In der DDR war es eine Staatsfeier, die alljährlich in voller Länge vom Fernsehen übertragen wurde. Von diesem Glanz möchten die Kommunisten wohl etwas retten, wenn sie die Rosa-Luxemburg-Demonstration (Marsch nach Friedrichsfelde plus "stilles Gedenken" am Grab) als großes kommunistisches Familientreffen zelebrieren.
Womit freilich für einen Augenblick auch der Öffentlichkeit erkennbar wird, wie bunt und weitverzweigt diese Familie ist.
PeterCoyote
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12.01.2009 08:59
#2 RE: Zitat des Tages: Kommunistisches Familientreffen
auch dieses Ereignis wird die Augen grosser Teile der Öffentlichkeit nicht öffnen. Der Hang zur Relativierung der Verbrechen des SED Staats und zur Verharmlosung der PdL ist so gross, dass wir doch schon längst in der Defensive sind und uns rechtfertigen müssen.
Es ist enorm wichtig, dass solche Beiträge geschrieben und veröffentlicht werden. Es ist allerdings ebenso wichtig, dass einmal über die Ursachen des Hangs zur Relativierung der Verbrechen des SED Staats und zur Verharmlosung der PdL nachgedacht wird.
Zitat von PeterCoyoteEs ist enorm wichtig, dass solche Beiträge geschrieben und veröffentlicht werden.
Als ich diesen kleinen Artikel geschrieben habe, lieber PeterCoyote, dachte ich wie oft: Ähnliches schreibe ich ja immer wieder, wird das nicht langweilig?
Ich schreibe es dann doch, weil von den Lesern von ZR ungefähr 200 bis 300 am Tag zum ersten Mal ZR besuchen und viele andere auch nur gelegentlich reinschauen.
Die Stammleser bitte ich dann immer still um Entschuldigung für die Wiederholungen. Was ich hiermit auch einmal (bzw., glaube ich, zum zweiten Mal) öffentlich tue.
Als Stammleser: ich bin Ihnen umgekehrt sehr dankbar dafür, dass Sie sich unermüdlich die Mühe machen, immer wieder von neuem auf all diese Verwicklungen hinzuweisen! Ich hätte nicht das Durchhaltevermögen dazu...
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PeterCoyote
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12.01.2009 11:23
#5 RE: Zitat des Tages: Kommunistisches Familientreffen
da habe ich mich wohl in der Formulierung vergriffen und dadurch den Leser anscheinend in die Irre geführt. Auf was es mir tatsächlich ankommt ist zur Diskussion der Frage nach den Ursachen des Hangs zur Relativierung der Verbrechen des Sozialismus und zur Verharmlosung der PdL zu motivieren.
Zettel, sie sind ja auch ein älteres Semester und werden sich sicherlich daran erinnern können, dass in unserer Jugend ein ganz erheblich kritischeres Bewusstsein gegenüber dem Kommunismus und dem SED Staat vorherrschte. Auch unter den Linken in der BRD und weltweit. Ich kann im jetzigen Zustand kein Fortschritt erkennen, sondern eher das Gegenteil. Was ist zwischenzeitlich passiert? Wie konnte das geschehen?
Zitat von PeterCoyoteWas ist zwischenzeitlich passiert? Wie konnte das geschehen?
Meine spontane Hypothese wäre, dass der "Lange Marsch durch die Institutionen", der ja explizit auf den Ideen von Gramsci basierte, reiche Frucht getragen hat: http://en.wikipedia.org/wiki/Gramsci
Wenn ich Zettel richtig verstehe, ist seine These auch, dass die Kommunisten sich bewusst für diese langfristige Strategie entschieden haben, auch unter dem Eindruck des gescheiterten Versuchs der RAF, den Kommunismus herbeizumorden. Ich bin mir sicher, dass zumindest einige kommunistische Strategen explizit diesen Plan hatten, auch wenn sie sich wie üblich einer Vielzahl von nützlichen Idioten bedient haben. Und die Frage, inwieweit Moskau bis 1990 diese Strategie finanziell unterstützt hat, lässt sich auch nicht beantworten, seit die Archive wieder zu sind, aber auch hier halte ich weniges für unmöglich.
Hier ist es schwierig, sich von Verschwörungstheorien fernzuhalten - mit ein Grund, warum ich Zettels Unaufgeregtheit so schätze, der hier mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität bleibt, anders als manche konservative Kommentatoren.
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Nola
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12.01.2009 13:25
#7 RE: Zitat des Tages: Kommunistisches Familientreffen
Zitat von PeterCoyote Zettel, sie sind ja auch ein älteres Semester und werden sich sicherlich daran erinnern können, dass in unserer Jugend ein ganz erheblich kritischeres Bewusstsein gegenüber dem Kommunismus und dem SED Staat vorherrschte. Auch unter den Linken in der BRD und weltweit. Ich kann im jetzigen Zustand kein Fortschritt erkennen, sondern eher das Gegenteil. Was ist zwischenzeitlich passiert? Wie konnte das geschehen?
