genau dieses Verständnis muss nicht das richtige sein.
Zur Definition habe ich eben, lieber Llarian, etwas in Antwort auf Gorgasal geschrieben.
Zitat von LlarianDas witzige ist, dass ich in der Schlussfolgerung vollkommen mit Ihnen übereinstimme, vielleicht sogar darüber hinaus gehe, denn ich meine, dass der Staat sich nicht in die Genussmittel seiner Bürger einmischen sollte. Nur subsumiere ich unter Genussmittel eben auch den Begriff Droge. Alkohol ist für mich ganz selbstverständlich eine Droge, das Rauchen übrigens ebenso.
Ich habe darüber, lieber Llarian, ziemlich viel nachgedacht und manche Diskussion geführt. Meine Position ist a bisserl kompliziert, vielleicht auch inkonsequent. Mal wieder ein Produkt meines liberal-konservativen Vermittlungsausschusses:
Grundsätzlich hat sich nach meiner Auffassung der Staat nicht einzumischen, wenn wir als freie Bürger entscheiden, was wir konsumieren und welches Risiko wir damit eingehen. Das spräche für die völlige Freigabe aller psychoaktiver Substanzen.
Aber dagegen sprechen zwei Argumente, ein pragmatisches und ein philosophisches.
Das pragmatische Argument: Solange weltweit Rauschgifte illegal sind, führt jeder Alleingang eines Staats nur dazu, daß er zu einem Eldorado für Junkies aus aller Welt wird, daß er zu einem Eldorado für die Drogenmafia wird, daß er Kriminalität geradezu einlädt. Das wäre töricht. Weltweit wird sich aber eine Legalisierung nicht durchsetzen lassen, auch nicht von Cannabis.
Das philosophische Argument: Selbstverantwortlichkeit setzt zwingend Willensfreiheit voraus. Wer süchtig ist, der hat aber seine Willensfreiheit in Bezug auf die Sucht eingebüßt. In der Regel ist dieser Verlust allmählich; man kann also rechtzeitig bremsen. Bei Opiaten wird dieser Zustand aber schnell erreicht, weil sie tief in den Stoffwechsel des Gehirns eingreifen. Sie sind gewissermaßen eine Attacke auf die Autonomie des Individuums. Deshalb fällt diese hier als Kontrollinstanz aus.
Der Mechanismus ist in einem gewissen formalen Sinn dem des HIV vergleichbar: Dieser greift das Immunsystem an, das sonst vor Virenattacken schützt. Opiate greifen die Willensfreiheit an, die sonst vor dem Mißbrauch von psychoaktiven Substanzen schützt.
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