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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Pro und Contra
califax Offline




Beiträge: 1.502

24.01.2009 21:31
Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Über das Transatlantic Forum bin ich auf ein Interview aufmerksam geworden, daß ich hochinteressant finde. Ich kann leider nicht einschätzen, wie gut fundiert die geäußerten wissenschaftlichen Ansichten sind. Außerdem sind die politischen Aussagen für jemanden wie mich, der von dieser Gegend noch weniger Ahnung hat als von organischer Chemie, natürlich nur mit großer Vorsicht zu genießen. Aber interessant ist es zunächst einmal. Wer Englisch kann und sich nur ein wenig für Sprache interessiert, sollte es unbedingt lesen. Auf eine Übersetzung verzichte ich nur ein bißchen aus Faulheit und ganz eindeutig weil ich kein Experte im Urheberrecht bin. ;)

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.01.2009 22:01
#2 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Ja, ein interessantes Interview!

Ich greife mal eine Punkt heraus:

Zitat von Interview
CD: Grammatical multilingualism? I can understand vocabulary, loan-words, shared by co-existing languages, but what examples are there of grammar influence in the Balkan languages?

VF: The replacement of infinitives by analytic subjunctive clauses using native material is an example of a shared grammatical feature among Balkan languages.

CD: Meaning the particle, like ‘na’ in Greek and ‘da’ in Macedonian?

VF: Yes. And what is really interesting is that even the Balkan dialects of Turkish, but only the Balkan ones, replace the infinitive with an optative- a verb form like a subjunctive but without a particle.

Die Psycholinguistik unterscheidet zwischen Compound Bilinguals und Coordinate Bilinguals. Compound Bilinguals haben die beiden Sprachen im selben Kontext gelernt, also in der Regel als Kinder. Zum Beispiel, indem sie in einer zweisprachigen Familie aufwachsen. Coordinate Bilinguals haben eine Muttersprache und dann später die zweite Sprache gelernt.

Die Compound Bilinguals haben im Allgemeinen ein einziges Sprachsystem. Die Coordinate Bilinguals scheinen getrennte Systeme zu haben; auch neurologisch gesehen.

Dieses "Abfärben" der Grammatik der einen auf die andere Sprache deutet darauf hin, daß die Betreffenden Compound Bilinguals sind; also entweder in einer zweisprachigen Familie aufgewachsen; oder sie haben die beiden Sprachen parallel zu Hause und auf der Straße gelernt.

Eigentlich müßten die türkischen Einwanderer nach Deutschland eine Fundgrube für solche Studien sein.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

24.01.2009 22:39
#3 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Wenn man sich beispielsweise die syntaktischen Anglizismen im Deutschen anschaut, ist es gar nicht so einfach, zwischen Compound und Coordinate zu unterscheiden. Beides tritt wohl oft gemeinsam auf. :)
Andererseits gibt es auch normative Einflüsse im Deutschen (wie auch im Englischen), die auf das hohe soziale Prestige von Lateinkenntnissen in der Vergangenheit zurückgehen.
Ich habe hier ein billiges Sonderangebot auf dem Nachttisch liegen, eine Übersetzung von Caesars Werken. Da hat man sehr oft den Eindruck, daß der Übersetzer unbedingt lateinische Sprachmittel aufs Deutsche quetschen wollte.
Auch so etwas kann, wenn es zum Vorbild wird, eine Sprache stark beeinflussen und "künstliche" Gemeinsamkeiten zu anderen Sprachen schaffen.
Da liegt auf jeden Fall Material für viele, viele Magister- und Doktorarbeiten:
Schwach integrierte bzw. assimilationsresistente Einwanderer für Compound, domainspezifische Sprachen wie Fachchinesisch oder Musikslang für Coordinate und alltägliche bzw. gelehrt/altklug klingende Redewendungen für Übersetzungen normativer, bzw. vorbildlicher Werke (Lutherbibel, Shakespeare, Homer, ...).

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.01.2009 23:59
#4 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Zitat von califax
Ich habe hier ein billiges Sonderangebot auf dem Nachttisch liegen, eine Übersetzung von Caesars Werken. Da hat man sehr oft den Eindruck, daß der Übersetzer unbedingt lateinische Sprachmittel aufs Deutsche quetschen wollte.