Lieber PeterCoyote, Ich kann mich auch erinnern. Ich denke in erster Linie ist es eine Weitergabe von Generation zu Generation gewesen, die eben aus den Erfahrungen heraus, insbesondere um die vorletzte Jahrhundertwende und die man sozusagen am eigenen Leibe erlebt hat, nämlich daß man von Parolen nicht satt wird. Ob nun Bauern- oder Herrschaftshäuser. Mein Vater 1920 geboren und mein Großvater 1890 geboren haben aus dieser Zeit ihre kleine Welt niemals verbessert erlebt, schon gar nicht durch die Aussicht auf Klassenkampf. Hier waren ganz andere (Über-)Lebensinhalte wichtig.
Das eine „permanente Revolution“, wie sie z.B. Rosa Luxemburg anstrebte, kein gesundes Staatsgefüge hervorbringen kann, auch nicht später in der Weimarer Zeit, haben unsere Altvorderen gewusst, aber wie will man einem satten Bauch heute ideologische Träumereien ausreden?
Heute ist unsere Lebensqualität insgesamt eine andere und die linksorientierte Ausbildung an unseren Hochschulen und Universitäten taten dazu ihr übriges. Das ist seit Jahren gewachsen, nicht zuletzt deshalb, weil nach dem dritten Reich alles anders werden sollte und musste und genau immer dann haben die Kommunisten „ihre Marktlücke“ – wie auch heute – wiederentdeckt. Wann immer es Zeit für Umdenken und zukunftsorientierte Änderungen war, haben sich die Kommunisten in Szene gesetzt, wann immer sie damit erfolgreich waren, haben sie ein Chaos angerichtet oder hinterlassen.
Interessant an der Luxemburg-Verehrung ist eigentlich, wie gut es den Kommunisten gelungen ist, über die Jahrzehnte ihre Propagandalügen im Bewußtsein der Deutschen zu installieren.
Auch weit außerhalb der kommunistischen Szene gilt Luxemburg als positive Heldin, die von bösen Reaktionären unschuldig ermordet wurde. Selbst SPD-Mitglieder fühlen sich in breiter Mehrheit heute schuldig, wenn sie auf die damaligen Ereignisse angesprochen wurden, schämen sich für ihren Parteifreund Noske und ertragen es schamhaft, wenn ihnen der Slogan "Wer hat uns verraten, Sozialdemokraten!" entgegengehalten wird.
Daß es hier um eine völlig legitime Verteidigung der Demokratie gegen den gewaltsamen Putschversuch der Bolschewisten ging, daß Noske und die SPD sich damals um unser Land verdient gemacht haben, daß Luxemburg und Liebknecht ohne Landwehrkanal eben hinterher ganz normal und rechtstaatlich wegen Hochverrat hingerichtet worden wären (wie ihre Genossen in München) - das wird alles ausgeblendet bzw. durch die Geschichtslügen der Kommunisten überdeckt.
Zitat von NolaIch denke in erster Linie ist es eine Weitergabe von Generation zu Generation gewesen, die eben aus den Erfahrungen heraus, insbesondere um die vorletzte Jahrhundertwende und die man sozusagen am eigenen Leibe erlebt hat, nämlich daß man von Parolen nicht satt wird.
Daran ist wohl viel Wahres, denn die Generation, die heute den Kern der Linken bildet, ist eine der ersten, die auch mit einer "Diät" aus Parolen satt werden konnte, dank einer Rundumversorgung durch den Staat. Gruss, Elmar
In Antwort auf:Interessant an der Luxemburg-Verehrung ist eigentlich, wie gut es den Kommunisten gelungen ist, über die Jahrzehnte ihre Propagandalügen im Bewußtsein der Deutschen zu installieren.
Wie auch beim so "demokratischen" Präsidenten Allende. Ein Agitator muss eine Sache nur lange genug steif und fest behaupten, dann wird es von den meisten geschluckt. Mord und Verschwörung sind ja auch sexy im Vergleich zur Verteidigung des spießigen Status Quo.
In Antwort auf:daß Noske und die SPD sich damals um unser Land verdient gemacht
Ich weiss nicht, so scheint mir das etwas schief. Ich kenn die Zusammenhänge zwar nur aus dem Buch von Haffner, aber der sagt so ziemlich das Gegenteil: Luxemburg sei eine exzellente Analytikerin gewesen und eine Kritikerin der Oktoberrevolution, Liebknecht der mutigste Politiker seiner Zeit, vor allem im Kontrast zur restlichen "königlich-preussischen Sozialdemokratie"; Noske hätte seiner Gesinnung wegen besser in die NSDAP gepasst. Du schreibst von einem "bewaffneten Putschversuch der Bolschewisten". Haffner dagegen, so weit ich ihn in Erinnerung habe, meint, davon könne schon allein deswegen keine Rede sein, weil es eine kommunistische Tradition in Deutschland zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht gab. Lenin habe in Russland jahrelange Aufbauarbeit leisten müssen, davon habe es in Deutschland nichts gegeben. Bei den Räten habe es sich schlicht um das Bemühen der Arbeiter und Soldaten gehandelt, kaisertreue Beamte und Militärs zu entfernen und somit die Demokratie zu stabilisieren. Das Vorgehen der SPD gegen die Räte habe daher die Demokratie geschwächt und sei nicht anders als Verrat zu werten. Ob Haffners Darstellung der Revolutionäre als kreuzbrave und friedliche Umstürzler, die sich ganz der Demokratie verschrieben hätten und vom Kommunismus nichts wissen wollten, stimmt, kann ich nicht sagen, vielleicht kannst Du ja andere Darstellungen nennen. Aber ich denke, man sollte Liebknecht und Luxemburg vor ihren Verehrern in Schutz nehmen. Daß sich Noske um unser Land (wessen Land? die Bundesrepublik?) verdient gemacht hat, möchte ich in Anbetracht der Leichenberge (gerade in München!), die er zu verantworten hat, und der Stärkung der Freikorps, aus der im wesentlichen die SA hervorging, jedoch auf keinem Fall unterschreiben.
In Antwort auf:Auch weit außerhalb der kommunistischen Szene gilt Luxemburg als positive Heldin, die von bösen Reaktionären unschuldig ermordet wurde.
Was ist daran falsch? Waren es gar keine "bösen Reaktionäre", sondern gute Demokraten? Wurde sie nicht "unschuldig ermordet" sondern hat durch ihre Schuld ihren Mord legitimiert? Aber ist es dann nicht noch immer Mord gewesen? Oder geht das in Ordnung sozusagen als Vorwegnahme einer Verurteilung wegen Hochverrats?
Kurzum: Mir schiene es als ein besseres Mittel, zu zeigen, wie wenig Luxemburg und Liebknecht mit der heutigen Linken gemein haben. Man betreibt doch bloß das Geschäft der Linken, wenn man diese beiden dämonisiert.
Zitat von GomezDu schreibst von einem "bewaffneten Putschversuch der Bolschewisten". Haffner dagegen, so weit ich ihn in Erinnerung habe, meint, davon könne schon allein deswegen keine Rede sein, weil es eine kommunistische Tradition in Deutschland zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht gab. Lenin habe in Russland jahrelange Aufbauarbeit leisten müssen, davon habe es in Deutschland nichts gegeben. Bei den Räten habe es sich schlicht um das Bemühen der Arbeiter und Soldaten gehandelt, kaisertreue Beamte und Militärs zu entfernen und somit die Demokratie zu stabilisieren. Das Vorgehen der SPD gegen die Räte habe daher die Demokratie geschwächt und sei nicht anders als Verrat zu werten.
Ja, so hat er das geschrieben, der Haffner. Ein seltsames Buch, lieber Gomez.
Ich habe eben nachgesehen - ich habe es in drei Exemplaren unter drei verschiedenen Titeln: "Die verratene Revolution"; "1918/1919 - eine deutsche Revolution" und "Der Verrat".
Es ist sicher Zufall, aber dieser Titel-Wirrwar ist bezeichnend für das Buch. Geschrieben hat es nämlich Haffner in den Wirren von 1968; ursprünglich als "Stern"-Serie, wenn ich mich recht erinnere. Das war Haffners "linke Phase", als er - durch seine Tochter Sarah direkt mit der APO bekannt geworden - die seltsamsten Thesen vertrat; zum Beispiel ernsthaft einen neuen Faschismus in der Bundesrepublik fürchtete und das Vorgehen gegen demonstrierende Studenten mit den Aktionen der Nazis verglich.
In dieser Stimmung (die bald vorbei war; davor und danach war Haffner ein Liberalkonservativer) also hat er diese Serie geschrieben. Brillant wie immer. Aber mit einer zentralen These, die auf tönernen Füßen stand und steht: Daß ein Sieg der Räte zu einem demokratischen und nicht einem bolschewistischen Deutschland geführt haben würde. Daß also eine in ihrem Kern demokratische Revolution von Noske und Ebert verhindert worden wäre; ergo Verrat.
Er macht das, wenn ich mich recht erinnere, vor allem an dem fest, was die Mitglieder der Räte (angeblich) wollten - nämlich einen demokratischen Sozialismus, keineswegs eine leninistische Diktatur.
Das mag ja stimmen. Nur wollten das die Mitglieder der russischen Konstituante von 1917 ja auch nicht: Dort hatten die Bolschewiken ganze 168 von 703 Sitzen.
Sozialdemokraten wie Ebert, Noske und auch Braun war klar, daß in einem Rätesystem (die Konstituante war ja sogar frei gewählt gewesen) die Kommunisten sich sehr bald durchsetzen würden, auch wenn sie eine Minderheit waren. (Nirgends auf der Welt, sind, nebenbei, Kommunisten anders als aus einer Minderheitsposition heraus an die Macht gekommen; stets durch Putsch und/oder Krieg).
Die deutschen "rechten" Sozialdmeokraten haben das 1918/1919 sehr hellsichtig erkannt. Ohne den Einsatz von Leuten wie Noske, der dafür als "Bluthund" geschmäht wurde, hätte durchaus das eintreten können, wovon Lenin ja überzeugt gewesen war: Daß die russische Revolution nur das Vorspiel zur deutschen gewesen wäre, der er weit größere Bedeutung beimaß.
Was Rosa Luxemburg angeht, lieber Gomez: Es lohnt sich sehr, sie zu lesen. Vor allem, wenn man Marx verstehen will. Sie war ja Dozentin der Parteihochschule, und Dozentin ist sie im Grunde immer geblieben. Sie glaubte an Marx wie ein Evangelikaler an die Bibel, Wort für Wort. Ihre Schriften sind im Grunde überwiegend Verteidigungen des wahren Marx, wie sie ihn sah, gegen irgendwelche Abweichler.