Ja, ich vermute, daß es da sogar einen erheblichen Einfluß gibt. Vermutlich hat das auch jemand untersucht. Diese Perioden bei Kant zB sind pures Latein. Veilleicht eignet sich auch das Deutsche besonders dazu, vom Latein beeinflußt zu werden, weil i beiden Sprachen die Wortstellung wenig festgelegt ist. Hat nicht auch schon mal jemand behauptet, es läge an der gemeinsamen hohen Intelligenz der Deutschen und der alten Lateiner, überhaupt solche Satzungetüme bewältigen zu können?
Zitat von califax
Da liegt auf jeden Fall Material für viele, viele Magister- und Doktorarbeiten:
Schwach integrierte bzw. assimilationsresistente Einwanderer für Compound, domainspezifische Sprachen wie Fachchinesisch oder Musikslang für Coordinate und alltägliche bzw. gelehrt/altklug klingende Redewendungen für Übersetzungen normativer, bzw. vorbildlicher Werke (Lutherbibel, Shakespeare, Homer, ...).

Um noch mal auf den Balkan zu kommen: Das Serbokroatische ist insofern interessant, als es (als vermutlich einzige Sprache, jedenfalls eine von wenigen) zwei Schriftsysteme hat: die lateinische Schrift für die Kroaten und die kyrillische für die Serben.

Mit Geschick und Tücke kann man da also Wörter finden, die auf eine aparte Art mehrdeutig sind: Je nachdem, ob man die Buchstaben als kyrillische oder als lateinische liest. Damit hat mal Michael Turvey von den Haskins Laboratories experimentiert, um Theorien des Lesens zu testen.

Und in einer Zeitschrift habe ich mal, zur Zeit des alten Jugoslawien, eine Reportage aus Belgrad o.ä. gelesen, in der der Reporter schrieb: "Wir sitzen im Lokal Pectopah". Er hatte das kyrillische PECTOPAH für einen lateinisch geschriebenen Restaurant-Namen gehalten.

Versuchen Sie, lieber Califax, einmal das Wort lateinisch und kyrillisch zu lesen. Nicht wahr, kyrillisch sieht es ganz anders aus?

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

25.01.2009 00:09
#5 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Da ist Ihre Wortwahl ziemlich treffend. Es sieht wirklich aus. Wenn ich es kyrillisch lese, ergibt es eben nicht nur einen Sinn, sondern buddelt auch andere Buchstabenmuster in meinem Hirn aus.
Zum Beispiel finde ich es in der mir angezeigten Form ausgesprochen häßlich wegen des 'H' und des 'P'.
Da gehören anständige Serifen dran. Außerdem scheint mir die Proportion nicht zu stimmen.
Es ist einfach häßlich.
Aber als lateinische Schrift geht es in Ordnung.
Ein Bekannter hat mal beim Basteln einen Hammer weggeschmissen: "Scheißschraubenzieher! Hat niemand einen besseren?" ;)

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2009 01:37
#6 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Zitat von califax
Aber als lateinische Schrift geht es in Ordnung.

Anderes Beispiel :

96 97 98 99 l00 l0l l02 l03

;-) :-( cu lol lolrof

Sieht verschieden aus, oder?

Herzlich, Zettel

PS: In Courier ist es überzeugender

Libero Offline



Beiträge: 393

25.01.2009 18:45
#7 RE: Sprache, Politik und Nationalstaat Antworten

Zitat von Zettel

Eigentlich müßten die türkischen Einwanderer nach Deutschland eine Fundgrube für solche Studien sein.

Herzlich, Zettel


Lieber Herr Zettel

Die Sprachgewandten sind es. Das sind meistens junge Frauen, die in einer Sprachgeschwindigkeit, die ich sonst nur aus dem romanischen Raum kenne, zwischen Deutsch und Türkisch wechseln, das einem schwindlig wird. Sie sprechen auch meistens sehr gut und akzentarm deutsch.

Das sollte man nicht übersehen, daß es auch diese jungen Immigranten gibt.

Das Traurige sind die unbeholfenen und maulfaulen Heranwachsenden, die weder deutsch noch die Muttersprache ihrer Eltern ausreichend gut beherrschen. Das sind die Spracharmen. Das ist eine Art von Armut, die nicht zu Hunger und den Körpern führt, der die normale Armut kennzeichnet. Es ist eine Ausgezehrheit des Geistes.

Libero

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