Auch sie wollte selbstverständlich die Diktatur des Proletariats. Der berühmte Satz von der "Freiheit der Andersdenkenden" (eine Zeile in einem von ihr nie veröffentlichten Ms, an dessen Rand, wenn ich mich recht erinnere) bezog sich auf die Andersdenkenden innerhalb der revolutionären Bewegung; nicht etwa auf Konservative oder Liberale.
Wie Marx war Luxemburg allerdings überzeugt, daß die Revolution von der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden würde. Da war sie anderer Meinung als Lenin, der längst erkannt hatte, daß der Bolschewismus nicht mehrheitsfähig ist.
Wer Rosa Luxemburg feiert, der ist, wenn er sie auch nur halbwegs verstanden hat, ein Gegner des demokratischen Rechtsstaats.
In Antwort auf:Ja, so hat er das geschrieben, der Haffner.
Jaja, der Haffner und seine "Phasen". In einem späteren Aufsatz spricht er übrigens wie selbstverständlich von "kommunistischen Aufständen", so als ob er das Revolutionsbuch nie geschrieben hätte. Ich glaube, der Mann war zu sehr seinen Temperamenten ausgeliefert, um einen wirklich guten Historiker abzugeben. Oder aber es fehlte ihm an der historischen Ausbildung, was man aber als Grund für seine zahlreichen Richtungswechsel angesichts seiner ja durchaus teilweise brillanten Bücher nicht so recht glauben mag. Nur: Der Gegenpositition, wonach aufrechte Demokraten entschlossen gegen die kommunistische Gefahr auftraten, kann ich auch nicht glauben - angesichts der ganz und gar fehlenden demokratischen Tradition.
In Antwort auf:Die deutschen "rechten" Sozialdmeokraten haben das 1918/1919 sehr hellsichtig erkannt. Ohne den Einsatz von Leuten wie Noske, der dafür als "Bluthund" geschmäht wurde, hätte durchaus das eintreten können, wovon Lenin ja überzeugt gewesen war: Daß die russische Revolution nur das Vorspiel zur deutschen gewesen wäre, der er weit größere Bedeutung beimaß.
Für ein "hätte können" ist der Blutzoll dann aber doch ein wenig hoch gewesen. Ich kann nicht beurteilen, was dabei real und was Greuelpropaganda ist - im Haffnerbuch kommen ja u.a. niederkartätschte DRK-Schwestern vor. Aber ein paar Leichen werden wohl auf den Straßen liegengeblieben sein - Leute, die dafür bezahlen mussten, eben nicht so weitsichtig zu sein wie der diesbezüglich begabte Noske. Kurz: Man hätte diesen Leuten die Sorge, daß ihr Rätesystem bald den Kommunisten zum Opfer fallen könnte, auch etwas sanfter mitteilen können. Oder anders: Es ist nicht ganz unplausibel, daß Noske und Genossen meinten, die Demokratievorstellungen der Räte seien etwas zu viel des Guten, und ihre Motivation daraus bezogen, ganz einfach deshalb, weil man immer ganz gut fährt, bei historisch bedeutsamen Einzelpersonen statt hehrer Absichten niedere Beweggründe anzunehmen. Aber auch das sind Spekulationen über ein politisch einfach noch viel zu heisses Thema. In den USA ist es ja in der Sache Roosevelt und new deal ähnlich.
In Antwort auf:Was Rosa Luxemburg angeht, lieber Gomez: Es lohnt sich sehr, sie zu lesen.
Danke, kein Bedarf. Zu dieser Zeit hat fast jeder politisch irgendwie rundgedreht, aber andere haben das dann doch unterhaltsamer hingekriegt. Man denke an Typen wie Marinetti.
In Antwort auf:Wer Rosa Luxemburg feiert, der ist, wenn er sie auch nur halbwegs verstanden hat, ein Gegner des demokratischen Rechtsstaats.
Ist mir egal, mein Punkt ist nur: Ich kann einen Mord nicht gutheissen, auch wenn er in der Absicht erfolgt, Schlimmeres zu verhüten. Das funktioniert ja nicht mal bei den Philip K. Dick´schen Precogs.
über die demokratische Verwurzelung von Rosa Luxemburg und Wilhelm Liebknecht denke ich ähnlich wie Sie.
Anders als Sie übersehe ich nicht, daß die Freikorps den Liberalismus und die freie Wirtschaftsordnung verachteten. Das waren doch keine Verteidiger des Rechtsstaates, als sie gegen die Spartakisten vorgingen. Die wollten keinen Staat, wie Sie ihn wollen. Das können Sie schlicht und einfach vergessen. Das waren Menschen, die der der antimodernistischen und antiliberalen Strömung des Kaiserreiches angehörten und von Liberalen, also Ihnen allen hier, nichts aber auch gar nichts hielten. Die verachteten sie genauso wie sie Kommunisten verachteten. Die antimodernistische Strömung verdammte das schlimme höllenhafte Leben in der Stadt und das reine deutsche Leben auf dem Lande. Diese Strömung führte zu einer sehr merkwürdigen Koalition, fast zu einer Art Volksfront, die bis in das Lager der Lebensreformer, der Vegetarier und andere Freunde des schollennahen Lebens reichte. Man muß sich nur einmal ansehen, was für ein politisch bunter Haufen die Gründer von Eden bei Oranienburg waren.
Libero
PeterCoyote
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12.01.2009 22:02
#15 RE: Zitat des Tages: Kommunistisches Familientreffen
also wir sind ja erst ganz am Anfang der Diskussion, die wir sicherlich in anderen, zukünftigten Beiträgen Zettels fortsetzen werden.
Mein Einwand gegen die These vom Marsch durch die Institutionen beruht auf der damaligen Beobachtung, dass die Mehrheit der Marschierer vom Kommunismus und dem SED Staat eben nicht dieses verklärende Bild hatte, welches Thema der Debatte ist und welches sich mittlerweile in grossen Teile der Medien wiederfindet.
Meine Beobachtung enden Ende der 70er/Anfang der 80er. Von "K" Gruppen konnte man zu dem Zeitpunkt kaum noch etwas sehen, Stamokaps in den Jusos waren zwischenzeitlich entfernt worden und wenn nicht, so waren sie ruhig. DKP und Umfeld war nur noch bei Friedensdemos sichtbar. Spontis und alternative Projekte hatten sich auch so gut wie erledigt.
Obige Marschierer im engeren Sinn, also die heute 68er genannte damalige neue Linke, waren grösstenteils geläutert oder diskutierten noch etwas über Glucksmann, Solschenizin und Dutschkes Halbasiatismus. Ihr Verhältnis zum Kommunismus und dem SED Staat war damals bereits offen feindlich. Einige der Marschierer marschierten dann bei den Grünen und wieder andere bei der SPD weiter. Der ganze radikale Impuls war jedenfalls nicht mehr sichtbar.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Marsch durch die Institutionen der vormaligen neuen Linken die Ursache der Verniedlichung sozialistischen Terrors und des SED Staats sein soll. Auch nicht diese Leute aus dem DKP Umfeld, die Schröder teilweise wieder in die Partei aufnahm und die heute zum guten Teil Mitglied der Linkspartei geworden sind.
Eher schon, dass damalige junge Leute, welche vom ganzen radikalen Wirbel und der Politik nur am Rande tangiert waren, also mit der Studentenbewegung eigentlich nie etwas direkt zu tun hatten, damals allerdings unter Druck geraten sind und unter der traumatisierenden Erfahrung bis heute leiden und demzufolge meinen, sich selbst und anderen zwanghaft beweisen zu müssen, dass sie entgegen aller Unkenrufe doch "in" und "hip" sind, in Parteien, Verlagshäusern und Bildungsinstitutionen eingedrungen sind und dort ihr Lied von Friede, Freude und Eierkuchen singen, wobei der naive Singsang von der "diffenzierten Betrachtung der DDR" nur eine weiter Strophe des Remix des alten Balla Balla der Rainbows ist. Zumindest würde ich deren Einfluss höher einschätzen, als das ehemaliger "K" Gruppen und Sponti Häuptlinge, von Cohn Bendit&Co einmal abgesehen.
Ich fürchte, wir kommen nicht weit, wenn wir an dieser neualtlinken Ecke graben. Da muss noch etwas ganz anderes sein, was wir momentan noch nicht erkennen können.
lassen Sie mich mit Ihrem letzten Punkt anfangen, weil wir uns da ganz einig sind:
Zitat von Gomez... mein Punkt ist nur: Ich kann einen Mord nicht gutheissen, auch wenn er in der Absicht erfolgt, Schlimmeres zu verhüten. Das funktioniert ja nicht mal bei den Philip K. Dick´schen Precogs.
Rosa Luxemburg wurde ermordet, und selbstverständlich gibt es dafür keine Rechtfertigung.
Aber dadurch, daß sie ermordet wurde, wurde sie auch nicht zu einer Lichtgestalt. Sie war erstens keine Demokratin, sondern eine orthodoxe Marxistin; eine Revolutionärin, die an der Herbeiführung der Diktatur des Proletariats arbeitete. Nicht irgendwann und nicht in irgendeinem abstrakten Sinn, sondern hic et nunc und im exakten Sinn des Worts: Das Proletariat sollte zur herrschenden Klasse werden und vorübergehend, bis es seine Herrschaft befestigt haben würde, die Reste der anderen Klassen diktatorisch unterdrücken.
Zitat von GomezJaja, der Haffner und seine "Phasen". In einem späteren Aufsatz spricht er übrigens wie selbstverständlich von "kommunistischen Aufständen", so als ob er das Revolutionsbuch nie geschrieben hätte. Ich glaube, der Mann war zu sehr seinen Temperamenten ausgeliefert, um einen wirklich guten Historiker abzugeben. Oder aber es fehlte ihm an der historischen Ausbildung, was man aber als Grund für seine zahlreichen Richtungswechsel angesichts seiner ja durchaus teilweise brillanten Bücher nicht so recht glauben mag.
Ich sehe ihn positiver, lieber Gomez. Er war eigentlich sein Leben lang ein liberalkonservativer überzeugter Demokrat (seit seiner Emigration britischer Prägung) - von der "Geschichte eines Deutschen" (wenn man will, sogar schon den Feuilletons) über seine großen Bücher zu den deutsch-russischen Beziehungen, zu Hitler, zu Preußen bis zu seinen vielen Essays und Kommentaren. (Und einer glänzenden TV-Produktion, die ich vor vielen Jahren gesehen habe und die anscheinend danach nicht wiederholt wurde: "Generale"; über die Schlacht an der Marne).
Nur für ein paar Jahre, abrupt ab 1968, wurde er zum "Linken". (Im selben Jahr war noch sein gar nicht linkes Buch über die deutsch-russische Geschichte erschienen; "Der Teufelspakt". Ich habe es zufällig vor mir liegen, weil ich kürzlich darin zum Frieden von Brest-Litowsk nachgelesen haben: rororo, "veröffentlicht im Juli 1968").
Das ist damals Vielen so gegangen; sie haben sich vom Sog des Zeitgeists ergreifen lassen. I know what I'm talking about.
Zitat von Gomez Nur: Der Gegenpositition, wonach aufrechte Demokraten entschlossen gegen die kommunistische Gefahr auftraten, kann ich auch nicht glauben - angesichts der ganz und gar fehlenden demokratischen Tradition.
Oh, die gab es doch. Im Bismarck-Reich lebte man ja nicht im Absolutismus, sondern in einer konstitutionellen Monarchie. Der Unterschied beispielsweise zum UK war 1914 gar nicht mehr sehr groß, was den Stand der Demokratisierung anging. Alle europäischen Monarchien, die noch heute bestehen, waren damals auf ungefähr demselben Stand, und ohne den Krieg und die Revolution wäre Deutschland sehr wahrscheinlich denselben Weg gegangen.
Und es gab ja nicht nur die SPD, sondern auch liberale Parteien, es gab das Zentrum. Alle demokratisch gesonnen, zum Teil in der Tradition von 1848 stehend. Was die SPD angeht, hatte sich der Revisionismus weitgehend durchgesetzt; sie war also auf dem Weg, eine demokratische Partei zu werden.
Das, lieber Gomez, war die Tradition, in der Ebert und Braun standen. Braun übrigens hat damals in einer Rede oder Erklärung (das weiß ich jetzt nicht mehr) sehr ausdrücklich gesagt, daß es darum gehe, diese demokratische Position gegen diejenigen zu verteidigen, die eine Revolution nach sowjetischem Vorbild wollten.
So viel erst mal; zur Revolution von 1918/19 selbst schreibe ich eine getrennte Antwort.
In Antwort auf:Die deutschen "rechten" Sozialdemokraten haben das 1918/1919 sehr hellsichtig erkannt. Ohne den Einsatz von Leuten wie Noske, der dafür als "Bluthund" geschmäht wurde, hätte durchaus das eintreten können, wovon Lenin ja überzeugt gewesen war: Daß die russische Revolution nur das Vorspiel zur deutschen gewesen wäre, der er weit größere Bedeutung beimaß.
Für ein "hätte können" ist der Blutzoll dann aber doch ein wenig hoch gewesen.
Leider geht es in solchen Situationen selten anders, als sich nach einem "hätte können" zu entscheiden. Es bestand eine reale Gefahr, und dieser sind die führenden Sozialdemokraten entgegengetreten. Übrigens stammt das Wort vom "Bluthund" ursprünglich von Noske selbst.
Was nun das Blutvergießen angeht, darf man zweierlei nicht übersehen.
Erstens ging man ja vom Krieg direkt in diese bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen über. Auf beiden Seiten standen Männer, die gerade erst von der Front zurückgekehrt waren. In gewisser Weise kämpfte man einfach weiter, nur jetzt gegen einen anderen Feind. - Das setzte sich dann weniger blutig noch in den "Straßenschlachten" der Zeit um 1930 fort. Auch da standen auf beiden Seiten - Rotfront und SA - überwiegend ehemalige Frontsoldaten; auch beim Reichsbanner. (Ich muß mir das immer wieder klarmachen: 1930 war die Revolution von 1919 gerade mal gut ein Jahrzehnt her - so lang, wie jetzt der Beginn der Regierung Schröder!)
Und zweitens: Blutig ging es auf beiden Seiten zu. Es ist eben nicht so, daß auf der einen Seite friedliche Bürger ihren Sozialismus errichten wollten - gewissermaßen klein und verletzlich wie Rosa Luxemburg, die vielleicht auch deshalb zur Märtyrerin erhoben wird -, und auf der anderen Seite schossen Freicorps und Reichswehr die Menschen tot.
Die Freicorps gingen brutaler vor, das ist wahr. Aber es gab eben auch, wie anders in eine Revolution, revolutionäre Gewalt. Noch bis ins Jahr 1920 hinein, als die Rote Ruhr-Armee Zehntausende unter Waffen hatte.
Zitat von GomezIch kann nicht beurteilen, was dabei real und was Greuelpropaganda ist - im Haffnerbuch kommen ja u.a. niederkartätschte DRK-Schwestern vor. Aber ein paar Leichen werden wohl auf den Straßen liegengeblieben sein - Leute, die dafür bezahlen mussten, eben nicht so weitsichtig zu sein wie der diesbezüglich begabte Noske.
Nein, da irren Sie, lieber Gomez. Niemand mußte dafür "bezahlen", nicht "weitsichtig" gewesen zu sein. Sondern wie in jedem Krieg und jeder gewaltsamen Revolution sind die Opfer überwiegend arme Leute, die es zufällig trifft.
Es gab eben Ende 1918 zwei unvereinbare Konzepte der Republik: Eine demokratische Republik nach, sagen wir, französischem Vorbild oder eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild. Beide Seiten wollten sich unbedingt durchsetzen - wenn möglich friedlich, als das nicht mehr ging, mit Gewalt.
Es gibt eine kommunistische Propaganda, die uns glauben machen will, daß die Gewalt immer die der anderen Seite war (und ist - siehe aktuell Gaza). Das ist halt nicht wahr, lieber Gomez. Das war 1918/1919 nicht so, nicht im russischen und schon gar nicht im spanischen Bürgerkrieg, in dem die Roten mindestens so viehisch gehaust haben wie die Franquisten. Kriege und gewaltsame Revolutionen sind nun mal etwas Widerliches, Unmenschliches. Begleitet von der Propaganda beider Seiten, die jeweils die Grausamkeit und Unmenschlichkeit nur dem Gegner zuschreiben wollen.
Zitat von GomezKurz: Man hätte diesen Leuten die Sorge, daß ihr Rätesystem bald den Kommunisten zum Opfer fallen könnte, auch etwas sanfter mitteilen können. Oder anders: Es ist nicht ganz unplausibel, daß Noske und Genossen meinten, die Demokratievorstellungen der Räte seien etwas zu viel des Guten, und ihre Motivation daraus bezogen, ganz einfach deshalb, weil man immer ganz gut fährt, bei historisch bedeutsamen Einzelpersonen statt hehrer Absichten niedere Beweggründe anzunehmen. Aber auch das sind Spekulationen über ein politisch einfach noch viel zu heisses Thema.
In der Tat. Was Sie mit "zuviel des Guten" meinen, verstehe ich allerdings nicht. Diei Räte waren sicherlich unterschiedlich besetzt. Jedenfalls die Kommunisten aber wollten "Demokratie" im Sinn einer Herrschaft der Straße; der Unterdrückung der Minderheit durch die Mehrheit, die sie zu haben meinten.
Das dürfte Noske nicht für zuviel, sondern für zu wenig Demokratie gehalten haben.
Und "sanfter mitteilen"? In Berlin meuterte in den Tagen vor Weihnachten die Volksmarinedivision, besetzte die Reichskanzlei, verhaftete unter anderem Otto Wels und widersetzte sich den Befehlen der Reichsregierung.
Die Motivation der Reichsregierung war es schlicht, dieser sich anbahnenden Revolution entgegenzutreten. Sie hat das getan, so wie sie später dem Kapp-Putsch entgegengetreten ist. Zwei Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat; gegen den einen wie den anderen haben die "rechten" Sozialdemokraten standgehalten.
Zitat von Gomez
In Antwort auf:Wer Rosa Luxemburg feiert, der ist, wenn er sie auch nur halbwegs verstanden hat, ein Gegner des demokratischen Rechtsstaats.
Ist mir egal
Mir nicht, lieber Gomez. Denn zu denjenigen, die Rosa Luxemburg feiern, gehören ja Personen, die heute schon in Landesregierungen und morgen vermutlich in einer Bundesregierung sitzen.
Ich möchte mich nicht gern von Menschen regieren lassen, die keine Demokraten sind. Nicht so sehr aus persönlicher Abneigung, sondern weil sie die Neigung haben, ihre politischen Vorstellungen auch in die Tat umzusetzen.
Zitat von LiberoAnders als Sie übersehe ich nicht, daß die Freikorps den Liberalismus und die freie Wirtschaftsordnung verachteten. Das waren doch keine Verteidiger des Rechtsstaates, als sie gegen die Spartakisten vorgingen. Die wollten keinen Staat, wie Sie ihn wollen. Das können Sie schlicht und einfach vergessen. Das waren Menschen, die der der antimodernistischen und antiliberalen Strömung des Kaiserreiches angehörten und von Liberalen, also Ihnen allen hier, nichts aber auch gar nichts hielten. Die verachteten sie genauso wie sie Kommunisten verachteten. Die antimodernistische Strömung verdammte das schlimme höllenhafte Leben in der Stadt und das reine deutsche Leben auf dem Lande. Diese Strömung führte zu einer sehr merkwürdigen Koalition, fast zu einer Art Volksfront, die bis in das Lager der Lebensreformer, der Vegetarier und andere Freunde des schollennahen Lebens reichte. Man muß sich nur einmal ansehen, was für ein politisch bunter Haufen die Gründer von Eden bei Oranienburg waren. Libero
Ich zitiere das, lieber Libero, vollständig - weil ich Ihnen fast vollständig zustimme.
Nur nicht Ihrem ersten Satz. Wenn Sie meinen, daß ich übersähe, "daß die Freikorps den Liberalismus und die freie Wirtschaftsordnung verachteten", dann irren Sie. Nicht alles, was ich nicht ausdrücklich schreibe, habe ich übersehen (sonst wären meine Beiträge noch länger, als sie leider ohnehin oft sind ).
Nur hatte die Reichsregierung halt niemanden anderen, um die Revolution niederzuschlagen. Was hätte sie machen sollen? Sich aus dem Geschäft zurückziehen und es zu einem Bürgerkrieg zwischen Weißen und Roten wie in Rußland kommen lassen?
Zitat von R.A.Interessant an der Luxemburg-Verehrung ist eigentlich, wie gut es den Kommunisten gelungen ist, über die Jahrzehnte ihre Propagandalügen im Bewußtsein der Deutschen zu installieren.
Das sehe ich genauso, lieber R.A., wie ich überhaupt Ihrem ganzen Beitrag zustimme.
Zu den Methoden der kommunistischen Propaganda gehört es, daß die Geschichte nicht nur als ein Kampf zwischen Gut und Böse allgemein dargestellt wird, sondern daß auch die Agierenden auf beiden Seiten mit den jeweiligen Attributen ausgestattet werden.
Also wird auf der einen Seite Rosa Luxemburg, eine interessante, aber widersprüchliche Gestalt, zur Heldin und Märtyrerin gemacht (und Teddy zum treuen Proletarier; Siegfried an der Seite von Jeanne d'Arc).
Und auf der anderen Seite werden Ebert und Noske verunglimpft, was das Zeug hält. Am besten mit jeweils einem Etikett. Also ist Noske der "Bluthund", Ebert der "Arbeiterverräter".
Psychologisch ist diese Propaganda sehr wirksam. Das ist eine Konditionierung: Hat die Propaganda funktioniert, dann löst schon die Erwähnung des betreffenden Namens reflexhaft eine negative emotionale Reaktion aus.
In den letzten Jahren hat man die Wirksamkeit dieser Methode an George W. Bush gesehen, der nach allen Regeln der Propaganda verteufelt wurde. Nicht nur von den Kommunisten natürlich; deren Methode ist ja längst aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet ausgebrochen.
Putzig wird es dann, wenn jemand sozusagen vom einen ins andere Rollenfach befördert wird. Dann wird aus dem heldenhaften Stalin, dem Vater der Sowjetmenschen, plöztlich das Monster Stalin, dem alle Verbrechen des Kommunismus als persönliche Schuld zugeschoben werden. Noch Malenkow, Molotow, Chruschtschow sind nach ihrer Entmachtung sofort vom strahlenden Staatsmann zur Unperson geworden.
Zitat von ZettelIn den letzten Jahren hat man die Wirksamkeit dieser Methode an George W. Bush gesehen, der nach allen Regeln der Propaganda verteufelt wurde. Nicht nur von den Kommunisten natürlich; deren Methode ist ja längst aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet ausgebrochen.
Und ich warte noch immer sehnsüchtig auf Ihre Würdigung von Bush (und auf die sich sicherlich anschließende Diskussion im Kleinen Zimmer)... Das nur als kleine Ermunterung...
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Sie haben recht, es kam nicht von Ihnen. Ich hatte den ganzen thread gelesen und meine Entgegnung an Ihren Beitrag angehängt. Das war falsch. Die Freikorps veranstalteten diesen Bürgerkrieg, im Baltikum und in Oberschlesien.
Zitat von GomezIch kann einen Mord nicht gutheissen, auch wenn er in der Absicht erfolgt, Schlimmeres zu verhüten.
Nachdem u. a. Zettel schon weitgehend aufgeführt hat, was ich geantwortet hätte, will ich nur kurz zu diesem Punkt etwas sagen.
Keiner hier heißt Morde gut. Aber umgekehrt sehe ich auch wenig Grund, diese zu bedauern oder mich gar zu empören.
Es war eine andere Zeit, die Akteure waren nicht von Waldorf-Pädagogik geprägt, sondern von den jahrelangen Blutbädern des Weltkriegs.
Und es handelt sich hier nicht um unschuldige Opfer, sondern um Akteure, die zur Gewalt griffen und dann selber durch Gewalt umkamen. Zu bedauern sind die einfachen Leute, von denen hier auch schon die Rede war. Die einfach das Pech hatten, zwischen die Fronten des Bürgerkriegs zu kommen und dabei umkamen.
Aber Liebknecht/Luxemburg gehörten letztlich zu den Verantwortlichen dafür, daß es zu diesen Toten kam, ihr Ende beurteile ich ähnlich wie z. B. das von Chaucescu: Es war nicht legal, aber vertretbar.
Und im Zweifelsfall wären sie in der Tat ohnehin hingerichtet worden, nach ganz ordentlichem Gerichtsverfahren. Schließlich war die Todesstrafe damals allgemein akzeptiert, auch (und gerade) von den Kommunisten.
Es ist m. E. kein Zufall, daß um Egen Leviné, der als Führer der Müncher "Räterepublik" hingerichtet wurde, nie ein Propagandamythos à la Liebknecht/Luxemburg inszeniert wurde.
Nola
(
gelöscht
)
Beiträge:
13.01.2009 22:28
#23 RE: Zitat des Tages: Kommunistisches Familientreffen
Zitat von NolaIch denke in erster Linie ist es eine Weitergabe von Generation zu Generation gewesen, die eben aus den Erfahrungen heraus, insbesondere um die vorletzte Jahrhundertwende und die man sozusagen am eigenen Leibe erlebt hat, nämlich daß man von Parolen nicht satt wird.
Daran ist wohl viel Wahres, denn die Generation, die heute den Kern der Linken bildet, ist eine der ersten, die auch mit einer "Diät" aus Parolen satt werden konnte, dank einer Rundumversorgung durch den Staat. Gruss, Elmar
Ja, lieber Elmar, ... und dann hätte möglicherweise auch die Wiedervereinigung viel eher stattgefunden. Wäre mal ein interessanter Gedanke, die Wende so vor 30/40 Jahren, statt vor 20 Jahren. Hätte das etwas geändert? Ich glaube ja, wir hätten heute nur eine Zeche zu bezahlen.
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